Onkel Toms Hütte

Onkel Toms Hütte (engl. Uncle Tom’s Cabin) ist ein 1852 veröffentlichter Roman von Harriet Beecher Stowe, der das harte Schicksal einer Reihe afroamerikanischer Sklaven und ihrer Eigentümer in den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts in den Vereinigten Staaten von Amerika schildert.

Handlung

Diese Hütte in Bethesda (Maryland) inspirierte Harriet Beecher Stowe zu dem Roman.

Die Titelfigur Tom (auch genannt: Onkel Tom) ist ein Sklave in Kentucky. Sein Herr Mr. Shelby behandelt ihn gut. Tom ist als Verwalter der Farm tätig. Er ist bekennender Christ und leitet regelmäßig die Gottesdienste der Sklaven. Als Tom jedoch aus Geldmangel verkauft werden muss, wird er von seiner Frau und seinen Kindern getrennt. Sein neuer Eigentümer Herr St. Claire ist ein gutmütiger, nachsichtiger Lebemann. St. Claires engelhafte Tochter Eva (Evangeline) entwickelt eine innige Freundschaft zu Tom, stirbt aber an Schwindsucht. St. Claire hat sich unter dem Einfluss seiner aus dem Norden stammenden Cousine Ophelia, die ihm den Haushalt führt, zu einem Gegner der Sklavenhalterei entwickelt und will Tom freilassen. Sein plötzlicher gewaltsamer Tod durch einen Messerstich verhindert dies, und seine selbstsüchtige Witwe Marie denkt nicht daran, auf den Verkaufserlös zu verzichten. So gelangt Tom an Mr. Legree, der mit äußerster Brutalität eine Baumwollplantage betreibt. Als einziger Weißer wohnt er in einem heruntergekommenen Herrschaftshaus. Seinen Sklaven ist jede Menschlichkeit abhandengekommen. Es gelingt Mr. Legree, alle gegeneinander auszuspielen. Bei Tom gelingt ihm das nicht. Tom soll zum Aufseher über die anderen Sklaven werden, weigert sich aber, jemanden zu schlagen. Stattdessen übt Tom durch seine praktizierte christliche Nächstenliebe einen positiven Einfluss auf alle aus, was Mr. Legree besonders zuwider ist. Er will Tom durch körperliche Züchtigung dazu zwingen, seinen christlichen Glauben aufzugeben. Doch Tom widersteht und verzeiht sterbend seinen Peinigern. Mr. Shelbys Sohn, George Shelby, versucht nach dem Tod seines Vaters vergeblich, das Tom gegebene Versprechen einzulösen, ihn zurückzukaufen, kann ihn aber nur begraben und versprechen, gut für seine Familie zu sorgen. Daraufhin lässt er seine Sklaven frei, um sie gegen Bezahlung in seinen Dienst zu nehmen.

Parallel dazu wird die Geschichte der Sklavin Eliza, die aus demselben Haushalt wie Tom stammt, ihres Mannes George Harris und ihres Sohnes Harry erzählt, denen mit Hilfe von Quäkern die Flucht nach Kanada gelingt. Dort treffen sie auf Georges Schwester und Elizas Mutter, die beide ebenfalls auf unterschiedlichen Wegen der Sklaverei entronnen sind, und gehen zunächst nach Frankreich, wo George studiert. Danach wandert die ganze Familie nach Liberia aus, um beim Aufbau des afrikanischen Staates, der als Zufluchtsstätte für ehemalige Sklaven gegründet wurde, zu helfen.

Toms Hütte bleibt zurück als Mahnmal an die Zurückgebliebenen: „Folgt alle im Gedächtnis an ihn seinem Beispiel: Seid ehrlich, treu und christlich, wie er es war, und gedenkt eurer Freiheit jedesmal, wenn ihr Onkel Toms Hütte seht!“

Publikationsgeschichte und Rezeption

Titelblatt der Erstausgabe

Im März 1851 schrieb Harriet Beecher Stowe an Gamaliel Bailey, den Herausgeber der Zeitschrift The National Era, und schlug ihm eine Art Fortsetzungsroman in Form von kurzen Geschichten vor, die das harte und unglückliche Leben in der Sklaverei schildern sollten. In dieser Zeitschrift, einem Organ der Sklavereigegner, erschien der Roman ab dem 5. Juni 1851 unter dem Titel Uncle Tom’s Cabin; or, Life Among the Lowly.

