„Robert Gernhardt“ – Versionsunterschied

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Robert Gernhardt wurde 1937 als Sohn eines Richters im estnischen [[Tallinn]] (von den estländischen Deutschen parallel Reval genannt) geboren. Die Familie Gernhardt gehörte in Estland zur Minderheit der [[Deutsch-Balten|Deutschbalten]]. Durch den Abschluß des [[Deutsch-sowjetischer Nichtangriffspakt#Inhalt|Ribbentrop-Molotow-Pakts]] am [[23. August]] [[1939]], in dessen geheimem Zusatzprotokoll die Diktatoren Hitler und Stalin die Grenze zwischen ihren (militärisch durchzusetzenden) Interessenssphären absteckten, kam die 700jährige Siedlungsgeschichte der Deutschen im Baltikum zum Ende, denn Estland und Lettland wurden der sowjetischen Seite zugeschlagen. Da die nationalsozialistische Regierung in Berlin wußte, daß die baltischen Republiken in absehbarer Zeit von der Sowjetunion okkupiert werden würden, starteten die Nazis - nach dem eigenen Beginn der "Realisierung des Zusatzprotokolls" mit der Eroberung Polens - mit großem propagandistischem Aufwand eine Werbekampagne zur Umsiedlung "Heim ins Reich", und weil die politische Bedrohung Stalins, wiewohl offiziell nichts über diese Vertragsdetails bekanntgegeben wurde, schon deutlich zu spüren war (die Okkupation erfolgte Mitte 1940), folgten schweren Herzens auch die meisten ''nicht''nationalsozialistischen Deutschbalten diesem Aufruf, Ende [[1939]] in das (gerade erst von der [[Wehrmacht]] eroberte) [[Wartheland|Warthegau]] umzusiedeln - so auch die Familie Gernhardt, die nach [[Posen]] kam. <ref>[http://www.isoplan.de/aid/index.htm?http://www.isoplan.de/aid/2001-1/portraits.htm#Robert%20Gernhardt „Robert Gernhardt“], CliD, Ausländer in Deutschland 1/2001, 17. Jg., 30. März 2001 (nach unten scrollen)</ref>
Robert Gernhardt wurde 1937 als Sohn eines Richters im estnischen [[Tallinn]] (frühere deutsche Bezeichnung Reval) geboren. Die Familie Gernhardt gehörte in Estland zur Minderheit der [[Deutsch-Balten]] und musste 1939 nach [[Posen]] übersiedeln. <ref>

[http://www.isoplan.de/aid/index.htm?http://www.isoplan.de/aid/2001-1/portraits.htm#Robert%20Gernhardt „Robert Gernhardt“], CliD, Ausländer in Deutschland 1/2001, 17. Jg., 30. März 2001 (nach unten scrollen)</ref>
1945 fiel der Vater im [[Zweiter Weltkrieg|Krieg]]. Nach Kriegsende wurde die Familie von Russen und Polen vertrieben, und die Mutter floh mit ihren Söhnen Robert, Per und Andreas über Thüringen nach Bissendorf bei Hannover. 1946 kam die Familie nach [[Göttingen]]. Nach Abschluss seiner Schulausbildung 1956 studierte Gernhardt in Stuttgart und Berlin Malerei an den Akademien der Bildenden Künste, später auch [[Germanistik]] an der [[Freie Universität Berlin|FU Berlin]]. <ref>
1945 fiel der Vater im [[Zweiter Weltkrieg|Krieg]]. Nach Kriegsende wurde die Familie von Russen und Polen vertrieben, und die Mutter floh mit ihren Söhnen Robert, Per und Andreas über Thüringen nach Bissendorf bei Hannover. 1946 kam die Familie nach [[Göttingen]]. Nach Abschluss seiner Schulausbildung 1956 studierte Gernhardt in Stuttgart und Berlin Malerei an den Akademien der Bildenden Künste, später auch [[Germanistik]] an der [[Freie Universität Berlin|FU Berlin]]. <ref>
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Version vom 31. Dezember 2006, 20:44 Uhr

Robert Gernhardt
bei einer Lesung im Evangelischen Stift Tübingen

Robert Gernhardt (* 13. Dezember 1937 in Tallinn, Estland; † 30. Juni 2006 in Frankfurt am Main) war ein deutscher Schriftsteller, Lyriker, Essayist, Zeichner und Maler.

