Sachverhalt

Ein Sachverhalt ist eine Beziehung, in der beliebige Dinge zueinander stehen. Ein Sachverhalt setzt voraus, daß Dinge existieren, nicht die Wahrnehmung dieser Dinge.

Ein Sachverhalt kann mit einer mathematischen Formel formuliert werden: „Die Winkelsumme im Dreieck beträgt 180 Grad“. Er kann mit Personen, Dingen und Ereignissen formuliert sein: „Ich trank zwei Bier, und möchte diese bezahlen“. Er kann in einem Fachgebiet bestehen: „Die deutsche Sprache kennt vier Fälle, Nominativ, Genitiv, Dativ und Akkusativ“. Grundsätzlich muss ein sinnvoll formulierter Sachverhalt die Nachfrage erlauben: „Verhält sich das so oder nicht?“ Die Aussage eines Sachverhalts ist dabei nur insofern sinnvoll, wie sie sich mit einer Vorstellung davon verbinden lässt, was der Fall sein soll, wenn sie wahr ist: Wir müssen wissen, was ein „Dreieck“ sein soll und eine „Winkelsumme von maximal 360 Grad“; der Ober muss die Aussagen zu den Bieren, die ich trank, theoretisch verifizieren oder falsifizieren können, will er beurteilen, ob ich tatsächlich zwei Biere trank; der Sprachforscher muss einen Begriff davon haben, wann er in einer Sprache etwas als einen „Kasus“ einstuft, um sagen zu können, wie viele Fälle es in der deutschen Grammatik gibt.)

Die logischen Grenzen sinnvoller Aussagen von Sachverhalten

Die eingehenderen Erwägungen dazu, wo die Grenzen sinnvoll formulierter Sachverhalte liegen, und in wie weit sich mit Formulierungen von Sachverhalten alle verfügbare Tatsachen abbilden lassen, formulierte Ludwig Wittgenstein 1922 im Tractatus Logico-Philosophicus. Er notierte dabei, dass sinnvolle Aussagen zu Sachverhalten weder eine Vorabkenntnis der Naturgesetze noch der mit ihnen erfassten Realität benötigen:

Dass der Kölner Dom 37 km hoch ist, formuliert sinnvoll einen (was unser Verständnis der Aussage anbetrifft:) „möglichen“ Sachverhalt. Die Formulierung ist sinnvoll, da wir wissen, bei welcher (noch so unwahrscheinlichen) Befundlage wir sagen würden: „Das ist tatsächlich der Fall“. (Die Aussage wäre wahr, wenn man den Kölner Dom tatsächlich bis in die Stratosphäre hinauf gebaut hätte - so klar ist unsere Vorstellung davon, was der Fall wäre, wenn sie wahr wäre.)

  • Alles, was uns als Tatsache begegnet, lässt sich theoretisch mit einem Satz notieren, hinter den wir setzen können: "ist der Fall". Der Raum aller Tatsachen befindet sich damit innerhalb des Raums aller sinnvoll formulierbaren Aussagen zu Sachverhalten bzw. ist eine Untermenge davon.
  • Einen weniger eindeutigen Status habe im Bereich der Sachverhalte Aussagen zu Kausalität sowie ethische, moralische und ästhetische Bewertungen.
    • Es ist klar, was der Fall sein soll, wenn etwas „immer dann“ geschieht, wenn eine bestimmte Ausgangsbedingung gegeben ist. (Wir können dann den Versuch wiederholen und feststellen, dass tatsächlich „immer“ unter den gegebenen Bedingungen das nachfolgende eintritt.) Es ist jedoch unklar, was demgegenüber der Fall sein sollte, wenn es geschieht „weil“ diese Ausgangslage zustandekommt. (Es gibt keine zwei Versuchsaufbauten, mit denen wir unterscheiden können, ob es nur geschieht „wenn“ oder ob es durchaus geschieht „weil“ die Ausgangslage gegeben ist.)
    • Aussagen wie „Du sollst nicht töten“, oder „gerade Linien sind schön“ lassen letztlich offen, was der Fall sein soll, wenn sie wahr oder falsch sind, sie bezeichnen Grundsatzentscheidungen, nicht Sachverhalte. (Ein Sachverhalt bleibt, dass „Du sollst nicht töten!“ eines der Gebote des Dekalogs ist, womit aber noch nichts über die Wahrheit des Gebots selbst gesagt ist, darüber, ob sich die Dinge verhalten, wie in dem Gebot bezeichnet – der Imperativ ist keine Aussage dazu, wie sich Sachen zueinander verhalten

Rechtswissenschaft

In der Rechtswissenschaft ist ein Sachverhalt die kompakte und abgeschlossene Beschreibung eines Ereignisses oder eines Geschehens, das durch ein Gutachten oder in einem Verfahren auf seine Folgen hin zu untersuchen ist.

In der Rechtswissenschaft wird der Sachverhalt als Ausgangspunkt aller gesammelten Fakten eines rechtlichen Problems gesehen, dessen Lösung in ein Gutachten oder Urteil mündet. Dabei ist der Bearbeiter des Sachverhalts gehalten, keine Fakten hinzuzufügen oder unberücksichtigt zu lassen, wenn diese wesentlich sind. Der von Jurastudenten häufig gemachte Fehler, Fakten hinzuzufügen, die sich nicht aus dem Sachverhalt ergeben, wird "Sachverhaltsquetsche" genannt.

Die grundlegende Fragestellung zu einem Sachverhalt bezeichnet man auch als Kardinalfrage.

Siehe auch: [[Evidenzverhalten]hi