„Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg“ – Versionsunterschied

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=== Hauptarbeitsgruppe Frankreich ===
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Unter den Leitern Georg Ebert dann ab Anfang 1941 Gerhard Utikal mit Sitz in Berlin, seinem Stellvertreter Kurt von Behr und den Arbeitsgebietsleitern [[Gerd Wunder|Gerhard Wunder]], [[Karl Brethauer|Karl Brethauer]], dem stellvertretender Leiter [[Franz Seiboth]] und Inspekteur [[Hans Hagemeyer]] koordinierten sieben Sonderstäbe von Paris aus die Aktivitäten des Einsatzstabs:


* Sonderstab Musik mit dem Leiter [[Herbert Gerigk]]
* Sonderstab Musik mit dem Leiter [[Herbert Gerigk]]

Version vom 19. März 2009, 19:06 Uhr

Der Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg (ERR) war eine Rauborganisation des Dritten Reiches während des Zweiten Weltkrieges, die unter der Leitung des NS-Parteiideologen Alfred Rosenberg und dem von ihm geführten Außenpolitischen Amt der NSDAP (APA) stand. Offizielle Ausgangsbasis des ERR war das Projekt einer „Hohen Schule“, die als „zentrale Stätte der nationalsozialistischen Forschung“ geplant war [1]. Rosenberg wollte sein Forschungsinstitut mit dem Material der Gegner der nationalsozialistischen Weltanschauung füllen, das er in den Bibliotheken und Archiven von jüdischen, freimaurerischen und demokratischen Organisationen zu finden hoffte. Bei dieser Suche stießen die Mitarbeiter des ERR vor allem in Frankreich und in den Beneluxlländern auf riesige Bestände von Kunstgegenständen, die sich im Besitz von Menschen jüdischen Glaubens befanden. Diese Kunstschätze mussten nach Auffassung der Nationalsozialisten für das Dritte Reich gestohlen - in Nazi-Diktion sichergestellt- werden und so wurde der Kunstraub dann das wichtigste Arbeitsfeld des ERR. Zwischen 1940 und 1945 war der ERR vor allem in den Benelux-Ländern, Frankreich, im Generalgouvernement,später auch im Reichskommissariat Ostland sowie Reichskommissariat Ukraine tätig. Der Einsatzstab verfügte über acht regionale Haupteinsatzgruppen und fünf fachliche Sonderstäbe (Musik, Bildende Kunst, Vorgeschichte, Bibliotheken, Kirchen). Die Raubzüge des ERR waren verbunden mit der Deportation der ausgeraubten Menschen in Konzentrationslager, die sie zumeist in den sicheren Tod führten.

Chronik

Mit Führerbefehl vom 5. Juli 1940 ermächtigte Adolf Hitler den ERR:

  • die Staatsbibliotheken und Archive nach für Deutschland wertvollen Schriften,
  • die Kanzleien der Kirchenbehörden und Logen nach gegen Deutschland gerichteten Vorgängen zu durchforschen und das Material beschlagnahmen zu lassen
  • alle sonstigen wertvoll erscheinenden Kulturgüter herrenlosen jüdischen Besitzes zu erfassen

am 17. September 1940 bevollmächtigte Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel im Auftrage Hitlers den ERR , „jeglichen herrenlosen Kulturbesitz sicherzustellen“.[2]

