Orion-Projekt

Künstlerische Darstellung einer kleinen, 6.000 t schweren Version des Orion-Raumschiffs

Im Orion-Projekt der DARPA sollte ein nukleares Pulstriebwerk als Antrieb für Raumschiffe entwickelt werden. Das Projekt wurde 1957 von General Atomics unter der Leitung von Theodore B. Taylor und Freeman Dyson gestartet, 1965 aber aus politischen Gründen und wegen des 1963 in Kraft getretenen Vertrages zum Verbot von Nuklearwaffentests in der Atmosphäre, im Weltraum und unter Wasser abgebrochen.

Prinzip des Orion-Antriebs

Hauptbauteile des Orion-Raumschiffs

Ein nuklearer Pulsantrieb funktioniert, indem in regelmäßigen Abständen Atombomben aus dem Heck des Raumschiffes ausgestoßen werden, die kurz danach in einem Abstand von wenigen Metern (je nach Design etwa 35 m) in einer gerichteten Explosion detonieren. Das dabei entstehende Plasma trifft auf eine massive Prallplatte (Pusher) am Heck des Raumschiffes und erzeugt dort einen mechanischen Impuls, der die Prallplatte beschleunigt. Zwischen der Prallplatte und der Nutzlast befinden sich Stoßdämpfer, die die gepulste Beschleunigung der Prallplatte in eine möglichst gleichmäßige Beschleunigung des Raumschiffes umwandeln sollen.

Orion (1958)[1] Orion (1965)[2] Saturn V
Gesamtgewicht 4000 t 100 - 750 t 3000 t
Spezifischer Impuls 4000 s 1800 - 2500 s 418 s (J-2)
Durchmesser 40 m 10 m 10 m
Höhe 60 m 50 m 111 m
Nutzlast (300 mi Orbit, ~480 km) 1600 t - 133 t
Nutzlast (Mondlandung) 1300 t - 52 t

Der Orion-Antrieb verbindet einen hohen spezifischen Impuls mit einem hohen Schub, was einzigartig für ein Raumschiffantrieb ist. Der spezifische Impuls (Impuls pro Masseneinheit oder Gewichtseinheit des Treibstoffs) für ein einfaches Orion-Raumschiff wurde auf bis zu 20.000 s errechnet, weit höher als bei derzeit genutzten chemischen Treibstoffen (ca. 450 s). Die Atombomben und damit auch die Prallplatte, die den Impuls aufnimmt, können nicht beliebig klein gebaut werden. Da die Nutzlast gegen die bei der Explosion entstehende Strahlung geschützt sein muss, haben Entwürfe für Orion-Raumschiffe meist vergleichsweise große Masse von mindestens 300 Tonnen. Mit steigender Größe der Prallplatte und damit steigender Raumschiffmasse steigt sogar die Effektivität des Antriebes.

Entwicklungsgeschichte

Die Geschichte des Orion-Projektes wird bestimmt durch den Versuch, eine dauerhafte Versorgung mit finanziellen Mitteln zu erreichen. Bis zu seinem Ende hing die Finanzierung des Projektes permanent am seidenen Faden. Das Projekt kam letztlich nie über den Status einer Machbarkeitsstudie hinaus.

Ursprünge

Das Prinzip eines explosionsgetriebenen Raumfahrzeuges wurde schon von Hermann Ganswindt [3] beschrieben, der 1891 ein Weltenfahrzeug mit einer Reihe von Dynamitexplosionen antreiben wollte. Daneben hatte Nikolai Iwanowitsch Kibaltschitsch schon 1881 kurz vor seiner Hinrichtung als Dissident den Antrieb eines Raumfahrzeuges mittels Schwarzpulverexplosionen vorgeschlagen. Sein Vorschlag verschwand aber bis 1917 in den Archiven des russischen Innenministeriums und blieb auch nach seiner Veröffentlichung nahezu unbeachtet. Die erste wissenschaftliche Studie zu einem durch Dynamitexplosionen angetriebenen Fahrzeug [4] wurde 1900 von Roman Gostkowski veröffentlicht.

