„Moral“ – Versionsunterschied

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Version vom 21. Juli 2011, 03:48 Uhr

Moral bezeichnet meist die faktischen Handlungsmuster, -konventionen, -regeln oder -prinzipien bestimmter Individuen, Gruppen oder Kulturen.

So verstanden, sind die Ausdrücke Moral, Ethos oder Sitte weitgehend gleichbedeutend und werden beschreibend (deskriptiv) gebraucht. Daneben wird mit der Rede von Moral auch ein Bereich von praktischen Urteilen, Handlungen oder deren Prinzipien (Werte, Güter, Pflichten, Rechte) verbunden. So verstanden, wertet eine Unterscheidung von Moral und Unmoral. Eine solche Bewertung kann als bloßer Ausdruck subjektiver Zustimmung oder Ablehnung verstanden werden (vergleichbar zu Applaus oder Buhrufen), oder als Beurteilung von Handlungen, deren Maximen oder sonstigen Prinzipien in moralischer Hinsicht, d.h. als moralisch gut oder moralisch schlecht. Letzteres entspricht einem metaethischen Realismus. Die theoretische Ausarbeitung unterschiedlicher methodischer Vorgehensweisen und Kriterien moralischer Urteile sind Gegenstand der philosophischen Disziplin der Ethik. Davon abzugrenzen ist die Lehre von der Moral in religiösen Disziplinen, wie beispielsweise die Moraltheologie und die Theologische Ethik, die sich von der philosophischen Ethik durch die theologische Perspektive unterscheiden.

Begriffsgeschichte

Der deutsche Ausdruck „Moral“ geht über das französische morale auf das lateinische moralis (die Sitte betreffend; lat: mos, mores Sitte, Sitten) zurück, das im von Cicero neugeprägten Ausdruck philosophia moralis als Übersetzung von êthikê (Ethik) verwendet wird.[1]

Moral beschreibt demnach, wie Menschen faktisch handeln und zu Handeln erwarten oder auch, was sie dabei faktisch für richtig halten. Dieser deskriptive Bedeutungsaspekt einer Moral wird auch als Sittlichkeit oder Ethos bezeichnet und umfasst „regulierende Urteile und geregelte Verhaltensweisen“, ohne dass über die rationale oder moraltheoretische Rechtfertigung derselben ein Urteil beansprucht wird. Letztere wird dann davon abgehoben als eine „Reflexionstheorie der Moral“, die dann als „Ethik“ bezeichnet wird.[2]

Wissenschaften der Moral

Moral ist Gegenstand diverser Wissenschaften.

Moral und Recht

Es ist eine der Grundfragen der Rechtsphilosophie, in welchem Verhältnis Recht und Moral zueinander stehen sind. In vielerlei Hinsicht stimmen Moral und Recht (z. B. das Tötungsverbot) überein. Die Frage, wie es z. B. um moralisch verwerfliche Gesetze steht, wurde viel in der deutschen Nachkriegszeit diskutiert. Nennenswert sind hierbei insbesondere die Radbruchsche Formel zum Verhältnis von Recht und Ungerechtigkeit, die Gehorsamsverweigerung und die Frage, ob Deserteure amnestiert werden sollten (siehe Gesetz zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege).

