Genesis (Installation)

Genesis ist der Titel einer seit dem 28. April 2023 enthüllten Installation des Künstlers Markus Lüpertz an den sieben unterirdischen Haltestellen des Karlsruher Straßenbahnnetzes. Das private und ausschließlich über Spenden finanzierte Projekt ist inhaltlich und strukturell stark umstritten.[1]

Hintergrund

Im Zentrum Karlsruhes wurden die Gleise des Straßenbahnnetzes im Rahmen des „Kombilösung“ genannten Projektes in den Untergrund verlegt, wodurch sieben unterirdische Haltestellen entstanden. Im Jahre 2010 wurde mit den Arbeiten an der Kombilösung begonnen[2], im Dezember 2021 wurde die neue, unterirdische Infrastruktur in Betrieb genommen. In den unterirdischen Haltestellen sollten nach einer Idee des Initiators Anton Goll die Tafeln Lüpertz' angebracht werden[3]. Der Künstler selbst assoziierte von der Zahl der Haltestellen auf die sieben Tage der Schöpfung in der jüngeren christlichen Schöpfungsgeschichte im Buch Genesis. Die geschätzten Kosten für das Vorhaben sollten sich laut Stuttgarter Zeitung zunächst auf etwa eine Million Euro belaufen. Im Lauf des Projekts wurde diese Schätzung auf 500.000 bis zu einer Million Euro nach unten korrigiert; möglich wurde dies u. a. durch einen deutlichen Honorarverzicht seitens des Künstlers.[4] Goll gelang es die verbleibenden Kosten als Sponsorengelder größtenteils aus der Karlsruher Wirtschaft einzusammeln.

Politische Entscheidung und Kontroverse

Politische Entscheidungsfindung

Das nun umgesetzte Projekt entspricht dem zweiten Vorschlag ein Werk Lüpertz' in den unterirdischen Haltestellen Karlsruhes zu installieren. Der erste Vorschlag war jedoch so groß dimensioniert, dass er eine Veränderung des nach Ausschreibung und Wettbewerb mehrere Jahre zuvor beschlossenen Gestaltungs- und Lichtkonzepts bedeutet hätte und war deswegen rechtlich nicht umsetzbar. Für den zweiten Vorschlag wurde die Größe des Werks auf Werbetafeln beschränkt, die im Gestaltungs- und Lichtkonzept ohnehin vorgesehen waren. Da solchen Flächen ihrer Natur nach wechselnd visuell gestaltet werden, bestand und besteht die Freiheit sie auch für Kunst zu nutzen.

Karlsruhes Oberbürgermeister Frank Mentrup (SPD) und die städtische Gesellschaft Kasig, die den Tunnel für die neue Bahn baut, signalisierten ihre Zustimmung zu dem Projekt. Anfang August 2017 stimmte der Gemeinderat von Karlsruhe nach ausführlicher Diskussion[5] mit 28 Ja- zu 17 Nein-Stimmen, dem Projekt zu[6]. Die Stadt stellte jedoch Bedingungen bei der Umsetzung: die Installationen sollen temporär angelegt sein und zunächst nur für sechs Jahre in den Haltestellen hängen. Danach will der Gemeinderat entscheiden, ob sie am Ort verbleiben. Die Finanzierung für Genesis sollte vollständig von privaten Geldgebern getragen werden.[7]

Kritik

In Karlsruhe war das Vorhaben umstritten. Insbesondere das nach Auffassung einiger Beobachter intransparente Verfahren steht in der Kritik, da es für das Projekt nie eine Ausschreibung oder einen Wettbewerb gab. Bevor das Kunstwerk enthüllt wurde und damit die sehr freie Interpretation Lüpertz von „Genesis“ bekannt wurde, gingen Kritiker von einer weitaus engeren Anlehnung an das biblische Buch Genesis aus. Die SWR-Redakteurin Marie-Dominique Wetzel sagte zu der Kritik an dem Projekt: Und dann gibt es eine junge Kunstszene, die sagt, jetzt mal ganz provokant: ‚Bitte keine alten Männer mit biblischen Themen!‘

Viele Karlsruher sahen kritisch, dass der Initiator des Projekts Goll ehemaliger Geschäftsführer eben jener Keramikfabrik ist, die durch diesen Auftrag zunächst wirtschaftlich begünstigt werden sollte.[8]

