Amazon Go

Das erste Amazon go-Ladengeschäft.

Amazon Go ist der erste Supermarkt, der ohne Registrierkassen oder SB-Kassen auskommt und von Amazon betrieben wird.[1] Das erste Geschäft mit 170 m² eröffnete im Dezember 2016 in der 7th Avenue von Seattle und richtete sich zunächst nur an Mitarbeiter als Kunden. Seit 22. Januar 2018 ist der Laden für die Allgemeinheit zugänglich.[2]

Entwicklung

Amazon gibt an, das Konzept für kassenlose Supermärkte vier Jahre lang entwickelt zu haben.[3][4] Zunächst sollte das Geschäft im März 2017 auch für reguläre Kunden öffnen. Dieser Termin konnte jedoch nicht eingehalten werden, da sich in der Erprobungsphase erhebliche technische Probleme zeigten, sobald sich über 20 Kunden gleichzeitig im Geschäft befanden und den Dienst benutzten.[5]

Im Juni 2017 wurde bekannt, dass Amazon bereits die Suche nach weiteren Standorten in den USA und Europa aufgenommen hatte. Es wird daher angenommen, dass Amazon sein Supermarktmodell zeitnah der Öffentlichkeit zur Verfügung stellt.[6][7]

Wer in den Amazon-Go-Läden einkaufen will, muss ein Profil bei Amazon besitzen und die Amazon-Go-App herunterladen. Bisher lieferte Amazon innerhalb ausgewählter Städte Lebensmittel per Versand als Amazon Fresh aus, was jährlich 15 US-Dollar Aufpreis auf die teil-pauschalierten Versandkosten von jährlich 99 USD für Amazon Prime ausmachte.

Technik und Verfahren

Am 20. Februar 2014 meldete Amazon beim US-Patentamt ein entsprechendes Patent unter dem Titel Transitioning Items from a Materials Handling Facility an.[8] Über die Details der Shopping-Technologie drückt man sich bei Amazon eher nebulös aus und spricht von Computer Fusion, Deep Learning Algorithms und Sensor Fusion. [9] Amazon propagiert das System als „Just walk out“-Technologie. Die „Verbindung mehrerer Sensoren“, die zum Einsatz kommen, funktioniert laut Amazon ähnlich wie bei selbstfahrenden Autos. Am Eingang müssten sich Kunden lediglich mit einem Code auf dem Smartphone ausweisen. Danach würden ihre Einkäufe automatisch erfasst; die Kosten würden beim Verlassen des Geschäfts über die Amazon-Accounts der Kunden abgerechnet.

Olaf Kolbrück beschreibt im Online-Magazin e-tailment ausgehend von der US-Patentanmeldung für Amazon Go die Technik wie folgt: „Kameras und eine Kombination unterschiedlicher Sensoren füttern […] einen lernenden Algorithmus, der erkennen soll, welche Produkte Kunden aus dem Regal nehmen – oder wieder zurückstellen. Amazon dürfte dabei auf eine Technik bauen, die ähnlich der Gesichtserkennung Gegenstände aus unterschiedlichsten Winkeln erkennt und über Modelle, wie wir sie von RFID kennen, die jeweilige Position von Kunde und Produkt bestimmen. Zudem können Sensoren zum Einsatz kommen, die das Gewicht der Produkte im Regal – oder gar das Gewicht oder die Größe des Kunden erkennen.“ Ebenso könnten mündliche Kommentare der Kunden gespeichert werden.[10]

Im letzten Punkt der umfangreichen Patentbeschreibung heißt es:

„Obwohl der Inhalt in einer für die strukturellen Charakteristiken und/oder die methodische Verfahren spezifischen Sprache beschrieben worden ist, ist festzuhalten, dass die angefügten Rechtsansprüche nicht notwendigerweise auf diese spezifischen Charakteristiken oder beschriebenen Handlungsweisen (specific features or acts described) begrenzt sind. Vielmehr sind die aufgezeigten spezifischen Charakteristiken oder beschriebenen Handlungsweisen als beispielhafte Formen, Rechtsansprüche umzusetzen (implementing the claims) ausgewiesen.“[11]

Es ist somit nicht auszuschließen, dass das entwickelte Verfahren künftig auf andere Bereiche der Wirtschaft und Gesellschaft übertragen wird.

