Deutsche Frühjahrsoffensive 1918

Vorlage:Schlacht Als Frühjahrsoffensive (Operation Michael) bezeichnet man eine Serie von fünf deutschen Offensiven, die 1918 den letzten Großangriff der deutschen Truppen an der Westfront im Ersten Weltkrieg darstellten. Die Angriffsoperationen kamen für die Entente-Mächte überraschend, da sie an einen nahen Zusammenburch des deutschen Heeres glaubten. Nachdem sich allerdings eine entstehende Panik im Oberkommando der Briten und Franzosen gelegt, kamen die Offensiven schließlich nach drei Monaten zum Stehen. Damit verlor das deutsche Oberkommando endgültig jeden Handlungsspielraum an der Westfront und ein Waffenstillstand wurde von der Militärführung angedacht.

Anlass und Strategische Ziele

Die Aktion war von der Obersten Heeresleitung bereits im November 1917 unter der Federführung Ludendorffs geplant worden. Sie war der letzte Versuch, einen Siegfrieden mit den Entente-Mächten zu erreichen und die totale Niederlage abzuwenden, die durch den Kriegseintritt der USA absehbar geworden war. Das Endziel der Offensive war die Einnahme der französischen Hauptstadt Paris, aber vor allem die Eroberung der Kanalhäfen, um den Nachschub nach Frankreich aus England und Übersee abzuschneiden.

Die Offensive wurde trotz Material- und Menschenmangel ermöglicht, weil Russland den Friedensvertrag von Brest-Litowsk unterzeichnete und so viele Verbände, die zuvor an der Ostfront im Einsatz waren, an die Westfront verlagert werden konnten.

Taktische Innovationen

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Deutscher Stoßtrupp in eroberter französischer Stellung

Da die „AbnutzungsstrategieGeneral Falkenhayns keine Entscheidung des Krieges herbeiführte und durch die enormen Verluste bei gleichzeitiger Überlegenheit an Resourcen dem Kaiserreich über kurz oder lang die Niederlage einbringen würde, entschied man sich zu einem taktischen Paradigmenwechsel. Hierbei griff der Generalstab auf das von General von Hutier bei der Schlacht um Riga und Cambrai erfolgreich erprobte Stoßtruppverfahren zurück. Bei dieser Variante lag das Augenmerk nicht auf einer langen Artillerievorbereitung und einem schwerfälligen Angriff auf breiter Front. Im Gegenteil, schon vor dem Beschuss sollten kleine Kampfgruppen in das feindliche Grabensystem einsickern. Nach einem kurzen aber durch Gaseinsatz effektiven Artillerieschlag sollten Infanterietruppen nachrücken und verbliebene Widerstandsnester ausräumen. Dabei sollte die Koordination der Truppen weniger durch den Stab, sondern an der Front selbst erfolgen. War ein Trupp an den anderen herangelangt, rückte er weiter vor und vice versa. Das revolutionäre daran waren einstweilig die Ausnützung des Überraschungsmoments, die Umgehung von Stellungen starken Widerstands durch die Stosstrupps der Vorhut und ein relativ autonomes Handeln von Offizieren auf Kompanieebene. Damit enthielt diese Taktik schon drei wesentliche Elemente des Blitzkriegs des darauffolgenden Weltkriegs.

Verlauf

Englische und portugiesische Soldaten in deutscher Gefangenschaft
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Das Paris-Geschütz

Operation Michael wurde die erste von fünf Offensiven im Raum zwischen Bapaume und St. Simon genannt. Sie wurde ausgeführt von drei Armeen mit insgesamt 42 Divisionen. Ihr Hauptziel war es, einen Keil einen Durchbruch an diesem Scharnierstück zwischen französischen und britischen Truppen zu erzielen und die Front der Verbündeten aufzurollen. Schon am ersten Tag des Unternehmens, dem 21. März, konnte die Verteidigung des Gegners durchbrochen werden und man erzielte insgesamt einen Einbruch in französisches Territorium von 64 km. Doch war die Offensive kein Triumphlauf. Während die 18. Armee im Süden unter dem Kommando von General von Hutier zwei französiche Armeen regelrecht vor sich hertrieb, hatten es die 2. Armee (Marwitz) und die 17. Armee (Below) gegen zwei englische Armeen unter General Gough und General Byng weiter nördlich um einiges schwieriger. Aus diesen Umständen verstärkte Ludendorff diese beiden Formationen im Gegensatz zu Hutiers Armee. Allerdings ließ er den Anfangsplan unverändert und wies die drei Truppenteile weiter an, in divergierenden Richtungen vorzugehen. Operation Michael erlahmte bereits nach sechs Tagen, denn schon am 27. März gewannen die deutschen Einheiten kaum noch Raum.

Die weiteren Offensiven wurden durchgeführt, doch zeigte schon die zweite Offensive, mit dem Ziel des Vormarsches auf den Kanal, kaum noch Wirkung - unter anderem, da sich die Briten auf die neue Taktik der kaiserlichen Armee eingestellt hatten und eine flexiblere Verteidigung übernahmen. Allein der dritten Offensive der 7. deutschen Armee wurde noch ein großer Geländegewinn entlang der Marne zu teil, bei dem man bis auf 92 Kilometer an Paris heranrückte. Dies war darauf zurückzuführen, dass der Befehlshaber der französischem 6. Armee Duchesne seine Reserven im Einklang mit antiquierten Taktiken nahe dem Frontbereich konzentriert hatte und sie somit ein "dankbares Opfer" der neuen deutschen Operationsverfahren werden konnten.

Die Deutschen setzten im Verlauf der Offensive das Paris-Geschütz ein, um direkt die französische Hauptstadt zu bombardieren. Dies hatte keinen millitärischen Nutzen, löste aber eine Panik unter der Zivilbevölkerung aus. Insgesamt starben 256 Zivilisten, 620 wurden verwundet.