Deskriptiver Moralbegriff

In deskriptiver Verwendung beschreibt „Moral“ eine Handlungsregelung, die für eine Gesellschaft, soziale Gruppe oder ein Individuum leitend ist[4] oder „die in einer konkreten Gemeinschaft eingelebten oder von einer Person internalisierten Verhaltensregeln“.[5] Dies wird je nach Theorieansatz unterschiedlich präzisiert, etwa als „Gesamtheit der sozial repräsentierten und im Persönlichkeitssystem der Individuen verankerten regelbezogenen Handlungsorientierungen und wechselseitigen Verhaltenserwartungen oder als eine näher bestimmte Teilklasse“ derselben.[6] Luhmann definiert, „rein empirisch gemeint“: „Eine Kommunikation nimmt moralische Qualität an, wenn und soweit sie menschliche Achtung oder Missachtung zum Ausdruck bringt“.[7] In diesem deskriptiven Sinne werden auch „moralisch“ oder „sittlich“ schlicht deskriptiv im Sinne von „zur Moral gehörig“, nicht normativ im Sinne von „moralisch gut“ gebraucht.[8] „Moral“ bezeichnet dann etwa „ein Unternehmen der Gesellschaft“ zur „Lenkung des einzelnen und kleinerer Gruppen“.[9] Derartigen deskriptiven Redeweisen entsprechen alltagssprachliche Formeln wie herrschende Moral“, „bürgerliche Moral“ oder „sozialistische Moral“.

Forschung

Es gibt ein „internationales Netzwerk zur Erforschung moralischer Werte“ (The New Science of Virtues Project). Moralische Werte bzw. Wertvorstellungen bzw. Tugenden können Orientierung geben; sie geben Standards vor, anhand derer Menschen ihr Handeln ausrichten und bewerten können; das kann ihnen dabei helfen, schnell (rational und/oder intuitiv) über „richtig oder falsch“ zu entscheiden. In komplexen Alltagssituationen ist oft keine vollständige Problemerfassung und -bewertung möglich; die Genannten können Heuristiken sein. „Gute Entscheidungen sind oft das Ergebnis einfacher heuristischer Prozesse, insbesondere wenn es sich um komplexe Sachverhalte handelt. Wir gehen davon aus, dass auch moralische Entscheidungsprozesse diesem Muster folgen und wollen die daraus entstehenden sozialen, ökonomischen und gesellschafts-politischen Implikationen aufzeigen“ (Gerd Gigerenzer, Direktor des Forschungsbereichs Adaptives Verhalten und Kognition am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung (MPI)).

Das MPI arbeitet an einer Studie, die moralische Entscheidungsprozesse mit wissenschaftlichen Methoden untersucht und die Ergebnisse mit den Erkenntnissen der Heuristikforschung zusammenführen wird.[10]

Kontroverse Diskussion bei Mensch und Tier

Bis heute gibt es keine allgemein gültige Definition für Moral. Während Vertreter von Natur- und Geisteswissenschaften bisher häufig davon ausgehen, dass Moral ein Produkt der Gesellschaft und der Kultur sei (Frans de Waal) stellen religiöse Disziplinen wie die Moraltheologie dies in Frage und gehen davon aus, dass moralische Entscheidung zwischen dem Vererbten und Erworbenen einerseits und dem Göttlichen (z.B. Heiliger Geist) in uns andererseits entstehen. Letzterem widersprechen wieder zahlreiche Philosophen und meinen, moralische Entscheidungsprozesse seien ausschließlich von Emotion und Vernunft beeinflusst. Bei zahlreichen Diskussionen wird Moral oft im Zusammenhang mit menschlicher Willensfreiheit genannt und verstanden. Sigmund Freud stellt die heute weit verbreitete Meinung, Menschen hätten einen freien Willen, überhaupt in Frage und vertritt die Überlegung, dass Menschen ausschließlich unbewusst und triebgesteuert handeln würden. Freuds Meinung wird in jüngster Zeit verstärkt in der Medizin - insbesondere aufgrund von neueren Ergebnissen der Gehirnforschung - diskutiert, wonach es möglicherweise doch keine wirkliche menschliche Willensfreiheit geben könnte.

