„Pentarchie (Europa)“ – Versionsunterschied

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'''Pentarchie''' ({{grS}} für ''Fünfherrschaft'') bezeichnet das bewegliche, [[Polarität (Politik)|mehrpolige]] System internationaler Beziehungen in [[Europa]], das vom Ende des 18.&nbsp;an und besonders im 19.&nbsp;Jahrhundert von der [[Macht|Dominanz]] eigentlich fünf, jedenfalls mehrerer Mächte („Europäisches Konzert der [[Großmacht|Großmächte]]“) geprägt war<ref name="Demel 2000: 217">Walter Demel: ''Europäische Geschichte des 18. Jahrhunderts.'' Stuttgart, 2000 ISBN 3-17-0145-18-5, S. 217.</ref><ref name="Baumgart 1999: 147ff.">Winfried Baungart: ''Europäisches Konzert und nationale Bewegung.'' Internationale Beziehungen 1830-1878 (Handbuch der Geschichte der Internationalen Beziehungen Band 6), Paderborn/München/Wien/Zürich, 1999 ISBN 978-3-506-73726-7, S. 147ff.</ref> und das zwischen diesen postulierte, angestrebte oder tatsächlich herrschende [[Mächtegleichgewicht|Gleichgewicht der Kräfte]].<ref name="Duchhardt 1997: 10-18.">Heinz Duchhardt: ''Balance of Power und Pentarchie.'' Internationale Beziehungen 1700–1785 (Handbuch der Geschichte der Internationalen Beziehungen Band 4), Paderborn/München/Wien/Zürich, 1997 ISBN 978-3-506-73724-3, S. 10-18.</ref> Zu diesen Pentarchie-Mächten zählten [[Königreich Frankreich|Frankreich]], [[Habsburgermonarchie|Österreich]], [[Königreich Großbritannien|Großbritannien]], [[Russisches Kaiserreich|Russland]] und [[Königreich Preußen|Preußen]] (ab 1871 [[Deutsches Kaiserreich|Deutschland]]).<ref name="Duchhardt 1997: 8f.">Heinz Duchhardt: ''Balance of Power und Pentarchie.'' Internationale Beziehungen 1700–1785 (Handbuch der Geschichte der Internationalen Beziehungen Band 4), Paderborn/München/Wien/Zürich, 1997 ISBN 978-3-506-73724-3, S. 8f.</ref>
'''Pentarchie''' ({{grS}} für ''Fünfherrschaft'') bezeichnet das bewegliche, [[Polarität (Politik)|mehrpolige]] System internationaler Beziehungen in [[Europa]], das vom Ende des 18.&nbsp;an und besonders im 19.&nbsp;Jahrhundert von der [[Macht|Dominanz]] eigentlich fünf, jedenfalls mehrerer Mächte („Europäisches Konzert der [[Großmacht|Großmächte]]“) geprägt war<ref name="Demel 2000: 217">Walter Demel: ''Europäische Geschichte des 18. Jahrhunderts.'' Kohlhammer, Stuttgart 2000 ISBN 978-3-17-014518-4, S. 217.</ref><ref name="Baumgart 1999: 147ff.">Winfried Baungart: ''Europäisches Konzert und nationale Bewegung.'' Internationale Beziehungen 1830-1878 (Handbuch der Geschichte der Internationalen Beziehungen Band 6), Paderborn / München / Wien / Zürich, 1999 ISBN 978-3-506-73726-7, S. 147ff.</ref> und das zwischen diesen postulierte, angestrebte oder tatsächlich herrschende [[Mächtegleichgewicht|Gleichgewicht der Kräfte]].<ref name="Duchhardt 1997: 10-18.">Heinz Duchhardt: ''Balance of Power und Pentarchie.'' Internationale Beziehungen 1700–1785 (Handbuch der Geschichte der Internationalen Beziehungen Band 4), Paderborn / München / Wien / Zürich, 1997 ISBN 978-3-506-73724-3, S. 10-18.</ref> Zu diesen Pentarchie-Mächten zählten [[Königreich Frankreich|Frankreich]], [[Habsburgermonarchie|Österreich]], [[Königreich Großbritannien|Großbritannien]], [[Russisches Kaiserreich|Russland]] und [[Königreich Preußen|Preußen]] (ab 1871 [[Deutsches Kaiserreich|Deutschland]]).<ref name="Duchhardt 1997: 8f.">Heinz Duchhardt: ''Balance of Power und Pentarchie.'' Internationale Beziehungen 1700–1785 (Handbuch der Geschichte der Internationalen Beziehungen Band 4), Paderborn / München / Wien / Zürich, 1997 ISBN 978-3-506-73724-3, S. 8f.</ref>


