Altenberger Altarretabel

Ansicht in ganz geöffnetem Zustand.

Der Altenberger Altarretabel ist ein um 1330 für den Hochaltar des Prämonstratenserinnenkloster Altenberg bei Wetzlar geschaffener hochgotischer Flügelretabel des Rheinischen Meisters (Flügel, Schrein) und des Kölner Meisters (Skulptur). Der im zusammengeklappten Zustand etwa 155 x 243 x 44 cm große Altarretabel in Mischtechnik auf Tannen-, Eichen-, Fichten- und Nussbaumholz wurde im 19. und frühen 20. Jahrhundert in mehrere Teile zerlegt und befindet sich bis heute daher in verschiedenen Sammlungen. Die Flügel sind in Besitz des Städelschen Kunstinstitutes, während der Schrein dem Museum Schloss Braunfels gehört. Die Madonnenskulptur ist als Dauerleihgabe aus Privatbesitz Teil der Sammlung des Bayerischen Nationalmuseums.

Seit 2013 ist der Schrein und seit 2015 die Madonnenfigur als Dauerleihgaben im Städel ausgestellt, sodass der komplette Altarretabel wieder an einem Ort aufbewahrt wird.

Beschreibung

Ansicht in geschlossenem Zustand.

Der Flügelretabel besteht aus einem aus Eichen- und Fichtenholz geschnitzten und mit Mischtechnik bemalten Altarschrein (155 x 243 x 37 cm, Schloss Braunfels, Dauerleihgabe seit 2013 an das Städelsche Kunstinstitut, dort unter Inventarnummer LG 124), in dessen Zentrum eine thronende Madonnenfigur steht (Höhe: 132 cm, Breite: 60 cm, Bayerisches Nationalmuseum (Leihgabe von Julius Böhler), Leihgabe seit 2015 an das Städelsche Kunstinstitut). Die zwei Flügel (Städelsches Kunstinstitut, linker Flügel (SG 358, SG 359) gesamt: 153,7 x 118,8cm; rechter Flügel (SG 360, SG 361) gesamt: 153,3 x 119,3 cm), waren ursprünglich von beiden Seiten bemalt, sodass insgesamt drei Zustände der Präsentation des Altars möglich waren. Der Altar konnte zugeklappt die Passionsgeschichte zeigen (siehe Abbildung) oder einmal geöffnet werden, sodass nur die äußeren, breiteren Innenseiten der Flügel sichtbar waren, sowie die mittleren drei geschnitzten Feldern. Zudem konnte er ganz geöffnet werden, wie auf der Abbildung oben.[1]

Außenseite der Flügel

Szenen auf der Außenseite des Altenberger Altarretabels.

Die Außenseite des Altars ist stark beschädigt, die Malerei wurde fast vollständig abgetragen und ist nur noch umrisshaft erkennbar. Sie zeigt die Passion in zehn Szenen, sowie die Standfiguren von vier Heiligen. Die Lesrichtung ist von links oben nach rechts unten flügelübergreifend. Die insgesamt vierzehn Bilder sind auf drei horizontalen Streifen verteilt, wobei auf den beiden oberen Streifen je vier Szenen zu sehen sind und auf dem untersten Streifen insgesamt sechs Bilder, wovon die mittleren vier die Heiligen zeigen. Der heute eher schwarz erscheinende Grund der Szenen ist ursprünglich blau gewesen.[1]

In der Szene 1 links oben ist Christi Gebet am Ölberg dargestellt. Nach rechts gewandt zur nimbierten Hand Gottes kniet er in einem grünen Gewand und einem braunen Mantel. Rechts im Vordergrund sind möglicherweise die schlafenden Jünger dargestellt. Szene 2 zeigt die Gefangennahme. Jesus wird von Judas umarmt und geküsst, ein Soldat legt ihm die Hand auf die Schulter, um ihn festzunehmen. Ganz links steckt Petrus sein Schwert in die Scheide, während ganz rechts im Bild weitere Soldaten zu sehen sind. Vorne hockt der verwundete Malchus am Boden, der von Christi sein Ohr wieder angesetzt bekommt. In Szene 3 wird Jesus mit verbundenen Händen von Soldaten Pontius Pilatus vorgeführt. Pilatus wäscht seine Hände in einem von einem Diener gehaltenen Becken. In der nächsten Szene (4) wird die Geißelung Christi dargestellt. Zwei Figuren schlagen auf den an einem Pfosten oder einer Säule gebundenen Christus ein. In der ersten Szene der zweiten Zeile (5) ist die Kreuztragung dargestellt. Ein Soldat führt eine Gruppe von Personen an, darunter Jesus und seine Freunde, dieser das Kreuz über die Schulter tragend. In der nächsten Szene (6) ist die Kreuzigung zu sehen. Zentral ist das Kreuz mit Christi in der Bildmitte, links sind Johannes der Täufer und Maria zu sehen, rechts eine nicht mehr erkennbare Figur in grünem Gewand. Das nächste Bildfeld (7) zeigt die Beweinung Christi. In der Bildmitte ragt das Kreuz mit der Inschrift INRI herauf. Maria liegt auf dem Boden mit dem Leichnam ihres Sohnes auf dem Schoß. Weitere trauende Figuren sind in der Szene zu sehen, möglicherweise Maria Magdalena und Johannes. Im nächsten Bild (8) wird Jesus von Josef von Arimathäa und Nikodemus in einen aufgestellten Sarg gelegt. In der 9. Szene ist die Auferstehung dargestellt. Bildmittig steigt Jesus mit einem rotbraunen Mantel aus dem Sarg. Seine rechte Hand ist erhoben zur Segensgeste und in seiner Linken hält er einen Kreuzstab. Der Sarg wird von zwei kleinen Wächtern gerahmt. Die letzte Szene (10) ist völlig zerstört und ihr Inhalt kann nur gemutmaßt werden. Möglicherweise handelte es sich um die Himmelfahrt.[1]

