Darrieus-Rotor

Darrieus-Rotor von Martigny (Kanton Wallis), erbaut 1987, Centre de recherche et d'enseignement en energie et techniques municipales

Der Darrieus-Rotor ist eine Windenergieanlagenbauart mit vertikaler Rotationsachse (VAWT, vertical axis wind turbine), aber im Gegensatz zur persischen Windmühle und zum Savonius-Rotor ein Schnellläufer. Er wurde von dem Franzosen Georges Darrieus erfunden und in den USA 1931 patentiert. Bei der klassischen Form sind die Rotorblätter am oberen und unteren Ende einer Achse befestigt und ragen bogenförmig nach außen. Nach dem Prinzip einer Kettenlinie geformt, verursacht die Zentrifugalkraft in ihnen nur Zugspannungen, keine Biegemomente.

Beipiele errichteter Darrieus-Rotoren

  • Die kanadische Firma DAF Indal entwickelte um 1980 verschiedene Darrieus-Anlagen im Leistungsbereich bis etwa 250 kW. Anlagen mit 4 und 40 kW Nennleistung dienten als Wasserpumpen. Netzgekoppelte Anlagen mit Nennleistung 50 und 500 kW wurden im SCE-Testzentrum bei Palm Springs und im Sankt-Lorenz-Golf erprobt. Das größere Modell, Indal 6400, wird von Paraschivoiu (2002) als kommerziell aufgeführt. Die Zahl der Installationen ist nicht bekannt.[1]
  • Die 1982 gegründete Firma FloWind (USA) erwarb die Rechte an einem von den Sandia National Laboratories (Standort Albuquerque, New Mexico) entwickelten 17-m-Rotor und brachte ihn unter der Bezeichnung "300 Darrieus" zur Marktreife. Die Anlage mit ihrem 42 m hohen Rotor war die kommerziell erfolgreichste VAWT mit 170 bzw. 340 Exemplaren in den Windparks Altamont Pass und Tehachapi.[2] Während der Hersteller 300 kW Nennleistung angab, führte die Californische Energiekommision die 510 Anlagen mit insgesamt 94 MW installierter Leistung (184 kW pro Anlage).[1] Während 1995 in Europe keine VAWT mehr in kommerziellem Betrieb war, hatten diese Anlagen in Californien noch einen Anteil von 6 % an der installierten Leistung.[3] FloWind plante den Ersatz der 2-blättrigen Rotoren aus Aluminium durch 3-blättrige Rotoren aus Fiberglas,[4] ging aber 1997 in Konkurs.[5] Die Rotoren wurden im Rahmen des Repowering durch Anlagen mit horizontaler Achse ersetzt.
  • Östlich der Stadt Martigny, Kanton Wallis, wurde 1987 ein Rotor errichtet, der sporadisch zusammen mit einem Biogasmotor betrieben wird. Der Rotor hat einen Durchmesser von 19 Metern, eine Höhe von 28 Metern und kommt auf eine Gesamtmasse von 8 Tonnen. Die Drehzahlen werden mit 33 und 50 pro Minute angegeben. Der Asynchrongenerator läuft mit 110 kW und 160 kW Leistung bei 1000 bzw. 1500 pro Minute.[6]
  • In Cap-Chat, Kanada, wurde 1988 ein mit Generatorhaus insgesamt 110m hoher Darrieus-Rotor mit 3,8 Megawatt Nennleistung namens Éole errichtet. Er produzierte mit hoher Verfügbarkeit Strom, 12 GWh bis 1992 (entspr. ¼ MW),[7] allerdings 'auf Verschleiß' – das untere Rotorlager war der Belastung aus Gewicht und Vibrationen nicht gewachsen. 1992 wurde der Rotor in einem Sturm schwer beschädigt und die Anlage daraufhin endgültig stillgelegt.
