„Heinz-Herbert Karry“ – Versionsunterschied

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== Karrys Eintreten für die Startbahn West ==
== Karrys Eintreten für die Startbahn West ==


Als hessischer Wirtschaftsminister ordnete Heinz-Herbert Karry 1980 auch die sofortige Umsetzung des Beschlusses zum Bau der [[Startbahn West]] des [[Flughafen Frankfurt am Main|Frankfurter Flughafens]] an.
Als hessischer Wirtschaftsminister ordnete Heinz-Herbert Karry 1980 auch die sofortige Umsetzung des Beschlusses zum Bau der [[Startbahn West]] des [[Flughafen Frankfurt am Main|Frankfurter Flughafens]] an. Dadurch wurde er für Startbahngegner und die [[Revolutionäre Zellen (Deutschland)|Revolutionären Zellen]] zur Reizfigur.<ref>''Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung'', 17. April 2009, Nr. 15, S. R 1.</ref>

Die Meinungen über die Startbahn West teilten zu dieser Zeit die Gemüter des [[Rhein-Main-Gebiet]]s bzw. der gesamten Region Südhessen. Für die einen bedeutete die Erweiterung des Frankfurter Flughafens einen ökologischen Fluch, da sie mit einer deutlichen Erhöhung der Lärmbelästigung sowie weiteren Natureingriffen verbunden war. Für die anderen bedeutete sie einen wirtschaftlichen Segen, da der Flughafen Frankfurt - mittlerweile - der größte Arbeitgeber Hessens ist und viele Menschen durch die Flughafenerweiterung ihre wirtschaftliche Existenz gesichert bzw. in deren Unterlassung dieselbe bedroht sahen. Doch durch die Umsetzung von Wirtschaftsinteressen wurde er letztlich nicht nur für die überwiegend vielen friedlich gesinnten Startbahngegner, sondern auch für militante Gegner darunter die sogenannten [[Revolutionäre Zellen (Deutschland)|Revolutionären Zellen]] zur Reizfigur.<ref>''Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung'', 17. April 2009, Nr. 15, S. R 1.</ref>


== Ermordung ==
== Ermordung ==

Version vom 5. März 2016, 13:12 Uhr

Heinz-Herbert Karry auf dem FDP-Bundesparteitag 1977

Heinz-Herbert Karry (* 6. März 1920 in Frankfurt am Main; † 11. Mai 1981 ebenda) war ein deutscher Politiker (FDP).

Leben und politische Laufbahn

Karry war Sohn eines Färbermeisters und besuchte die Helmholtzschule im Frankfurter Stadtteil Ostend, zu dieser Zeit eine Oberrealschule für Jungen mit naturwissenschaftlichem Schwerpunkt. Er absolvierte anschließend eine kaufmännische Lehre im Eisenhandel. In der Zeit des Nationalsozialismus kam sein Vater ins Konzentrationslager, Heinz-Herbert Karry wurde als „Halbjude“ verfolgt und zeitweise als Zwangsarbeiter verpflichtet.

1945 ließ er sich als selbständiger Kaufmann und Vermögensverwalter in Frankfurt am Main nieder, verkaufte Skistiefel und Gardinen. Später war er als Vermögensverwalter tätig und seit 1949 als erfolgreicher Importeur, der in den 1950er und 1960er Jahren zum erfolgreichsten Schuhimporteur der Bundesrepublik aufstieg.[1] 1955 wurde er Mitinhaber einer Textilgroßhandlung.[2]

Zunächst Mitglied der Gesellschaft für Bürgerrechte, trat er 1949 in die FDP ein. Er wurde Mitglied des Kreisvorstandes, seit 1958 des Landesvorstandes sowie des Bundesvorstandes, später Landes- und Bundesschatzmeister. 1960 bis 1972 war er ehrenamtlicher Stadtrat für Frankfurt-Bornheim, 1960 bis 1978 Mitglied des hessischen Landtags, dessen stellvertretender Vorsitzender er 1963 bis 1968 war. 1968 bis 1970 war er Vorsitzender der Landtagsfraktion der FDP, für die er 1970 auch als Spitzenkandidat zur Landtagswahl kandidierte.[1] Seit 1974 war Karry auch Bundesschatzmeister und Mitglied des Bundesvorstandes der FDP.[3][4]. Karry war in der Zeit, in welcher die Gelder im Zusammenhang mit der „Flick-Affäre“ der FDP zuflossen, Schatzmeister der FDP[5]