Den ersten Vorschlag, ein Raumschiff mit Atombomben anzutreiben, machte 1946 Stanisław Marcin Ulam. In einer 1956 mit Cornelius Everett veröffentlichten Publikation arbeitete er die mathematischen Grundlagen für ein nuklearen Pulsantrieb heraus [5]. Der Atomic Energy Commission wurde später ein auf diesem Konzept basierendes Patent zugesprochen [6].

Beginn des Projekts

Künstlerische Darstellung eines Orion-Raumschiffs in der Heckansicht

1956 wurde das Unternehmen General Atomics unter der Führung von Francis de Hoffman als eine Tochter von General Dynamics gegründet. General Atomics Unternehmensziel war die Nutzbarmachung von Atomenergie. Francis de Hoffman gelang es, viele der Physiker, die während des zweiten Weltkrieges in Los Alamos tätig waren, für eine Tätigkeit bei General Atomics zu gewinnen. Er bot ihnen eine Arbeitsatmosphäre, die der in Los Alamos ähnelte: Die Wissenschaftler konnten kreativ an eigenen Ideen arbeiten, ohne durch Bürokratie gehemmt zu sein. Zu diesen Physikern gehörte Ted Taylor, der seinerseits Freeman Dyson überzeugen konnte, für ein Jahr bei General Atomics zu arbeiten.

Taylor war in Los Alamos mit den Ideen Ulams in Berührung gekommen und so begannen beide sich mit ersten Entwürfen eines Raumschiffes mit nuklearem Pulsantrieb zu beschäftigten. Ihr Ziel war die friedliche Erforschung des Sonnensystems. Unter dem ambitionierten Motto „Zum Mars bis 1965, zum Saturn bis 1970“ [7] planten Taylor und Dyson Missionen zur Erforschung des Sonnensystems.

Die ersten Entwürfe sahen ein 60 m hohes, wie ein Geschoss geformtes Raumschiff mit einer Prallplatte von 40 m Durchmesser vor. Das ist vergleichbar mit dem Durchmesser des runden Bibliothekgebäudes des General Atomics-Campus in La Jolla (32° 53′ 37,2″ N, 117° 14′ 4,6″ W). Das Raumschiff mit einer Masse von 4000 t sollte eine Nutzlast von 1600 t in den Orbit befördern. Der Start sollte vom Boden aus in Jackass Flats, einem Teil der Nevada Test Site stattfinden. Um den Orbit zu erreichen, wären insgesamt 800 Treibladungen mit einer Sprengkraft zwischen 0,15 kt und 5 kt nötig gewesen.

Diese Entwürfe wurden im April 1958 der ARPA vorgestellt, die das Projekt mit 1 Million Dollar finanzierte. Dies war die Geburtsstunde des Projekts Orion.

ARPA

Nachdem im Juli 1958 die NASA gegründet wurde, wurden die Raumfahrtprojekte der ARPA zwischen ihr und der Air Force aufgeteilt. Die NASA übernahm alle zivilen Raumfahrtprojekte, die Air Force die militärischen. Allerdings zeigten weder die NASA noch die Air Force Interesse an dem Orion-Projekt. Die Air Force sah in Orion kein Potential als Waffe, die NASA hatte die Entscheidung getroffen, dass ihr ziviles Raumfahrtprogramm nicht-nuklear sein sollte. Das Orion-Projekt verblieb so als einziges Raumfahrtprojekt bei der ARPA.

Ein für die Finanzierung hinderliches Problem war, das viele Budgetverantwortliche das Projekt für verrückt hielten. Sie konnten nicht glauben, dass es möglich war, ein Fahrzeug mit Explosionen anzutreiben, ohne dass dieses dabei beschädigt oder gar vernichtet wird. Um die grundsätzliche technische Machbarkeit eines explosionsgetriebenen Fahrzeuges zu zeigen, wurde deshalb ein Modell mit einer Prallplatte von 1 m Durchmesser gebaut, der sogenannte Hot-Rod oder Putt-Putt. Das Fiberglas-Modell mit 120 kg Gewicht stieß nacheinander bis zu sechs ca. 1 kg schwere Treibladungen aus C4 aus. Mit diesem Model gelang am 14. November 1959 ein Flug von 56 m, zwei Tage später wurde sogar eine Flughöhe von etwa 100 m erreicht. Ein Film über die erfolgreichen Flugversuche half in der Folge die weitere Finanzierung zu sichern. Eines der Modelle befindet sich heute im National Air and Space Museum der Smithsonian Institution [8].

