Ostfriesland zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges

Ostfriesland um 1600, gezeichnet von Ubbo Emmius

Der 1618 ausgebrochene Dreißigjährige Krieg hatte für Ostfriesland zunächst keine militärischen Folgen, und auch später fanden hier keine Kämpfe statt. Die Grafschaft selbst war in diesem Konflikt um Religion sowie Hegemonie oder Gleichgewicht zwischen den Mächten Europas neutral geblieben. Trotzdem fungierte die Gegend als Ruheraum für einige Truppen mit verheerenden Folgen, da diese sich an der Bevölkerung schadlos hielten. Von 1622 bis 1624 waren es die Truppen von Mansfeld, von 1627 bis 1631 katholische Truppen der Armee Tillys und schließlich von 1637 bis 1651 hessische Truppen.

Dem Dreißigjährigen Krieg folgte eine bis dahin nicht gekannte Machtentfaltung der ostfriesischen Stände, die sich weitgehend unabhängig vom jeweiligen Landesherrn machten. Der Versuch, die landesherrliche Macht wiederherzustellen, schlug fehl. Aus der Vertretung der ostfriesischen Stände ging später die Ostfriesische Landschaft hervor, die noch deren Wappen führt, sich inzwischen aber von einer politischen Institution zu einer Einrichtung der Kulturpflege gewandelt hat.

Das Fürstentum Ostfriesland kam unter den Einfluss der Niederlande und lehnte sich politisch, kulturell und wirtschaftlich eng an diese an. Die Niederlande stationierten an zentralen Orten Truppen, darunter in Leerort bei Leer und in Emden.[1]

Die Region im 17. Jahrhundert

Die Schlacht von Jemmingen, dargestellt von Frans Hogenberg

Die Grafschaft Ostfriesland war zu Beginn des 17. Jahrhunderts zutiefst gespalten. Die Grafen agierten äußerst ungeschickt und sahen sich starken Ständen gegenüber, innerhalb derer die Stadt Emden vor allem seit der Emder Revolution weitgehend selbstständig handelte. Unterstützung in ihrer Politik gegen die Zentralgewalt erfuhren die Stadt und die Landstände dabei von den benachbarten Niederlanden, die sich immer wieder in innerostfriesische Konflikte einschalteten, Truppen im Lande stationierten und es wie einen Satelliten sowie als strategisch günstig gelegenen Rückzugsraum behandelten. So war das Land bereits 1568 in die Auseinandersetzungen der niederländischen Freiheitskriege geraten. In diesem Jahr wichen niederländische Truppen, die so genannten Geusen, unter ihrem Anführer Ludwig von Nassau-Dillenburg nach der Schlacht von Heiligerlee ins Rheiderland aus. Spanische Truppen unter Herzog Alba folgten ihnen. Am 21 Juli 1568 trafen die beiden Verbände in der Schlacht von Jemgum aufeinander, die mit einem Sieg der Spanier endete. Albas Heer zog anschließend drei Tage lang plündernd, brandschatzend und vergewaltigend durch das Rheiderland.

Die schwache Stellung des Landesoberhauptes zeigt sich auch in der Unfähigkeit, im Lande ein bestimmtes Bekenntnis durchzusetzen. Das im Augsburger Religionsfrieden von 1555 niedergelegte Rechtsprinzip des Cuius regio, eius religio (lateinisch für: wessen Gebiet, dessen Religion) ließ sich hier nicht durchsetzen. So existierten lutherischer Protestantismus und Calvinismus in Ostfriesland nebeneinander, ohne dass dabei eine Konfession die Oberhand gewinnen konnte. Vielmehr setzte sich eine Spaltung des Landes in einen lutherischen Osten und einen calvinistischen Westen durch. Katholische Kirchen hingegen gab es nach der Reformation in Ostfriesland nicht mehr, katholische Christen kaum noch.[2]

Peter Ernst II. von Mansfeld in Ostfriesland (1622–1624)

