Maximianus (Dichter)

Als Maximianus bezeichnet sich der Dichter eines spätantiken lateinischen Gedichtes, das sich wohl in das 6. Jahrhundert datieren lässt. Der Verfasser dieses Textes gilt als der letzte Vertreter der antiken Liebeselegie. Sichere Informationen über seine Biographie gibt es nicht, da unklar ist, inwiefern sich Angaben aus dem erhaltenen Werk als autobiographische Tatsachenberichte interpretieren lassen. Hauptsächlicher Gegenstand seines Werkes ist die Klage über das Alter, insbesondere über den Verlust der Manneskraft, einschließlich expliziter erotischer Schilderungen.

Leben

Maximianus, dessen genaue Lebensdaten unbekannt sind, war den vereinzelten Hinweisen in seinem Werk zufolge ein Zeitgenosse Theoderichs des Großen und Kaiser Justinians.[1] Nach Ausweis seines Werkes (3,48) war er in seiner Jugend ein Freund des Philosophen Boethius (* um 480/485; † im Zeitraum von 524 bis 526), der ihm geholfen habe, mit einer von ihm begehrten Frau zusammenzukommen.[2] Maximianus verweist möglicherweise auf seine mittelitalische Herkunft, da er sich selbst als Etrusker bezeichnet – dies konnte in der Spätantike aber auch einfach so viel wie ‚italisch‘ bedeuten oder auf besonderes Traditionsbewusstsein hindeuten.[3]

In seinem Werk gibt der Verfasser einen Rückblick auf einzelne Geschehnisse seines Lebens. Akzeptiert man diese als zutreffende autobiographische Äußerungen des Verfassers, wäre Maximianus durch einen Privatlehrer ausgebildet worden und habe sich als junger Mann in der Rhetorik und der Dichtkunst versucht. Im fortgeschrittenen Alter wäre er im Auftrag eines Herrscherhofes aus dem westlichen Mittelmeerraum an den oströmischen Kaiserhof in Konstantinopel entsandt worden, um dort politische Verhandlungen zu führen.[4] In der Appendix Maximiana wird außerdem der ostgotischen Herrscher Theodahad (regierte 534–536) erwähnt – allerdings ist unklar, ob diese kurze Gedichtesammlung von Maximianus stammt und daher als Quelle für dessen Biographie taugt.

Ob der Verfasser des erhaltenen Textes tatsächlich Maximianus hieß, wird in der Forschung unterschiedlich beurteilt. Der Name lässt sich auch wörtlich als „Abkömmling der Größten“ übersetzen und interpretieren. Das passt gut zu den Inhalten des erhaltenen dichterischen Werks, sodass der Verdacht naheliegt, es handele sich um ein Pseudonym programmatischen Charakters.[5] Eine hypothetische Identifizierung des Autors beruht auf der Tatsache, dass einige Passagen bei Maximianus auf die Iohannis des Dichters Gorippus (entstanden kurz nach 548) zu verweisen scheinen, das später entstandene Werk des Gorippus In laudem Iustini Augusti Minoris (entstanden nach 565) aber umgekehrt Anspielungen auf die Elegie des Maximianus beinhalten könnte. Dieser hätte sein Werk dann bald nach 550 verfasst und könnte mit einem Rhetor namens Theodoros identisch sein, der dem Geschichtsschreiber Prokopios von Caesarea zufolge im Jahr 546 eine ostgotische Gesandtschaft nach Konstantinopel anführte.[6]

Werk

Maximianus verfasste um die Mitte des 6. Jahrhunderts sein Elegienwerk in gepflegtem Latein. Hinzu kommen die Appendix und die Imitatio, die in zwei der erhaltenen Handschriften den Elegien beigefügt sind, aber wahrscheinlich nicht von Maximianus stammen. Obwohl er vermutlich Christ war, bedient sich Maximianus in auffälliger Weise nichtchristlich-paganer Motive und Traditionen, die er gründlich kennt (vor allem Ovid und Vergil), während er direkte christliche Bezüge konsequent vermeidet.[7]

