„Krakauer Auschwitzprozess“ – Versionsunterschied

[gesichtete Version][gesichtete Version]
Inhalt gelöscht Inhalt hinzugefügt
Zeile 118: Zeile 118:
|lebenslange Haftstrafe, verstorben in Haft 14. Juli 1955
|lebenslange Haftstrafe, verstorben in Haft 14. Juli 1955
|-
|-
|[[Anton Lechner]]
|[[Anton Lechner (SS-Mitglied)|Anton Lechner]]
|Angehöriger der Standortverwaltung
|Angehöriger der Standortverwaltung
|lebenslange Haftstrafe, Entlassung 1957
|lebenslange Haftstrafe, Entlassung 1957

Version vom 29. Januar 2022, 15:31 Uhr

Angeklagte im Krakauer Auschwitzprozess (1947)

Der Krakauer Auschwitzprozess begann am 24. November 1947 in Krakau (poln. Kraków), Polen, gegen 40 frühere SS-Wächter des Konzentrations- und Vernichtungslagerkomplexes Auschwitz. Das Verfahren vor dem Obersten Nationalen Tribunal Polens (poln. Najwyższy Trybunał Narodowy, NTN, errichtet am 22. Januar 1946 zur Verurteilung von Kriegsverbrechen) wurde durch die von Jan Sehn geleitete Krakauer Bezirkskommission zur Untersuchung der deutschen Verbrechen vorbereitet und endete am 22. Dezember 1947 mit 23 Todesurteilen. Den Vorsitz hatte Richter Alfred Eimer, der auch den Höß-Prozess leitete.[1] Dieser Auschwitzprozess diente als Vorbild für zahlreiche ähnliche Verfahren gegen hunderte ehemalige SS-Angehörige, die in den ersten Nachkriegsjahren in Polen, vornehmlich in Krakau und Wadowice, stattfanden.[2] Die Ergebnisse dieser Verfahren wurden später in der Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen in der Bundesrepublik Deutschland weiter verwendet.

Mit Arthur Liebehenschel stand einer der drei Kommandanten des Lagers Auschwitz in diesem Verfahren vor Gericht. Er galt im Vergleich zu seinem Vorgänger Rudolf Höß und seinem Nachfolger Richard Baer als gemäßigter Führer, der die Zustände im Lager besserte und Strafen abschaffte. Die weiteren Hauptangeklagten Maximilian Grabner, der berüchtigte Chef der Politischen Abteilung, Lagerführer Hans Aumeier und die Oberaufseherin des Frauenlagers Maria Mandl hingegen galten als Schrecken der Häftlinge; sie konnten unzähliger Morde von eigener Hand überführt werden.

Weitere prominente Angeklagte waren der Chef der Krematorien und Gaskammern Erich Mußfeldt, die Blockführer des Todesblocks 11 mit der Schwarzen Wand, Wilhelm Gehring und Kurt Hugo Müller, die Lager- und Rapportführer Fritz Buntrock, Ludwig Plagge und Otto Lätsch sowie die aufgrund ihrer Brutalität gefürchteten Aufseherinnen Therese Brandl, Alice Orlowski, Luise Danz und die "blutige Brigitte", Hildegard Lächert. Neben diesen den Häftlingen bekannten Tätern fanden sich auch bürokratisch im Hintergrund wirkende Männer auf der Anklagebank wieder, so der Rechnungsführer Richard Schröder, der Waffenmeister Karl Seufert und der Kommandanturspieß Detlef Nebbe.

Der Universitätsprofessor Johann Paul Kremer wurde für die Selektion von fast 50000 Menschen zur Tötung in den Gaskammern binnen weniger Monate, die er in seinem Tagebuch auch selbst beschrieb, zum Tod am Strang verurteilt, am Tag der Hinrichtung aufgrund seines Alters jedoch begnadigt.[3] Sein Kollege Hans Münch hatte sich dem Rampen- und Gaskammerdienst entziehen können und verbuchte positive Zeugenaussagen für sich; er wurde als einziger Angeklagter freigesprochen.

