Deutsch-Ostafrika

Deutsch-Ostafrika ist die Bezeichnung einer ehemaligen deutschen Kolonie in der Zeit von 1885 bis 1918. Das Gebiet umfasste die heutigen Länder Tansania, Burundi und Ruanda. Sie war die größte und bevölkerungsreichste Kolonie des Deutschen Reiches.

Inbesitznahme des Landes und Entwicklung bis 1904

In den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts wurden in Deutschland Stimmen laut, die eine verstärkte Kolonialpolitik forderten. Reichskanzler Bismarck lehnte dies am Anfang ab, da er sich außenpolitisch zum größten Teil auf Europa konzentrierte. Doch die zunehmenden sozialen und wirtschaftlichen Probleme zwangen das Deutsche Reich zum handeln. Z.B. fehlten der Wirtschaft neue Absatzmärkte, die den anderen europäischen Kolonialmächten bereits großen Reichtum einbrachten.

Die treibende Kraft bei der Kolonialisierung Afrikas war der Pastorensohn Carl Peters, welcher in der von ihm gegründeten Gesellschaft für deutsche Kolonisation die Aufgabe erhielt, Gebiete in Afrika in Besitz zu nehmen. Am 10. November 1884 kam Peters in Sansibar an. Er reiste getarnt, da sein Vorhaben gegenüber den Briten unentdeckt bleiben sollte.

Wenig später wurden die ersten Schutzverträge auf dem Festland abgeschlossen, die den Anspruch der Kolonisationsgesellschaft auf das Land bekräftigten. Am 27. Februar 1885 gab Kaiser Wilhelm II. einen Schutzbrief heraus, der die Besetzung ostafrikanischer Gebiete legitimierte. Die neugegründete Deutsch-Ostafrikanische Gesellschaft unter der Leitung von Carl Peters hatte nun auch den Rückhalt des Deutschen Reiches sicher und konnte die Annexionen weiter vorantreiben. Im gleichen Jahr geriet das Sultanat Witu in deutschen Besitz. Mit Betrug und hinterlistigen Verträgen gelang es Peters in der Folgezeit, riesige Territorien von den Häuptlingen abzunehmen. So konnte er 1887 das Küstengebiet von Umba bis zum Rovuma für sich gewinnen.

1888 kam es zum Aufstand einiger Eingeborener gegen die deutsche Machtübernahme. Dem am 3. Februar 1889 zum Reichskommissar ernannten Hermann Wissmann gelang es, die Revolte niederzuschlagen.

Am 1. Juli 1890 wurde der Helgoland-Sansibar-Vertrag zwischen Deutschland und Großbritannien abgeschlossen. Der Vertrag regelte die Übergabe der Nordseeinsel Helgoland an das Deutsche Reich, während Witu-Land an Großbritannien abgetreten wurde. Obwohl man Kaiser Wilhelm II. vorwarf, er habe eine „Perle gegen einen Stein“ getauscht, war der Handel doch von wichtiger militärischer Bedeutung für die deutsche Nordsee-Flotte.

1891 wurde Deutsch-Ostafrika als Kronkolonie dem auswärtigen Amt unterstellt, und die Soldaten von Wissmann erhielten die offizielle Bezeichnung Schutztruppe. Als erster Gouverneur wurde Julius Freiherr von Soden eingesetzt. Carl Peters wurde zum Reichskommissar ernannt. Später entließ man ihn wegen zu brutaler Methoden gegenüber der Zivilbevölkerung. Er hatte sich inzwischen den Namen Hänge-Peters eingehandelt, weil er seine Geliebte nach einer Affäre mit einem Schwarzafrikaner aufhängen ließ.

Gleichzeitig entstanden weitere Aufstände der Einheimischen gegen die Kolonialherren. Der bekannte Wahehe-Aufstand wurde bis 1898 unter hohen Opferzahlen brutal niedergeschlagen. Auch andere revoltierende Stämme konnten unterworfen werden.

Im 20. Jahrhundert verstärkte man die landwirtschaftliche Entwicklung, indem man den Kautschuk- und Baumwolleanbau einführte. Viele schwarze Arbeitskräfte wurden dafür zur Zwangsarbeit eingezogen und zusätzlich noch durch hohe Steuerabgaben belastet (z.B. Hüttensteuer).

Der MAJI-MAJI-Aufstand

Wegen zunehmender repressiver Maßnahmen und der Erhöhung der Steuern, brach 1905 der Maji-Maji-Aufstand aus. Die ersten aufständischen Arbeiter kamen aus der Stadt Kilwa. Wenig später schlossen sich die unterschiedlichsten Volksgruppen dem Aufstand an.

Die Eingeborenen glaubten, dass sie sich durch den Maji-Zauber schützen könnten, der die deutschen Waffen in Wasser verwandeln sollte. Dieser Irrglaube führte zu Hunderten von Toten, die bei den Angriffen im Kugelhagel starben.

Die Rache der deutschen Schutztruppe war verheerend. Bis 1907 wurden zahlreiche Todesurteile ausgesprochen, sowie einheimische Häuser und Felder in Brand gesetzt. Schätzungen zu Folge gab es in diesen zwei Jahren mehr als 100.000 Tote. Des weiteren brach eine weitreichende Hungerkatastrophe aus.