Peter Ernst II. von Mansfeld

Vorgeschichte

Peter Ernst II. von Mansfeld befand sich seit 1611 im Dienst der Protestantischen Union und zog zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges 1618 zur Unterstützung der evangelischen Stände nach Böhmen, wo er bis Mai 1621 blieb. Anschließend diente er dem geächteten Pfalzgrafen Friedrich (dem vertriebenen Winterkönig von Böhmen) als Heerführer im Kampf um die Kurpfälzer Stammlande. Schwere Niederlagen gegen übermächtige Gegner zwangen Mansfeld zum schrittweisen Rückzug und im Juli 1622 wurde er mitsamt dem Söldnerheer vom Pfalzgrafen entlassen, nachdem dieser mit dem Kaiser einen Waffenstillstand vereinbart hatte. Bereits seit 1621 hatte er Verbindungen zu den Generalstaaten und gewann ihre finanzielle Hilfe für die Erhaltung seines Heeres; 1622 stand er schließlich für einige Monate ganz in niederländischen Diensten. [3].

Auf der Suche nach einem Winterquartier wurden die Mansfeldschen Truppen im November 1622 dann von ihren Dienstherren nach Ostfriesland geleitet. Die Niederlande konnten die Verlegung der Truppen als positive Reaktion auf Bitten des Emder Rats nach Unterstützung und zum Schutz gegen den Grafen begründen. Tatsächlich befanden sich die Generalstaaten bereits seit 1568 im Unabhängigkeitskrieg mit Spanien. Obschon seit 1609 ein Waffenstillstand galt, flammten die Kämpfe am Anfang des Dreißigjährigen Krieges ab 1621 wieder auf. So geriet Ostfriesland in den Sog europäischer Auseinandersetzungen. Für die Niederländer war die Region somit vor dem Zugriff der Spanier geschützt und die Truppen Mansfelds waren nahe genug verfügbar, um sie im Ernstfall einsetzen zu können; ohne dabei jedoch eigenes Gebiet mit der Einquartierung und Versorgung belasten zu müssen.[4]

Einquartierung der Truppen

Emden um 1640
Gut erkennbar die 1606 bis 1616 errichteten Festungsanlagen

Die Verlegung des mansfeldschen Heeres verlief zügig und ohne geschlossene Gegenwehr des tief gespaltenen Ostfrieslands. Schnell waren die wichtigsten gräflichen Burgen besetzt. Bereits am 3. November 1621 hatten Mansteins Truppen Meppen besetzt, um den Nachschub über die Ems zu sichern. Von hier besetzte er schnell das Rheiderland mit Leer (6000 Taler Kontribution). Die chronisch unterbesetzten Festungen Stickhausen, Greetsiel und Friedeburg ergaben sich kampflos. Der machtlose Graf Enno III. gab gar seine Residenz Aurich preis und zog sich nach Esens zurück. Die ihm folgenden Mansfeldschen Truppen erbeuteten dabei 300.000 in Fässer abgepackte Reichstaler. Diese waren laut den Bestimmungen des Berumer Vergleichs als Abfindung für die Abtretung des zunächst nicht zu Ostfriesland gehörenden Harlingerlandes durch die Grafen von Rietberg gedacht. Ostfriesland litt in der Folgezeit große Not. Die auswärtigen Truppen ernährten sich aus dem Lande und wurden durch Anwerbungen noch verstärkt. Einzig die Stadt Emden konnte sich, geschützt durch den kurz zuvor fertiggestellten Emder Wall, Mansfeld widersetzen. Als dieser einige Dörfer der Umgebung besetzte, verlangten die Emder von den Generalstaaten Hilfe, die nicht kam. Die Stadt war aber gut gerüstet. Der Festungsbaumeister Johann von Falkenburg hatte die Stadt von 1606 bis 1616 auf den neuesten Stand der Verteidigungstechnik gebracht. So konnten sie ihre Umgebung gezielt unter Wasser setzen, was sie zur Demonstration auch tat. Ferner rissen sie den Vorort Barenburg ab um freies Schussfeld zu haben.

Mansfeldsche Pläne für Ostfriesland

Datei:Tilly01.jpg
Johann t'Serclaes von Tilly, Stich von Pieter de Jode d. Ä.