Die Urteile gegen die Sanitätsdienstgrade (SDG) Arthur Breitwieser und Hans Koch erstaunen aus heutiger Sicht. Aufgabe der SDG war weniger die medizinische Versorgung der Häftlinge als ihre Tötung. Seit Beginn der massenweisen Vergasung von Menschen im Frühjahr 1942 fiel ihnen die Aufgabe zu, das gebundene Zyklon B in die Öffnungen der jeweiligen Gaskammern zu kippen. Sie waren damit das letzte und tödlichste Glied der langen Kette von Tätern des Holocaust. Von zahlreichen Zeugen wurden Adolf Theuer, Josef Klehr und Hans Koch als Angehörige des Vergasungskommandos identifiziert, die mit ihren Taten prahlten und große Freude und Einsatzbereitschaft zeigten.[4] Dennoch wurde Hans Koch zu lebenslanger Haft verurteilt, machte er doch gesundheitliche Probleme während seiner Einsätze geltend. Gegen Arthur Breitwieser wurde zunächst die Todesstrafe verhängt, zunehmende Zweifel ob seiner Beteiligung an den Vergasungen führten jedoch zur Begnadigung. Theuer wurde in einem anderen Verfahren zum Tode verurteilt und hingerichtet, Klehr erst 1963 im Frankfurter Auschwitz-Prozess angeklagt.

Die 40 Urteile im Einzelnen

Angeklagter Funktion Urteil
Arthur Liebehenschel Lagerkommandant im Stammlager des KZ Auschwitz Todesurteil, hingerichtet
Maria Mandl Oberaufseherin Todesurteil, hingerichtet
Hans Aumeier Schutzhaftlagerführer Todesurteil, hingerichtet
August Bogusch Blockführer Todesurteil, hingerichtet
Therese Brandl Aufseherin Todesurteil, hingerichtet
Fritz Buntrock Rapportführer Todesurteil, hingerichtet
Wilhelm Gehring Blockführer in Block 11 Todesurteil, hingerichtet
Paul Götze Blockführer Todesurteil, hingerichtet
Maximilian Grabner Leiter der Politischen Abteilung Todesurteil, hingerichtet
Heinrich Josten Kommandeur der Wachmannschaft Todesurteil, hingerichtet
Hermann Kirschner Blockführer Todesurteil, hingerichtet
Josef Kollmer Kommandeur der Wachmannschaft Todesurteil, hingerichtet
Franz Kraus Verwaltungsführer Todesurteil, hingerichtet
Otto Lätsch Lagerführer Gleiwitz IV Todesurteil, hingerichtet
Herbert Ludwig Blockführer Todesurteil, hingerichtet
Karl Möckel Chef der Standortverwaltung Todesurteil, hingerichtet
Kurt Hugo Müller Blockführer in Block 11 Todesurteil, hingerichtet
Erich Mußfeldt Leiter der Krematorien Todesurteil, hingerichtet
Ludwig Plagge Rapportführer Todesurteil, hingerichtet
Hans Schumacher Mitglied der Standortverwaltung Todesurteil, hingerichtet
Paul Szczurek Blockführer und Kommandoführer Todesurteil, hingerichtet
Arthur Breitwieser SS-Sanitätsdienstgrad (SDG) Todesurteil, begnadigt zu lebenslanger Haft, Entlassung 18. Januar 1959
Johann Paul Kremer Lagerarzt Todesurteil, begnadigt zu lebenslanger Haft, Entlassung 9. Januar 1958
Luise Danz Aufseherin lebenslange Haftstrafe, Entlassung 20. August 1957
Hans Koch Führer des Desinfektions- und Vergasungskommandos lebenslange Haftstrafe, verstorben in Haft 14. Juli 1955
Anton Lechner Angehöriger der Standortverwaltung lebenslange Haftstrafe, Entlassung 1957
Adolf Medefind stellv. Leiter des Verpflegungsmagazins lebenslange Haftstrafe, verstorben in Haft 8. August 1948
Detlef Nebbe Spieß der Kommandantur lebenslange Haftstrafe, Entlassung 24. Oktober 1956
Karl Seufert Leiter der Abteilung Waffen und Geräte lebenslange Haftstrafe, Entlassung 2. November 1957
Alexander Bülow Blockführer 15 Jahre Haftstrafe, Entlassung 1956
Hans Hoffmann Mitglied der Politischen Abteilung 15 Jahre Haftstrafe, Entlassung 28. Juli 1956
Hildegard Lächert Aufseherin 15 Jahre Haftstrafe, Entlassung 1956
Eduard Lorenz stellvertretender Leiter der Fahrbereitschaft 15 Jahre Haftstrafe, Entlassung 8. Dezember 1955
Alice Orlowski Aufseherin 15 Jahre Haftstrafe, Entlassung 19. Dezember 1956
Franz Romeikat Mitglied der Standortverwaltung 15 Jahre Haftstrafe, Entlassung 25. Juni 1956
Johannes Weber Leiter von Häftlingsküchen 15 Jahre Haftstrafe, verstorben in Haft 11. Oktober 1949
Richard Schröder Rechnungsführer der Standortverwaltung 10 Jahre Haftstrafe, Entlassung 1953
Erich Dinges Mitglied der Fahrbereitschaft 5 Jahre Haftstrafe, verstorben in Haft 23. April 1953
Karl Jeschke Wachmann 3 Jahre Haftstrafe, Entlassung 18. April 1950
Hans Münch Lagerarzt Freispruch

