„Missionarsstellung“ – Versionsunterschied

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Die '''Missionarsstellung''', auch als vis a fronte bezeichnet (lat. Kraft von vorn, vergleiche [[a tergo|vis a tergo]]) wissenschaftlich [[Anatomische Lage- und Richtungsbezeichnungen#Generelle Lage- und Richtungsbezeichnungen|ventro-ventrale]] [[Begattung|Kopulation]], ist eine geläufige Position, den [[Geschlechtsverkehr]] zu praktizieren. Dabei liegt die Frau mit gespreizten Beinen auf dem Rücken und der Mann auf ihr. Bei Geschlechtsverkehr unter Männern ist bei der Missionarsstellung der penetrierende Partner ebenfalls oben.
Die '''Missionarsstellung''', auch als ''vis a fronte'' bezeichnet (lat. „Kraft von vorn“, vergleiche [[a tergo|''vis a tergo'']]) wissenschaftlich [[Anatomische Lage- und Richtungsbezeichnungen#Generelle Lage- und Richtungsbezeichnungen|ventro-ventrale]] [[Begattung|Kopulation]], ist eine geläufige Position, den [[Geschlechtsverkehr]] zu praktizieren. Dabei liegt die Frau mit gespreizten Beinen auf dem Rücken und der Mann auf ihr. Bei Geschlechtsverkehr unter Männern ist bei der Missionarsstellung der penetrierende Partner ebenfalls oben.


== Herkunft des Namens ==
== Herkunft des Namens ==
Ihren Namen hat diese Stellung nach landläufiger Meinung daher, dass christliche Missionare bei der Christianisierung anderer Völker diese Stellung als die einzig zulässige beim Geschlechtsverkehr zwischen Eheleuten durchzusetzen versuchten. Das ist jedoch unzutreffend. Wie Robert J. Priest nachweisen konnte, ist [[Alfred C. Kinsey]] (1894–1956) der Urheber dieses Gerüchtes.<ref>Robert J. Priest: ''Missionary Positions: Christian, Modernist, Postmodernist.'' In: ''Current Anthropology.'' Bd. 42 (2001), S. 29–68.</ref> Kinsey hatte in seinen [[Kinsey-Report]]en behauptet, christliche Missionare seien über die fantasievollen [[Sexualpraktik]]en der [[Südsee]]-Insulaner entsetzt gewesen und hätten diesen als Lehrmaterial Zeichnungen gezeigt, die ein Paar in der einzig erlaubten Koitus-Position andeuteten. Die Insulaner hätten diese Stellung als „Missionarsstellung“ verspottet.
Ihren Namen hat diese Stellung nach landläufiger Meinung daher, dass christliche Missionare bei der Christianisierung anderer Völker diese Stellung als die einzig zulässige beim Geschlechtsverkehr zwischen Eheleuten durchzusetzen versuchten. Das ist jedoch unzutreffend. Wie Robert J. Priest nachweisen konnte, ist [[Alfred C. Kinsey]] (1894–1956) der Urheber dieses Gerüchtes.<ref>Robert J. Priest: ''Missionary Positions: Christian, Modernist, Postmodernist.'' In: ''Current Anthropology.'' Bd. 42 (2001), S. 29–68.</ref> Kinsey hatte in seinen [[Kinsey-Report]]en behauptet, christliche Missionare seien über die fantasievollen [[Sexualpraktik]]en der [[Südsee]]-Insulaner entsetzt gewesen und hätten diesen als Lehrmaterial Zeichnungen gezeigt, die ein Paar in der einzig erlaubten Koitus-Position andeuteten. Die Insulaner hätten diese Stellung als „Missionarsstellung“ verspottet.