  • Speziell in England, den USA und Deutschland wurde versucht, den H-Anlagentyp kommerziell verwendbar zu entwickeln. So wurden beispielsweise bis Anfang der 1990er Jahre von dem deutschen Hersteller Heidelberg-Motors Anlagen mit direkt in die Rotorstruktur integriertem getriebelosem Generator wie bei Enercon entwickelt. Von diesem Typ standen vier 1-Megawatt-Anlagen im Kaiser-Wilhelm-Koog. Da der Generator ähnlich wie bei der 750 kW Lagerwey-Maschine sehr laut war, mussten diese Rotoren nachts abgeschaltet werden. Dadurch war die Energieausbeute halbiert, weshalb die Anlagen zurückgebaut werden mussten.
Darrieus-H-Rotor der Neumayer Station in der Antarktis
  • In der Antarktis wurde in der ersten deutschen Georg-von-Neumayer Forschungsstation 1991 ein H-Rotor mit 20 kW Nennleistung, 10 m Durchmesser, drei Flügeln mit 5,6 m Flügelhöhe und einem getriebelosen Ringgenerator im Rahmen eines gemeinsamen Forschungsvorhabens des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung (Bremerhaven), der Hochschule Bremerhaven, des Germanischen Lloyd (Hamburg) und der Fa. Heidelberg Motor GmbH (Starnberg) mit Förderung des Bundesministers für Forschung und Technologie in Betrieb genommen. Die Entwicklung erfolgte seit 1989 in enger Zusammenarbeit der vier Forschungspartner unter der Projektleitung von Prof.Dr.-Ing.Friedrich Zastrow (Hochschule Bremerhaven).[8] Die Anlage wurde 1990 ein Jahr lang auf dem Testfeld des Germanischen Lloyd in Kaiser-Wilhelm-Koog getestet und modifiziert (Auslegungsdaten: max. Windgeschwindigkeit 68 m/s, tiefste Umgebungstemperatur -55°C ).[9]
    Die Windkraftanlage versorgte seit Januar 1991 sowohl die alte als auch später (ab Januar 1993) die zweite Georg-von-Neumayer Forschungsstation mit einem Teil der elektrischen Energie (ca. 6%), die für Heizung und sonstigen Betrieb der Forschungsstation benötigt wird. Der theoretisch errechnete CP/max bei Lamda 2,3 von 0,38 konnte durch Messungen zu 0,31 bei Lamda 2,3 bestimmt werden.[10] Die Anlage wurde alle zwei Jahre um 1,4 m erhöht, da der Schneezutrag in dieser Region der Antarktis ca. 0,7 m pro Jahr beträgt. 18 Jahre lief die Anlage nahezu störungsfrei und lieferte ca. 36000 kWh jährlich bei einer mittleren Windgeschwindigkeit von 9,5 m/s. 2009 wurde der H-Rotor abgebaut und wird nun im Deutschen Technikmuseum Berlin restauriert, neu aufgebaut und ab Sommer 2011 zur Besichtigung ausgestellt.
  • Im Windpark Heroldstatt wurde eine Anlage von Flender/DORNIER errichtet. Sie hat einen Durchmesser von 15 m, eine Masthöhe von 25 m und eine installierte Leistung von etwa 55 kW bei 11,5 m/s Nennwindgeschwindigkeit. Die mittlere Windgeschwindigkeit des Standortes auf Höhe der Rotormitte liegt bei nur 4,1 m/s. Daher lag der Jahresertrag nur bei etwa 24.500 kWh, entsprechend einer mittleren Leistung von 2,8 kW.
  • In Ishpeming, Michigan, wurde im Juni 2010 ein dreiflügeliger Darrieus-‘Schneebesen’ von 27 m Höhe auf einem 18-m-Gittermast montiert. Mit einer Nennleistung von 200 kW soll er jährlich 500 bis 750 MWh an elektrischer Energie an die benachbarte Seniorenwohnanlage liefern. Das Projekt ist für die beteiligten Firmen das erste dieser Art und wird mit 620.000 US-Dollar vom U.S. DOE gefördert.[11][12] Der Regelbetrieb verzögert sich noch.[13]

Wirkungsweise

Kräfte an einem Darrieusrotor, dessen Blätter momentan viermal so schnell wie der Wind sind; die Profile der Rotorblätter sind symmetrisch und haben einen Anstellwinkel von 0° zur Drehrichtung. Der Luftwiderstand, die kleine Komponente der Luftkraft in Richtung der Anströmung, ist hier nicht gezeigt.

