Satire

Satire (lat. satira = Spottgedicht; von satura (lanx): mit Früchten gefüllte Schale, buntgemischtes Allerlei; wird auch fälschlich auf Satyr zurückgeführt) ist eigentlich eine Spottdichtung, die mangelhafte Tugend oder gesellschaftliche Missstände anklagt. Der Begriff geht zurück auf die Spottverse des römischen Dichters Lucilius (ca. 180–102 v. Chr.), die eine Emanzipation von der bis dahin griechisch geprägten Dichtkunst markierten. Anfangs als sermones bezeichnet, standen in den ersten drei Jahrhunderten beide Begriffe nebeneinander, bis sich mit dem boshaften Schriftenzyklus aus 16 Satiren von Juvenal (ca. 60–140 n. Chr.) der Begriff Satire endgültig durchsetzte

Ursprünglich eine literarische Gattung, hat sich die Satire heute auch in Film, Fernsehen, Rundfunk und Internet etabliert.

Als Stilmittel bedient sich die Satire häufig der extremen Übertreibung, oft auch einer Übertretung der Grenzen dessen, was vom Publikum als "guter Geschmack" empfunden wird. Sie verzerrt Sachverhalte, hebt Widersprüche in übertriebener Weise hervor, vergleicht sie spöttisch mit einem Idealzustand und gibt ihren Gegenstand der Lächerlichkeit preis. Zu ihren Grundeigenschaften gehört also die Einseitigkeit und Parteilichkeit bis hin zur Aggression. Satire ist also Zeitkritik mit didaktischer Intention und humoristischer Tendenz. Ihr Verständnis ist darum auch stets an das soziale und historische Umfeld ihrer Entstehung gebunden.

Geschichte

Antike

In der antiken Literatur unterscheidet man formal zwischen der Lucillischen Satire (Verssatire) und der Varronischen oder Menippeischen Satire (die Vers und Prosa mischt). Klassisches Beispiel für die letztere ist Senecas Apocolocyntosis ("Verkürbissung" des Kaisers Claudius). Inhaltlich wird zwischen der Horazischen Satire (scherzhaft und komisch) und der Juvenalischen Satire (strafend, pathetisch) unterschieden. Satirische Schriften verfassten außer den Genannten noch Apuleius, Gaius Petronius Arbiter, Aristophanes, Ennius, Lukian, Martial und Persius

Nach dem Literaturwissenschaftler Michail Bachtin reicht die Menippeische Satire als Gattung weit über ihre antiken Wurzeln hinaus. Menippeische Satiren sind durch äußere Formlosigkeit, freien Wechsel der Perspektive und das freie Spiel mit allen Gattungen und Formen gekennzeichnet. Bachtin sieht darin das Prinzip des Karnevals, das in den Volkskulturen Europas eine zentrale Rolle spielt und auch in der Literatur aufzufinden ist. Moderne Beispiele sind etwa Rabelais' Gargantua und Pantagruel, Laurence Sternes Tristram Shandy oder die Wunderbare Geschichte von BOGS dem Uhrmacher von Clemens Brentano und Joseph Görres.

Humanismus

Die Satiren des Humanismus, wie Sebastian Brants Narrenschiff (1494) und Erasmus von Rotterdams Lob der Torheit (1509) waren hauptsächlich auf die christlich-humanistische Kritik von Sitten und Untugenden der Zeitgenossen gerichtet, die sie mit didaktischer Strenge zu verbessern trachteten. Zu den satirischen Autoren der Zeit gehören auch Johann Fischart, Ulrich von Hutten, Johann Geiler von Kaysersberg und Thomas Murner (siehe auch Narrenliteratur).

Die Volksbücher Till Eulenspiegel (ca. 1510) und Die Schiltbürger (1598) folgten einer anderen Tradition: der des Hofnarren oder Schelmen, der Streiche spielt. Auf Bühnen und bei Volksfesten finden sich politischer Spott gegen Herrschende und Beherrschte in Burlesken und Fastnachtsspielen. Autoren satirischer Fastnachtsspiele sind u.a. Pamphilus Gengenbach und Niklaus Manuel.

Barock, Aufklärung und Romantik

Im Barock gehörten Satiren in Theater und Dichtung zu den Werken der wichtigsten Schriftsteller, unter anderen bei Andreas Gryphius, Johann Wilhelm Lauremberg und Johann Michael Moscherosch.

Im Zeitalter der Aufklärung florierte die Satire als didaktisches Mittel, mit der die philosophischen und pädagogischen Ziele befördert werden sollten. Zu den namhaftesten Satirikern der Aufklärung zählen Georg Christoph Lichtenberg, Christian Ludwig Liscow, Jean Paul, Gottlieb Wilhelm Rabener, Christoph Martin Wieland; im England Henry Fielding, John Gay. Alexander Pope, Laurence Sterne, Jonathan Swift, in Frankreich Voltaire.