Das Gedicht des Maximianus ist wohl als ein durchlaufender, in sich geschlossener Text konzipiert worden und ist auch in den mittelalterlichen Handschriften so überliefert. Seit dem 16. Jahrhundert ist es jedoch unter den neuzeitlichen Herausgebern üblich geworden, es in sechs kürzere Elegien zu gliedern.[8] Der erste und längste dieser sechs Teile (292 Verse) schildert ausführlich die Qualen des Alters, das als „Gefängnis“ und als „lebendiger Tod“ beschrieben wird. Die zweite Elegie (74 Verse) beschreibt die Liebe des Dichters zu einer Frau namens Lycoris, mit der er eine lange und leidenschaftliche Beziehung führte, die ihn dann jedoch wegen seines fortschreitenden Alters abgestoßen verließ. Das dritte Teilgedicht (94 Verse) enthält eine Erinnerung des Dichters an seine erste Liebe, die ihm jedoch vergeht, kaum dass er Zugang zu der Geliebten, einem Mädchen namens Aquilina, gefunden hat. Die vierte Elegie (60 Verse) behandelt die Liebe zu einer jungen Frau namens Candida, von der diese jedoch nichts erfährt und die den Dichter schließlich trotzdem dem öffentlichen Spott preisgibt, als Candidas Vater durch einen Zufall Maximianus' Gefühle erkennt. Der fünfte Text (154 Verse) schildert, wie dieser im fortgeschrittenen Alter auf einer Gesandtschaftsreise in den Osten von einer Griechin begehrt wird und sich eine Affäre mit dieser anbahnt, die dann aber wegen seiner Erektionsstörungen scheitert. Einen großen Teil der fünften Elegie bildet eine wörtliche Rede der enttäuschten Griechin, in der sie zunächst das Geschlechtsteil des Maximianus in Form einer Totenklage betrauert und schließlich zu einem Lobpreis auf die Sexualität „als allbeherrschende Stifterin der kosmischen Ordnung“[9] anhebt. Der sechste, kürzeste Teil des Elegienwerkes (12 Verse) betont wieder die Unausweichlichkeit des nahenden Todes.

In der älteren Forschung wurden seine Elegien teils als Parodien,[10] teils als ein Eintreten für asketische Ideale,[11] teils einfach als „würdelos“ gelesen. Heute dagegen betont man den klassizistischen, sich christlichen Deutungsmustern bewusst verweigernden Ansatz des Werkes und zählt Maximianus zu den letzten bedeutenden Dichtern der Antike.

Eine häufige Lesart versteht die melancholischen Schilderungen Maximians als Kritiken an den religiösen und gesellschaftlichen Entwicklungen der Spätantike, „in denen der drohende Tod und die Traurigkeit des Älterwerdens als Zeichen für das Ende der heidnischen Kultur mit ihrer Lebenslust gesehen werden“.[12] Eine weiter reichende Deutung versteht die Elegie als metapoetischen Kommentar, interpretiert die beschriebenen Frauen also als Personifikationen des Genres Elegie und die Liebesgeschichten als Kommentar des Maximianus zum Zustand der Dichtkunst in seiner Zeit. Diese vor allem von Vasileios Pappas vertretene Lesart[13] wurde in der Forschung jedoch eher verhalten aufgenommen.[14]

Appendix Maximiani

In einem unklaren Verhältnis zur Elegie des Maximianus stehen sechs kurze Gedichte, ebenfalls in Elegienform, die vollständig lediglich in zwei mittelalterlichen Handschriften überliefert sind, unvollständig in einigen weiteren. In mehreren dieser Manuskripte werden die Verse als Bestandteil von Maximianus' Werk eingeordnet – ob sie tatsächlich von ihm stammen, ist aber unklar. In der Forschung hat sich die Bezeichnung „Appendix Maximiana“ oder „Appendix Maximiani“ eingebürgert. Die ersten zwei Texte (20 bzw. 18 Verse) preisen überschwänglich die körperlichen Reize einer Frau, die nächsten zwei (23 bzw. 22 Verse) verherrlichen die Errichtung einer Festung oder mehrerer Festungen durch den ostgotischen König und späteren Adeligen Theodahad (regierte 534–536). Das fünfte Gedicht preist einen ungenannten Herrscher für die Errichtung eines Palastes, das sechste für die Kanalisierung eines Flusses und die Anlage wasserbaulicher Einrichtungen.[15]

Rezeption

Die ältesten Handschriften, die das Werk des Maximianus überliefern, entstammen dem 11. und 12. Jahrhundert. Im Mittelalter dienten die Dichtungen auch als Schullektüre, unter anderem weil sie als Ablehnung eines törichten Klammerns am Leben gelesen und daher als ethisch wertvoll eingestuft wurden.[16] Dies wurde jedoch bereits von Zeitgenossen kritisiert, beispielsweise von Alexander de Villa Dei.[17] Dennoch bezogen sich diverse mittelalterliche Autoren in ihren Texten auf Maximianus, darunter im englischen und französischen Raum neben Alexander de Villa Dei etwa Hugo von St. Viktor, Giraldus Cambrensis, Galfredus de Vino Salvo, Gualterus Anglicus, Gottfried von St. Victor, Alanus ab Insulis, Nigellus de Longchamp, Petrus Riga, Balderich von Bourgueil, Walter von Châtillon und als berühmtester Geoffrey Chaucer. Es entstanden auch Exzerpte aus dem Werk, die unter dem Titel Proverbia Maximiani („Sprichwörter des Maximianus“) überliefert wurden.[18]

Der venezianische Renaissance-Humanist Pomponius Gauricus veröffentlichte die Dichtung des Maximianus als viertes Elegienbuch des kaiserzeitlichen Dichters Gaius Cornelius Gallus – eine Falschzuschreibung, die sich über mehrere Jahrhunderte hielt.