== Historischer Überblick ==
== Historischer Überblick ==
In der Folge des [[Österreichischer Erbfolgekrieg|Österreichischen Erbfolgekrieges]] und [[Siebenjähriger Krieg|Siebenjährigen Krieges]] hatte sich Preußen in den 1760er Jahren als nunmehr fünfte Großmacht in Europa etabliert.<ref name="Duchhardt 1997: 154f.">Heinz Duchhardt: ''Balance of Power und Pentarchie.'' Internationale Beziehungen 1700–1785 (Handbuch der Geschichte der Internationalen Beziehungen. Band 4), Paderborn/München/Wien/Zürich, 1997 ISBN 978-3-506-73724-3, S. 154f.</ref> Damit endete die seit 1659 vorherrschende Position Frankreichs in Europa, obwohl es die stärkste Großmacht blieb. Fortan schien keine der fünf Mächte allein stark genug, die anderen zu dominieren, was den Frieden in Europa zumindest bis zum Ausbruch der [[Französische Revolution|Französischen Revolution]] und der [[Koalitionskriege|Napoleonischen Kriege]] förderte. Allerdings ist die Entstehung einer echten Pentarchie bereits im späten 18. Jahrhundert sehr umstritten, da die Ebenbürtigkeit der fünf Großmächte so noch nicht gegeben war. Insbesondere Frankreich stellte weiterhin die mit Abstand stärkste Militärmacht dar, während Preußen deutlich die kleinste Großmacht war.
In der Folge des [[Österreichischer Erbfolgekrieg|Österreichischen Erbfolgekrieges]] und [[Siebenjähriger Krieg|Siebenjährigen Krieges]] hatte sich Preußen in den 1760er Jahren als nunmehr fünfte Großmacht in Europa etabliert.<ref name="Duchhardt 1997: 154f.">Heinz Duchhardt: ''Balance of Power und Pentarchie.'' Internationale Beziehungen 1700–1785 (Handbuch der Geschichte der Internationalen Beziehungen. Band 4), Paderborn / München / Wien / Zürich, 1997 ISBN 978-3-506-73724-3, S. 154f.</ref> Damit endete die seit 1659 vorherrschende Position Frankreichs in Europa, obwohl es die stärkste Großmacht blieb. Fortan schien keine der fünf Mächte allein stark genug, die anderen zu dominieren, was den Frieden in Europa zumindest bis zum Ausbruch der [[Französische Revolution|Französischen Revolution]] und der [[Koalitionskriege|Napoleonischen Kriege]] förderte. Allerdings ist die Entstehung einer echten Pentarchie bereits im späten 18. Jahrhundert sehr umstritten, da die Ebenbürtigkeit der fünf Großmächte so noch nicht gegeben war. Insbesondere Frankreich stellte weiterhin die mit Abstand stärkste Militärmacht dar, während Preußen deutlich die kleinste Großmacht war.


Nach Napoleons Niederlage 1815 und der Schlussakte des [[Wiener Kongress]] überwachten die vier großen Siegermächte England, Russland, Österreich und Preußen in der [[Quadrupelallianz von Chaumont]] das europäische Gleichgewicht und das vertragskonforme Verhalten des besiegten Frankreich. Nach dem Sieg über Napoleon brachen jedoch die Gegensätze der Siegermächte untereinander bald wieder auf und einzelne Staaten wünschten diplomatische Unterstützung durch das nun wieder [[Restauration (Frankreich)|royalistische]] Frankreich. Auf dem [[Aachener Kongress]] 1818 attestierte man Frankreich, seine vertraglichen Bestimmungen aus der Wiener Schlussakte erfüllt zu haben und zog die verbliebenen Besatzungstruppen ab. Frankreich nahm als gleichwertiges Mitglied an den nachfolgenden [[Laibacher Kongress|Kongressen von Laibach]] und [[Kongress von Verona|Verona]] teil. Aus der Siegerkoalition von 1815 wurde die europäische Pentarchie. Dieses Konzert der Großmächte hielt bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts, als die Gegensätze zum [[Krimkrieg]] führten, einer militärischen Auseinandersetzung zwischen drei Mitgliedern der europäischen Pentarchie.
Nach Napoleons Niederlage 1815 und der Schlussakte des [[Wiener Kongress]] überwachten die vier großen Siegermächte England, Russland, Österreich und Preußen in der [[Quadrupelallianz von Chaumont]] das europäische Gleichgewicht und das vertragskonforme Verhalten des besiegten Frankreich. Nach dem Sieg über Napoleon brachen jedoch die Gegensätze der Siegermächte untereinander bald wieder auf und einzelne Staaten wünschten diplomatische Unterstützung durch das nun wieder [[Restauration (Frankreich)|royalistische]] Frankreich. Auf dem [[Aachener Kongress]] 1818 attestierte man Frankreich, seine vertraglichen Bestimmungen aus der Wiener Schlussakte erfüllt zu haben und zog die verbliebenen Besatzungstruppen ab. Frankreich nahm als gleichwertiges Mitglied an den nachfolgenden [[Laibacher Kongress|Kongressen von Laibach]] und [[Kongress von Verona|Verona]] teil. Aus der Siegerkoalition von 1815 wurde die europäische Pentarchie. Dieses Konzert der Großmächte hielt bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts, als die Gegensätze zum [[Krimkrieg]] führten, einer militärischen Auseinandersetzung zwischen drei Mitgliedern der europäischen Pentarchie.