Zu Beginn seiner Laufbahn verwendete Gernhardt gelegentlich die Pseudonyme „Lützel Jeman“ (mittelhochdeutsch für: „kaum jemand“), „Alfred Karch“, „Arthur Klett“ und „Paul H. Burg“. Im Satiremagazin Titanic schrieb Gernhardt häufig unter dem Sammel-Pseudonym „Hans Mentz“.

Leben

Robert Gernhardt wurde 1937 als Sohn eines Richters im estnischen Tallinn (von den estländischen Deutschen parallel Reval genannt) geboren. Die Familie Gernhardt gehörte in Estland zur Minderheit der Deutschbalten. Durch den Abschluß des Ribbentrop-Molotow-Pakts am 23. August 1939, in dessen geheimem Zusatzprotokoll die Diktatoren Hitler und Stalin die Grenze zwischen ihren (militärisch durchzusetzenden) Interessenssphären absteckten, kam die 700jährige Siedlungsgeschichte der Deutschen im Baltikum zum Ende, denn Estland und Lettland wurden der sowjetischen Seite zugeschlagen. Da die nationalsozialistische Regierung in Berlin wußte, daß die baltischen Republiken in absehbarer Zeit von der Sowjetunion okkupiert werden würden, starteten die Nazis - nach dem eigenen Beginn der "Realisierung des Zusatzprotokolls" mit der Eroberung Polens - mit großem propagandistischem Aufwand eine Werbekampagne zur Umsiedlung "Heim ins Reich", und weil die politische Bedrohung Stalins, wiewohl offiziell nichts über diese Vertragsdetails bekanntgegeben wurde, schon deutlich zu spüren war (die Okkupation erfolgte Mitte 1940), folgten schweren Herzens auch die meisten nichtnationalsozialistischen Deutschbalten diesem Aufruf, Ende 1939 in das (gerade erst von der Wehrmacht eroberte) Warthegau umzusiedeln - so auch die Familie Gernhardt, die nach Posen kam. [1]

1945 fiel der Vater im Krieg. Nach Kriegsende wurde die Familie von Russen und Polen vertrieben, und die Mutter floh mit ihren Söhnen Robert, Per und Andreas über Thüringen nach Bissendorf bei Hannover. 1946 kam die Familie nach Göttingen. Nach Abschluss seiner Schulausbildung 1956 studierte Gernhardt in Stuttgart und Berlin Malerei an den Akademien der Bildenden Künste, später auch Germanistik an der FU Berlin. [2] Seit 1964 lebte er als freiberuflicher Maler, Zeichner, Karikaturist und Schriftsteller in Frankfurt am Main.

1965 heiratete er die Malerin Almut Ullrich, die 1989 starb. 1990 ging Gernhardt eine zweite Ehe mit Almut Gehebe ein.

Für drei bis vier Monate im Jahr lebten Gernhardt und seine Frau in der Toscana.

Am 30. Juni 2006 erlag er in Frankfurt am Main einer langwierigen Erkrankung an Darmkrebs, von der er seit Juli 2002 Kenntnis hatte.[3] Seine letzte Ruhestätte befindet sich auf dem Frankfurter Hauptfriedhof.

Künstlerisches Schaffen

Von April 1964 bis Dezember 1965 war Gernhardt Redakteur der Satirezeitschrift Pardon, wo er 1964 einer der Mitbegründer der Rubrik Welt im Spiegel war, die bis 1976 erschien und die neuere humoristische Literatur erheblich und maßgeblich beeinflusste.

Gernhardt hatte eine Reihe von Ausstellungen und Ausstellungsbeteiligungen u.a. in Berlin, Frankfurt a. M., Basel und Regensburg. Er war Mitglied des Deutschen Künstlerbundes. Zusammen mit F.W. Bernstein, F.K. Waechter, Chlodwig Poth, Eckhard Henscheid, Bernd Eilert, Peter Knorr und Hans Traxler war er Mitbegründer der Neuen Frankfurter Schule, deren Publikationsorgan nach der Zeitschrift Pardon das Satiremagazin Titanic wurde; Gernhardt war als Humorkritiker der führende Vertreter dieser Richtung.

In den 1980er Jahren war Gernhardt gemeinsam mit Bernd Eilert und Peter Knorr als Co-Autor diverser „Otto”-Shows tätig. Er gab auch Bücher von Otto Waalkes heraus und war am Drehbuch von vier „Otto”-Filmen beteiligt.