Im Juli 1940 wurde der ERR Frankreich Dienststelle Westen unter Kurt von Behr in Paris eingerichtet, das Zentralamt war in Berlin . Der ERR war keine staatliche Einrichtung sondern eine Unterorganisation der NSDAP . Alfred Rosenberg war der "Reichsleiter" des Außenpolitischen Amtes der NSDAP. Er hatte den Auftrag zur Gründung und Einrichtung der Hohen Schule der Partei. Das sollte die zentrale Stätte der NS Forschung, Lehre und- Erziehung werden. Dazu gehörte die Einrichtung von Bibliotheken. Rosenberg hatte sich zuerst zur Aufgabe gestellt, jüdische und freimaurerische Bibliotheken zu beschlagnahmen, um Kenntnisse über den Gegner zu gewinnen, siehe hierzu Führerbefehl vom 5. Juli 1940. Als die Beschlagnahmekommandos in Frankreich unterwegs waren, entdeckten die Verantwortlichen, dass es sehr hohe Mengen von Kunstgut gab, die man auch deren man habhaft werden konnte. Daher wurde der Kompetenzbereich des Kommandos ERR auf die Beschlagnahme sämtlichen Kunst - Kulturgutes erweitert, siehe auch Keitelbefehl vom 17. September 1940. Von April 1941 bis Juli 1944 brachten 29 Transporte Beschlagnahmungen aus Paris nach Deutschland, wo der ERR im Schloss Neuschwanstein sein Hauptdepot unterhielt. Bis zum 17. Oktober 1944 wurden, nach Einschätzung des ERR, insgesamt 1.418.000 Bahnwaggons mit Büchern und Kunstwerken und 427.000 Tonnen per Schiff nach Deutschland geschafft.

Der ERR in Frankreich (ab 1940)

An über 50 verschiedenen Orten wurden Kunstgegenstände konfisziert und in 7 Ausstellungen im Jeu de Paume gezeigt, vor allem um Rosenberg und Hermann Göring, mit dem der ERR in Paris eng zusammenarbeitete, einen Überblick über die wertvollsten Gegenstände zu verschaffen. Die beschlagnahmten Bibliotheken, darunter "Polnische Bibliothek", die "Turgenjew-Bibliothek" und die Bibliotheken zahlreicher Pariser Logen, sollen der Zentralbibliothek der ‘‘Hohen Schule‘‘ zugute kommen. Laut Arbeitsbericht umfassen die Beschlagnahmungen 21.903 Objekte aus 203 Sammlungen.

Der ERR in Osteuropa (ab 1941)

Kurz nach der Anreise aus Kiew: Mitarbeiter des ERR in den Straßen der ukrainischen Stadt Charkow , November 1942.

In Osteuropa, wo der ERR zahlreiche Außenstellen unterhielt, arbeitete der Einsatzstab in Konkurrenz zu anderen dort operierenden nationalsozialistischen Institutionen, insbesondere dem Sonderkommando Künsberg und der Forschungs- und Lehrgemeinschaft Ahnenerbe, die Heinrich Himmler unterstanden. Alle drei Organisationen kümmerten sich in Zusammenarbeit mit der Wehrmacht und der SS um das Aufspüren, Klassifizieren und den Abtransport bzw. die Zerstörung von Kunstwerken und Archiven.

Struktur des ERR

Zentralamt Berlin

Das Zentralamt Berlin, eine Abteilung des Außenpolitischen Amtes der NSDAP, unter der Leitung Georg Ebert (bis 1941), später Gerhard Utikal, gliederte sich in drei Abteilungen:

  • Hauptabteilung III - Sonderaufgaben
  • Hauptabteilung IIIa - Organisation der Sicherstellung von jüdischem Besitz
  • Hauptabteilung IIIb - Geschäftsführung für den Sonderstab Bildende Kunst

Hauptarbeitsgruppe Frankreich

Unter den Leitern Georg Ebert dann ab Anfang 1941 Gerhard Utikal mit Sitz in Berlin, seinem Stellvertreter Kurt von Behr und den Arbeitsgebietsleitern Gerhard Wunder, Karl Brethauer, dem stellvertretender Leiter Franz Seiboth und Inspekteur Hans Hagemeyer koordinierten sieben Sonderstäbe von Paris aus die Aktivitäten des Einsatzstabs:

  • Sonderstab Musik mit dem Leiter Herbert Gerigk
  • Sonderstab Bildende Kunst ( auch Sonderstab Louvre) mit dem Leiter Kurt von Behr, später Robert Scholz, Stellvertretender Leiter Bruno Lohse
  • Sonderstab Bibliotheksaufbau Hohe Schule mit dem Leiter Walter Grothe
  • Sonderstab Vorgeschichte mit dem Leiter Hans Reinerth
  • Sonderstab Kirchen mit dem Leiter Anton Deindl
  • Sonderstab Osten mit dem Leiter Georg Leibbrandt
  • Sonderstab für Rassenpolitische Fragen (organisatorisch dem ERR angeschlossen)

Depots

6 Depots für das Raubgut:

  • Schloss Neuschwanstein, Hauptdepot
  • Das enteignete Kloster Tanzenberg (Kärnten; seit 1942) – Depot für die geraubten Bestände der geplanten Zentralbibliothek der „Hohen Schule“ der NSDAP

Außenstellen

Der Einsatzstab (ERR) unterhielt Außenstellen in Amsterdam, Brüssel, Belgrad, Riga, Reval, Wilna, Dorpat, Minsk, Gorki, Smolensk, Kiew, Charkow, Dnjepropetrowsk, Simferopol und Hohenschwangau.