Mer muß die Mensche nemme, wie se sin: mer kann se ja net backe lasse!“

Heinz-Herbert Karry, undatiert[1]

Karry war ab 1970 hessischer Wirtschaftsminister und stellvertretender Ministerpräsident in der sozialliberalen Koalition unter Ministerpräsident Albert Osswald. In Frankfurt am Main setzte er sich unter anderem für den Wiederaufbau der Alten Oper, für die Nutzung der Atomenergie und den Bau der äußerst umstrittenen Startbahn West des Frankfurter Rhein-Main-Flughafens ein.[6] Des Weiteren ist ein Bürgschaftssystem für klein- und mittelständische Betriebe auf ihn zurückzuführen. Heinz Herbert Karry betrieb als erster Wirtschaftsminister eines Bundeslandes – neben seinen Schwerpunkten Verkehrs-, Mittelstands- und Innovationspolitik – aktiv Handelspolitik, etwa bei seinen Besuchen in der Volksrepublik China – welche in dieser Zeit die ersten gemeinsamen deutsch-chinesischen Joint-Ventures zuließ – oder mit den Arabischen Staaten.[2] Er war jedoch immer auch ein umstrittener Minister, der wiederholt in Wirtschaftsskandale verwickelt gewesen ist, so in den Verkauf einer Waffenfabrik in das Krisengebiet des Nahen Ostens. 1981 ermittelte die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts von Schmiergeldzahlungen.

Karrys Eintreten für die Startbahn West

Als hessischer Wirtschaftsminister ordnete Heinz-Herbert Karry 1980 auch die sofortige Umsetzung des Beschlusses zum Bau der Startbahn West des Frankfurter Flughafens an. Dadurch wurde er für Startbahngegner und die Revolutionären Zellen zur Reizfigur.[7]

Ermordung

Grab der Familie Karry auf dem Frankfurter Hauptfriedhof

Heinz-Herbert Karry wurde am 11. Mai 1981 in seinem Bungalow in der Hofhausstraße im Frankfurter Stadtteil Seckbach im Schlaf angeschossen.[8][9][10] Vier der sechs abgeschossenen Kugeln trafen. Dabei wurde er im Bauchraum getroffen und eine Arterie verletzt. Die starken inneren Blutungen führten nach einer halben Stunde zum Tod.[11]

Später tauchte ein Bekennerschreiben der Revolutionären Zellen auf. Dort wird ausgeführt, es seien „mehrere Schüsse in seine Beine“ beabsichtigt gewesen, also nicht der Tod Karrys, sondern eine schwere Verletzung. Gleichzeitig wird Karry jedoch als Person bezeichnet, deren Tod ohne Weiteres in Kauf zu nehmen war: „Dass Karry durch diesen Zufall die Reise in die ewigen Jagdgründe antreten mußte, bekümmert uns ausschließlich insofern, als dies nicht geplant war, wir damit das Aktionsziel verfehlten.“[12][13]

Die Tat ist bis heute nicht aufgeklärt, die Täterschaft der Revolutionären Zellen wurde nicht zweifelsfrei nachgewiesen. Der ehemalige Generalbundesanwalt Kurt Rebmann erklärte, dass er aufgrund der Beweislage die Täterschaft der Revolutionären Zellen als die wahrscheinlichste ansehe. Er verwies im selben Interview darauf, dass diese Gruppe jedoch vorher und nachher nie Tötungsdelikte begangen habe.[14]

Karry war damit der erste Minister der deutschen Nachkriegsgeschichte, der einem Attentat zum Opfer fiel. Nach einem Staatsakt in der Frankfurter Paulskirche zog eine Trauergemeinde von mehreren tausend Menschen in einem Schweigemarsch durch die Frankfurter Innenstadt.