Marktposition

Kassenbereiche abzuschaffen, ist in der Branche keine neue Idee: IBM hatte beispielsweise bereits ein Modell mit Funketiketten erprobt, scheiterte aber an den Kosten der Etiketten.[12] Insgesamt folgt Amazons kassenloses Supermarktkonzept einem generellen Trend im Einzelhandel, der mithilfe von Digitalisierungsmaßnahmen Effizienzzuwächse anstrebt. Dabei hat die Abschaffung von Kassenbereichen den Hintergrund, dass sie für Händler personal- und kostenintensiv sind und der Kundschaft oft lange Wartezeiten bereiten.[13]

Kritik

Der ehemalige Datenschutzbeauftragte des Bundes Peter Schaar hält nach Bericht von Zeit online das Vorhaben von Amazon für problematisch und inkompatibel mit europäischen Datenschutzbestimmungen. Für den Kunden sei schließlich nicht nachvollziehbar, welche Daten beim Einkaufen gesammelt werden und ob automatisch erstellte Bilder gespeichert oder Emotionen beim Einkaufen festgehalten würden. Da die vom System zu erfassenden Daten gebündelt auf Servern gespeichert werden, gehe Schaar davon aus, dass von jedem Kunden ein exaktes Profil zusammengestellt werde: "Die Daten aus dem Netz werden mit den Daten der Sensoren verknüpft, was dazu führt, dass die Verbraucher identifiziert und ihre Bewegungen im Shop aufgezeichnet werden." Das Konzept basiere darauf, den „Menschen total zu kontrollieren“.[14]

Quellen

  • Gianna Lisa Puerini, Dilip Kumar, Steven Kessel: Transitioning Items from a Materials Handling Facility. Amazon Technologies, Inc. Seattle, WA. US Patent & Trademark Office. Patent Application Full Text and Image Database. 8. Januar 2015. Volltext

Einzelnachweise

  1. Amazon ist jedoch nicht das erste Unternehmen, das dieses Konzept realisierte. Im schwedischen Dorf Viken (Gemeinde Höganäs) eröffnete bereits Anfang 2016 ein Laden ohne Kassenpersonal.[1][2]
  2. Erster Amazon-Supermarkt ohne Kassen öffnet in Seattle, Handelsblatt, 21. Januar 2018
  3. Kristina Beer: Amazon Go: Amazon eröffnet kassenloses Lebensmittelgeschäft, heise online vom 6. Dezember 2016
  4. "Amazon Go" – Amazon eröffnet Supermarkt ohne Kassen, RP-Online 7. Dezember 2016
  5. Golem Media: Amazon go: Kassenloser Supermarkt scheitert im Praxistest, 28. März 2017. Aufgerufen am 19. Mai 2017.
  6. Is Amazon Go readying for prime time? (chainstoreage.com [abgerufen am 24. Juni 2017]).
  7. Amazon Go: Vorbereitungen für den Start der kassenlosen Supermarkt-Kette laufen. In: t3n News. (t3n.de [abgerufen am 24. Juni 2017]).
  8. US Patent & Trademark Office abgerufen am 8. Januar 2017
  9. We May Have Just Uncovered Amazon’s Vision for a New Kind of Retail Store www.recode.net, abgerufen am 8. Januar 2017
  10. Olaf Kolbrück: So funktioniert Amazon Go: Die Technik hinter dem Zauberwort „Sensor Fusion“ abgerufen am 8. Januar 2017
  11. Ursprungstext: Although the subject matter has been described in language specific to structural features and/or methodological acts, it is to be understood that the subject matter defined in the appended claims is not necessarily limited to the specific features or acts described. Rather, the specific features and acts are disclosed as exemplary forms of implementing the claims. Cross-reference to related applications. [0107]. [3]
  12. Amazon Go. Einkaufen ohne Kasse: Lebensmittelladen von Amazon. Archiviert vom Original am 21. Dezember 2016; abgerufen am 11. Januar 2017.
  13. Panos Mourdoukoutas: Amazon-Whole Foods Deal Is Bad News For Store Cashiers And The Fight For $15 Minimum Wage. In: Forbes. (forbes.com [abgerufen am 24. Juni 2017]).
  14. Bastian Brauns, Veronika Völlinger: Supermarkt der Zukunft zeit online.de, 6. Dezember 2016, abgerufen am 8. Januar 2017

Koordinaten: 47° 36′ 58,9″ N, 122° 20′ 23,9″ W