Bei den Flugversuchen stellte man fest, welche Form die Prallplatte haben muss, damit ein günstiges Verhältnis von Gewicht und Stabilität erreicht wird. Außerdem ergaben die Flugversuche, dass zumindest durch die Temperaturen und Drücke, die mit konventionellen Sprengstoffen erreicht werden konnten, keine Materialabtragungen (Ablation) an der Oberfläche der Prallplatte zu erwarten war. Die Ablation wurde bei weiteren Experimenten mit Plasma Generatoren, die das Bombenplasma simulieren sollten, weiter untersucht.

Air Force

Die ARPA entschied Ende 1959, dass Orion-Projekt aus Gründen nationaler Sicherheit nicht weiter zu unterstützen. Die Air Force übernahm daraufhin das Projekt, allerdings nur unter der Voraussetzung, dass militärische Anwendungen gefunden würden. Das stand aber gegen die eigentlich angestrebte friedliche Nutzung des Projekts.

“Offically it has to be justified to the budgetiers as a military program. So they had to invent fake military requirements for it.”

„Offiziell musste es gegenüber den Budgetgebern als militärisches Programm gerechtfertigt werden. Also mussten sie erschwindelte militärische Anforderungen erfinden.“

Freeman Dyson: in der Dokumentation To Mars by A-Bomb.[9]

Militärisch sollten kleine Orions jetzt wie eine moderne Interkontinentalrakete mit MIRVs genutzt werden. Sie sollte aus Silos starten, bis über das Zielgebiet fliegen und dort zunächst eine große Menge Täuschkörper abwerfen. Erst wenn die feindliche Verteidigung durch die Täuschkörper überlastet wäre, sollten die eigentlichen Gefechtsköpfe gestartet werden. [10] Ein anderer Vorschlag sah große Orion-Raumschiffe vor, die mit einem ähnlichen Missionsprofil wie die modernen strategischen U-Boote im tiefen Raum patrouillieren sollten. [11]

Auf Veranlassung des Strategic Air Command wurde im März 1962 das Modell eines militärischen Orion-Raumschiffes unter voller Bewaffnung gebaut. Dieses „Schlachtschiff“ sollte unter anderem eine Bewaffnung von 500 Sprengköpfe tragen. Man führte das Modell dem Präsidenten Kennedy vor als dieser die Vandenberg Air Force Base besuchte. Kennedy war davon geschockt und versagte dem Projekt die nötige politische Unterstützung. [12][13]

NASA

Die Saturn-V als ELV (Earth Launch Vehicle) für Orion-Raumschiffe.

Die weitere Entwicklung des Orion-Projekts bei der Air Force wurde vom damaligen Verteidigungsminister Robert McNamara verhindert. Er sah Orion nicht als militärisches Projekt und verweigerte deshalb eine erweitere Finanzierung, ohne die der Bau eines Prototypen nicht möglich war. Um das Projekt doch noch über den Status einer Machbarkeitsstudie hinaus zu bringen, wandten Taylor und Dyson deshalb an die NASA, von der sie sich zusätzliche Mittel erhofften.

Die Entwürfe wurden den jetzt den Voraussetzungen bei der NASA angepasst. Von einem Bodenstart wollte man absehen, da dieser zu „schmutzig“ gewesen wäre um ohne einen Aufschrei der Öffentlichkeit stattfinden zu können. Stattdessen wurde die Größe der Orion-Schiffe an die verfügbaren Trägerraketen an. Das an die Saturn-Raketen angepasste Orion-Design hatte jetzt eine Prallplatte mit 10 m Durchmesser. Ein Design (Lofting) sah vor, eine Saturn 1C-Stufe als Booster zu benutzen. Diese sollte das Orion-Raumschiff in eine Höhe bringen, in der das gefahrlose Zünden des nuklearen Pulsantriebes möglich war. Ein zweites Design (Boost-to-Orbit) sah drei Einzelteile vor, die jeweils von einer Saturn V-Rakete in den Orbit gebracht werden und dort zusammengebaut werden sollten.