Kinsey beruft sich dabei auf ein 1929 von dem [[Anthropologie|Anthropologen]] [[Bronisław Malinowski]] verfasstes Standardwerk zur Sexualität der [[Melanesier]].<ref>Bronisław Malinowski: ''The Sexual Life of Savages in North-Western Melanesia.'' London 1929.</ref> Robert J. Priest fand allerdings heraus, dass diese Geschichte bei Malinowski so nicht vorkommt. Malinowski berichtet zwar, dass die Bewohner der [[Trobriand-Inseln]] sich über das eintönige Sexualleben der Weißen lustig gemacht hätten, von Missionaren und deren angeblichen Vorschriften ist jedoch keine Rede. Die ihnen vorher unbekannte Mann-oben-Frau-unten-Stellung bezeichneten die Einheimischen in ihrer Sprache als ''„ibilimapu“'' („sie [die Frau] kann nicht mitmachen“). Allerdings beklagten sich die Trobriander über die von den Weißen übernommene neue Sitte, dass sich Liebespaare händchenhaltend in der Öffentlichkeit zeigen. Dieses Verhalten galt bei den älteren Trobriandern als unanständig und wurde von ihnen als ''„misinari si bubunela“'' („Missionarsmode“) bezeichnet, "eine dieser neumodischen, von Missionaren eingeführten Unschicklichkeiten."<ref>Bronisław Malinowski: ''The Sexual Life of Savages in North-Western Melanesia.'' London 1929, S. 343</ref>
Kinsey beruft sich dabei auf ein 1929 von dem [[Anthropologie|Anthropologen]] [[Bronisław Malinowski]] verfasstes Standardwerk zur Sexualität der [[Melanesier]].<ref>Bronisław Malinowski: ''The Sexual Life of Savages in North-Western Melanesia.'' London 1929.</ref> Robert J. Priest fand allerdings heraus, dass diese Geschichte bei Malinowski so nicht vorkommt. Malinowski berichtet zwar, dass die Bewohner der [[Trobriand-Inseln]] sich über das eintönige Sexualleben der Weißen lustig gemacht hätten, von Missionaren und deren angeblichen Vorschriften ist jedoch keine Rede. Die ihnen vorher unbekannte Mann-oben-Frau-unten-Stellung bezeichneten die Einheimischen in ihrer Sprache als ''„ibilimapu“'' („sie [die Frau] kann nicht mitmachen“). Allerdings beklagten sich die Trobriander über die von den Weißen übernommene neue Sitte, dass sich Liebespaare händchenhaltend in der Öffentlichkeit zeigen. Dieses Verhalten galt bei den älteren Trobriandern als unanständig und wurde von ihnen als ''„misinari si bubunela“'' („Missionarsmode“) bezeichnet, „eine dieser neumodischen, von Missionaren eingeführten Unschicklichkeiten.<ref>Bronisław Malinowski: ''The Sexual Life of Savages in North-Western Melanesia.'' London 1929, S. 343</ref>

[[Datei:Sexual intercourse 3.jpg|mini|Coitus vis a fronte]]
Mit seiner Verwechslung von ''„ibilimapu“'' und ''„misinari si bubulena“'' aus Malinowskis Buch hat Kinsey eine Legende geschaffen; auch ihre Bezeichnung ''missionary position'' (deutsch „Missionarsstellung“) geht auf Kinsey zurück.<ref>Dietmar Bartz: ''Wer hat's erfunden? Der Missionar?'' In: ''Buschbusch.'' Berlin 2007, S. 67. [http://www.buschbusch.de/www.buschbusch.de/downloads/buschbusch-dummy.pdf pdf], 7,3 MB, abgerufen am 20. April 2010. Dazu auch: Dietmar Bartz: ''Die Scham erobert den Ozean der Liebe.'' In: ''mare'', Heft 31, 2002, S. 68–71</ref> [[Christoph Drösser]] zufolge haben die christlichen Weißen das Sexualleben der Südseeinsulaner also ''„nicht prüde eingeschränkt, wie die Legende behauptet, sondern eher erweitert. Von kirchlichen Vorschriften, wie man sexuell zu verkehren habe, keine Spur.“''<ref>[[Stimmt’s?]]: ''[http://www.zeit.de/2003/24/Stimmts_P_24 Die prüden Missionare].'' In: ''[[Die Zeit]].'' 16. Juli 2008</ref>
Mit seiner Verwechslung von ''„ibilimapu“'' und ''„misinari si bubulena“'' aus Malinowskis Buch hat Kinsey eine Legende geschaffen; auch ihre Bezeichnung ''missionary position'' (deutsch „Missionarsstellung“) geht auf Kinsey zurück.<ref>Dietmar Bartz: ''Wer hat's erfunden? Der Missionar?'' In: ''Buschbusch.'' Berlin 2007, S. 67. [http://www.buschbusch.de/www.buschbusch.de/downloads/buschbusch-dummy.pdf pdf], 7,3&nbsp;MB, abgerufen am 20. April 2010. Dazu auch: Dietmar Bartz: ''Die Scham erobert den Ozean der Liebe.'' In: ''mare'', Heft 31, 2002, S. 68–71</ref> [[Christoph Drösser]] zufolge haben die christlichen Weißen das Sexualleben der Südseeinsulaner also ''„nicht prüde eingeschränkt, wie die Legende behauptet, sondern eher erweitert. Von kirchlichen Vorschriften, wie man sexuell zu verkehren habe, keine Spur.“''<ref>[[Stimmt’s?]]: ''[http://www.zeit.de/2003/24/Stimmts_P_24 Die prüden Missionare].'' In: ''[[Die Zeit]].'' 16. Juli 2008</ref>