Das brutale Vorgehen führte zu einer Protestwelle in Deutschland, worauf sich die Bedingungen für die Schwarzafrikaner leicht besserten.

Der erste Weltkrieg

In Deutsch-Ostafrika waren zu Beginn des ersten Weltkriegs knapp 300 deutsche Soldaten, sowie über 4500 einheimische Askaris stationiert. Im Gegensatz zu den anderen Eingeborenen waren die Askaris der deutschen Schutztruppe treu ergeben, und stellten somit für jeden Feind einen ernsthaften Gegner dar. Im Laufe des Krieges wurde das Heer auf 3500 deutsche Offiziere und 13.000 Askaris aufgestockt. Die Schutztruppe stand unter dem Befehl von Oberstleutnant Paul von Lettow-Vorbeck.

Am 2. August 1914 erhielt der Gouverneur Dr. Heinrich Albert Schnee die Nachricht von der deutschen Mobilmachung in Europa. Den Kriegszustand erklärte er erst am 5. August, als die Kriegserklärung Großbritanniens an das Deutsche Reich erfolgte. Die Kolonie war fast ausschließlich von übermächtigen Gegnern umschlossen; allein die Briten hatten über 130.000 Soldaten aufgeboten.

Die ersten Angriffe erfolgten vom britischen Kreuzer Pegasus, der am 8. August die Funkstation der Stadt Daressalam unter Beschuss nahm. Am 23. August gelang ihm die Zerstörung der Station. Kurze Zeit später wurde das britische Schiff von dem Kreuzer Königsberg versenkt.

Am 2. November begann die Schlacht von Tanga mit der Landung eines 8000-Mann starken britischen Korps unter dem Befehl von General Aitken. Paul von Lettow-Vorbeck hatte seine Hauptstreitmacht am Kilimandscharo konzentriert und brach sofort in Richtung Tanga auf. In den frühen Morgenstunden des 4. November begann Lettow-Vorbecks Streitmacht mit dem Entsatzangriff auf die Hafenstadt, wobei die Briten eine empfindliche Niederlage hinnehmen mussten und sich am Tag darauf zurückzogen. Sie hinterließen eine beträchtliche Menge an Kriegsmaterial und Kommunikationsausrüstung mit der nun die Schutztruppe ausgestattet werden konnte. Weitere Angriffe der Briten und Belgier, u.a. am Kilimandscharo, wurden erfolgreich abgewehrt.

Anfang des Jahres 1915 versuchten die Briten zum zweiten mal Tanga einzunehmen, was jedoch erneut am heftigen Widerstand der Verteidiger scheiterte. Am 10. April traf das deutsche Versorgungsschiff Rubens mit einer großen Anzahl von Material und Soldaten ein. Am 11. Juli wurde die Königsberg bei einem Seegefecht so stark beschädigt, dass man sich entschloss sie zu sprengen.

Alle nachfolgenden Angriffe der Alliierten wurden von der Schutztruppe zurückgeschlagen. Das Kräftegleichgewicht bei den Kämpfen am Viktoriasee blieb das ganze Jahr über ausgeglichen.

1916 kippte die Situation in der Kolonie, als der britische General Smuts eine Großoffensive einleitete und die Deutschen sich aus der Gegend des Kilimandscharo zurückziehen mussten. Ebenfalls in diesem Kriegsjahr traf ein zweites Versorgungsschiff ein, das unbemerkt die alliierte Blockade durchbrechen konnte.

Bis zum 17. September konnte sich die Stadt Tabora halten, bis sie schließlich von den Briten überrannt wurde. Zwei Tage später marschierten portugiesische Truppen in Deutsch-Ostafrika ein. Die Portugiesen waren jedoch weniger erfolgreich und wurden zurückgeschlagen.

Am 21. November 1917 startete der deutsche Zeppelin L 59 von Bulgarien aus in Richtung Ostafrika. Der Kommandant des Luftschiffs Kapitänleutnant Bockholdt hatte Munition und Gewehre geladen. Durch einen gefälschten Funkspruch der Briten kehrte der Kommandant kurz vor dem Ziel wieder um. Die Schutztruppe musste sich also weiterhin mit erbeuteten Material begnügen. Die Übermacht des Feindes war inzwischen so stark, dass Lettow-Vorbeck in den portugiesischen Teil Ostafrikas ausweichen musste.

Im September 1918 marschierte die Schutztruppe wieder auf eigenes Gebiet. Sie hatte einen Weg von über 2500 km zurückgelegt, und konnte sich durch alliiertes Kriegsmaterial über Wasser halten. Im November kam es dann zu einigen letzten Gefechten.

Am 13. November erfuhr Lettow-Vorbeck von der Kapitulation des Deutschen Reiches, worauf er sich am 25. November ergab. Die verbliebenen deutschen Offiziere wurden daraufhin in Daressalam versammelt. 1919 durften sie nach Deutschland zurückkehren.

Der Versailler Vertrag

Der Versailler Vertrag bestimmte, dass Deutschland alle Kolonien abzugeben hatte. Deutsch-Ostafrika wurde am 20. Januar 1920 der Verwaltung des Völkerbundes unterstellt. Die Mandate über das Land wurden Belgien (Kontrolle über Burundi und Ruanda) und Großbritannien zugesprochen.