Karneval in Venedig

Heutige Phantasiemaske

Der große Karneval in Venedig ist mit seiner Maskenfreiheit, seinen Tierhatzen, Herkulesspielen und Feuerwerken der bekannteste neben denen von Florenz und Rom. Der Fasching dauert allgemein vom Fest Epiphania (6. Januar) bis zum Beginn der Fastenzeit am Aschermittwoch; in Venedig fängt der Karneval jedoch bereits am Stefanitag (26. Dezember) an. Bis 1796 folgte ihm während der Himmelfahrtsmesse stets ein kleineres Fest.

Geschichte

Der Begriff „Carnevale di Venezia“ wurde erstmals 1094 in einem Schriftstück des Dogen Vitale Falier verwendet. Ausgehend von den italienischen Fürstenhöfen entwickelten sich seit dem Spätmittelalter immer prunkvollere und aufwändigere Formen des Karnevals. Zu Lebzeiten Casanovas im 18. Jahrhundert erreichte der Karneval seine größte Pracht, zugleich uferten aber die Sitten immer mehr aus.

Die Ausstellung des Rhinozeros; Pietro Longhi, 1751
Pulcinella undd Saltimbanchi (Artisten); Domenico Tiepolo, 1790

1797 verlor die Adelsrepublik durch Napoléon Bonaparte ihre Selbstständigkeit und wurde bis 1805 bzw. 1806 an Österreich angegliedert. Die damit verbundenen Verbote und die gesellschaftlichen Veränderungen im 19. Jahrhundert brachten den Karneval in Venedig für fast 200 Jahre zum völligen Erliegen. Erst 1980 fand die alte Tradition ihre Fortsetzung als Touristenattraktion. Seitdem sieht man in den 10 Tagen vor Aschermittwoch auf Venedigs Straßen und Plätzen wieder die klassischen Masken und die historischen Kostüme, allerdings auch immer mehr Phantasiemasken. Zugleich wurden verschiedene traditionelle Verantaltungen wieder aufgegriffen. So ist zum Beispiel die Theaterform der Commedia dell'Arte auf die Bühne zurückgekehrt und wird sowohl im Theatersaal als auch im Freien aufgeführt.

Karnevalstreiben

Zu Zeiten der Serenissima war der Donnerstag vor Aschermittwoch nicht nur der eigentliche Beginn der Fastnacht. An diesem Tag wurde vor allem auch der Sieg des Dogen Vitale Michiel I. über Ulrich II. von Treven, Patriarch von Aquileia, am Schmutzigen Donnerstag des Jahres 1162 gefeiert. Aus diesem Grund nahm der Doge traditionell selbst an den Feierlichkeiten teil, zusammen mit dem Senat und den Botschaftern.

Auf der Piazetta wurden Feuerwerke abgebrannt. Gruppen von Jugendlichen tanzten die arabische moresca, und junge Burchen von diesseits und jenseits des Canal Grande bauten menschliche Pyramiden. Die Vereine der Schmiede und der Metzger schlachteten als Festbeitrag den ursprünglich vom Patriarchen von Aquileia jedes Jahr zu liefernden Ochsen und die Schweine; diese blutige Tradition wurde nach 1420 jedoch zur harmlosen Unterhaltung.

Unter den vielen Darbietungen auf dem Markusplatz fand das Marionettentheater unter dem Campanile besonderen Anklang, das immer neue Abenteuer der traditionellen Masken inszenierte. Darüber hinaus wurden dem staunenden Publikum wilde und exotische Tiere in Zwingern präsentiert. Ansonsten gab es Lotterien, Zähne wurden gezogen, Astrologen weissagten die Zukunft, Quacksalber verkauften Heilmittel. In den Ecken des Platzes traten Akrobaten und Seiltänzer auf. Das Fest erreichte seinen Höhepunkt mit dem 1548 erstmals ausgeführten sogenannten Engelsflug: ein Akrobat kletterte über ein in der Bucht vor dem Markusplatz an einem Floß verankertes doppeltes Seil bis zur Spitze des Campanile und warf von dort aus Blumen in die Menge; dann balancierte er zur Tribüne vor dem Dogenpalast hinunter.

Die Vielfalt der Festlichkeiten kannten im Karneval kaum Grenzen. Berühmt waren die Jagden auf den Stier genauso wie die blutigen Kämpfe zwischen Hunden und Bären. Nie endende Kostümfeste fanden zur Freude der Einheimischen in den schönsten Bauten Venedigs statt, und auf den Gassen wurden die schönsten Masken präsentiert. Fastnachtdienstag, der letzte Tag des Karnevals, stellte jedoch alles andere in den Schatten und artete in eine wahre Orgie aus. Tausende von masqueraders liefen in den mit Fackeln beleuchteten Straßen und Plätzen förmlich Amok. Zum Schluss wurde zwischen den zwei Säulen am Südrand der Piazetta vor dem Markusplatz eine enorme Figur mit Pantalones Maske verbrannt, während die Menge skandierte: „Es ist vorbei, es ist vorbei, der Karneval ist vorbei!“ Dazu läuteten die Glocken von San Francesco della Vigna langsam und traurig die Fastenzeit ein .....

