Die Weser

Die Weser von 1817

Die Weser war ein am 6. Mai 1817 in Betrieb genommenes deutsches Dampfschiff. Es ist 1816 im Auftrag des Reeders Friedrich Schröder auf der Werft Johann Lange in Grohn bei Bremen-Vegesack gebaut worden und gilt als das erste von einem deutschen Schiffsbauingenieur gebaute Dampfschiff.


Vorgeschichte

Nach Ende der napoleonischen Kriege 1814, der Aufhebung der Blockade der deutschen Seehäfen durch die englische Kriegsmarine und der Bestätigung von Bremens Unabhängigkeit, setzte in der Hansestadt ein lebhafter Aufschwung in Wirtschaft und Seehandel ein. Dem entgegen standen die schlechten Fahrwasserverhältnisse der Unterweser, die durch voranschreitende Versandung für Seeschiffe nur unter Schwierigkeiten zu befahren war, so dass die Güter damals in Brake auf langsame Flussschiffe mit geringen Tiefgang umgeladen werden mussten. Post- und Passagieren konnten alternativ nur auf dem beschwerlichen Landweg nach Bremen gelangen.

In dieser Situation entwickelt der Bremer Reeder Friedrich Schöder die Idee, Dampfschiffe auf der Weser einzusetzen, um eine deutlich schnellere und komfortablere Verbindung auf dem Fluss zu etablieren. Nach dem ersten erfolgreichen Einsatz von Dampfschiffen im Linienverkehr auf dem Hudson zwischen New York und Albany durch Robert Fulton 1807, begannen die Möglichkeiten der Dampfschifffahrt auch in Europa, insbesondere in England und Frankreich, lebhaftes Interesse zu wecken. Schröder fasst daher den Entschluss, die Konzession für eine entsprechende eigene Unternehmung beim Bremer Senat zu beantragen.

Unter den nützlichsten Erfindungen, worauf der menschliche Geist in den letzten Jahren verfallen ist, behauptet diejenige, durch die Kraft des Dampfes große Massen in Bewegung zu setzen, gewiss eine der ersten Stufen. [...] Wenn wir uns nun auch der Erfindung dieser für den Handel und die Schifffahrt so höchst wichtigen und nützlichen Erfindung nicht rühmen können, so sollten wir, dünkt mich, uns doch vor dem Vorwurfe sichern, daß wir mit gleichgültigen Augen dem Fortschreiten anderer Nationen zusehen; vielmehr durch die Adoption einer so heilsamen Erfindung auch unserem Handel und unserer Schiffahrt die Erleichterung zu verschaffen suchen [...].“

Friedrich Schröder: an den Bürgermeister und den Rat der Stadt Bremen am 23. Mai 1816)

Mit Unterstützung des späteren Bürgermeisters und Gründers von Bremerhaven, Johann Smidt, verlieh der Bremer Senat Schröder daraufhin am 18. Juni 1816 ein Privileg zum Betrieb von Dampfschiffen auf der Weser mit einer Laufzeit von 15 Jahren, das in vergleichbarer Form nach zähen Verhandlungen auch von den Weser-Anreihnerstaaten Oldenburg und Hannover mit gewährt wurde, so dass die Unternehmung beginnen konnte.


Bau

Zunächst wollte Schröder ein bestehendes Schiff erwerben und begab sich zu diesem Zwecke im Jahre 1816 in Begleitung von Schiffbaumeister Johann Lange, Schiffbauingenieur Ludwig Georg Treviranus und Kapitän Zacharias Spilcker nach England. Die Suche brachte jedoch kein befriedigendes Ergebnis, da die begutachteten Schiffe in Größe und Qualität nicht den Anforderungen des Unternehmers genügten.

In der Folge fiel daher die Entscheidung, selbst ein geeignetes Schiff unter Leitung von Treviranus auf der Werft von Johann Lange (einem Vorgängerunternehmen der Bremer Vulkan-Werft) in Grohn zu bauen. Die hierfür notwendige Maschine wurde über den in London ansässigen Schwager Schröders bei Boulton, Watt & Co., der Firma des Dampfmaschinenpioniers James Watt, in Soho bei Birmingham geordert und nach den technischen Vorgaben aus England einbaut. Der Stapellauf des Schiffs und die Taufe auf den Namen Die Weser erfolgte am 30. Dezember 1816, die ersten Testfahrten Anfang Februar 1817.