Mansfeld selbst nahm zunächst Quartier in Greetsiel. Von hier aus verhandelte er zunächst mit Spanien, später mit Dänemark, um seine Position zu stärken. Geschickt wusste er dabei auch die innerostfriesischen Auseinandersetzungen für seine Ziele zu nutzen. So versuchte er hier, sich eine legitime Stellung im Hochadel zu verschaffen. Er bat den Grafen Enno III. um die Hand von dessen Tochter Christine Sophia, welche sich aber verweigerte.[5]

Ende November 1622 schlug er der Stadt Emden und der Ritterschaft ein festes Bündnis mit den Niederlanden vor. Mansfeld sah für sich hier die Position des Gubernators vor, dem die Organisation der Landesverteidigung obliegen sollte. Die mansfeldschen Pläne sahen weiterhin vor, dass die münsterschen Ämter Cloppenburg, Meppen, Vechta und Wildeshausen der Grafschaft angeschlossen werden. Die gräfliche Zentralgewalt sollte dabei auf ihre althergebrachten Einkünfte mit Ausnahme der Klostergüter – die neben weiteren Steuern zur Finanzierung der Landesverteidigung gedacht waren – beschränkt werden. Deutlich zeigte Mansfeld hier sein Interesse, sich als eigentlicher Herr im Lande anerkennen zu lassen. Die Stände lehnten das Ansinnen dann auch ab und suchten in der Folgezeit nach Mitteln und Wegen, sich von den landfremden Truppen zu befreien und diese zum Abzug zu bewegen.[4] Die Generalstaaten hingegen, von den Ostfriesen als einflussreichster Helfer Mansfelds angesprochen, reagierten kühl auf das Ansinnen. So blieb Mansfeld auch 1623 im Lande. Inzwischen rückte von Süden das Heer des Kaiserlichen Feldherren Tilly auf Ostfriesland zu, um den Ausbau der Region zur Festung zu verhindern. Damit drohte das Land zum Kriegsschauplatz zu werden. Anfang September stand Tilly südlich von Oldenburg, verzichtete aber auf eine Offensive gegen Mansfeld, weil ihm das Risiko eines Angriffs auf das schwer zugängliche Ostfriesland zu hoch war.[4]

Offene Auseinandersetzungen und Verhandlungen über den Abzug

Die Region war durch die inzwischen 17 monatige Besetzung ausgezehrt. Zu den Belastungen durch die landfremden Mächte kamen noch Kälte, Hunger und Seuchen. Seit Sommer 1623 wucherte die Pest durchs Land. So verlor zum Beispiel die kleine Residenzstadt Aurich in dieser Zeit durch die Pest 800 Einwohner. [6]. Auch die Stadt Emden, obgleich von der Pest verschont, begann die Belastungen nun immer stärker zu spüren. Immer mehr Flüchtlinge aus der Grafschaft drängten sich in Ihren Mauern und die Stadt begann zunehmend unter dem wirtschaftlichen Verfall des Hinterlandes zu leiden. Allmählich begann die Stadt, Widerstand gegen Mansfeld zu leisten. In der Folgezeit verstärkte sich dies mehr und mehr zu einer feindseligen Konfrontation. Als Mansfeld nach dem Abzug der Truppen Tillys im Herbst 1623 seine Artillerie und anderes Kriegsmaterial von Leer nach Greetsiel transportieren ließ, gelang es den Emdern, dieses Schiff abzufangen und die gesamte Ladung zu erbeuten. Zudem bemühte sich die Stadt, Mansfeld den Seeweg abzuschneiden. Die Folgen dieser Blockade waren für Ostfriesland verheerend. Die ohnehin wirtschaftlich ruinierte Grafschaft wurde durch die von steigender Hungersnot geplagten Truppe heimgesucht. Wie stark die Belastungen durch auswärtige Truppen die ostfriesische Bevölkerung traf, lässt sich einer Chronik aus dieser Zeit entnehmen: Schlemmen, Bauern Schinden, Weiber schänden war ihr tägliches Handwerk. Unterweil liefen Sengen und Brennen mit unter…[7] Die ostfriesische Bevölkerung reagierte darauf mit Abwehr- und Racheaktionen. Allmählich begannen die Verhältnisse in der Region sich zum offenen Kriegszustand zu entwickeln. Für die Generalstaaten waren die Zustände in Ostfriesland bald nicht mehr haltbar und so vermittelten sie, die die Truppen ja überhaupt ins Land geholt hatten, zwischen Mansfeld und den Ostfriesen über die Bedingungen des Abzuges. Mansfeld, der durch die Verwüstung Ostfrieslands sich selbst seiner Basis beraubt hatte[5], verlangte dafür 300.000 Gulden. Diese Summe im Lande aufzubringen war nicht möglich. Schließlich boten die Niederländer an, diese Summe vorzustrecken. Am 12. Januar 1624 unterschrieb Mansfeld den Abzugsvertrag und entließ seine Söldnertruppen bei Stickhausen.[8]