Masken und Kostüme

Im Karneval wurde in Venedig vor allem die Halbmaske getragen, die nur einen Teil oder eine Hälfte des Gesichtes bedeckt. Ursprünglich war sie als Theater- bzw. Sprechmaske gebräuchlich, die - etwa in der Italienischen Commedia dell'arte - den Schauspielern das laute und deutliche Sprechen erleichterte. Im Karneval hatte sie außerdem den Vorteil, dass man ohne größere Schwierigkeiten essen und trinken konnte.

Wie man sich im 18. Jahrhundert kostümierte, ist einem Dokument mit dem Titel "Verschiedene Arten, sich im Karneval zu verkleiden ......" zu entnehmen. Zu den vielen aufgezählten Möglichkeiten gehören zum Beispiel: Angler mit Angelrute, Doktor der Medizin, Lakai, Advokat mit Akten, Teufel, Metzger, Astrologe, Jäger mit Gewehr-Attrappe. Dazwischen tummelten sich die klassischen Masken, der Harlekin mit seinem Flickenanzug, die schlaue Colombina, der einfallsreiche Diener Brighella, Pulcinella (mit einem Fragezeichen aus Makaroni), der eitle Dottore, der prahlerische Capitano.

Paar in der baùtta, dahinter Dame mit moretta; Pietro Longhi, 1756

Das Tragen von Masken war in Venedig auch außerhalb des Karnevals üblich, so in den zwei Wochen vor Pfingsten und danach bis Mitte Juni. Später waren Masken außerdem in der Zeit vom 5. Oktober bis zum Beginn der weihnachtlichen Novene am 16. Dezember erlaubt. So notierte Johann Wolfgang von Goethe während seiner Italienischen Reise am 4. Oktober 1786: "Es war mir die Lust angekommen mir einen Tabarro mit den Apartinentien anzuschaffen, denn man läuft schon in der Maske." Zu allen wichtigen Ereignissen wie zum Beispiel offiziellen Banketten und anderen Feierlichkeiten der Serenissima ging man mit "Maske und Umhang". Des weiteren maskierten sich Glücksspieler zum Schutz (vor ihren Gläubigern) und verarmte Adlige beim Betteln an der Straßenecke.

Neben den traditionellen Masken, die auch in den zur Karnevalszeit aufgeführten Theaterstücken auftauchten, wurden gern andere Masken und Verkleidungen getragen. Die beliebteste Maske war die baùtta, eine wirkliche Verkleidung sowohl für Frauen als auch für Männer, die auch außerhalb des Karnevals zu den festgelegten Zeiten getragen werden durfte. Sie besteht aus einem schwarzen Umhang aus Seide oder Samt, der eine vorne geöffnete Kapuze hat, die das Gesicht frei lässt. Über die Kapuze wird eine schwarze oder weiße Make (volto oder larva) gezogen, die das Gesicht nur bis zum Mund bedeckt. Dazu wird über der Maske der typisch venezianische Dreispitz getragen.

Eine beliebte Karnevalsmaske für Frauen war die sogenannte moretta. Sie war klein und oval und bestand aus schwarzem Samt.

Das Herstellen und Verkaufen von Masken entwickelte sich mit der Zeit zu einem äußerst einträglichen Geschäft, nicht nur innerhalb der Stadt. Länder in ganz Europa wurden mit den bekannten und beliebten venezianischen Masken beliefert. Die Maskenmacher oder "Maschereri" hatten seit 1436 unter dem Dogen Francesco Foscari sogar ihre eigene Satzung. Sie gehörten zur Malergilde und wurden von Zeichnern unterstützt, die Gesichter in unterschiedlichsten Formen entwarfen und mit großer Liebe zum Detail ausführten.

Bildergalerie

Literatur

  • Der Karneval in Venedig. Editizioni Storti, Venezia 1985/1986, ISBN 88-7666-258-8.
  • Meyers Enzyklopädisches Lexikon. Bibliographisches Institut, Mannheim/Wien/Zürich 1973, ISBN ???, Band 13, S. 478.
  • Meyers Konversationslexikon. Bibliographisches Institut, Leipzig/Wien, 4. Auflage, 1885-1892, Band 9, S. 548.

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