Zur Beruhigung seiner Mitbürger, die durch zwei Dampfschiffunglücke in den USA und in England der neuen Technologie skeptischen gegenüber standen, veröffentlichte Ingenieur Treviranus wenige Tage vor der Jungfernfahrt der Weser eine detaillierte Beschreibung der Funktionsweise der eingebauten Maschine und ihrer besonderen Sicherheitsvorrichtungen.

[...]Zur Sicherung gegen alle Gefahr [...] dient die auf dem Kessel befindliche Sicherheitsklappe (savety valve) und der in Grade abgetheilte Dampfmesser (steam gauge). [...] Bei unserem hiesigen Dampfboot ist die höchste Expansivkraft, welche die Dämpfe erhalten können, nicht größer, als daß jeder Quadrat-Zoll des Kessels nur durch eine Kraft von ungefähr 3,5 Pfund gedrückt wird, indem bei diesem Druck sich das Ventil zu öffnen beginnt. Daß diese Kraft niemals im Stande sein wird, einen, aus dicken Platten vom besten, geschmiedeten Eisen zusammengesetzten, mit starken Nietnägeln verbundenen Kessel auseinander zu treiben, wird Jedem einleuchten. Es ist auch wirklich meines Wissens noch kein Beispiel vorhanden, daß der Kessel einer, nach dem Prinzip der Herren Boulton und Watt wirkenden Dampfmaschine zersprungen wäre.“

Ludwig Georg Treviranus: in der Bremer Zeitung vom 1. Mai 1817


Beschaffenheit

Plan des Dampfschiffs Die Weser von 1817, der die ungefähre Aufteilung des Schiffs zeigt

Der dunkelgrün gestrichene Schiffskörper hatte eine Länge von 29 Metern und eine Breite von 4,5 Metern. Das Hauptdeck wurde im Wesentlichen von einer seitlich über den Schiffskörper herausragenden Gangway (Galerie) gebildet, die die nutzbare Bereite des Schiffs auf knapp 7 Metern vergrößerte und der Weser einen bauchigen Charakter verlieh. Über dem Hauptdeck erhoben sich die Kajütshäuser für zusammen bis zu 80 Personen. Das vordere beherbergte die Kajüte der zweiten Klasse, das hintere eine Restaurationsküche, die Kajüte erster Klasse und die Damenkajüte. Die erste Klasse war mit einer hochwertigen Einrichtung aus Mahagoniholz und Polstermöbeln ausgestattet, die zweite mit einer deutlich schlichteren Einrichtung aus Tannenholz. Der Abschluss der Kajüten bildete das Oberdeck, auf dem sich Bänke für weitere Fahrgäste befanden. Das Achterdeck war darüberhinaus Sonnenzelt überspannt.

Ich bestieg das Dampfschiff nach seiner Ankunft im Hafen [zu Bremen] und fand die allergeschmackvollste Einrichtung im Inneren. Besonders gleicht die Kajüte [erster Klasse] einem kleinen Prachtzimmer, und ist mit Sofas, Fußdecken, Spiegeln und selbst mit einer vortrefflichen, auserwählten Handbibliothek versehen [...].“

August Klingemann: Fahrgast der Weser, 1817

Zwischen den beiden Deckhäuser befand sich der Maschinenraum mit der 14 PS starken Dampfmaschine von Boulton, Watt & Co. Der Antrieb erfolgte durch die beiden seitlich angebrachten Schaufelräder mit einem Durchmesser von ca. 3 Meter, die auf ein Drittel der Kiellänge vom Bug aus platziert waren. Sie ermöglichten eine Geschwindigkeit von etwa 5,5 Knoten (10 km/h) und konnten – je nach Tiefgang des Schiffs – in ihrer Höhe verstellt werden. Unmittelbar hinter dem Mast, an dem ein Rahsegel aufgespannt werden konnte, stand der 10 Meter hohe Schornstein. Zur Durchfahrt unter der Weserbrücke in Bremen konnten beide umgeklappt werden. Den Bug der Weser zierte ein schneckenförmiges Galion, am Heck führte das Schiff eine Speckflagge, die am Innenrand um die Wappen von Bremen, Oldenburg und Hannover ergänzt war.