Peter Weibel, Leiter des ZKM in Karlsruhe, kritisierte: „Diese biblischen Themen sind letztendlich falsche Fabeln. Und konfessionelle Kunst gehört in die Kirchen, aber nicht in den öffentlichen Raum.“[9] Kurz vor der Fertigstellung des Projektes und seinem eigenen Tod äußerte Weibel sich jedoch versöhnlich über das Werk.[10]

Beim Regensburger „Aschermittwoch der Künstler“ äußerte sich Lüpertz im Februar 2018 über die Reaktionen in Karlsruhe mit den Worten: „Dort empörte sich über die Idee die gesamte Künstlerschaft. Gott möge sie strafen.“[11]

Festival „7 Tage sind nicht genug“

Als Reaktion auf die Entscheidung der Stadt, Lüpertz' religiöse Kunst im öffentlichen Raum zu installieren, rief die Karlsruher Regionalgruppe der Giordano-Bruno-Stiftung unter dem Titel „7 Tage sind nicht genug“ ein „interdisziplinäres Festival an den Grenzen von Wissenschaft, Philosophie und Kunst“ ins Leben.[12] In Kooperation mit bekannten Karlsruher Einrichtungen wie dem Zentrum für Kunst und Medien fand unter dieser Überschrift im Zeitraum von März bis September 2018 eine inhaltlich zusammenhängende Reihe verschiedener Veranstaltungen statt, darunter Vorträge, Ausstellungen, Wettbewerbe und Weiterbildungen.[13]

Nach Aussage des Veranstalters war das Ziel des Festivals, „den Zauber der Wirklichkeit [zu] betonen und ein Plädoyer für ein aufgeklärtes Weltbild [zu] präsentieren“. Ein besonderer Schwerpunkt lag auf der Evolution als zentralem Prinzip bei der Entstehung der Vielfalt des Lebens.

Installationen

Produktion

Die Installationen bestehen aus zwei mal vier Meter großen Keramikreliefs. Zunächst war geplant sie bei der Keramikmanufaktur Majolika Manufaktur Karlsruhe zu produzieren. Im Verlauf des Projekts wurde als Produktionsort jedoch die Zeller Keramik gewählt, da die Majolika Manufaktur Karlsruhe den Auftrag mit der Begründung zurückgab, „nach den gemachten Erfahrungen und den gewonnenen Erkenntnissen während der Herstellung des ersten Bildes durch den Künstler kapazitätstechnisch, organisatorisch und in dem angedachten Preisrahmen nicht in der Lage, den Gesamtauftrag abwickeln zu können.“[14]

Die vierzehn Tafeln

Markus Lüpertz gestaltete 14 Kunstwerke für die sieben Haltestellen unter dem Überbegriff „Genesis“. Lüpertz Werk beschränkt sich dabei nicht auf die sieben Schöpfungstage der jüngeren christlichen Schöpfungsgeschichte, sondern hat auch im mesopotamischen Gilgamesch-Schöpfungsmythos und der griechischen Lehre von den Vier-Elementen. Inspirationsquellen. Von den 14 Tafeln hat nur eine – „die Locken einer Frau“ – einen offensichtlichen und unmittelbaren christlichen Bezug und diesen – geschuldet der Abbildung von Jesus und David – nicht zum Buch Genesis.

NummerierungTitelBezugUntertitel[15]Installationsort (Haltestelle / Bahnsteig)
1Die Gussform des Schmiedes (Das Feuer)Vier-Elemente-LehreDer Ring des Salamanders als Feuerball gebiert das Licht.Durlacher Tor KIT-Campus Süd / Gleis 1 (Nord)
2Die dreizehn Winde (Die Luft)Vier-Elemente-LehreDie Luft – verliebt in den Rad schlagenden Pfau.Durlacher Tor KIT-Campus Süd / Gleis 2 (Süd)
3SchakkanGilgamesch-EposSalome verzückt den Hades.Kronenplatz / Gleis 1 (Nord)
4Die wütende WogeGriechische MythologieCharon rudert und Dante staunt.Kronenplatz / Gleis 2 (Süd)
5Der Aufgang der SonneGriechische MythologieDante vor dem Badesee der Toten.Marktplatz (Pyramide) / Gleis 3 (West)
6Die Locken einer FrauBiblisch, Ostergeschichte und Altes TestamentChristus und David trotzen dem Tode.Marktplatz (Pyramide) / Gleis 3 (West)
7Die Mauer von UrukMesopotamischVor der Mauer – die Gaben des Königs.Ettlinger Tor Staatstheater / Gleis 3 (West)
8Belet-IliGilgamesch-EposDer gedeckte Tisch freut den Krieger.Ettlinger Tor Staatstheater / Gleis 4 (Ost)
9Aruru oder die SteppeGilgamesch-EposEiner zu viel auf dem goldenen Lamm.Kongresszentrum / Gleis 3 (West)
10Die BrustwehrGriechische MythologieSchweben oder gehalten – das Schicksal des Talos.Kongresszentrum / Gleis 4 (Ost)
11Von schönster GestaltGriechische MythologieDante fährt umsteigefrei zur Hölle aber Waldstädter nicht einmal zum Bahnhof.Marktplatz (Kaiserstraße) / Gleis 1 (Nord)
12Die KönigswürdeSelbstporträtSchnecken sind langsamer als das Feuer.Marktplatz (Kaiserstraße) / Gleis 2 (Süd)
13Die Lehmhalde des Töpfers (Die Erde)Vier-Elemente-LehreDie Erde bestaunt den Urknall.Europaplatz / Gleis 1 (Nord)
14Die Wasser des Überflusses (Das Wasser)Vier-Elemente-LehreDas Wasser schenkt den Fischen den Lebensraum.Europaplatz / Gleis 2 (Süd)