Folgen und weitere Entwicklung

Obgleich Mansfeld das Land als Basis nutzen wollte, konnte er die Plünderungen durch seine eigenen Truppen nicht verhindern. Im Umkreis der Lager war 90 % der Bevölkerung verschwunden, was mit dem Niederbrennen des nun verlassenen Hauses bestraft wurde, so das in vielen Orten nur noch ein Bruchteil der ursprünglichen Häuser stand. Der Begriff Mansfelder wurde zu einer volkstümlichen Bezeichnung von Mörder- oder Räuberbanden.[5]

Die ostfriesische Gesellschaft blieb auch nach dem Abzug der Mansfeldschen Truppen weiter gespalten. So lehnte es die Stadt Emden ab, sich an der Rückerstattung jener 300.000 Gulden zu beteiligen, die Mansfeld für seinen Abzug verlangt hatte.[5]

Kaiserliche Truppen in Ostfriesland (1627–1631)

Matthias Gallas

Vorgeschichte

In den folgenden fast vier Jahren blieb Ostfriesland von Einquartierungen fremder Truppen und anderen Auswirkungen des Krieges weitgehend verschont. Dies änderte sich erst, als 1627 katholische Verbände der Armee Tillys unter dem Obersten Gallas in die Grafschaft einrückten. Wiederum geriet Ostfriesland dabei in den Sog auswärtiger Ereignisse. Seit 1626/27 führten Tilly und Wallenstein mit großem Erfolg einen Feldzug gegen König Christian IV. von Dänemark und Norwegen sowie seine norddeutschen Verbündeten. In der Folgezeit benötigten diese Truppen Winterquartiere.

Ostfriesland, obgleich nach wie vor neutral in diesem Konflikt, wurde so erneut von fremden Truppen besetzt und durch innere Konflikte unfähig, eine gemeinsame Landesverteidigung aufzubieten, die sich den Truppen hätten entgegenstellen können. So weigerte sich Emden, durch seine Verteidigungsanlagen gut geschützt, ein städtisches Aufgebot zur Sicherung der ostfriesischen Landesgrenzen aufzubieten. Der Graf auf der anderen Seite war nicht zu bewegen, seine Einkünfte aus dem Harlingerland und aus den säkularisierten Klostergütern für die Landesverteidigung aufzubringen. So stand das Land erneut völlig schutzlos den auswärtigen Mächten gegenüber, die es als Rückzugsraum für ihre Truppen nutzten.