Bezüglich der Ermordung Karrys wurde später eine Verbindung zum Grünen-Politiker Joschka Fischer offenbar: Dessen Auto sei im Jahre 1973 für den Transport der späteren Tatwaffe verwendet worden. Fischer meinte dazu, er habe dem Terroristen Hans-Joachim Klein den Wagen lediglich gegeben, um von ihm einen neuen Motor einbauen zu lassen. Erst später habe er erfahren, dass mit dem Auto Waffen transportiert wurden, die aus einer amerikanischen Kaserne gestohlen worden waren.[15]

Ehrungen

Karry war Träger des Großen Bundesverdienstkreuzes mit Stern und Schulterband (1979), der Ehrenplakette der Stadt Frankfurt am Main (1970) und der Römerplakette der Stadt Frankfurt am Main in Silber (1973). Er erhielt ein Staatsbegräbnis auf dem Hauptfriedhof (Grablage: Gewann XIV, 202).[16] In Frankfurt-Seckbach wurde die Rotenburger Straße in Heinz-Herbert-Karry-Straße umbenannt. Weiterhin war er Träger der Großen Verdienstmedaille des DEHOGA Hessen (in Silber). Diese Medaille wird ausschließlich an verbandsaußenstehende Persönlichkeiten aus dem öffentlichen Leben (z. B. Wirtschaft und Politik) verliehen, die sich in besonderer Weise für die Belange des Gastgewerbes eingesetzt bzw. die sich um eine Verbesserung der Rahmenbedingungen verdient gemacht haben.

Heinz Herbert Karry-Stiftung

Die 1982 gegründete Heinz Herbert Karry-Stiftung verleiht den Heinz Herbert Karry-Preis an „Persönlichkeiten, die sich um das Gedeihen und den Ausbau des freiheitlichen, demokratischen und sozialen Rechtsstaats verdient gemacht haben“. Vorsitzende der Stiftung sind: Ruth Wagner (MdL), Raimund A. Bach, Christian Graf Dohna, Wolfgang Gerhardt, Ronald E. Karry, Dieter Posch (MdL).

Literatur

  • Manfred Mays: Heinz Herbert Karry. HörbucHHamburg, Hamburg, 1999
  • Heinz Herbert Karry-Stiftung (Herausgeber): Heinz Herbert Karry 1920 – 1981 Zum Gedenken, Melsungen, 2008
Commons: Heinz-Herbert Karry – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Quellen

  1. a b c Viel Feind, viel Ehr oder Der hessische Außenminister (Memento vom 30. Juni 2007 im Internet Archive), hr-online.de, 10. Mai 2006
  2. a b Heinz-Herbert Karry im Munzinger-Archiv (Artikelanfang frei abrufbar)
  3. Ruth Wagner: Heinz Herbert Karry – Ein Leben für Freiheit und Liberalismus, in: Heinz Herbert Karry 1920 – 1981, Seite: 7-9
  4. http://www.focus.de/politik/deutschland/parteien-die-macht-des-geldes_aid_181340.html Die Macht des Geldes, Focus Nr. 22/2000
  5. sueddeutsche: Flick-Affäre. Die „gekaufte Republik”, 6. Oktober 2006
  6. Todestag von Heinz Herbert Karry, Bildungsserver Hessen
  7. Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 17. April 2009, Nr. 15, S. R 1.
  8. 25 Jahre nach dem Mord – Gedenken an Heinz-Herbert Karry, hr-online.de, 11. Mai 2006 (Memento vom 30. Juni 2007 im Internet Archive)
  9. http://www.focus.de/politik/deutschland/verbrechen-revolutionaere-plaudertaschen_aid_179687.html Revolutionäre Plaudertaschen, Focus Nr. 52/199
  10. http://www.focus.de/politik/deutschland/terrorismus-absolution-vom-gericht_aid_189751.html Absolution vom Gericht, Focus Nr. 10/2001
  11. Archiv der Gegenwart, Band 8 1979 - 1985, Siedler Verlag, St. Augustin, ISBN 3-87748-611-8, S. 7484
  12. Aktion gegen den hessischen Wirtschaftsminister Karry (Mai 81), Revolutionäre Zellen, Mai 1981, nach: Die Früchte des Zorns. Texte und Materialien zur Geschichte der Revolutionären Zellen und der Roten Zora. - Band 2, ID- Archiv im IISG (Hg.), ID-Verlag, Amsterdam 1993, S. 450 - 454
  13. Terrorismus: Mord aus Versehen, in: Der Spiegel 48/1997 vom 24. November 1997
  14. Die nachstehende Seite ist nicht mehr abrufbar, festgestellt im März 2011. (Suche in Webarchiven.) @1@2Vorlage:Toter Link/www.hr-online.de Interview Kurt Rebmann
  15. Georg Mascolo: Die tote Spur, Der Spiegel vom 8. Januar 2001, abgerufen am 6. November 2012
  16. Wegweiser zu den Grabstätten bekannter Persönlichkeiten auf Frankfurter Friedhöfen. Frankfurt am Main 1985, S. 47