Als potentielles Ziel sah man eine Marsmission mit 8 Mann Besatzung und 100 t Nutzlast vor. Für den Hin- und Rückflug war für diese Mission mit 125 Tagen eine Reisezeit vorgesehen, was die Reisezeit einer konventionellen Mission mindestens halbiert hätte. [14]

Die NASA-Spitze war von Orion nicht überzeugt und finanzierte das Projekt nur wiederstrebend. Einzig Wernher von Braun erkannte nach anfänglicher Skepsis das Potential des Orion-Projekts und schrieb einen Aufsatz [15] der das Projekt vehement unterstützte, allerdings ohne damit eine weitere finanzielle Unterstützung zu erreichen.

Ende des Projekts

Zum Ende des Orion-Projekts trugen viele Faktoren bei. Das Projekt war so geheim, das kaum einer der potentiell Interessierten Leute aus Wissenschaft und Technik von ihm wusste und von dort deshalb auch keine Unterstützung auf breiter Basis erfolgen konnte. Bei der Nutzung nuklearer Energien für den Weltraumflug hatte Orion zudem eine starke Konkurrenz durch das NERVA-Projekt. In der Öffentlichkeit war der in den 1950er Jahren herrschende Enthusiasmus für die Atomkraft mittlerweile der Angst vor der Bombe gewichen. Die NASA hätte deshalb am liebsten nichts mit einem Projekt zu tun gehabt, bei dem Atombomben als Antrieb genutzt würden.

Zu den entscheidenden Faktoren zur Einstellung des Orion-Projekts zählte der 1963 in Kraft getretenen Vertrages zum Verbot von Nuklearwaffentests in der Atmosphäre, im Weltraum und unter Wasser. Dieser verhinderte die weitere Entwicklung der nuklearen Treibladungen und überhaupt den Betrieb im Weltraum. Da das Orion-Projekt grundsätzlich aber eine friedliche Nutzung der Atomkraft darstellt, wäre es möglich gewesen eine Ausnahmegenehmigung zu erwirken [16]. Dafür fehlte jedoch der politische Wille.

Schlussendlich war es der Budgetstreit zwischen der Air Force und der NASA, der das Projekt zum Scheitern brachte. Die Air Force wollte nur mit der NASA zusammenarbeiten, wenn die NASA das Projekt mit signifikanten Mitteln ausstattet. Die NASA sah sich aber im Dezember 1964, unter starken Druck durch das Apollo-Programm, endgültig dazu gezwungen, dem Orion-Projekt die Mittel zu streichen. Daraufhin stellte auch die Air Force die Finanzierung ein – das Orion-Projekt war damit beendet. [17]

Freeman Dyson schrieb 1965 einen Aufsatz, in dem er die Gründe für das Scheitern des Orion-Projekts darlegte. [18] Dyson beklagte, dass das Orion-Projekt nicht aufgrund mangelnder technischer Machbarkeit, sondern aufgrund fehlender politischer Unterstützung scheiterte:

“…because this is the first time in modern history that a major expansion of human technology has been suppressed for political reasons”

„…das ist das erste Mal in der modernen Geschichte, dass eine wesentliche Erweiterung der menschlichen Technologie aus politischen Gründen unterdrückt wird.“

Freeman Dyson: [19]

Viele der während des Orion-Projekts erstellten Arbeiten unterliegen noch immer der Geheimhaltung, darunter auch der zweite Teil der „Nuclear Pulse Space Vehicle Study“, „Vehicle System Performance and Costs“ oder Wernher von Brauns White Paper über das Orion-Projekt. Vor allem bleiben die Arbeiten über den Aufbau der Treibladungen geheim, da diese beschreiben, wie man kleine Atombomben, die auch für Terroristen interessant sein könnten [20].

Technische Umsetzung

Antriebsmodul mit Prallplatte, zweistufigen Stoßdämpfer und Treibladungslager sowie Treibladungsausstoßsystem

Prallplatte

Die Prallplatte ist das Bauteil, das bei einem Orion-Raumschiff den stärksten Belastungen ausgesetzt ist. Zum einen ist dies die Ablation, also die Abtragung von Material von der Oberfläche der Prallplatte durch das Bombenplasma, zum anderen die mechanische Belastung durch den heftigen Schlag, die bei jeder Bombenexplosion auf die Prallplatte einwirkt.

