„Nosferatu (Sagengestalt)“ – Versionsunterschied

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Der Begriff wurde erstmals von der britischen Reiseschriftstellerin Emily Gerrard in ihrem Buch ''The Land beyond the Forest'' (18??) erwähnt und geriet von dort in den Roman ''[[Dracula]]'', dessen Autor [[Bram Stoker]] den Reisebericht als Informationsquelle ausgeschlachtet hatte. Aufgrund der Verfilmung des Romans u. d. T. ''Nosferatu'' durch Friedrich Wilhelm Murnau (1922) wurde der Name allseits bekannt. Seit dem Vampirboom der 1990er Jahre erscheint der Begriff in verschiedenen Vampirhandbüchern und Vampirlexika und scheint von einigen Autoren mit allerlei phantasievollen Eigenschaften angereichert worden zu sein. Erstaunlicherweise kennen die Fachautoren (in chronologischer Reihenfolge: [[Montague Summers|Summers]], Senn, Perkowski u. Kreuter) diese Spielart des Vampirs nicht, weil er in der rumänischen Volksmythologie nicht vorkommt. Auch in den etymologischen Wörterbüchern des Rumänischen ist der Begriff nicht zu finden.
Der Begriff wurde erstmals von der britischen Reiseschriftstellerin Emily Gerrard in ihrem Buch ''The Land beyond the Forest'' (18??) erwähnt und geriet von dort in den Roman ''[[Dracula]]'', dessen Autor [[Bram Stoker]] den Reisebericht als Informationsquelle ausgeschlachtet hatte. Aufgrund der Verfilmung des Romans u. d. T. ''Nosferatu'' durch Friedrich Wilhelm Murnau (1922) wurde der Name allseits bekannt. Seit dem Vampirboom der 1990er Jahre erscheint der Begriff in verschiedenen Vampirhandbüchern und Vampirlexika und scheint von einigen Autoren mit allerlei phantasievollen Eigenschaften angereichert worden zu sein. Erstaunlicherweise kennen die Fachautoren (in chronologischer Reihenfolge: [[Montague Summers|Summers]], Senn, Perkowski u. Kreuter) diese Spielart des Vampirs nicht, weil er in der rumänischen Volksmythologie nicht vorkommt. Auch in den etymologischen Wörterbüchern des Rumänischen ist der Begriff nicht zu finden.


Emily Gerrard war mit einem ungarischen Offizier verheiratet, der in [[Temesvar]] (heute: [[Timisoara]]) stationiert war, und unternahm Ausflüge ins benachbarte [[Siebenbürgen]], auch als [[Transsilvanien]] bekannt. Da sie kein Rumänisch sprach, bediente sie sich eines Dolmetschers, der vermutlich die Aussagen der nach ihrem Volksglauben befragten Rumänen nicht wortgetreu übersetzte. Es ist anzunehmen, dass die Autorin sich an die Gebildeten unter den Rumänen wandte, d. h. an die griechisch-orthodoxen Geistlichen. Von ihnen erfuhr sie wohl vom Glauben an ein dämonisches Wesen, dessen Namen sie als "Nosferatu" notierte und mit dem Vampirglauben, wie sie ihn interpretierte, in Verbindung brachte, nämlich als eine besondere Spielart des Blutsaugers. Tatsächlich aber handelt es sich um einen Dämon der griechischen Volksmythologie, den ''Nosophoros'', den ''Pestbringer''. Auf dem Umweg über die Religion ist der Glaube an diesen Unheilstifter nach Rumänien gekommen, hat dort aber in der Volksmythologie nie Fuß gefasst, wie der Blick in die Fachwörterbücher und in die Fachliteratur zeigt. Der Nosferatu hat mit dem Vampir (rum.: "strigoi") lediglich eine Eigenschaft gemeinsam, nämlich die Verbreitung von Seuchen, denn im eklatanten Gegensatz zu einer außerhalb des Balkanraumes weit verbreiteten Ansicht besteht das vom Vampir angerichtete Unheil nicht in der Erzeugung neuer Vampire durch Blutsaugen. Die zahlreichen Eigenschaften, die dem Nosferatu zugeschrieben werden, sind nicht der rumänischen Volksmythologie entsprungen, sondern der Phantasie europäischer Autoren.
Emily Gerrard war mit einem ungarischen Offizier verheiratet, der in [[Temesvar]] (heute: [[Timişoara]]) stationiert war, und unternahm Ausflüge ins benachbarte [[Siebenbürgen]], auch als [[Transsilvanien]] bekannt. Da sie kein Rumänisch sprach, bediente sie sich eines Dolmetschers, der vermutlich die Aussagen der nach ihrem Volksglauben befragten Rumänen nicht wortgetreu übersetzte. Es ist anzunehmen, dass die Autorin sich an die Gebildeten unter den Rumänen wandte, d. h. an die griechisch-orthodoxen Geistlichen. Von ihnen erfuhr sie wohl vom Glauben an ein dämonisches Wesen, dessen Namen sie als "Nosferatu" notierte und mit dem Vampirglauben, wie sie ihn interpretierte, in Verbindung brachte, nämlich als eine besondere Spielart des Blutsaugers. Tatsächlich aber handelt es sich um einen Dämon der griechischen Volksmythologie, den ''Nosophoros'', den ''Pestbringer''. Auf dem Umweg über die Religion ist der Glaube an diesen Unheilstifter nach Rumänien gekommen, hat dort aber in der Volksmythologie nie Fuß gefasst, wie der Blick in die Fachwörterbücher und in die Fachliteratur zeigt. Der Nosferatu hat mit dem Vampir (rum.: "strigoi") lediglich eine Eigenschaft gemeinsam, nämlich die Verbreitung von Seuchen, denn im eklatanten Gegensatz zu einer außerhalb des Balkanraumes weit verbreiteten Ansicht besteht das vom Vampir angerichtete Unheil nicht in der Erzeugung neuer Vampire durch Blutsaugen. Die zahlreichen Eigenschaften, die dem Nosferatu zugeschrieben werden, sind nicht der rumänischen Volksmythologie entsprungen, sondern der Phantasie europäischer Autoren.





