Public Viewing

Der Begriff des Public Viewing ist ein Scheinanglizismus, der das gemeinschaftliche Mitverfolgen vieler Zuschauer von live übertragenen, medialen Großereignissen wie z.B. Sportveranstaltungen auf Großbildwänden an öffentlichen Standorten (Stadtplätzen, Straßenzügen, Flughäfen, Einkaufszentren, Gaststätten etc.) bezeichnet. Obwohl dieses Phänomen nicht neu ist, hat sich erst seit der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 im deutschen Sprachgebrauch dafür der Begriff Public Viewing eingebürgert. Im Englischen bedeutet Public Viewing einfach ein öffentliches Anschauen (z. B. bei Beerdigungen, aber auch in Sternwarten, Kinovorführungen o.ä.), nicht nur bezogen auf Sportveranstaltungen und Großbildwände.

Entstehung und Organisation

Public Viewing im Revierpowerstadion in Bochum
Fans im Olympiapark in München beim Eröffnungspiel

Nach einer Initiative des Organisationskomitees (OK) bei dem internationalen Fußball-Weltverband FIFA sowie des Sportrechtevermarkters Infront wurde die Übertragung der Fußball-WM 2006 auf Großleinwänden in deutschen Städten gesichert. Hauptgrund für das Drängen des OK war die zu geringe Anzahl an Eintrittskarten.

So gaben sowohl die Agentur Infront als auch die FIFA am 20. Januar 2005 nach und genehmigten die kostenlose Öffentliche Übertragung. Somit konnte jede Stadt und jede Gemeinde beispielsweise auf öffentlichen Plätzen oder in Mehrzweckhallen Großbildwände aufstellen und die Spiele für die Zuschauer kostenfrei übertragen.

Ausdrücklich galt diese kostenfreie Freigabe auch für alle nicht-kommerziellen Veranstaltungen in Schulen, Kirchen, Krankenhäusern, Unternehmen oder Biergärten. Sofern eine Übertragung jedoch durch Sponsoren finanziert wurde, galt sie als kommerzielle Veranstaltung, für die Lizenzgebühren erhoben wurden. Dies galt auch für alle Veranstaltungen, bei denen Eintritt erhoben wurde. Als Sponsoren durften nur lokale und regionale Unternehmen fungieren, die nicht Wettbewerber der offiziellen FIFA-Sponsoren waren.

Nach Gesprächen mit dem OK erlaubte die FIFA den lokalen Veranstaltern den Verkauf von Würstchen, Pommes Frites und deutschem Bier. Das Getränk des FIFA-Sponsors (Anheuser-Busch Bud) musste nicht ausgeschenkt werden.

Sozialpsychologische Bewertung

Mit dem Begriff Public Viewing hat ein neuer Scheinanglizismus in den deutschen Sprachgebrauch Einzug gefunden. Er versucht eine neue Form der Anteilnahme an identitätsstiftenden Großereignissen wie z. B. einer Fußball-Weltmeisterschaft (WM) im eigenen Land zu beschreiben. Diese Art des „hautnahen“ Mitverfolgens ist beinahe mit der Atmosphäre identisch, wie sie bisher auch nur die Zuschauer in den Stadien vor Ort erleben konnten. Nach Auffassung vieler Sozialwissenschaftler und Psychologen liegt der Anreiz des Public Viewing im Teilen von gemeinsamen und simultan entstehenden Emotionen, wie z. B. die Freude über den Sieg des bevorzugten Teams, aber auch die Trauer über die Niederlage. Im Gegensatz zum Betrachten eines Großereignisses vor dem häuslichen Fernsehgerät wird das Entstehen einer solch emotionalen Atmosphäre erst durch technische Innovationen wie Großbildwände oder Plasmafernseher ermöglicht.

Fußball-WM 2006

Großleinwand in Frankfurt mitten im Main

Das Konzept zum Fan Fest FIFA WM 2006™ wurde gemeinsam von der FIFA, dem WM-Organisationskomitee und den zwölf WM-Städten entwickelt. In jeder dieser WM-Städte fand im Rahmen dieser offizieller Fan-Feste eine öffentliche Übertragung der Spiele der FIFA WM 2006™ statt. Die FIFA finanzierte in den zwölf Austragungsorten, als so genanntes Fan Fest „Stadtname“ je eine Großleinwand mitsamt der Technik und den Fernsehbildern. Mit der Hilfe der offiziellen Sponsoren wollte die FIFA jedoch höchstens 700 000 Euro pro WM-Stadt ausgeben, alle weiteren Kosten mussten die einzelnen Städte aufbringen.

In der sogenannten Frankfurter MainArena wurden die Spiele auf einer 9 x 16 Meter großen Leinwand, die mitten im Main auf 22 Meter langen Hydraulikstelzen installiert wurde, übertragen. So konnten beide Mainufer als Public-Viewing-Flächen genutzt werden. Diese künstliche Insel wog alleine schon ohne die Bildschirme 160 Tonnen. Eine der beiden Schifffahrtsrinnen war übrigens weiter in Betrieb, so dass ein paar Mal während des Spiels auch ein Touristendampfer vorbeifahren konnte.