Besatzung und Abzug

Rudolf Christian
Burg Berum

Im Dezember 1627 zogen drei Regimenter des Tillyschen Heeres unter dem Obersten Graf Gallas in Ostfriesland zum Winterquartier ein.[9] Der Oberst Gallas nahm Schloss Berum zu seinem Hauptquartier. General Johann Jakob von Bronckhorst-Batenburg ging nach Jever, 10 Kompanien Reiterei gingen ins Rheiderland, in Friedeburg waren 600 Mann stationiert. Im ganzen Land waren nun Truppen – mit Ausnahme von Aurich (auf bitten des Grafen) und Emden.[10]

Während der Besetzung durch die kaiserlichen Truppen ereignete sich eine für Ostfriesland folgenschwere Begebenheit. Im März 1628 versammelten sich die Stände und die Kaiserlichen, um die Kontributionen zu verhandeln. Alle mussten zahlen, nur die Emder konnten sich verweigern, 6 staatische Kompanien und die Festung gaben ihnen genügend Sicherheit. Am 15. April 1628 begab sich der junge Graf Rudolf Christian nach Berum, um dort mit den kaiserlichen Befehlshabern über eine Mäßigung der Kontributionen zu verhandeln. Gemäß den damaligen Gewohnheiten wurde dabei gut gespeist und getrunken. Im Anschluss an dieses Gelage kam es zu einem Duell mit einem Lieutenant Thomas Streif der kaiserlichen Truppen, in dessen Verlauf der erst 26-jährige Graf durch einen Stich in das linke Auge tödlich verletzt wurde. Da Rudolf Christian kinderlos war, folgte ihm sein Bruder Ulrich II. als Graf von Ostfriesland nach.[9]

Im Unterschied zu den Truppen Mansfelds verhielten sich die kaiserlichen Truppen weitaus disziplinierter. Dem Grafen wurde die Residenz in Aurich gelassen. Die Truppen lebten zwar auch von den Kontributionen des Landes, zahlten aber für ihre Versorgung. Ein erheblicher Teil des von der Bevölkerung aufgebrachten Geldes floss so zurück ins Land.[4]

Ab 1630 änderte sich die militärische Lage. Der schwedische König Gustav II. Adolf griff auf Seiten der deutschen Protestanten in die Auseinandersetzungen des dreißigjährigen Krieges ein. Mit ihm wandelte sich das Kriegsglück zugunsten der Protestanten. Im Frühjahr des Jahres 1631 sammelten sich die Truppen bei Donnerschwee und rückten am 9. April 1631 ab, um an der Belagerung von Magdeburg im Mai 1631 teilzunehmen. Am 17. September 1631 gelang ihm in der ersten Schlacht bei Breitenfeld ein Sieg gegen die Kaiserlichen, die anschließend bis nach Bayern zurückgedrängt werden konnte. In Rahmen dieser Ereignisse verließen die kaiserlichen Truppen auch Ostfriesland.

Weitere Entwicklung bis 1637

Auch nach dem Abzug der kaiserlichen Truppen gelang es nicht, die innerostfriesischen Gegensätze zugunsten einer schlagkräftigen Landesverteidigung beizulegen. Sowohl der Graf als auch die Stände verweigerten aus Angst, die jeweils gegnerische Seite zu stärken, Gelder zur Finanzierung von Truppen. Die Stadt Emden hielt sich aus diesem Zwist ganz heraus und vertraute weiterhin auf ihre starken Verteidigungsanlagen sowie auf die von Graf und Ständen finanzierte Garnison, die sie ausschließlich für eigene Zwecke einsetzte.