Schon bei den Experimenten mit konventionellen Sprengstoffen stellte man fest, wie die Prallplatte geformt sein muss, damit sie bei der Explosion nicht zerspringt. Die Prallplatte muss konisch sein, am Rand dünner und zur Mitte dicker werdend.

Bei einem Versuch des Physikers Lew Allen während der Operation Redwing [21] wurden zwei etwa 30 cm große, mit Graphit beschichtete Stahlkugeln an Drähten nur 10 m von der 20 kt Bombe entfernt aufgehängt. Durch die Explosion wurden diese Kugeln zwar fortgeschleudert, nachdem man sie wieder eingesammelt hatte, stellte man fest, dass die Kugeln intakt waren und die Oberfläche nur um wenige tausendstel Inch abgetragen wurde. Das zeigte, dass die Prallplatte nicht durch Ablation zerstört werden würde.

Ziel war es jetzt, Materialien zu finden, die eine Prallplatte eine Rundreise mit 2000 Ladungen überstehen lassen würden. Dazu wurden Versuche mit Plasmageneratoren angestellt, die ähnlich wie eine Hohlladung arbeiteten. Als jemand bei einem dieser Versuche auf dem Testobjekt einen Fingerabdruck hinterließ, stellte man nach dem Experiment fest, dass an dieser Stelle der Fingerabdruck die Ablation verhindert hatte. So kam man auf die Idee, die Prallplatte mit Öl einzusprühen, das als regenerierbare Ablationsschicht dient und so die Lebensdauer der Prallplatte erheblich steigert. [22]

Stoßdämpfer

Die Stoßdämpfer haben die Aufgabe, die Beschleunigungsspitzen auf für Menschen und Nutzlast tolerierbare Werte zu dämpfen. Das Stoßdämpfungssystem ist zweistufig aufgebaut und ist vergleichbar mit dem Stoßdämpfungssystem eines Autos. Die erste Stufe ist der Reifen, die zweite Stufe der Stoßdämpfer, der den Reifen mit dem Chassis verbindet.

Die erste Stufe sollte aus konzentrisch angeordneten, gasgefüllten Ringen bestehen, welche die Prallplatte mit einer Zwischenplatte verbinden. An diese folgt als zweite Stufe ein Bündel säulenartiger Stoßdämpfer, die mit der Nutzlastsektion verbunden sind. [23]

Treibladungen

Eine nukleare Treibladung

Die Treibladung oder Pulse-Unit soll die bei einer nuklearen Explosion freiwerdende Energie in eine auf die Prallplatte gerichtete, sich mit hoher Geschwindigkeit bewegende Plasmawolke aus Treibmittel umsetzen.

Der ursprüngliche Entwurf Ulams sah vor, dass zusammen mit den nuklearen Treibladungen Scheiben aus Treibmittel ausgestoßen werden. Diese Scheiben aus leichtem Material wie Wasser oder Polyethylen sollten von der nuklearen Explosion verdampft und in Richtung Prallplatte geschleudert werden. [24]

Die späteren Entwürfe integrierten das Treibmittel in die Treibladungen. Als Treibmittel wurde jetzt Wolfram vorgesehen, das sich als flache Scheibe an der Spitze der Treibladung befand. Das Treibmittel sollte nicht nur zur Übertragung des Impulses dienen, sondern gleichzeitig einen Teil der bei der Explosion entstehenden Strahlung abschirmen. [25]

Die nuklearen Treibladungen wurden so konzipiert, dass sie dieses Triebmittel in einer gerichteten Explosion in Richtung Prallplatte schleuderten. Ziel war es, den Kegel, in dem das Treibmittel fortgeschleudert wird, mit der Prallplatte in Deckung zu bringen, um möglichst viel von der Energie der Bombenexplosion einzufangen. Gleichzeitig sollten die Treibladungen möglichst klein, effizient und „sauber“ sein, d. h. möglichst wenig Fallout erzeugen. Mit dem Design der Treibladungen war Ted Taylor beschäftigt, aus dessen Hand mit der Davy Crockett schon der kleinste nukleare Sprengkopf stammte. Die Davy Crockett ist in ihrer Sprengkraft einstellbar, ein Merkmal, dass auch für die Orion-Triebladungen interessant war, da man für den Start oder Stopp des Orion-Antriebes halbe Ladungen benötigte.