Organisationen zur Aufklärung des Kunst- und Kulturraubs

Zum Teil bereits im Kriegsverlauf wurden Organisationen zur Aufklärung des Kunst- und Kulturraubs des ERR u.a. gegründet und auf Seiten des alliierten Militärs aktiv:

  • Central Art Collecting Point Munich (CCP - 17. Juni 1945, München, US-amerikanische Sammelstelle der US-Streitkräfte. Hierher gelangten Kunstwerke aus über 600 deutschen und österreichischen Auslagerungsorten. Im September 1949 ging die Verantwortung dafür an deutsche Behörden über. Zwischen 1945 und 1951 wurden etwa 700 000 Kulturgüter restituiert. 1962 entstand daraus die Treuhandverwaltung für Kulturgut (TVK))
  • Commission de Récupération Artistique (CRA – September 1944, die französische Rückgabekommission)
  • Commission on European Jewish Cultural Reconstruction (CEJRC – 1944; gegründet u. a. von Salo Baron und Morris Cohen)
  • Jewish Cultural Reconstruction, Inc. (JCR - 1947; Organisation zum kulturellen Wiederaufbau jüdischen Lebens; ab 1949 Treuhandgesellschaft gegenüber US-Stellen)
  • Jewish Restitution Successor Organisation (JRSO - 1948, Organisation zur Suche nach erbenlosen Kulturgütern und deren Weiterleitung an jüdische Einrichtungen)
  • Monuments, Fine Arts & Archives-Section (MFA&A – 1942, Kunstschutzeinheit der Alliierten)
  • Offenbach Archival Depot (OAD; Hauptsammelstelle der US-amerikanischen Behörden für wiedergefundene Bestände geraubter jüdischer Bibliotheken, Archive und Ritualgegenstände)

In der neugegründeten Bundesrepublik lief die Diskussion um die Rückgabe und Restitution hauptsächlich unter dem Schlagwort Wiedergutmachung.

Literatur

Quellen / Dokumente

  • Günther Haase: Kunstraub und Kunstschutz. Eine Dokumentation. Hildesheim 1991, ISBN 3-487-09539-4.
  • Günther Haase: Die Kunstsammlung des Reichsmarschalls Hermann Göring. Eine Dokumentation mit Faksimiles sowie einem Dokumentenanhang. Berlin 2000, ISBN 3-86124-520-5.
  • Günther Haase: Die Kunstsammlung Adolf Hitler. Eine Dokumentation mit Faksimiles sowie einem Dokumentenanhang. Berlin 2002, ISBN 3-86124-552-3.

Allgemeine Darstellungen

  • Jacob Kurz: Kunstraub in Europa 1938-1945. Hamburg, 1989, ISBN 3-926827-25-4.
  • Lynn H. Nicholas: Der Raub der Europa. Das Schicksal europäischer Kunstwerke im Dritten Reich. Aus dem Amerikan. München 1997, ISBN 3-426-77260-4.
  • Peter M. Manasse: Verschleppte Archive und Bibliotheken. Die Tätigkeit des Einsatzstabes Rosenberg während des Zweiten Weltkrieges. St. Ingbert 1997, ISBN 3-86110-131-9.
  • Melissa Müller, Monika Tatzkow: Verlorene Bilder, verlorene Leben - Jüdische Sammler und was aus ihren Kunstwerken wurde. Elisabeth-Sandmann-Verlag, München 2008, ISBN 978-3-938045-30-5. (15 Fallbeispiele, z. B. Alfred Hess, Adele und Ferdinand Bloch-Bauer, Paul Westheim, Sophie Lissitzky-Küppers, Max Steinthal und Alma Mahler-Werfel.)
  • Hector Feliciano: Das verlorene Museum. Vom Kunstraub der Nazis. Aus dem Engl. von Chris Hirte. Berlin 1998, ISBN 3-351-02475-4.
  • Jonathan Petropoulos: Kunstraub und Sammelwahn. Kunst und Politik im Dritten Reich. Berlin 1999, ISBN 3-549-05594-3.
  • Jonathan Petropoulos: The Faustian Bargain. The Art World in Nazi Germany, London 2000, ISBN 0-7139-9438-X.