Getrieben von ihren Beobachtungen, Erfahrungen und ihrem Glaubenseifer verfasste die Autorin jede Woche eine Fortsetzung. In der Ausgabe vom 1. April 1852 erschien die letzte Folge. Bailey honorierte die Verfasserin mit dreihundert Dollar. Bereits vor Abschluss dieses Romans hatte sich der Verleger John P. Jewett aus Boston für die Buchrechte interessiert.[1] Am 20. März 1852 wurde der Roman noch vor den beiden letzten Fortsetzungen in einer Auflage von 5000 Stück als Buch herausgegeben und war innerhalb von 48 Stunden vergriffen. Im selben Jahr erreichten die Verkaufszahlen in den Vereinigten Staaten 300.000 Stück, in England wurden eine Million Exemplare verkauft, außerdem entstanden deutsche, niederländische, flämische, französische, spanische, italienische und schwedische Übersetzungen. Die frühesten deutschen Ausgaben erschienen 1852 gleichzeitig in mehreren renommierten Verlagen. Das Werk Onkel Toms Hütte erhielt dabei unterschiedliche Untertitel: Eine Negergeschichte (1852), oder Sklaverei im Lande der Freiheit (1852), oder die Geschichte eines christlichen Sklaven (1852) oder Negerleben in den Sklavenstaaten von Nordamerika (1853).

Harriet Beecher Stowe benutzte als eine wichtige Quelle für ihren Roman die Memoiren von 1849 des Methodistenpredigers Josiah Henson (1789–1883), eines Abolitionisten und früheren US-amerikanischen Sklaven. Henson war 1830 mit seiner Familie und der Hilfe der Underground Railroad von Kentucky nach Kanada geflüchtet. Er lebte und wirkte in Dresden in Ontario als Farmer, Müller, Kirchenältester, Gründer der Siedlung Dawn und des British American Institute, das mittellosen und ungebildeten befreiten Sklaven zu Bildung und Arbeit verhalf.[2][3][4]

In den USA kam es zu einer Reihe von Bearbeitungen für das Theater, auf deren Stil Harriet Beecher Stowe keinen Einfluss nehmen konnte. Dennoch blieb die Bühnenfassung in den nächsten 80 Jahren eines der erfolgreichsten Stücke in der Geschichte des amerikanischen Theaters. Nach Schätzungen waren allein in den 1890er Jahren rund einhundert Ensembles mit dem Stück auf Tournee.

1853 veröffentlichte Beecher Stowe ein zweites Buch: A Key to Uncle Tom’s Cabin. Dort brachte sie Belege für ihre Darstellungen und reagierte auf ihre zahlreichen Kritiker, die nach dem Erscheinen von Onkel Toms Hütte auf den Plan traten. In den Jahren bis zum Ausbruch des Bürgerkrieges 1861 erscheinen allein 27 Romane, die sich mehr oder weniger als „Anti-Onkel-Tom-Romane“ verstehen lassen.

Der Abraham Lincoln zugeschriebene Satz, mit dem er Harriet Beecher Stowe während des Bürgerkrieges 1862 empfangen haben soll („So this is the little lady who started this big war.“, übersetzt „Das ist also die kleine Dame, die diesen großen Krieg begonnen hat.“), ist historisch nicht gesichert. Fest steht jedoch, dass Onkel Toms Hütte Abolitionisten wie John Brown den Weg ebnete.