Version vom 29. April 2006, 21:02 Uhr

Nosferatu ist angeblich der Name einer besonderen Spezies von Vampiren in Rumänien.


Der Begriff wurde erstmals von der britischen Reiseschriftstellerin Emily Gerrard in ihrem Buch The Land beyond the Forest (18??) erwähnt und geriet von dort in den Roman Dracula, dessen Autor Bram Stoker den Reisebericht als Informationsquelle ausgeschlachtet hatte. Aufgrund der Verfilmung des Romans u. d. T. Nosferatu durch Friedrich Wilhelm Murnau (1922) wurde der Name allseits bekannt. Seit dem Vampirboom der 1990er Jahre erscheint der Begriff in verschiedenen Vampirhandbüchern und Vampirlexika und scheint von einigen Autoren mit allerlei phantasievollen Eigenschaften angereichert worden zu sein. Erstaunlicherweise kennen die Fachautoren (in chronologischer Reihenfolge: Summers, Senn, Perkowski u. Kreuter) diese Spielart des Vampirs nicht, weil er in der rumänischen Volksmythologie nicht vorkommt. Auch in den etymologischen Wörterbüchern des Rumänischen ist der Begriff nicht zu finden.

Emily Gerrard war mit einem ungarischen Offizier verheiratet, der in Temesvar (heute: Timişoara) stationiert war, und unternahm Ausflüge ins benachbarte Siebenbürgen, auch als Transsilvanien bekannt. Da sie kein Rumänisch sprach, bediente sie sich eines Dolmetschers, der vermutlich die Aussagen der nach ihrem Volksglauben befragten Rumänen nicht wortgetreu übersetzte. Es ist anzunehmen, dass die Autorin sich an die Gebildeten unter den Rumänen wandte, d. h. an die griechisch-orthodoxen Geistlichen. Von ihnen erfuhr sie wohl vom Glauben an ein dämonisches Wesen, dessen Namen sie als "Nosferatu" notierte und mit dem Vampirglauben, wie sie ihn interpretierte, in Verbindung brachte, nämlich als eine besondere Spielart des Blutsaugers. Tatsächlich aber handelt es sich um einen Dämon der griechischen Volksmythologie, den Nosophoros, den Pestbringer. Auf dem Umweg über die Religion ist der Glaube an diesen Unheilstifter nach Rumänien gekommen, hat dort aber in der Volksmythologie nie Fuß gefasst, wie der Blick in die Fachwörterbücher und in die Fachliteratur zeigt. Der Nosferatu hat mit dem Vampir (rum.: "strigoi") lediglich eine Eigenschaft gemeinsam, nämlich die Verbreitung von Seuchen, denn im eklatanten Gegensatz zu einer außerhalb des Balkanraumes weit verbreiteten Ansicht besteht das vom Vampir angerichtete Unheil nicht in der Erzeugung neuer Vampire durch Blutsaugen. Die zahlreichen Eigenschaften, die dem Nosferatu zugeschrieben werden, sind nicht der rumänischen Volksmythologie entsprungen, sondern der Phantasie europäischer Autoren.


Literatur

  • Peter Mario Kreuter: Der Vampirglaube in Südosteuropa. Studien zur Genese, Bedeutung und Funktion. Rumänien und der Balkanraum, Berlin 2001
  • Jan Perkowski, "The Romanian Folkloric Vampire", in, The Vampire: A Casebook, hg. v. A. Dundes. Madsion, Wisc. 1988, S. 35-46.
  • Harry Senn, Were-Wolf and Vampire in Romania. New York 1982.
  • Montague Summers, The Vampire in Lore and Legend. Toronto 2001 (Zuerst u. d. T. The Vampire in Europe. London 1929)