Ausgaben und Übersetzungen

Literatur

Wikisource: Maximian – Quellen und Volltexte

Einzelnachweise

  1. Wolfgang Christian Schneider: Die elegischen Verse von Maximian. Eine letzte Widerrede gegen die neue christliche Zeit. Franz Steiner, Stuttgart 2003, ISBN 3-515-07926-2, S. 50–54.
  2. Vasileios Pappas: Maximianus’ Elegies: love elegy grew old. Walter de Gruyter, Berlin 2022, ISBN 978-3-11-077037-7, S. 87–93.
  3. A. M. Juster: The Elegies of Maximianus. Edited and translated. University of Pennsylvania Press, Philadelphia 2018, ISBN 978-0-8122-4979-8, S. 180.
  4. Wolfgang Christian Schneider: Die elegischen Verse von Maximian. Eine letzte Widerrede gegen die neue christliche Zeit. Franz Steiner, Stuttgart 2003, ISBN 3-515-07926-2, S. 48–50.
  5. Wolfgang Christian Schneider: Die elegischen Verse von Maximian. Eine letzte Widerrede gegen die neue christliche Zeit. Franz Steiner, Stuttgart 2003, ISBN 3-515-07926-2, S. 46–47.
  6. Wolfgang Christian Schneider: Die elegischen Verse von Maximian. Eine letzte Widerrede gegen die neue christliche Zeit. Franz Steiner, Stuttgart 2003, ISBN 3-515-07926-2, S. 66–68. Zu dem Gesandtschaftsführer siehe John Robert Martindale: The Prosopography of the Later Roman Empire. Band IIIB, Cambridge University Press, Cambridge 1992, ISBN 0-521-20160-8, S. 1249, Eintrag „Theodoros 14“ (Digitalisat).
  7. Wolfgang Christian Schneider: Die elegischen Verse von Maximian. Eine letzte Widerrede gegen die neue christliche Zeit. Franz Steiner, Stuttgart 2003, ISBN 3-515-07926-2, S. 69–84 (zu den Rückgriffen auf nichtchristliche Autoren) und S. 85–96 (zur Religionszugehörigkeit des Maximianus und dem Vermeiden christlicher Bezüge).
  8. Wolfgang Christian Schneider: Die elegischen Verse von Maximian. Eine letzte Widerrede gegen die neue christliche Zeit. Franz Steiner, Stuttgart 2003, ISBN 3-515-07926-2, S. 21–36.
  9. Zitat: Wolfgang Christian Schneider: Die elegischen Verse von Maximian. Eine letzte Widerrede gegen die neue christliche Zeit. Franz Steiner, Stuttgart 2003, ISBN 3-515-07926-2, S. 20.
  10. So Joseph Szövérffy: Maximianus a Satirist? In: Harvard Studies in Classical Philology. Band 72, 1967, S. 351–367.
  11. So Michael von Albrecht: Geschichte der römischen Literatur. Von Andronicus bis Boethius. 2. Auflage, Band 2, K. G. Saur, München 1994, ISBN 3-598-11198-3, S. 1042.
  12. „[...] in cui l’incombere della morte e la tristezza dell’invecchiare sono visti come rappresentazione della fine della cultura pagana, con la sua gioia di vivere“ (Gian Biagio Conte: Letteratura latina. Manuale storico dalle origini alla fine dell’impero romano. Neuausgabe, Le Monnier, Florenz 1992, S. 600).
  13. Vasileios Pappas: Maximianus’ Elegies: love elegy grew old. Walter de Gruyter, Berlin 2022, ISBN 978-3-11-077037-7.
  14. Siehe folgende Stellungnahmen: Rezension von Kyle Gervais, Bryn Mawr Classical Review 2024.04.07; Grace Funsten: Maximianus' “Elegies”: Love Elegy Grew Old. By Vasileios Pappas (Rezension). In: Phoenix. Band 77, Nummer 1–2, 2023, S. 183–185.
  15. Wolfgang Christian Schneider: Die elegischen Verse von Maximian. Eine letzte Widerrede gegen die neue christliche Zeit. Franz Steiner, Stuttgart 2003, ISBN 3-515-07926-2, S. 133–145.
  16. Wilfried Stroh: Maximianus 4. In: Der Neue Pauly (DNP). Band 7, Metzler, Stuttgart 1999, ISBN 3-476-01477-0, Sp. 1070–1071.
  17. Alexander of Villedieu, Doctrinale. Herausgegeben von Dietrich Reichling. A. Hofmann, Berlin 1893, S. 8, Z. 24–25.
  18. L. R. Lind (Hrsg.): Gabriele Zerbi, Gerontocomia: On the Care of the Aged, and Maximianus, Elegies on Old Age and Love (= Memoirs of the American Philosophical Society. Band 182). American Philosophical Society, Philadelphia 1988, ISBN 0-87169-182-5, S. 313–314.