Während das Buch in Deutschland sehr beliebt ist, erfährt es in den USA seit langem ganz unterschiedliche Reaktionen. Es erfuhr auch Kritik aufgrund der von vielen als zu kindlich und unterwürfig bezeichneten Darstellung der Sklaven und wurde so zum Gegenstand des Onkel-Tom-Syndroms. Einerseits schätzte beispielsweise der entflohene Sklave und Schriftsteller Frederick Douglass dieses Werk sehr. Die protestantische American Missionary Association lobte 1892 Harriet Beecher Stowe, dass sie mehr als jede lebende Person dafür getan habe, das Gewissen der Amerikaner für die Sünde der Sklaverei zu wecken und die Emanzipation dieser Rasse zu sichern. Andererseits gilt Uncle Tom („Onkel Tom“) vielerorts sogar als Schimpfwort. Der farbige Schriftsteller James Baldwin kritisierte den Roman 1949 als selbstgerecht und mit moralisch überlegener Sentimentalität geschrieben. Der militante Bürgerrechtler Malcolm X bezeichnete den gewaltfreien Bürgerrechtler Martin Luther King abschätzig mit Onkel Tom.[5]

US-Touristen sind häufig überrascht, wenn sie in Berlin eine Siedlung namens Onkel Toms Hütte sowie den U-Bahnhof Onkel Toms Hütte vorfinden. Dies ist auf ein an der früheren Zehlendorfer Spandauer Straße – der heutigen Onkel-Tom-Straße – gelegenes Waldgasthaus zurückzuführen, welches 1884 eröffnet und 1978 abgerissen wurde. Dessen erster Wirt namens Thomas soll ein großer Verehrer von Stowes Werken gewesen sein und es deshalb doppeldeutig Onkel Toms Hütte genannt haben,[6] was dann auf die von 1926 bis 1931 erbaute Siedlung und den 1929 errichteten U-Bahnhof übertragen wurde. Die Umbenennung der Spandauer Straße in Onkel-Tom-Straße erfolgte im April 1933, in den ersten Wochen der Zeit des Nationalsozialismus.

Verfilmungen

Bereits 1903[7][8] – nach anderen Quellen 1907[9] – wurde das Buch verfilmt, auch 1911,[10] 1914[11] sowie 1927.[12] 1964 wurde der Roman dann erneut in einer deutsch-italienischen Co-Produktion mit John Kitzmiller in der Titelrolle und O. W. Fischer, Michaela May und Herbert Lom als seine Co-Stars verfilmt. Eine weitere Verfilmung aus den USA mit Avery Brooks in der Titelrolle wurde 1987 veröffentlicht.

Hörspiele

Der Stoff wurde mehrfach deutschsprachig als Hörspiel vertont. Die Schallplattenfirma Ariola-Eurodisc brachte 1972 eine Fassung in der Bearbeitung von Herbert Hennies auf den Markt. Die Regie hatte Benno Schurr, die Hauptrolle sprach Kurt Ebbinghaus. Die EUROPA brachte ebenfalls 1972 eine Hörspielfassung des Buches heraus,[13] in der die Nebenhandlung um die Sklavin Eliza nicht berücksichtigt wurde. Die Hauptrolle sprach Franz-Josef Steffens. In der DDR wurde das Stück schon 1968 von Andreas Bauer für Litera, das Schallplattenlabel für Sprechaufnahmen, als Hörspiel bearbeitet.[14] Die Hauptrolle sprach Eberhard Mellies, weitere Rollen wurden von Ursula Figelius, Roman Kretschmer, Dieter Unruh, Anneliese Matschulat, Gerd Micheel, Horst Ziethen, Hans Rohde, Ralph Borgwardt und Peter Bause gesprochen.