Erst spät - im Laufe der 1990er Jahre - wurde Gernhardt zunehmend auch von der Kritik als bedeutender Lyriker anerkannt. Er gilt heute als einer der wichtigsten zeitgenössischen Dichter deutscher Sprache. Sein Werk hat sich dabei von den Nonsens-Versen und den ausschließlich humoristischen Formen der 1960er und 1970er Jahre zu einer vielseitigen Lyrik weiterentwickelt, die Gernhardt auch stets um neue Töne erweiterte.

Gernhardt verarbeitete die Erfahrungen einer Herzoperation, der er sich im Jahr 1996 unterziehen musste, in dem aus 100 reimlosen Siebenzeilern bestehenden Gedichtszyklus Herz in Not. Auch über seinen Kampf mit dem Krebs ab 2002 verfasste er mehrere Gedichte, die den ersten Teil der K-Gedichte darstellen.

Seit 2003 las er in der Sendung Druckfrisch in der ARD regelmäßig ein zeitkritisches Sonett. Im Wintersemester 2005/2006 hielt er als Heine-Gastprofessor dieselben Vorlesungen über Lyrik an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, die er fünf Jahre zuvor auch im Rahmen der Frankfurter Poetik-Vorlesungen gehalten hatte.

Pseudonyme

Robert Gernhardt kommentierte später seine Verwendung von Pseudonymen während der Arbeit an Welt im Spiegel (WimS): „Gruppensitzungen in Gasthäusern, außerhalb der Arbeitszeit, anfangs ohne Verwertungsgedanken; während der Arbeitszeit machten wir jede Art von Redaktionsarbeit, außerdem geißelten wir die Missstände, Weigle als Hermann Rabe, F. W. Bernstein oder Bernhard Schuster, ich als Lützel Jeman, Paul H. Burg, Arthur Klett oder Alfred Karch... Ein wichtiges Datum ist dann der Februar 1970. Von da ab haben wir WimS in eigener Regie gemacht... 1971 ist wieder ein entscheidendes Datum. Lützel Jeman gibt sein Pseudonym auf... Ich habe das dann in einem langen, strategisch breitangelegten Überleitungsprozess ähnlich wie von Coca Cola zu Coke von Lützel Jeman über Robert Jeman Gernhardt zu Robert Gernhardt gebracht“.[4]

Der manchmal als Pseudonym bezeichnete „Norbert Gamsbart“ ist dagegen eher eine Kunstfigur in Gernhardts Werken. Klaus Cäsar Zehrer (siehe Literatur) schreibt dazu: „Die Erzähler in seinen Geschichten haben oft Namen wie ‚G‘ oder ‚Norbert Gamsbart‘ und sind augenscheinlich eng an den Autor angelehnt. Mit ihrer Hilfe kann Gernhardt Ansichten verbreiten, die im Wesentlichen die eigenen sind, aber von denen er sich jederzeit distanzieren kann mit dem Hinweis, nicht er, sondern seine Kunstfigur habe sie geäußert.“

„Hans Mentz“ dagegen ist ein Sammelpseudonym, unter dem im Titanic-Magazin bis heute (2006) verschiedene Autoren ernste Humorkritiken verfassen. Als „Hans Mentz“ sollen unter anderem Robert Gernhardt, Eckhard Henscheid und Bernd Eilert geschrieben haben.