In Hamburg wurde eine Großleinwand auf dem Heiligengeistfeld neben dem Millerntor-Stadion aufgebaut. In Stuttgart erfolgte die Übertragung auf fünf Großleinwänden auf dem Schlossplatz. Auf dem Friedensplatz in Dortmund stand eine Großbildwand. In Berlin fanden unter anderem Live-Übertragungen im Sony Center, in der Waldbühne und in der neu errichteten Adidas-Arena statt. In Düsseldorf wurde das Paul-Janes-Stadion am Flinger Broich zum „Stadtwerke Düsseldorf Fan Stadion“ umgestaltet. Bis zu 12.600 Fans konnten auf der größten Public-Viewing-Veranstaltung in einer Nicht-Austragungsstadt alle WM-Spiele live miterleben. In München standen Großleinwände im Olympiapark.

Als weiteres Beispiel für eine so genannte public viewing area kann etwa die zur Fußball WM 2006 zur „Fanmeile“ umgestaltete Straße des 17. Juni in Berlin-Tiergarten angeführt werden. Schätzungsweise 300.000 Menschen hatten hier, zwischen Brandenburger Tor und Siegessäule, das Eröffnungsspiel der Fußball-WM Deutschland gegen Costa Rica vor mehreren Großleinwänden live mitverfolgt. Bei der ersten Achtelfinalsbegegnung Deutschland und Schweden waren es 750.000. Da damit die Fassungskapazität komplett erschöpft wurde, musste der Zugang zur Fanmeile schon eine Stunde vor Spielbeginn geschlossen werden. Wegen der großen Zuschauerzahlen wurde seit Beginn der WM die Zahl der Großleinwände erhöht.

Aber auch in vielen ganz kleinen Städten fand Public Viewing wochenlang enormen Zulauf bei den Fußballfans, ohne dass die FIFA hier direkten Einfluss hatte.

Fußball-EM 2008

Der größte Public-Viewing-Bereich der Fußball-Europameisterschaft 2008 wird sich in Wien befinden. Auf dem Rathausplatz und einem Teil des Wiener Rings werden täglich bis zu 100.000 Besucher erwartet. Die Übertragung der Spiele erfolgt auf 9 LED-Walls.

Eine weiterer Public-Viewing-Bereich wird in Salzburg am Residenzplatz mit VIP-Zone am Mozartplatz errichtet.

In Innsbruck sind gleich mehrere Projekte vorgesehen. Offizielles Public Viewing wird am Bergisl möglich gemacht. Am Messegelände soll zudem ein Fandorf entstehen. Im Innenstadtbereich wird es einen weiteren Public-Viewing-Bereich geben.

In Klagenfurt soll in der offiziellen Fanzone am Vergnügungsparkgelände des Messegeländes ein Public-Viewing-Bereich entstehen. Weiters werden Public Viewing Zonen am Neuen Platz, im Europapark sowie in weiteren 25 Gemeinden Kärntens errichtet.

Die Coca-Cola-Fantour veranstaltet darüber hinaus in über 100 österreichischen Orten Public Viewing und organisiert fixe Fanmeilen abseits den Austragungsstädten.

Public-Viewing-Zonen werden – als Fanmeilen – auch in den Schweizer Austragungsorten Basel, Bern, Genf und Zürich entstehen. Darüber hinaus werden in diversen Schweizer Städten UBS-Arenen aufgestellt und in Liestal entsteht mit über 8.000 Sitzplätzen die größte provisorische Public-Viewing-Anlage (von der Anzahl Sitzplätze gerechnet) als sogenanntes 9. Stadion.

Markenschutz

geschütztes Public-Viewing-Logo

Am 30. Oktober 2007 wurde der Begriff Public Viewing beim Markenregister des Deutschen Patent- und Markenamt in Verbindung mit einem Logo als Bild-/Wortmarke eingetragen. Rechteinhaber ist eine Firma aus Magdeburg, die Großbildwände vermietet.

Die Eintragung beim DPMA wird allerdings wenig Einfluss auf die Verwendung des Begriffes haben. Denn der Markeninhaber kann Lizenzgebühren nur verlangen, wenn der Begriff in Verbindung mit seinem eingetragenen Logo (siehe Grafik) verwendet wird. Der Begriff Public Viewing selbst dürfte kaum als reine Wortmarke zu schützen sein, da markenrechtlich ein Freihaltebedürfnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG besteht.

Verschiedenes

Der Radiosender 1LIVE suchte im Juni 2008 eine deutsche und vor allem treffendere Bezeichnung für Public Viewing. Zur Wahl standen "Meutekino", "Pillenkino", "Tummel-TV", "Gruppenglotzen" und "Rudelgucken". Die Hörer stimmten im Internet für "Rudelgucken". Dieser Begriff wird seitdem vom Sender ausschließlich benutzt und soll sich zumindest regional einbürgern.[1]

Einzelnachweise

  1. http://www.einslive.de/magazin/sport/2008/euro_2008/public_viewing_voting.jsp, "Komm, wir gehen Rudelgucken!"