Frankreich, Belgien und Niederlande

  • Matila Simon: "The Battle of the Louvre. The Struggle to Save French Art in World War II. New York 1971.
  • Willem de Vries: Kunstraub im Westen 1940 - 1945. Alfred Rosenberg und der Sonderstab Musik, Frankfurt a.M. 2000, ISBN 3-596-14768-9.
  • Anja Heuss: Kunst- und Kulturgutraub. Studie zur Besatzungspolitik der Nationalsozialisten in Frankreich und der Sowjetunion, Heidelberg 2000, ISBN 3-8253-0994-0.
  • Frits J. Hoogewoud / Sabine Arndt (Hrsg.): Auf Transport!. Deutsche Stationen „sichergestellter“ jüdischer und freimaurerischer Bibliotheken aus Frankreich und den Niederlanden (1940 - 1949). Hameln 2005, ISBN 3-8271-8818-0, ISSN 1610-4439.

Ostland, Ukraine und Generalgouvernement

  • Anja Heuss: Kunst- und Kulturgutraub. Studie zur Besatzungspolitik der Nationalsozialisten in Frankreich und der Sowjetunion, Heidelberg 2000, ISBN 3-8253-0994-0.
  • Stefan Lehr: Ein fast vergessener „Osteinsatz“. Deutsche Archivare im Generalgouvernement und im Reichskommissariat Ukraine. Düsseldorf 2007, ISBN 3-7700-1624-6.

Spezielle Forschungen

  • Esther Tisa Francini u.a.: Fluchtgut - Raubgut. Der Transfer von Kulturgütern in und über die Schweiz 1933-1945 und die Frage der Restitution. Zürich 2001, ISBN 3-0340-0601-2.
  • Rainer Strzolka: Vernichtung jüdischer Identität durch den nationalsozialistischen Raub von Wort und Schrift. In: AKMB news 9.3003.1, S. 3-7.
  • Rainer Strzolka: Jüdischer Buchbesitz als Beutegut. Zum Symposium im Niedersächsischen Landtag am 14. November 2002. In: AKMB news 9.2003.1, S. 7-13.
  • Rainer Strzolka: Die Ausstellung „Seligmanns Bücher”. In: AKMB news 9.2003.1, S. 14-15.
  • Rainer Strzolka: Beiträge zur Provenienzforschung. Wiener Symposium zu Raub und Restitution in Bibliotheken. In: Buch und Bibliothek 55.2003.10/11, S. 650-651.
  • Rainer Strzolka: Jüdischer Buchbesitz als Raubgut. Neue Forschungsbeiträge zur Restituierung jüdischer Bibliotheken. Ein Bericht zum 2. Hannoverschen Symposium. In: Buch und Bibliothek 57.2005.7/8, 530-532. – Nachdruck in: L.Aktiv. Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek N.F. 4.2005.28, S. 2-4.
  • Michael J. Kurtz: America and the Return of Nazi Contraband. The Recovery of Europe´s Cultural Treasures, New York 2006.

Wirkungsgeschichte

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Ernst Piper: Alfred Rosenberg – der Prophet des Seelenkrieges. Der gläubige Nazi in der Führungselite des nationalsozialistischen Staates, in: Michael Ley / Julius H. Schoeps (Hrsg.): Der Nationalsozialismus als politische Religion. Bodenheim bei Mainz 1997, S. 122, ISBN 3-8257-0032-1.
  2. Jonathan Petropoulos: Kunstraub und Sammelwahn. Kunst und Politik im Dritten Reich. Berlin 1999, S. 168.