Die beiden letzten Offensiven zeigten keine nennenswerte Wirkung mehr und brachten nur wenige Kilometer an Raum, schlussendlich wurden die Vorstöße nach dem fehlgeschlagenen Versuch der Eroberung von Amiens aufgegeben und nach knapp einem Monat beendet.

Gründe des Scheiterns

Strategische Fehler der deutschen Führung

Die Entscheidung Ludendorffs, die Truppenteile zu verstärken, welche auf den hartnäckigsten Widerstand stießen, führte zu einem unsachgemäßen Einsatz der Kräfte. Die Erkenntnisse des nachfolgenden Weltkriegs zeigten, dass zur Maximierung des Schockeffekts die Truppenteile mit dem größten Erfolg verstärkt werden sollten. Generell war die Reservehandhabung problematisch, da nur die Truppen in der ersten Frontlinie verstärkt wurden und man während der Offensive keine vollen neuen Einheiten heranbrachte. Dies führte zu einem raschen Ermüden der eingesetzten Kräfte. Im weiteren fiel auch die Fixierung des Generalstabs allein auf den militärischen Begriff des Durchbruchs negativ ins Gewicht. Die Offensive war zwar von der OHL durchweg methodisch geplant worden, doch nur bis zu dem vermeintlich entscheidenden Ziel, dem Stoß durch die feindlichen Linien. Ein geordneter Plan für das Ausnützen der entstandenen Lücken, geschweige denn für ein Umfassungsmanöver wurde nicht getroffen. Der Schockangriff der Stoßtruppen wurde zwar als taktisch entscheidender Faktor erkannt, dieses Prinzip allerdings als strategisches Moment zu nützen wurde nicht angedacht.

Taktische Schwächen der deutschen Führung

Die Taktik der Infanterie wurde zwar durch Hutier revolutioniert, doch der Einsatz der Artillerie ist dem nur in Maßen angepasst worden. Man verkürzte zwar die Dauer des Artillerieschlages, aber ihr Einsatz wurde noch wie zu Beginn des Krieges geregelt. Während kleinere Bewegungen längst von Offizieren an der Front geleitet wurden, schossen die Kanonen der Armee noch nach einem stur ausgearbeiteten Feuerplan. Somit konnte die vorbereitende Feuerwalze den Angriffstruppen davonlaufen, wenn diese zu langsam vorankamen. Infolgedessen wurde die Schlagkraft der Attacke eben an jenen Punkten gehemmt, wo der Vormarsch sich schon von Anfang an langsam gestaltete.

Versorgungszustand des deutschen Heeres

Die Armee des deutschen Reiches litt im letzten Kriegsjahr unter enormen Versorgungsschwierigkeiten, der durchschnittliche Soldat war nach normalen Gesichtspunkten unterernährt. Dabei beging die OHL noch eine bewusste Propagandalüge. Es wurde nämlich verlautbart, die Entente leide in Folge des uneingeschränkten U-Boot-Krieges unter denselben Nöten. Als die vorstürmenden Einheiten das genaue Gegenteil feststellten, wirkte dies natürlich als ein Anreiz, das Plündern gegnerischer Vorratslager dem Angriff vorzuziehen und somit erlahmte wiederum der Schwung des Angriffs.

Folgen

Mit dem Scheitern der Frühjahrsoffensive wurde die militärische Niederlage des Kaiserreichs endgültig besiegelt. Die Moral unter den Soldaten des Kaisers sank erheblich, da man ihnen das Unternehmen als letzte Anstrengung vor dem Sieg verkaufte, auch wenn die Disziplin noch nicht ernsthaft bröckelte. Der große Generalstab sah sich sämtlichen weiteren Optionen aufgrund der Verluste der Offensive beraubt und hatte damit jede Möglichkeit zur Initiative an der Westfront verloren. In diesem Moment suchte die Oberste Heeresleitung die Verantwortung an die (durch sie eigentlich marginalisierten) Politiker abzuschieben. General Ludendorff forderte die politische Führung des Reiches auf, einen Frieden mit der Entente auszuhandeln. Im Jahresverlauf 1918 war die deutsche Armee nur noch zur Defensive fähig, konnte aber einen totalen Zusammenbruch der Frontlinie trotz der durch US-Truppen durchgeführten Meuse-Argonne-Offensive bis zum Waffenstillstand von Compiègne am 11. Novemeber 1918 vermeiden. Im militärischen Bereich hatte die Operation auch die weitere Folge, dass die Verbündeten sich nach dem Schock der Offensive nun endlich auf Maréchal Foch als gemeinsamen Oberbefehlshaber einigen konnten. Dies führte zu einer erheblichen Straffung der Koordination unter ihren Truppenteilen. Im politschen Bereich wirkten die Frühjahrsoffensiven als ein Grund für die Verbreitung der Dolchstoßlegende, denn sie erweckten den Anschein das deutsche Heer habe im Krieg seine Schlagkraft nicht eingebüßt und habe das Schlachtfeld unbesiegt verlassen.

Literatur

  • John Keegan: Der erste Weltkrieg. Eine europäische Tragödie, Rowohlt-Taschenbuch-Verlag, Reinbek bei Hamburg 2001. ISBN 3-499-61194-5
  • Charles Messenger: Blitzkrieg. Eine Strategie macht Geschichte, Bechtermüntz Verlag, Augsburg 2002. ISBN 3-8289-0366-5
  • Michael Stedman: The German Spring Offensive, Leo Cooper, London 2001. ISBN 0850527872
  • Christian Zentner: Der erste Weltkrieg. Daten, Fakten, Kommentare, Moewig, Rastatt 2000. ISBN 3-8118-1652-7


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