== Literatur ==
== Literatur ==
*Winfried Baumgart: ''Europäisches Konzert und nationale Bewegung. Internationale Beziehungen 1830-1878'' (Handbuch der Geschichte der Internationalen Beziehungen Band 6), Paderborn/München/Wien/Zürich, 1999 ISBN 978-3-506-73726-7.
*Winfried Baumgart: ''Europäisches Konzert und nationale Bewegung. Internationale Beziehungen 1830-1878''. 2. Auflage, Schöningh, Paderborn / München / Wien / Zürich 2007, ISBN 978-3-506-73726-7 (= ''Handbuch der Geschichte der Internationalen Beziehungen,'' Band 6).
*Walter Demel: Europäische Geschichte des 18. Jahrhunderts. Stuttgart, 2000 ISBN 3-17-0145-18-5.
*Walter Demel: ''Europäische Geschichte des 18. Jahrhunderts''. Ständische Gesellschaft und europäisches Mächtesystem im beschleunigten Wandel (1689/1700-1789/1800). Kohlhammer, Stuttgart 2000, ISBN 978-3-17-014518-4.
*Heinz Duchhardt: ''Balance of Power und Pentarchie. Internationale Beziehungen 1700–1785'' (Handbuch der Geschichte der Internationalen Beziehungen Band 4), Paderborn/München/Wien/Zürich, 1997 ISBN 978-3-506-73724-3.
*Heinz Duchhardt: ''Balance of Power und Pentarchie. Internationale Beziehungen 1700–1785'', Schöning, Paderborn / München / Wien / Zürich 1997, ISBN 978-3-506-73724-3 (= ''Handbuch der Geschichte der Internationalen Beziehungen,'' Band 4).
*Michael Sheehan: ''The Balance of Power. History and Theory.'' London/New York, 1996 ISBN 0-415-11931-6.
*Michael Sheehan: ''The Balance of Power. History and Theory.'' Routledge, London / New York, NY 1996, ISBN 978-0-415-11931-3.
*Arno Strohmeyer: ''Theorie der Interaktion. Das europäische Gleichgewicht der Kräfte in der Frühen Neuzeit.'' Wien/Köln/Weimar, 1994 ISBN 3-205-98216-9.
*[[Arno Strohmeyer]]: ''Theorie der Interaktion. Das europäische Gleichgewicht der Kräfte in der Frühen Neuzeit.'' Böhlau, Wien / Köln / Weimar 1994, ISBN 3-205-98216-9.


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==

Version vom 22. Dezember 2012, 17:21 Uhr

Europäische Großmächte um 1840:
  •  Großbritannien
  •  Frankreich
  •  Preußen
  •  Österreich
  •  Russland
  • Pentarchie (Vorlage:GrS für Fünfherrschaft) bezeichnet das bewegliche, mehrpolige System internationaler Beziehungen in Europa, das vom Ende des 18. an und besonders im 19. Jahrhundert von der Dominanz eigentlich fünf, jedenfalls mehrerer Mächte („Europäisches Konzert der Großmächte“) geprägt war[1][2] und das zwischen diesen postulierte, angestrebte oder tatsächlich herrschende Gleichgewicht der Kräfte.[3] Zu diesen Pentarchie-Mächten zählten Frankreich, Österreich, Großbritannien, Russland und Preußen (ab 1871 Deutschland).[4]