Eine weitere Herausforderung war die Positionierung der Treibladungen hinter der Prallplatte. Zunächst sah man Systeme vor, die die Treibladungen seitlich an der Prallplatte vorbei schießen sollten. Später sollten sie durch ein Loch in der Mitte der Prallplatte geschossen werden.

Für die Konzipierung der Anlagen zur Handhabung der Treibladungen innerhalb des Raumschiffes griff man auf Berater von der Coca-Cola Company zurück. Die Anlagen, die in einer Abfüllanlage die Flaschen handhaben sah man als eine brauchbare Vorlage für die Anlagen zur Handhabung der Treibladungen an. [26]

Strahlenbelastung

Abgeschirmter Flugstand für den angetriebenen Flug und Fluchtfahrzeug für die 8 Mann Besatzung eines 10m Orion-Raumschiffes

Dadurch, dass Orion durch nukleare Explosionen angetrieben wird, kommt es zwangsläufig zu einer Strahlenbelastung. Diese kann direkt auf die Besatzung, indirekt durch Fallout auf die Umwelt auf der Erde oder auch durch Unfälle wirken.

Um die Strahlenbelastung der Orion-Besatzung während des angetriebenen Fluges zu minimieren sollte sich die Besatzung in dieser Zeit in einem strahlengesicherten Flugstand aufhalten. Dieser Flugstand hätte auch als Rückzugszone im Fall von Sonnenstürmen genutzt werden können. Ziel war es, die aufgenommene Strahlendosis pro Mission auf 50 rem zu begrenzen. Außerhalb des Flugstand wäre der Aufenthalt bei laufendem Antrieb allerdings tödlich gewesen. [27] Die nach Abschalten des Antriebes verbleibende Reststrahlung wäre schnell abgeklungen und die Antriebssektion nach wenigen Stunden für Wartungs-und Reparaturarbeiten zugänglich gewesen.

Bei einem Bodenstart wäre es zu einer Strahlenbelastung der Atmosphäre durch Fallout gekommen. Für den Flug bis außerhalb der Atmosphäre wären für den 4000 t-Entwurf etwa 100 kt benötigt worden. Zum Vergleich: zu der Zeit der Konzeption wurden jährlich atmosphärische Atombombentests in einer Summe von 100 Mt durchgeführt. Dyson stellte theoretische Berechnungen an und kam zu dem Ergebnis, dass für jeden Bodenstart statistisch 10 Menschen durch den Fallout sterben würden, eine Zahl, die Dyson nicht akzeptabel fand. Es bestand die Hoffnung, die Entwicklung der Treibladungen in Richtung einer möglichst „sauberen“ Kernspaltung zu führen, bei der weniger Radioaktivität frei wird. [28] Beim Betrieb außerhalb der Atmosphäre tragen durch das Erdmagnetfeld eingefangene geladene radioaktive Partikel zum Fallout bei. Dazu kommt es zu elektromagnetischen Pulsen.

Die Gefahr der Freisetzung von Radioaktivität bestand auch durch Unfälle. Drei Szenarien wurden betrachtet: Fehlzündungen bei laufenden Antrieb, Startabbruch und das Verfehlen des Orbits mit anschließenden Rücksturz zur Erde. Bei allen drei Szenarien wäre es nicht zu ungewollten nuklearen Explosionen gekommen, allerdings wäre mit großer Wahrscheinlichkeit der in den Treibladungen enthaltende konventionelle Sprengstoff explodiert, wodurch radioaktives Material freigesetzt würde. Durch geeignete Startplätze, z.B. mitten auf dem Meer, wollte man den die Einwirkung auf bewohnte Gebiete möglichst gering halten. [29]

Zukunft

NASA-Entwurf eines modernen Orion-Raumschiffs

Ein Orion-Raumschiff könnte, sollte es notwendig werden, mit heutigen technischen Mitteln durchaus gebaut werden [30]. Georg Dyson bezeichnet Orion gar als „Standardtechnik“ [31].

Dyson beschrieb 1968 in einer Arbeit [32] interstellare Orion-Raumschiffe. Diese Vorschläge führten zu Weiterentwicklungen wie das fusionsgetriebene Projekt Daedalus oder Projekt Longshot.