Ausgabe

Literatur

  • Josephine Donovan: Uncle Tom’s cabin. Evil, affliction, and redemptive love, Twayne, Boston 1991, ISBN 0-8057-8095-5.
  • Wieland Herzfelde: Nachwort, in: Onkel Toms´s Hütte, Verlag Neues Leben, Ost-Berlin 1952 (und Insel Taschenbuch, Frankfurt am Main 1977).
  • Friedrich Lenger: Im Vorfeld des Bürgerkriegs. "Uncle Toms Cabin" von Harriet Beecher Stowe (1851/52), in: Dirk van Laak (Hrsg.): Literatur, die Geschichte schrieb, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2011, S. 43–60, ISBN 978-3-525-30015-2.
  • Grace Edith Maclean: Uncle Tom's Cabin in Germany (= Americana Germanica. 10), Dissertation, D. Appleton, New York 1910.
  • Debra J. Rosenthal (Hrsg.): A Routledge literary sourcebook on Harriet Beecher Stowe’s “Uncle Toms’s cabin”, Routledge, New York 2004 ISBN 0-415-23474-3.
  • Bernhard Lang: Religion und Literatur in drei Jahrtausenden. Hundert Bücher, Paderborn: Schöningh 2019, ISBN 978-3-506-79227-3, S. 412–418.
  • Thomas Claviez: Aesthetics & ethics. Otherness and moral imagination from Aristotle to Levinas and from Uncle Tom's Cabin to House Made of Dawn, American studies 163, Winter, Heidelberg 2008, ISBN 978-3-8253-5453-4.
  • Dorothee Dziewas: Eine kleine Lady. Harriet Beecher Stowe – die Frau die Onkel Toms Hütte schrieb, Brunnen, Giessen 2011, ISBN 978-3-7655-1655-9.
  • Dietrich Harer: Reinheit und Ambivalenz. Formen literarischer Gesellschaftskritik im amerikanischen Roman der 1850er Jahre, Studien zur Anglistik und Amerikanistik 3, Kovač, Hamburg und Mannheim 2003, ISBN 3-8300-0807-4.
  • Sarah McCarty: Who's that Uncle Tom?! Christian and Racial Stereotypes in Uncle Tom's Cabin. Grin-Verlag, München 2010, ISBN 978-3-640-74360-5.
  • James Roller: Built on emotion. Harriet Beecher Stowe and the emotional work of Uncle Tom's cabin, VDM Verlag Dr. Müller, Saarbrücken 2011, ISBN 978-3-639-34672-5.
Commons: Onkel Toms Hütte – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. John Carter, Percy H. Muir: Bücher, die die Welt verändern. Prestel-Verlag, München 1969, S. 605.
  2. Biography com Editors: Harriet Beecher Stowe. Abgerufen am 2. Januar 2022 (amerikanisches Englisch).
  3. Die Geschichte von Onkel Toms Hütte, Website heritagetrust.on.ca (englisch, abgerufen am 9. Januar 2022)
  4. Jared Brock: The Story of Josiah Henson, the Real Inspiration for ‘Uncle Tom’s Cabin’. Before there was the novel by Harriet Beecher Stowe, a formerly enslaved African-American living in Canada wrote a memoir detailing his experience, Website smithsonianmag.com, 16. Mai 2018 (englisch, abgerufen am 7. Januar 2022)
  5. Jasmin Lörchner: Onkel Toms Hütte. War das Buch Auslöser für den Bürgerkrieg? 7. Juli 2021, abgerufen am 2. Januar 2022.
  6. Das Gelände am Riemeisterfenn – Onkel-Toms-Hütte hat als „Pferdeland” eine lange Tradition. In: Geschichte. Reiterverein Onkel Toms Hütte e. V. Auf OTH-Reiten.de, abgerufen am 21. Juli 2021.
  7. The First Uncle Tom's Cabin Film: Edison-Porter's Slavery Days (1903), Uncle Tom's Cabin and American Culture, a Multi-Media Archive. Abgerufen am 25. August 2017 (englisch).
  8. Uncle Tom's Cabin (1903) bei IMDb
  9. Onkel Toms Hütte (1907) bei The German Early Cinema Database, DCH Cologne.Vorlage:GECD Titel/Wartung/ID fehlt in Wikidata
  10. Onkel Toms Hütte (1911) bei The German Early Cinema Database, DCH Cologne.Vorlage:GECD Titel/Wartung/ID fehlt in Wikidata
  11. Onkel Toms Hütte (1914) bei The German Early Cinema Database, DCH Cologne.Vorlage:GECD Titel/Wartung/ID fehlt in Wikidata
  12. Onkel Toms Hütte (1927). Internet Movie Database, abgerufen am 22. Mai 2015 (englisch).
  13. E 2032 – Onkel Toms Hütte. In: EUROPA-VINYL. Abgerufen am 11. Dezember 2018.
  14. ddr-hoerspiele.net (Memento vom 4. März 2016 im Internet Archive)