Dem aus der Drehbewegung resultierenden Fahrtwind, der die Rotorblätter stets von vorne trifft, überlagert sich der wahre Wind, der aus Sicht eines Rotorblattes ständig umläuft. In der Summe bilden sie die in der Abbildung rot eingezeichnete Anströmung des Profils. Im optimalen Arbeitsbereich eines Profils (siehe Polare) wirkt nun die Luftkraft (grüner Pfeil) nahezu senkrecht zur Anströmung, sodass eine Komponente dieser Kraft in Bewegungsrichtung als Vortrieb wirksam wird (blauer Pfeil). Der größere, radial gerichtete Teil des Auftriebs wirkt dagegen als Wechsellast, welche nur die Konstruktion beansprucht und keine Arbeit leistet.

Eigenschaften

  • Ein- und zweiblättrige Rotoren können nicht selbst anfahren. Erst der dreiblättrige Rotor weist bei geeigneter Drehzahl in jeder Phase der Umdrehung ein positives Drehmoment auf. Im Stand allerdings reißt gerade dort, wo im Betrieb der Vortrieb am größten ist, die Strömung ab, sodass das Drehmoment insgesamt nicht ausreicht, den Reibungswiderstand des Generators zu überwinden. Man benötigt dazu eine noch größere Anzahl von Flügeln oder eine Anfahrhilfe durch den Generator oder durch einen in die Konstruktion integrierten Savonius-Rotor.
  • Da der Darrieusrotor eine senkrechte Achse hat, ist seine Funktion von der Windrichtung unabhängig, so dass auf eine dem Wind nachgeführte Generatorgondel verzichtet werden kann. Allerdings entfällt damit auch die sonst bei Kleinwindanlagen gerne genutzte Möglichkeit, den Rotor bei Sturm aus dem Wind zu drehen.
  • Der Generator und das Getriebe sind je nach Bauform (klassischer Darrieus oder H - Rotor) bodennah, was die Wartung und das Auswechseln von Bauteilen erleichtert, bei großen Anlagen aber die Kühlung problematisch machen würde.
  • Als Rotorblätter wurden Strangpressprofile aus Aluminium eingesetzt, die sich kostengünstig fertigen lassen. Für H-Rotoren gilt das noch immer, für die langgestreckten Blätter des Schneebesen-Darrieus ist Aluminium aber nicht ausreichend wechsellastfest.[14]
  • Als Auftriebs- und Schnellläufer mit einer Schnelllaufzahl von etwa fünf lässt sich der Darrieus-Rotor besser als der Savonius-Rotor und andere solche Rotoren mit vertikaler Drehachse mit einem direkt betriebenen Generator ohne Übersetzungsgetriebe koppeln, bei langsameren Drehzahlen müsste ein direkt betriebener Generator ansonsten aufwendiger und größer gestaltet sein.
  • Die Schnelllaufzahl und das Drehmoment des Darrieus-Rotors ist jeweils von der Profilwahl abhängig, wobei schmale schlanke Profile mehr Drehzahl bringen und breite voluminösere Profile langsamer sind, dafür dann aber mehr Drehmoment erzeugen.
  • Da der Anstellwinkel positive und negative Werte annimmt, können für einen bestimmten Anstellwinkel optimierte, asymmetrische Profile nicht eingesetzt werden.
  • Aufgrund der wechselnden Anströmung wird der optimale Arbeitsbereich des Profils regelmäßig sowohl zu hohen als auch zu niedrigen Anströmwinkeln hin verlassen. In der einen Richtung nehmen sowohl der wirksame Hebelarm als auch die Luftkraft ab. Grenzwertig hohe Anströmwinkel dagegen führen zu einem starken Anstieg des Luftwiderstands.
  • Da die Schwankungsamplitude beim klassischen Darrieusmodell im achsnahen Bereich zunimmt, bis über den Punkt des Strömungsabrisses hinaus, sind diese Bereiche bei den hier nach der Katenoide geformten Blättern nahezu wirkungslos. Letztere Bauform hat allerdings den Vorteil, dass Belastungen durch die Fliehkraft gut aufgefangen werden. Die Variante des H-Darrieus betrifft dies allerdings nicht, weil die Blätter dort überall im gleichen Abstand zur Drehachse stehen. Hier muss die Statik durch Verankerungen mit dem oder den Tragarmen belastbar gelöst werden.
  • Leistungsbeiwerte von 30% bis maximal 40% sind beim Darrieus-Rotor erreichbar. Dies steht im Gegensatz zu konventionellen Anlagen mit horizontaler Drehachse, die bis zu 50% erreichen, weshalb der Darrieus-Rotor seine Stärke der Turbulenzverträglichkeit zur Zeit nur an Standorten mit für Horizontalläufer ungünstigen Strömungsverhältnissen ausspielen kann.