Die NASA hat eine kleine Projektgruppe gegründet, die sich unter der Bezeichnung „External Pulsed Plasma Propulsion“ (EPPP) wieder mit einem nuklearen Pulsantrieb beschäftigt. Da die NASA aber Schwierigkeiten hatte, selbst die grundlegenden Arbeiten über das Orion-Projekt zu beschaffen, hat sie knapp 2000 Seiten Projektdokumentation von George Dyson gekauft, der diese für sein Buch über das Orion-Projekt gesammelt hatte [33] . Diese Projektgruppe sieht zwei wesentlich potentielle Einsatzzwecke für EPPP-Raumschiffe. Das sind zum einen interplanetare Reisen, die mit diesem Antrieb schneller, flexibler und mit mehr Nutzlast durchgeführt werden könnten, zum anderen ist es die Abwehr von Kometen oder Asteroiden mit Kollisionskurs mit der Erde. Mit EPPP stünde eine Reichweite zur Verfügung, die ausreichend ist, um genug Zeit für die notwendige Bahnänderung des Objektes zu haben. Außerdem könnte man den Antrieb nutzen, um die Bahnänderung des Objektes zu erwirken, ihn also damit „anzutreiben“. [34]

Rezeption

Der Orion-Antrieb ist immer wieder Motiv in der Science Fiction. In der Regel geht es über eine bloße Erwähnung aber nicht hinaus, ein Beispiel ist der Film Deep Impact, in dem der Antrieb des Raumschiffes zwar als Orion-Antrieb bezeichnet wird, der typische Aufbau eines Orion-Antriebes aber dem Filmklischee eines Raumschiffes mit Raketendüsen zum Opfer gefallen ist. [35]

Das Raumschiff Discovery in Stanley Kubricks Film 2001 – Odyssee im Weltraum war zunächst als Raumschiff mit Orion-Antrieb geplant. Nachdem Kubrick aber Dr. Seltsam oder: Wie ich lernte, die Bombe zu lieben abgedreht hatte, hatte er genug von Atombomben und änderte das Design. Orion blieb einzig als Name für das Shuttle, das Dr. Heywood Floyd auf die Raumstation bringt. [36]

Ein herausragendes Beispiel ist dagegen Larry Nivens & Jerry Pournelles Science Fiction Roman Fußfall (Footfall), in dem anschaulich der Einsatz eines Raumschiffs mit Orion-Antrieb geschildert wird.

Literatur

Projektdokumentation

Bücher

  • George Dyson: Project Orion: The True Story of the Atomic Spaceship. Owl Books, New York 2003, ISBN 0-8050-7284-5. (englisch)
  • John McPhee: The Curve of Binding Energy: A Journey Into the Awesome and Alarming World of Theodore B. Taylor. Farrar, Straus and Giroux, New York 1974.