Erneute Einquartierung fremder Truppen: Hessen 1637–1650

1637 marschierten hessische Truppen unter dem Oberbefehl des Landgrafen Wilhelm V. in Ostfriesland ein. Die Grafschaft wurde wiederum Spielball auswärtiger Interessen. Wilhelm hatte sich mit dem schwedischen König Gustav Adolf verbündet und an dessen Seite große Landgewinne für sich verbucht. Als Gustav Adolf 1632 in der Schlacht bei Lützen fiel, brach die politische Koalition, in der Hessen-Kassel so erstarkt war, zusammen und die katholische Liga gewann wieder an Kraft. In der Folge begannen kaiserliche Truppen eine Strafaktion gegen Hessen-Kassel. Wilhelm gelang es, mit mit seiner Familie und einem Großteil seiner Truppen zu fliehen. Er diente seinen 7.000 Mann starken Heeresverband der von den Niederlanden unterstützten französisch-schwedischen Allianz gegen Habsburg an. Die Niederlande boten ihm im Gegenzug in geheimen Verhandlungen Ostfriesland als Regenerierungsraum und für künftige Operationen strategisch günstig gelegene Region an. Den Niederlanden ging es dabei vor allem um den Schutz des Rheins und ihrer Handelswege. Ostfriesische Interessen wurden dabei übergangen und das Land vor vollendete Tatsachen gestellt. Nach zähen Verhandlungen einigten sich die Parteien am 23. September in Leerort auf einen Vertrag, wonach das Land für 6 Monate etwa 2500 Mann aufnehmen soll und monatlich 12.000 Taler Kontribution zu zahlen hat. Die Stadt Emden, die sich weiterhin hinter ihren Bollwerken geschützt sah, war von diesen Maßnahmen ausgenommen. Wenige Tage nach Abschluss dieses Vertrages, am 1. Oktober 1637, starb der Landgraf von Hessen in Leer. Seine Witwe Amalie Elisabeth blieb weiterhin mit den Truppen in Ostfriesland, weit über die vereinbarte Frist von sechs Monaten hinaus.

Auch die hessischen Truppen verhielten sich, durch französische Gelder unterstützt und zudem durch ostfriesische Kontributionen abgesichert, zunächst diszipliniert. Ein Großteil der Kontributionen floss denn auch als Bezahlung der Versorgungsbezüge in das Land zurück. Dennoch überwogen die Belastungen durch die Besetzung und langsam formierte sich der Widerstand, vor allem nachdem schwere Sturmfluten zu weiteren wirtschaftlichen Verlusten führten. Die ostfriesischen Verhältnisse machten ein gemeinsames Vorgehen unmöglich, so dass Ulrich II., auf die Zustimmung der lutherischen Ämter und Städte gestützt, 2.000 Soldaten anwarb, die sich im Sommer 1644 bewaffnete Scharmützel mit den hessischen Truppen lieferten. Kurz darauf protestierte die Stadt Emden mit Teilen der Ritterschaft gegen die Unterhaltung eines so starken Heeres durch den Grafen, der gezwungen wurde, seine Miliz von 2.000 auf 1.000 Mann zu reduzieren. Im Gegenzug sollten die Hessen abziehen, was aber nicht geschah. Graf Ulrich reiste nun im Frühjahr 1646 nach Den Haag, um mit den Staaten über einen Anschluss zu verhandeln. Alle, die Vorteile aus der gegenwärtigen Situation zogen, wie die Emder, die Franzosen oder Schweden, leisteten Widerstand, so musste der Graf im Juni 1646 zurückkehren. Daraufhin schickte der Graf von Ostfriesland seinen Sohn Enno Ludwig am 30. Juni 1646 auf diplomatische Mission. Dieser beschwerte sich zunächst persönlich bei einem Bevollmächtigten des Kaisers in Münster und ging dann selbst nach Wien. Auch diese Versuch, die hessischen Truppen aus dem Lande zu drängen, misslang.

1647 rückte eine kaiserliche Armee von 6000 Mann unter General Lamboy auf Ostfriesland vor und die Grafschaft drohte gegen Ende des dreißigjährigen Krieges noch zum Schauplatz blutiger Auseinandersetzungen zu werden. Die Kaiserlichen zogen in Richtung Leer und plünderten im Rheiderland. Der Hintergedanke war, die Hessen zu vertreiben und den Spanischen Truppen einen Stützpunkt zwischen Holland und Dänemark zu verschaffen. Der schwedische General Königsmark gab daraufhin die Belagerung von Paderborn auf und eilte zusammen mit dem hessischen General Rabenhaupt nach Ostfriesland. Lamboy zog sich zurück, als sich schwedische Verbände zur Unterstützung der Hessen näherten. Nur um Jemgum – von den Hessen zur Festung ausgebaut – entspannte sich ein kurzes Gefecht, am 8. November 1647 erhielt die Besatzung freien Abzug.

Die Hessen blieben noch weit über den Westfälischen Frieden hinaus im Lande. Erst im August 1650 zogen die Hessischen Truppen ab.