Noch viel kontroverser als beim Menschen wird Moral bzw. moralischen Verhalten beim nicht-menschlichen Lebewesen diskutiert. In der Evolutionsbiologie wird für Tiere anstelle des Begriffs Moral häufig Altruismus verwendet. Von einigen natuwissenschaftlichen Vertretern wird sogar von „so etwas wie Moral“ bei Bakterien gesprochen. Dem widersprechen wiederum Vertreter der Theologischen Ethik, die von einer trügerischen Projektion des Göttlichen im Menschen auf nicht-menschliche Lebewesen sprechen. Der Mediziner und Naturwissenschaftler Konrad Lorenz sprach ebenfalls von trügerischen menschlichen Projektionen in der (vergleichenden) Verhaltensforschung mit Tieren. Als er bei seinen Verhaltens-Untersuchungen an Affen und Hunden feststellte, dass er immer wieder unweigerlich seine eigene moralische „Menschlichkeit“ in das Verhalten dieser Forschungstiere legte, und er damit die gebotene Objektivität der Beobachtung des jeweils arteigenen Verhaltens dieser Tiere verfälschte, geriet er zunächst in Panik, löste abe dann das Problem wie folgt: Fortan untersuchte er nur noch Tierarten, die ihn nicht "automatisch" - wie die optische Erscheinung eines Primaten - an den Menschen und damit an dessen "Menschlichkeit" erinnern sollten, und zu denen er auch möglichst keine "persönlichere", engere Bindung - wie man sie in der Regel zu einem Hund hat - eingehen sollte. Seine späteren Forschungen an z.B. exotischen Fischen und Gänsen wurden weltberühmt und brachten ihm sogar den Nobelpreis ein. Bis heute konnte noch kein einziger wissenschaftlicher Beweis gefunden werden, wonach Tiere Moral besitzen, dies mag auch daran liegen, dass es keine einheitliche Definition für diesen Begriff gibt. Selbst Vertreter der Medizin, die behaupten, dass Moral und damit verbundenes Gewissen im Gehirn, häufig konkret auch im limbischen System, liegen würden, haben bisher keinen einzigen Beweis dafür gefunden. Somit scheiterte bisher jeder Versuch, Moral und/oder Gewissen als Teil des evolutiven Prozesses wissenschaftlich gesichert darzustellen.

Umgangssprachliche Verwendung

In der Umgangssprache bedeutet „Moral“ auch:

  • die Lehre, die aus einer Erzählung – besonders einer Fabel – gezogen werden soll („Moral von der Geschichte“)
  • die Motivationslage von Personen („Arbeitsmoral“, „die Moral der Truppe/Spieler ist schlecht“, „zur Bewältigung dieser schwierigen Kletterstelle benötigt man eine gute Moral“ usw.)

Siehe auch

  1. Demoralisierung
  2. Doppelmoral

Einzelnachweise

  1. Cicero, De fato 1; Historisches Wörterbuch der Philosophie: Moral, moralisch, Moralphilosophie, Bd. 6, S. 149.
  2. So beispielsweise Dietmar Mieth: Was wollen wir können? Ethik im Zeitalter der Biotechnik, Freiburg i.Br. 2002, 55 und in vielen anderen Publikationen
  3. So die Kurzcharakteristik von Geoff Sayre-McCord: Metaethics. In: Edward N. Zalta (Hrsg.): Stanford Encyclopedia of Philosophy, 2007..
  4. Gert 2005
  5. Werner 2005
  6. Bernard Gert: Die moralischen Regeln: Eine neue rationale Begründung der Moral. Frankfurt/M.: Suhrkamp 1983/1966, S. 27 ff., hier zit. n. Werner 2005; ähnlich Martin Honecker: Einführung in die theologische Ethik, Berlin/New York 1990, 4: „die Gesamtheit akzeptierter und durch Tradition stabilisierter Verhaltensnormen einer Gesellschaft oder Gruppe“
  7. N. Luhmann: Ethik als Reflexionstheorie der Moral, in: Luhmann: Gesellschaftsstruktur und Semantik, Bd. 3, Frankfurt/M. 1993, 360ff
  8. Vgl. William K. Frankena: Analytische Ethik, München 1994, 22f
  9. Frankena, l.c.
  10. mpib.de 4. Mai 2010)

Literatur

Wiktionary: Moral – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Wikiquote: Moral – Zitate