== Biologie ==
== Biologie ==
[[Mensch]]en und einige [[Primaten]] gehören zu den wenigen Arten, die eine ventro-ventrale Kopulation im nennenswerten Ausmaß ausüben und damit wesentlich direkter auf die Mimik des Partners reagieren können. Beobachtet wurde das im Tierreich seltene Paarungsverhalten noch am häufigsten bei den [[Bonobo]]s<ref> Frans de Waal: [http://www.primatesworld.com/bonobos.html Bonobo Sex and Society]</ref> meist in Gefangenschaft sowie erst 2008 bei [[Gorillas|Flachlandgorillas]] in freier Wildbahn.<ref> [http://www.welt.de/wissenschaft/article1700710/Gorillas_moegen_die_Missionarsstellung.html ''Gorillas mögen die Missionarsstellung.''] In: ''Die Welt'' vom 20. Februar 2008 </ref>
[[Mensch]]en und einige [[Primaten]] gehören zu den wenigen Arten, die eine ventro-ventrale Kopulation im nennenswerten Ausmaß ausüben und damit wesentlich direkter auf die Mimik des Partners reagieren können. Beobachtet wurde das im Tierreich seltene Paarungsverhalten noch am häufigsten bei den [[Bonobo]]s<ref>Frans de Waal: [http://www.primatesworld.com/bonobos.html Bonobo Sex and Society]</ref> meist in Gefangenschaft sowie erst 2008 bei [[Gorillas|Flachlandgorillas]] in freier Wildbahn.<ref>[http://www.welt.de/wissenschaft/article1700710/Gorillas_moegen_die_Missionarsstellung.html ''Gorillas mögen die Missionarsstellung.''] In: ''Die Welt'' vom 20. Februar 2008</ref>

== Einzelnachweise ==
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== Weblinks ==
== Weblinks ==
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== Einzelnachweise ==
<references />


[[Kategorie:Sexstellung]]
[[Kategorie:Sexstellung]]

Version vom 16. Januar 2015, 01:55 Uhr

Heterosexuelle Missionarsstellung
Homosexuelle Missionarsstellung zwischen zwei Männern
Homosexuelle Missionarsstellung zwischen zwei Frauen (Tribadie)

Die Missionarsstellung, auch als vis a fronte bezeichnet (lat. „Kraft von vorn“, vergleiche vis a tergo) wissenschaftlich ventro-ventrale Kopulation, ist eine geläufige Position, den Geschlechtsverkehr zu praktizieren. Dabei liegt die Frau mit gespreizten Beinen auf dem Rücken und der Mann auf ihr. Bei Geschlechtsverkehr unter Männern ist bei der Missionarsstellung der penetrierende Partner ebenfalls oben.