Dokumentarfilme

Commons: Project Orion – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. George Dyson: Project Orion: The True Story of the Atomic Spaceship. Owl Books, New York 2003, ISBN 0-8050-7284-5, S. 55.
  2. AIAA: Nuclear Pulse Propulsion: Orion and Beyond, 19 July 2000, S. 6.
  3. Hermann Ganswindt: Das jüngste Gericht; Erfindungen von Hermann Ganswindt. Berlin 1899.
  4. Roman Baron Gostkowski: Ein moderner Ikarus. In: Die Zeit, Nr. 304, Vol. XXIV, 28. Juli 1900, S. 53-55.
  5. Stanisław Marcin Ulam: On a Method of Propulsion of Projectiles by Means of External Nuclear Explosions. Los Alamos Technical Reports (LAMS), August 1955.
  6. Fehlender Parameter „Land“ und „V-Nr“
  7. „Mars by 1965, Saturn by 1970“. AIAA: Nuclear Pulse Propulsion: Orion and Beyond, 19 July 2000, S. 4.
  8. Objekt A19721008000: Propulsion Test Vehicle, Project Orion
  9. BBC Four: To Mars by A-Bomb, 44 min 30 sek.
  10. George Dyson: Project Orion: The True Story of the Atomic Spaceship. Owl Books, New York 2003, ISBN 0-8050-7284-5, S. 138.
  11. George Dyson: Project Orion: The True Story of the Atomic Spaceship. Owl Books, New York 2003, ISBN 0-8050-7284-5, S. 205 ff.
  12. George Dyson: Project Orion: The True Story of the Atomic Spaceship. Owl Books, New York 2003, ISBN 0-8050-7284-5, S. 220 ff.
  13. BBC Four: To Mars by A-Bomb, 46 min 55 sek.
  14. AIAA: Nuclear Pulse Propulsion: Orion and Beyond, 19 July 2000, S. 6.
  15. Wernher von Braun: Nuclear Pulse Propulsion System – Its Potential Value to NASA. 1964.
  16. NASA: Nuclear Pulse Vehicle Study Condensed Summary Report (General Dynamics Corp), Januar 1964, S. 10.
  17. AIAA: Nuclear Pulse Propulsion: Orion and Beyond, 19 July 2000, S. 7-8.
  18. Freeman Dyson: Death of a Project. In: Science, Volume 149, Issue 3680, July 1965, S. 141-144.
  19. AIAA: Nuclear Pulse Propulsion: Orion and Beyond, 19 July 2000, S. 7.
  20. George Dyson: Project Orion: The True Story of the Atomic Spaceship. Owl Books, New York 2003, ISBN 0-8050-7284-5, S. 296.
  21. Hier wird in verschiedenen Quellen der Versuch „Inca“ genannt. George Dyson und John McPhee machen dazu keine konkreten Angaben. Während der Testserien Operation Teapot, Operation Redwing und Operation Plumbbob wurden allerdings Experimente mit graphitbeschichteten Stahlkugeln durchgeführt. Dies waren Teapot Project 5.4, Redwing Project 5.9 und Plumbbob Project 8.3b. (vergl. Liste der Projekte in der PLUMBBOB Testserie und Shot Smokey. A Test of the PLUMBBOB Series. 31. August 1957, S. 64.)
  22. George Dyson: Project Orion: The True Story of the Atomic Spaceship. Owl Books, New York 2003, ISBN 0-8050-7284-5, S. 127 ff.
  23. General Atomics: Volume III -- Conceptual Vehicle Designs And Operational Systems, 19 September 1964, S 6.
  24. George Dyson: Project Orion: The True Story of the Atomic Spaceship. Owl Books, New York 2003, ISBN 0-8050-7284-5, S. 24.
  25. General Atomics: Volume III -- Conceptual Vehicle Designs And Operational Systems, 19 September 1964, S. 9 ff.
  26. George Dyson: Project Orion: The True Story of the Atomic Spaceship. Owl Books, New York 2003, ISBN 0-8050-7284-5, S. 177.
  27. General Atomics: Volume III -- Conceptual Vehicle Designs And Operational Systems, 19 September 1964, S 97 & S. 100.
  28. George Dyson: Project Orion: The True Story of the Atomic Spaceship. Owl Books, New York 2003, ISBN 0-8050-7284-5, S. 230.
  29. General Atomics: Volume III -- Conceptual Vehicle Designs And Operational Systems, 19 September 1964, S 94 ff.
  30. Carl Sagan: Unser Kosmos – Eine Reise durch das Weltall. Droemersche Verlagsanstalt Th. Knaur Nachf., München 1991 (Neuauflage), ISBN 3-426-04053-0, S. 215: „[...] obwohl wir Orion, wenn wir wollten, schon heute bauen könnten.“
  31. „[…] the only off-the-shelf technology […]“. www.ted.com: George Dyson on Project Orion, 7 min 45 sek.
  32. Freeman Dyson: „Interstellar Transport.“ In: Physics Today, Volume 21, Issue 10, Oktober 1968, S. 41-45.
  33. George Dyson: Project Orion: The True Story of the Atomic Spaceship. Owl Books, New York 2003, ISBN 0-8050-7284-5, S. 292.
  34. NASA: External Pulsed Plasma Propulsion and Its Potential for the Near Future. 1999.
  35. Internet Movie Database: Goofs for Deep Impact
  36. George Dyson: Project Orion: The True Story of the Atomic Spaceship. Owl Books, New York 2003, ISBN 0-8050-7284-5, S. 270ff.

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