Einsatz

Die Jungfernfahrt der Weser am 6. Mai 1817 von Vegesack nach Bremen, an der zahlreiche Würdenträger aus Bremen, Oldenburg und Hannover teilnahmen, gestaltete sich als großer Erfolg und fand unter lebhaftem Interesse der Bevölkerung teil. Es folgte eine weitere Sonderfahrt für geladene Gäste, die bis nach Verden an der Aller führte.

Der Genuß der ersten Herauffahrt, die seine Splendität mir und an die hundert Anderen verschaffte, war einzig und glich einem Triumphzuge. Heute ist er [Friedrich Schröder] mit seinem stolz und sanft einherschwebenden Fahrzeug unter der Brücke durch auf Verden geschwommen.“

A. F. Barkhausen: an Senator Johann Smidt am 10. Mai 1817

In den folgenden 16 Jahren verkehrte Die Weser im Liniendienst zwischen Bremen, Vegesack, Elsfleth und Brake und beförderte im Jahr der Indienststellung über 10.000 Passagiere. Die widrigen Fluss-Verhältnisse bedrohten die Wirtschaftlichekeit des Unternehmen jedoch beständig. Der Streckenabschnitt von Bremen nach Vegesack musste sogar wieder eingestellt werden, da hier die Versandung des Flusses die Schifffahrt besonders gefährlich gestaltete. Aber auch auf der übrigen Route war ein fahrplanmäßige Post- und Fahrgasttransport oft nur bei Hochwasser gewährleistet. Ab 1827 (mit der Gründung von Bremerhaven) lief Die Weser auch Geestemünde an.

Am 14. November 1833 wurde das Dampfschiff außer Dienst gestellt und abgewrackt.


Historische Einordnung

Die Weser wird in verschiedenen Quellen als erstes deutsches Dampfschiff bezeichnet. Dieses ist so jedoch nicht korrekt, da bereits im Jahre 1816 zwei Dampfschiffe in Deutschland in Betrieb waren: die in England gebaute Lady of the Lake, die auf der Niederelbe fuhr und die von den englischen Schiffsbauern John Humphreys und John Barnett Humphrey gebaute Prinzessin Charlotte von Preußen, die auf der Havel unterwegs war.

Wenn man ganz korrekt sein wollte, müsste man wohl sagen, ‚Die Weser‘ war das erste von einem deutschen Schiffbauingenieur erbaute deutsche Dampfschiff, das freilich noch eine englische Maschine hatte.“

Dr. Karl H. Schwebel: Archivdirektor des Staatsarchiv Bremen, 24. März 1971


Quellen

  • Wolfgang Kiesel: Bremer Vulkan – Aufstieg und Fall – 200 Jahre Schiffsbaugeschichte. KSZB Verlag, Bremen 1997
  • Johannes Lachs: Schiffe aus Bremen – Bilder und Modelle im Focke-Museum. Hauschild Verlag, Bremen 1994
  • Hermann Raschen: Die Weser. Das erste deutsche Dampfschiff und seine Erbauer (Sonderabdruck aus dem Jahrbuch der Schiffbautechnischen Gesellschaft, VIII. Band, 1907). Verlag Julius Springer, Berlin 1908
  • Herbert Schwarzwälder: Geschichte der Freien Hansestadt Bremen, Band 2. Edition Temmen, Bremen 1995
  • Hans Szymanski: Die Anfänge der Dampfschiffahrt in Niedersachsen und in den angrenzenden Gebieten von 1817 bis 1867, Veröffentlichung des Niedersächsischen Amtes für Landesplanung und Statistik. Wissenschaftliche Gesellschaft zum Studium Niedersachsens e.V., Hannover 1958
  • Abhandlungen des Naturwissenschaftlichen Vereins zu Bremen, I. Band, 3. Heft. Bremen 1868
  • Sammlung wissenschaftlicher Auskünfte. Staatsarchiv Bremen, verschiedene Jahrgänge

sowie:

  • Focke Museum Bremen
  • Bremer Bootsbau Vegesack gGmbH