Zu den Literatursatiren, die Werke literarischer Epochen oder Autoren persiflieren, gehören Cervantes' Don Quijote (1605-1615) und Jonathan Swifts Gulliver's Travels (1726). Die Satire der Romantik war zum großen Teil Literatursatire (Clemens Brentano, Friedrich Schlegel, Ludwig Tieck), aber auch politisch (Heinrich Heine, Ludwig Börne).

1840 - 1945

Seit dem 18. Jahrhundert haben sich satirische Zeitschriften verschiedener politischer Richtungen etabliert. In England wurde 1841 Punch gegründet, das sich in Anlehnung an den Pariser Le Charivari auch The London Charivari nannte. Die ersten deutschsprachigen satirischen Magazine waren Kladderadatsch (1848), Ulk (1872), der immer noch erscheinende Schweizer Nebelspalter (1875), Der Wahre Jacob (1879 bzw. 1884) und Simplicissimus (1896). Dabei gesellte sich der literarischen Satire in ihren verschiedenen Formen das Bildmedium hinzu: Die Karikatur, eine satirische Bildgattung, die seit der Antike existiert, vereinigte sich mit kurzen, prägnanten Texten zum Cartoon, der gesellschaftliche Themen scherzhaft behandelt oder auf Wortspielen und visuelle Gags aufbaut. Die politische Karikatur genießt durch die Verbreitung in Magazinen und Zeitungen jedoch nach wie vor Beliebtheit.

Zu den Satirikern der Weimarer Republik zählen Karl Kraus und Kurt Tucholsky. Nennenswert sind auch die gesellschaftskritischen Romane Professor Unrat und Der Untertan von Heinrich Mann. Nach 1933 wurden unter der Diktatur des Nationalsozialismus satirische Zeitschriften eingestellt, die Schriftsteller ins Exil gejagt. Viele satirische Werke wurden Opfer der Bücherverbrennungen und der Zensur.

Nachkriegszeit

Nach dem Zweiten Weltkrieg war es die so genannte Neue Frankfurter Schule, die die deutsche Satire entstaubte und zu neuen Höhen führte, eine Gruppe von Satirikern, zu denen unter anderem Robert Gernhardt, F. K. Waechter, Eckhard Henscheid und Chlodwig Poth gezählt werden. Gemeinsames Forum war vor allem die Satirezeitschrift Pardon (1962). Weil der Verleger den Kurs des Hefts änderte, gründeten Pardon-Mitarbeiter 1979 das Satireheft Titanic, das nach wie vor monatlich erscheint.

Erfolgreicher als die Neue Frankfurter Schule waren in Deutschland, gerechnet an den Verkaufszahlen, allerdings die bürgerlichen Satiren von Ephraim Kishon und Loriot.

In der DDR erschien ab 1954 das Magazin Eulenspiegel, das nach wie vor existiert und im Gegensatz zur Titanic eine klassische politische Satire pflegt.

Gegenwart

Presse

Die taz hat eine tägliche Satireseite, Die Wahrheit, für die unter anderem Wiglaf Droste regelmäßig schreibt.

Im Jahr 2004 wurde Pardon unter Leitung von Bernd Zeller wiederbelebt. Sie erscheint vierteljährlich.

Film, Fernsehen, Rundfunk

Zu den ältesten regelmäßigen Satiren im deutschen Fernsehen gehört die Kabarettsendung Scheibenwischer. Legendär sind auch die satirischen Beiträge der ARD-Sendung Monitor. Beliebte satirische Sendungen der Gegenwart sind die Trickfilmserien Die Simpsons und South Park, die im Unterschied zu reinen Comedy-Sendungen kritisch auf die (US-amerikanische) Gesellschaft gerichtet sind.

Viele Radiosender haben ebenfalls in den letzten Jahrzehnten satirische Sendungen in ihr Programm aufgenommen. Dazu gehören Sendungen wie Salon Helga auf FM4 oder die Gerd-Show auf NDR 2. Nicht selten handelt es sich dabei jedoch eher um Klamauk als um Kritik im eigentlichen Sinne.

Filme mit satirischer und zeitkritischer Tendenz gibt es in großer Zahl. Zu den herausragenden Filmsatiren gehören Der große Diktator (1940), Dr. Seltsam oder: Wie ich lernte, die Bombe zu lieben (1964), Das Leben des Brian (1979), Man spricht deutsh (1987) und Wag the Dog (1997). Bekannt aus jüngster Zeit sind die unterhaltsamen Politiksatiren von Michael Moore, die sich mit US-amerikanischer Innen- und Außenpolitik beschäftigen.

Das Internet hat sich als Medium für Satire bis jetzt nur bedingt etabliert. Zwar tummeln sich sowohl im deutschsprachigen wie im internationalen Raum zahlreiche Seiten mit Inhalten satirischer Natur, ihre tatsächliche Reichweite ist jedoch häufig minimal. Zudem lässt das Problem der Finanzierung von kaum ständig redaktionelle Betreuung von Internetinhalten zu. Satirische Seiten sind daher oft Ableger von Printausgaben (wie z.B. Titanic). Zu den Ausnahmen zählt die amerikanische Satireseite The Onion, die neben einer kleinen Printauflage hauptsächlich über das Internet publiziert wird.