Stark eutektisches Lösungsmittel

Als stark eutektische Lösungsmittel (DES von englisch deep eutectic solvents) werden mehrkomponentige, eutektische Salzschmelzen bezeichnet, deren Schmelzpunkt, wie der von ionischen Flüssigkeiten, nahe oder unter der Raumtemperatur liegt. Der Begriff ist insofern irreführend, als kein besonderer Mechanismus vorliegt, der eine besonders starke Absenkung des Schmelzpunkts im Vergleich zu anderen Eutektika bewirkt.

Bekannte eutektische Lösungsmittel basieren auf einer Mischung aus quartäre Ammoniumverbindungen mit Wasserstoffbrückenbindungsdonoren (z. B. Amine) und Carbonsäuren. Im Jahre 2003 wurde erstmals das Phänomen einer stark eutektischen Mischung von Cholinchlorid (2-Hydroxy-N,N,N-trimethyl-ethanaminiumchlorid) und Harnstoff im Molverhältnis 1:2 beschrieben. Der Schmelzpunkt dieser stark eutektischen Mischung liegt bei 12 °C, während der von Cholinchlorid 302 °C und der von Harnstoff 133 °C beträgt.[1][2]

DES wurden im Hinblick auf ihre Anwendbarkeit im Labormaßstab und für die Industrie untersucht. Dabei fand man, dass das beschriebene Eutektikum (siehe oben) verschiedene Metallsalze wie Lithiumchlorid (Löslichkeit 2,5 mol·L−1) und Kupfer(II)-oxid (Löslichkeit 0,12 mol·L−1) löst. So erscheint eine Anwendung in Metallreinigungsverfahren (Galvanotechnik) möglich. DES können auch als Elektropolituren angewendet werden, da sie elektrisch leitend sind. Auch im Bereich der organischen Chemie können DES als Lösungsmittel eingesetzt werden, z. B. für Benzoesäure (Löslichkeit 0,82 mol·L−1) oder sogar für Cellulose.[3]

Im Vergleich zu klassischen Lösungsmitteln sind DES nichtflüchtig, besitzen also einen sehr niedrigen Dampfdruck, und sind deswegen nur sehr schwer entflammbar. Weitere Cholinchlorid-basierende DES werden mit Malonsäure (Smp. 0 °C), Phenol (−40 °C) oder Glycerin (−35 °C) gebildet.

Im Vergleich zu ionischen Flüssigkeiten, die genauso wie DES aus Ionen zusammengesetzt sind und daher ähnliche Eigenschaften haben, sind DES billiger herstellbar, da sie lediglich Mischungen gängiger Laborchemikalien sind. Weitere Vorteile im Vergleich zu gängigen ILs sind die Fluorfreiheit, und die gute, bzw. gut bekannte biologische Abbaubarkeit.

Einzelnachweise

  1. Andrew P. Abbott, Glen Capper, David L. Davies, Raymond K. Rasheed, Vasuki Tambyrajah: Novel solvent properties of choline chloride/urea mixtures. In: Chemical Communications. Nr. 1, 2003, S. 70–71, doi:10.1039/b210714g (englisch).
  2. Abbott, A. P.; Boothby, D.; Capper, G.; Davies, D. L.; Rasheed, R. K.: Deep Eutectic Solvents Formed between Choline Chloride and Carboxylic Acids: Versatile Alternatives to Ionic Liquids. In: J. Am. Chem. Soc. 126. Jahrgang, Nr. 29, 2004, S. 9142–9147, doi:10.1021/ja048266j, PMID 15264850 (englisch).
  3. Patent US8022014B2: Deep eutectic solvents and applications. Angemeldet am 25. März 2009, veröffentlicht am 20. September 2011, Anmelder: Shrieve Chemical Products Inc, Erfinder: Richard F. Miller.