Kriegsfolgen

Auch wenn der Ostfriesland von größeren Auseinandersetzungen weitgehend verschont blieb, haben die Jahre der Besatzung durch fremde Truppen das Land weitgehend ruiniert und es tief gespalten zurückgelassen. Von den wirtschaftlichen und sozialen Verheerungen hat sich die Region nicht mehr erholt.[11] Graf und Stände agierten weitgehend eigenmächtig auf dem Territorium.

Vor allem die Kontributionen an die hessischen Truppen haben das Land ausgezehrt. So sind folgende Summen gezahlt worden:

  • 1646: 233.049 Gulden
  • 1647: 297.372 Gulden
  • 1648: 267.593 Gulden
  • 1649: 276.421 Gulden
  • 1650/1: 469.362 Gulden

Da die Summen nicht im Land verfügbar waren, mussten sie durch langfristige Kredite bei den Generalstaaten gedeckt werden, so dass Ostfriesland paradoxerweise Schuldner des Landes wurde, das maßgeblich dafür verantwortlich war, dass auswärtige Truppen in der Region untergebracht wurden. Zudem bedeuteten die Bestimmungen des Westfälischen Friedens beziehungsweise des Sonderfriedens der Vereinigten Provinzen der nördlichen Niederlande und Spaniens vom 30. Januar 1648, dass zwischen den Ost- und den Westfrieslanden nun eine von den damaligen Mächten anerkannte Staatsgrenze lag.[6] Spätestens seit dieser Zeit teilt sich die friesische Geschichte in eine Ost- und eine Westfriesische, die Teil der sie jeweils beherrschenden Nationen ist.

Einzelnachweise

  1. Harm Wiemann,Ostfriesland in der Zeit des 30jährigens Krieges, 1979
  2. Aurich.de: Die katholische Kirche
  3. Heinrich Schmidt: Politische Geschichte Ostfrieslands. Rautenberg, Leer 1975 (Ostfriesland im Schutze des Deiches, Bd. 5), S. 272
  4. a b c d Heinrich Schmidt: Politische Geschichte Ostfrieslands. Rautenberg, Leer 1975 (Ostfriesland im Schutze des Deiches, Bd. 5), S. 273
  5. a b c d Biographisches Lexikon für Ostfriesland: Ernst von Mansfeld
  6. a b Eberhard Rack: Landeskunde Ostfriesland, Norden 1974, ohne ISBN, S. 71
  7. Hier zitiert aus: Eberhard Rack: Landeskunde Ostfriesland, Norden 1974, ohne ISBN, S. 71
  8. Stadt-leer.de: Chronikdaten zur Leeraner Stadtgeschichte
  9. a b Biographisches Lexikon für Ostfriesland: Rudolf Christian
  10. Onno Klopp: Geschichte Ostfrieslands von 1570 - 1751, Hannover 1854–1858, S.286
  11. Krömer, Eckart; Schmidt, Heino; Lengen, Hajo van: Ostfriesland. Niedersächs. Landeszentrale für Polit. Bildung, Hannover 1987 (Schriftenreihe der Niedersächsischen Landeszentrale für Politische Bildung 5)

Literatur

  • Walter Deeters: Ostfriesland im Dreißigjährigen Krieg, in: Emder Jahrbuch für historische Landeskunde Ostfrieslands 78, 1999
  • Gerhard de Buhr: Graf Mansfelds Heiratsplan, in: Ostfriesland. Zeitschrift der ostfriesischen Landschaft und der ostfriesischen Heimatvereine, 1954, H. 2, S. 31-35
  • Wolfgang Brünink: Der Graf von Mansfeld in Ostfriesland <1622-1624> (Abhandlungen und Vorträge zur Geschichte Ostfrieslands, XXXIV), Aurich 1957
  • Walter Barton: „Der Manßfelder ligt noch in OstFrießlandt“. Zeugnisse aus der Presse der Jahre 1622-1624, in: Jahrbuch der Ges. für bildende Kunst und vaterländ. Altertümer zu Emden 71, 1991, S. 23-62.

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