    Historischer Überblick

    In der Folge des Österreichischen Erbfolgekrieges und Siebenjährigen Krieges hatte sich Preußen in den 1760er Jahren als nunmehr fünfte Großmacht in Europa etabliert.[5] Damit endete die seit 1659 vorherrschende Position Frankreichs in Europa, obwohl es die stärkste Großmacht blieb. Fortan schien keine der fünf Mächte allein stark genug, die anderen zu dominieren, was den Frieden in Europa zumindest bis zum Ausbruch der Französischen Revolution und der Napoleonischen Kriege förderte. Allerdings ist die Entstehung einer echten Pentarchie bereits im späten 18. Jahrhundert sehr umstritten, da die Ebenbürtigkeit der fünf Großmächte so noch nicht gegeben war. Insbesondere Frankreich stellte weiterhin die mit Abstand stärkste Militärmacht dar, während Preußen deutlich die kleinste Großmacht war.

    Nach Napoleons Niederlage 1815 und der Schlussakte des Wiener Kongress überwachten die vier großen Siegermächte England, Russland, Österreich und Preußen in der Quadrupelallianz von Chaumont das europäische Gleichgewicht und das vertragskonforme Verhalten des besiegten Frankreich. Nach dem Sieg über Napoleon brachen jedoch die Gegensätze der Siegermächte untereinander bald wieder auf und einzelne Staaten wünschten diplomatische Unterstützung durch das nun wieder royalistische Frankreich. Auf dem Aachener Kongress 1818 attestierte man Frankreich, seine vertraglichen Bestimmungen aus der Wiener Schlussakte erfüllt zu haben und zog die verbliebenen Besatzungstruppen ab. Frankreich nahm als gleichwertiges Mitglied an den nachfolgenden Kongressen von Laibach und Verona teil. Aus der Siegerkoalition von 1815 wurde die europäische Pentarchie. Dieses Konzert der Großmächte hielt bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts, als die Gegensätze zum Krimkrieg führten, einer militärischen Auseinandersetzung zwischen drei Mitgliedern der europäischen Pentarchie.

    Literatur

    • Winfried Baumgart: Europäisches Konzert und nationale Bewegung. Internationale Beziehungen 1830-1878. 2. Auflage, Schöningh, Paderborn / München / Wien / Zürich 2007, ISBN 978-3-506-73726-7 (= Handbuch der Geschichte der Internationalen Beziehungen, Band 6).
    • Walter Demel: Europäische Geschichte des 18. Jahrhunderts. Ständische Gesellschaft und europäisches Mächtesystem im beschleunigten Wandel (1689/1700-1789/1800). Kohlhammer, Stuttgart 2000, ISBN 978-3-17-014518-4.
    • Heinz Duchhardt: Balance of Power und Pentarchie. Internationale Beziehungen 1700–1785, Schöning, Paderborn / München / Wien / Zürich 1997, ISBN 978-3-506-73724-3 (= Handbuch der Geschichte der Internationalen Beziehungen, Band 4).
    • Michael Sheehan: The Balance of Power. History and Theory. Routledge, London / New York, NY 1996, ISBN 978-0-415-11931-3.
    • Arno Strohmeyer: Theorie der Interaktion. Das europäische Gleichgewicht der Kräfte in der Frühen Neuzeit. Böhlau, Wien / Köln / Weimar 1994, ISBN 3-205-98216-9.

    Einzelnachweise

    1. Walter Demel: Europäische Geschichte des 18. Jahrhunderts. Kohlhammer, Stuttgart 2000 ISBN 978-3-17-014518-4, S. 217.
    2. Winfried Baungart: Europäisches Konzert und nationale Bewegung. Internationale Beziehungen 1830-1878 (Handbuch der Geschichte der Internationalen Beziehungen Band 6), Paderborn / München / Wien / Zürich, 1999 ISBN 978-3-506-73726-7, S. 147ff.
    3. Heinz Duchhardt: Balance of Power und Pentarchie. Internationale Beziehungen 1700–1785 (Handbuch der Geschichte der Internationalen Beziehungen Band 4), Paderborn / München / Wien / Zürich, 1997 ISBN 978-3-506-73724-3, S. 10-18.
    4. Heinz Duchhardt: Balance of Power und Pentarchie. Internationale Beziehungen 1700–1785 (Handbuch der Geschichte der Internationalen Beziehungen Band 4), Paderborn / München / Wien / Zürich, 1997 ISBN 978-3-506-73724-3, S. 8f.
    5. Heinz Duchhardt: Balance of Power und Pentarchie. Internationale Beziehungen 1700–1785 (Handbuch der Geschichte der Internationalen Beziehungen. Band 4), Paderborn / München / Wien / Zürich, 1997 ISBN 978-3-506-73724-3, S. 154f.