Auszeichnungen und Ehrungen

Werke

  • Die Wahrheit über Arnold Hau, Frankfurt a. M. 1966 (Gemeinschaftswerk mit F. W. Bernstein und F.K. Waechter).
  • Besternte Ernte. Gedichte aus fünfzehn Jahren., Frankfurt a. M. 1976 (zusammen mit F. W. Bernstein)
  • Die Blusen des Böhmen, Frankfurt a. M. 1977
  • Was für ein Tag (Gedicht, bebildert von Almut Gernhardt), Frankfurt a. M. 1978
  • Die Magadaskar-Reise. Ein Bericht, Frankfurt a. M. 1980
  • Wörtersee (Gedichte), Frankfurt a. M. 1981
  • Ich Ich Ich (Roman), Zürich 1982
  • Glück Glanz Ruhm (Essays), 1983
  • Gernhardts Erzählungen (Bildergeschichten), 1983
  • Letzte Ölung (Satiren), 1984
  • Hier spricht der Dichter. 120 Bildgedichte, Zürich 1985
  • Was bleibt (Gedanken zur Literatur), 1985
  • Hier spricht der Dichter (Bildgedichte), 1985
  • Schnuffis sämtliche Abenteuer (Bildergeschichten), 1986
  • Die Toscana-Therapie (Schauspiel), 1986
  • Kippfigur (Erzählungen), 1986
  • Es gibt kein richtiges Leben im valschen (Humoresken), 1987
  • Körper in Cafés (Gedichte), 1987
  • Innen und außen. Bilder, Zeichnungen, Über Malerei, Haffmanns Verlag , 1988, ISBN 3251001140
  • Was gibt's denn da zu lachen? - Kritik der Komiker, Kritik der Kritiker, Kritik der Komik (Essay), 1988
  • Hört, hört! - Das WimS-Vorlesebuch (zusammen mit F. W. Bernstein), 1989
  • Die Toscana-Therapie, (Hörspiel), DeutschlandRadio 1989
  • Reim und Zeit (Gedichte), Stuttgart 1990
  • Lug und Trug (Erzählungen), 1991
  • Weiche Ziele, 1994
  • Gedichte 1954 – 94, Zürich 1996
  • Lichte Gedichte, 1997
  • Vom Schönen, Guten, Baren. Bildergeschichten und Bildgedichte, Zürich 1997
  • In Zungen reden. Stimmimitationen von Gott bis Jandl, Frankfurt a.M. 2000
  • Was deine Katze wirklich denkt, Heyne 2000
  • Berliner Zehner. Hauptstadtgedichte, Zürich, Haffmans 2001
  • Der letzte Zeichner. Sachbuch/Essay, Frankfurt/M., Fischer Tb., 2001
  • Septemberbuch. Zwanzig Bilder zu zehn Gedichten, Haffmans Verlag, 2002, ISBN 3251003755
  • Im Glück und anderswo. Gedichte. Frankfurt/M., S. Fischer 2002. 284 Seiten. ISBN 359615751X
  • Die Falle (Erzählungen), Frankfurt/M., Fischer Taschenbuch 2003
  • Herz in Not. Gedichte, Frankfurt/M., S. Fischer 2004. 109 Seiten. ISBN 3596160723. (Ein Lyriker und Zeichner arbeitet über seine Bypass-OP)
  • Die K-Gedichte. Gedichte. Frankfurt/M., S. Fischer. 2004 2. Aufl. 102 Seiten. ISBN 3100255070.
  • Das Randfigurenkabinett des Doktor Thomas Mann. Barbara Hoffmeister + Robert Gernhardt, Frankfurt/M., S. Fischer 2005
  • Gesammelte Gedichte. Frankfurt/M., S. Fischer 2005 - 3. Aufl. 700 Seiten. ISBN 3100255062.
  • Später Spagat. Gedichte. Frankfurt/M., S. Fischer. 2006. 200 Seiten. ISBN 3100255097 (Rezension von Dieter Hildebrandt in DIE ZEIT, Nr. 33 v. 10. August 2006)

Übersetzungen

Englisch

  • One more makes four, 1978
  • William Shakespeares Sonett Nr. 18, 2003

Japanisch

  • ミスター・Pのふしぎな冒険 (Misutā-P-no-fushigi-na-bōken), 1993. ISBN 4-87576-754-4

Niederländisch

  • Wie dit leest is het vierde beest, 1976
  • Wat een dag! : een verhaal, 1978
  • Het goedhartige varken : en andere geschiedenissen, 1981

Schwedisch

  • Resan till Amerika, 2001

Herausgeberschaft

Filmographie

Drehbücher

Filme mit und über Robert Gernhardt

Literatur

  • Oliver Maria Schmitt: Die schärfsten Kritiker der Elche. Die Neue Frankfurter Schule in Wort und Strich und Bild. Berlin, Alexander Fest 2001.
  • Klaus Cäsar Zehrer: Dialektik der Satire. Zur Komik von Robert Gernhardt und der „Neuen Frankfurter Schule“. Dissertation Universität Bremen, 2002. (PDF-Dokument 9,5 MB)
  • Robert Gernhardt. Edition Text und Kritik, Zeitschrift für Literatur, Heft 136, München 1997, ISBN 3-88377-563-0 (Aufsatzsammlung)

Quellen

  1. „Robert Gernhardt“, CliD, Ausländer in Deutschland 1/2001, 17. Jg., 30. März 2001 (nach unten scrollen)
  2. „Robert Gernhardt ist tot“, ZDF, Heute, 30. Juni 2006
  3. Robert Gernhardt: „Ich litt nicht am Krebs, nur unter der Therapie“, Die Welt, 3. Juli 2006
  4. Artikel von Michael Rohrwasser wienerzeitung.at (Wiener Zeitung, Extra-Lexikon, 8. Juli 2006)
  5. Das Literarische Quartett, ZDF, 17. August 2005

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