Herkunft des Namens

Ihren Namen hat diese Stellung nach landläufiger Meinung daher, dass christliche Missionare bei der Christianisierung anderer Völker diese Stellung als die einzig zulässige beim Geschlechtsverkehr zwischen Eheleuten durchzusetzen versuchten. Das ist jedoch unzutreffend. Wie Robert J. Priest nachweisen konnte, ist Alfred C. Kinsey (1894–1956) der Urheber dieses Gerüchtes.[1] Kinsey hatte in seinen Kinsey-Reporten behauptet, christliche Missionare seien über die fantasievollen Sexualpraktiken der Südsee-Insulaner entsetzt gewesen und hätten diesen als Lehrmaterial Zeichnungen gezeigt, die ein Paar in der einzig erlaubten Koitus-Position andeuteten. Die Insulaner hätten diese Stellung als „Missionarsstellung“ verspottet.

Kinsey beruft sich dabei auf ein 1929 von dem Anthropologen Bronisław Malinowski verfasstes Standardwerk zur Sexualität der Melanesier.[2] Robert J. Priest fand allerdings heraus, dass diese Geschichte bei Malinowski so nicht vorkommt. Malinowski berichtet zwar, dass die Bewohner der Trobriand-Inseln sich über das eintönige Sexualleben der Weißen lustig gemacht hätten, von Missionaren und deren angeblichen Vorschriften ist jedoch keine Rede. Die ihnen vorher unbekannte Mann-oben-Frau-unten-Stellung bezeichneten die Einheimischen in ihrer Sprache als „ibilimapu“ („sie [die Frau] kann nicht mitmachen“). Allerdings beklagten sich die Trobriander über die von den Weißen übernommene neue Sitte, dass sich Liebespaare händchenhaltend in der Öffentlichkeit zeigen. Dieses Verhalten galt bei den älteren Trobriandern als unanständig und wurde von ihnen als „misinari si bubunela“ („Missionarsmode“) bezeichnet, „eine dieser neumodischen, von Missionaren eingeführten Unschicklichkeiten.“[3]

Mit seiner Verwechslung von „ibilimapu“ und „misinari si bubulena“ aus Malinowskis Buch hat Kinsey eine Legende geschaffen; auch ihre Bezeichnung missionary position (deutsch „Missionarsstellung“) geht auf Kinsey zurück.[4] Christoph Drösser zufolge haben die christlichen Weißen das Sexualleben der Südseeinsulaner also „nicht prüde eingeschränkt, wie die Legende behauptet, sondern eher erweitert. Von kirchlichen Vorschriften, wie man sexuell zu verkehren habe, keine Spur.“[5]

Biologie

Menschen und einige Primaten gehören zu den wenigen Arten, die eine ventro-ventrale Kopulation im nennenswerten Ausmaß ausüben und damit wesentlich direkter auf die Mimik des Partners reagieren können. Beobachtet wurde das im Tierreich seltene Paarungsverhalten noch am häufigsten bei den Bonobos[6] meist in Gefangenschaft sowie erst 2008 bei Flachlandgorillas in freier Wildbahn.[7]

Commons: Missionarsstellungen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Robert J. Priest: Missionary Positions: Christian, Modernist, Postmodernist. In: Current Anthropology. Bd. 42 (2001), S. 29–68.
  2. Bronisław Malinowski: The Sexual Life of Savages in North-Western Melanesia. London 1929.
  3. Bronisław Malinowski: The Sexual Life of Savages in North-Western Melanesia. London 1929, S. 343
  4. Dietmar Bartz: Wer hat's erfunden? Der Missionar? In: Buschbusch. Berlin 2007, S. 67. pdf, 7,3 MB, abgerufen am 20. April 2010. Dazu auch: Dietmar Bartz: Die Scham erobert den Ozean der Liebe. In: mare, Heft 31, 2002, S. 68–71
  5. Stimmt’s?: Die prüden Missionare. In: Die Zeit. 16. Juli 2008
  6. Frans de Waal: Bonobo Sex and Society
  7. Gorillas mögen die Missionarsstellung. In: Die Welt vom 20. Februar 2008