Vollstreckungen

21 Hinrichtungen wurden am 24. Januar 1948 im Krakauer Gefängnis Montelupich durch Erhängen vollzogen. Alle 18 zu Haftstrafen verurteilten bzw. begnadigten SS-Leute wurden spätestens 1959 entlassen und nach Deutschland abgeschoben, wo sie mitunter erneut gerichtlich belangt wurden. Vier Inhaftierte starben während ihres Gefängnisaufenthalts aller Wahrscheinlichkeit nach an Tuberkulose.[5]

Zeugen (Auswahl)

Siehe auch

  • Die 13 Nürnberger Prozesse vor dem Internationalen Militärgerichtshof von November 1945 bis 1948
  • Der erste Bergen-Belsen-Prozess vor einem britischen Militärgericht in Lüneburg gegen das Führungspersonal des KZ Bergen-Belsen vom 17. September bis 17. November 1945. Da ein Teil der Angeklagten zuvor im KZ Auschwitz tätig war, wurde bei diesen die Anklage neben der Verhandlung der Verbrechen in Bergen-Belsen auch auf die Verbrechen im KZ Auschwitz ausgedehnt. Daher kann dieser Prozess auch als ein erster Auschwitz-Prozess bezeichnet werden.
  • Der Höß-Prozess (11.–29. März 1947 in Warschau, Polen); gegen den ehemaligen SS-Kommandanten Rudolf Höß ebenfalls vor dem Nationalen obersten Gericht (pl. NTN)
  • Sechs deutsche Frankfurter Auschwitzprozesse (1963/1965 der 1. und 1965/1966 der 2. Auschwitzprozess sowie 4 Nachfolgeprozesse in den 1970er-Jahren)

Literatur

  • Ernst Klee: Auschwitz. Täter, Gehilfen, Opfer und was aus ihnen wurde. Ein Personenlexikon. S. Fischer, Frankfurt am Main 2013, ISBN 978-3-10-039333-3. (Kurzbiografien der Angeklagten)

Einzelnachweise

  1. Sybille Steinbacher: Auschwitz: Geschichte und Nachgeschichte. C.H.Beck, 2015, ISBN 978-3-406-67628-4 (google.de [abgerufen am 10. Juli 2020]).
  2. Ernst Klee: Auschwitz. Täter, Gehilfen, Opfer und was aus ihnen wurde. Ein Personenlexikon. 1. Auflage. S. Fischer, Frankfurt am Main 2013, ISBN 978-3-10-039333-3, S. 213.
  3. Ernst Klee: Auschwitz. Täter, Gehilfen, Opfer und was aus ihnen wurde. Ein Personenlexikon. 1. Auflage. S. Fischer, Frankfurt am Main 2013, ISBN 978-3-10-039333-3, S. 236.
  4. Tonbandmitschnitt des 1. Frankfurter Auschwitz-Prozesses. Abgerufen am 10. Juli 2020.
  5. Ernst Klee: Auschwitz. Täter, Gehilfen, Opfer und was aus ihnen wurde. Ein Personenlexikon. 1. Auflage. S. Fischer, Frankfurt am Main 2013, ISBN 978-3-10-039333-3, S. 93, 224, 273.