H-Darrieus-Rotor

H-Darrieus-Rotor
Darrieus-Helix-Rotor
2x Darrieus-H-Helix auf einem Messcontainer in der Nähe der Neumayer Station, Antarktis

Während die gebogenen Blätter des klassischen Darrieus-Rotors oben und unten mit der Rotorachse zusammenlaufen, besteht der H-Darrieus-Rotor aus geraden, parallel zur Drehachse angeordneten Blättern an Tragarmen. Die Bauform mit zwei oder mehr senkrecht stehenden Blättern und einem horizontalen Tragarm erinnert an den Buchstaben "H", daher der Name.

Spiralförmig gebogene Blätter an einem H-Rotor Darrieus Modell haben ein gleichmäßigeres Drehmoment und benötigen keine Anfahrhilfe, solange ein eisenloser Generator mit geringem Innenwiderstand und ohne Rastmoment der Magnete genutzt wird.

Diese Bauarten vermeiden einige der oben aufgeführten Nachteile des klassisch gebogenen Darrieus-Rotors:

  • Alle Bereiche eines Blattes bewegen sich gleich schnell, mit einheitlichem Anstellwinkel.
  • Eine Abspannung aus der wirksamen Fläche heraus nach unten ist möglich.
  • Geringerer Materialeinsatz bei höherem Leistungsbeiwert für die gleiche wirksame Fläche.

Nutzung im Wasser

In neuerer Zeit sind auch Konzepte entwickelt worden, den Darrieus-Rotor in einer Meeres- oder Flussströmung unter Wasser zu nutzen.[15] [16]

Literatur

Commons: Category:Darrieus Wind generators – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b Winds of Change: American Turbine makes 1975 - 1985
  2. Paul Gipe, S. 87.
  3. Paul Gipe, S. 170.
  4. Paul Gipe, S. 172.
  5. [1]
  6. Dörner: Darrieus Rotor. Universität Stuttgart
  7. MTI Energy Management: VAWT History "Eole operated for 6-years, produced 12,000 MWHs of electricity and was available for electricity production 94% of the time"
  8. G. Heidelberg et al.: Vertical Axis Wind Turbine with Integrated Magnetic Generator. 1990, in: H. Kohnen, J Texeira (Hrg.): Proceedings of the Fourth Symposium on Antarctic Logistics and Operations, Sao Paulo, Brasil, 16 to 18 July 1991, S. 72–82.
  9. Geowissenschaften Heft 12, Dezember 1993, Verlag Ernst&Sohn, Seite 419 u.420
  10. Zastrow, F.: Windenergie, Vorlesung an der Hochschule Bremerhaven, Bremerhaven, 2006. Berechnung und Messung
  11. MTI Energy Management: Bildbericht über Herstellung und Aufbau
  12. Gang Rapids Business Journal: Grant helps MAREC tenant (25. Okt. 2010)
  13. Upper Michigans Source: Ishpeming Wind Turbine stands still‎ (4. Mai 2011)
  14. Gipe, S. 172.
  15. Vertical Axis Turbine
  16. Gorlov Helical Turbine