Einzelnachweise

  1. Entscheidung über Lüpertz-Werke: Umstrittene Kunst für Karlsruher Untergrund | Baden-Württemberg | SWR Aktuell. In: swr.online. (swr.de [abgerufen am 6. August 2017]).
  2. Stuttgarter Zeitung, Stuttgart, Germany: Keramiktafeln von Markus Lüpertz: Kunst für den Karlsruher Untergrund. In: stuttgarter-zeitung.de. (stuttgarter-zeitung.de [abgerufen am 6. August 2017]).
  3. Starkünstler Markus Lüpertz soll die Karlsruher U-Strab ausgestalten. In: Badische Neueste Nachrichten. 29. April 2017 (bnn.de [abgerufen am 6. August 2017]).
  4. Theo Westermann: Trägerverein präsentiert sich. In: Badische Neueste Nachrichten. Badische Neueste Nachrichten Badendruck GmbH, Karlsruhe 17. Februar 2018.
  5. Niederschrift - 40. Plenarsitzung Gemeinderat - Punkt 3 der Tagesordnung: Gestaltung unterirdischer Haltestellen Kombi- Lösung. In: Ratsinformationssystem Karlsruhe. Stadt Karlsruhe, 3. August 2017, abgerufen am 1. Mai 2023.
  6. Abstimmungsergebnis im Gemeinderat Karlsruhe. In: Ratsinformationssystem Karlsruhe. Stadt Karlsruhe, 3. August 2017, abgerufen am 1. Mai 2023.
  7. Stuttgarter Zeitung, Stuttgart, Germany: Keramiktafeln von Markus Lüpertz: Kunst für den Karlsruher Untergrund. In: stuttgarter-zeitung.de. (stuttgarter-zeitung.de [abgerufen am 6. August 2017]).
  8. Umstrittenes Kunstprojekt – Markus Lüpertz und die Kacheln von Karlsruhe. In: Deutschlandfunk Kultur. (deutschlandfunkkultur.de [abgerufen am 6. August 2017]).
  9. SWR Aktuell: Projekt „Genesis“: Umstrittene Lüpertz-Kunstwerke im Karlsruher Untergrund. Abgerufen am 1. Mai 2023.
  10. Markus Lüpertz enthüllt Kunstwerke in Karlsruher U-Bahn. In: FAZ.NET. ISSN 0174-4909 (faz.net [abgerufen am 1. Mai 2023]).
  11. mittelbayerische.de: Mein Gott, dieser Lüpertz! In: Mittelbayerische Zeitung. (mittelbayerische.de [abgerufen am 16. Februar 2018]).
  12. 7 Tage sind nicht genug (Website zum Festival). gbs Karlsruhe e.V., abgerufen am 17. Februar 2018.
  13. 7 Tage sind nicht genug - Festivalprogramm. gbs Karlsruhe e.V., abgerufen am 17. Februar 2018.
  14. Lüpertz' „Genesis“ entsteht nicht in Karlsruhe. Abgerufen am 1. Mai 2023.
  15. Anton Goll: Alle Stationen. In: Genesis. Markus Lüpertz. Eine schöpferische Reise vom Dunkel ins Licht. Karlsruhe Kunst erfahren e.V., abgerufen am 1. Mai 2023 (deutsch).