In der unteren Reihe mittig sind vier Heiligenfiguren dargestellt. Ganz links (A) ein Bischof mit Kasel, Pallium und Kreuzesstab, wohl der Heilige Nikolaus. Im Feld B ist die Heilige Katharina dargestellt mit einem kleinen Rad in ihrer linken Hand. Die Bilder C und D zeigen auch jeweils eine Heiligenfigur, sind aber so zerstört, dass diese nicht mehr identifiziert werden können.[1]

Innenseite der Flügel

Ansicht der Innenseiten des linken und rechten Flügels.

Die Innenseite der Flügel zeigen Szenen aus dem Leben Marias, sowie zwei unabhängige Darstellungen vom Erzengel Michael und der Heiligen Elisabeth. Die auf Goldgrund gemalten Szenen sind durch rote breite Streifen, teilweise mit Blumendekor voneinander abgegrenzt. Dies Lesrichtung ist dabei flügelgebunden. Auf dem linken Flügel von links oben nach rechts unten. Die zwei Szenen aus Marias Leben auf dem rechten Flügel sind von unten nach oben zu lesen.[1]

Szenen auf den Innenseiten des linken und rechten Flügels.

Die Szene 1 links oben auf dem linken Flügel zeigt die Verkündigung des Herrn an Maria. Der Erzengel Gabriel tritt in seinem grünen Gewand zu Maria und zeigt auf sein Spruchband mit der Inschrift „AVE + MARIA + GRACIA + PLENA + D(OMI)N(U)S + TECU(M)“ (deutsch Sei gegrüßt, du Begnadete, der Herr ist mit dir. (Lk 1,28 EU)). Maria hält ein Buch in der linken Hand und erhebt die rechte Hand. Über ihrem nimbierten Kopf fliegt ihr eine Taube zu, das Symbol der Empfängnis. Zwischen Gabriel und Maria steht eine graue Vase mit drei Blumen, Symbol der Reinheit Marias. In der nächsten Szene (2) ist die Heimsuchung dargestellt. Maria und ihre Cousine Elisabeth, letztere mit Haube, umarmen sich. Elisabeth hält ein Spruchband in der rechten Hand mit der Aufschrift „EXQ(U)o + F(A)C(T)A + E(ST) + S(A)L(UT)AC(I)O + EX(U)LTAV(IT) + I(N)FA(N)S + I(N)UT(ER)O + MEO“ (deutsch Denn siehe, in dem Augenblick, als ich deinen Gruß hörte, hüpfte das Kind vor Freude in meinem Leib.(Lk 1,44 EU)). Die nächste Szene links unten auf dem linken Flügel zeigt Christi Geburt. Maria sitzt auf einem Bett mit dem Jesuskind in der Hand. Josef trägt einen Judenhut und steht neben dem Bett und betrachtet das Kind. Im Hintergrund sind ein Ochse und ein Esel an einem Futtertrog zu sehen. In den oberen Ecken der Szene sind je ein Engel dargestellt. Der linke spielt Rebec und der rechte Engel Psalter. In der Szene 4 sind die Heiligen Drei Könige zu sehen. Ganz links der jüngste der drei, daneben der mittleren Alters, der den jüngeren auf den Stern von Betlehem aufmerksam macht. Der Älteste kniet mit seinem Geschenk nieder. In der Szene ist kein Christkind dargestellt und auch nicht der Stern von Bethlehem. Stattdessen bezieht sich die Szene auf die Madonnenfigur in der Schreinmitte. Die chronologisch nächste Szene (5) ist rechts unten dargestellt und zeigt Marias Tod. Maria liegt auf einem Bett. Hinter ihr steht Jesus mit ihrer Seele in der linken Hand und die rechte Hand zur Segensgeste erhoben. Hinter und neben ihm stehen die Apostel. Petrus hat einen Stab in der Hand, Paulus wird kann durch seine Stirnglatze identifiziert werden. Johannes schwingt ein Weihrauchgefäß und reicht Maria die Palmenschößlinge aus dem Paradies. Die Szene darüber (6) zeigt die Krönung Marias. Christus als Weltenherrscher setzt ihr die Krone auf, in den oberen Ecken blasen Engel Posaunen. Links neben der Krönung (A) ist der Erzengel Michael dargestellt, wie den Teufel in Gestalt eines Drachen mit seiner Lanze besiegt. Darunter (B) ist die Heilige Elisabeth zu sehen, wie sie einem Bedürftigen einen Mantel reicht, während ihr ein Engel aus der rechten oberen Bildecke einen identischen neuen Mantel reicht. Links oben setzt ein weiterer Engel ihr eine Krone als Symbol ihrer Heiligkeit auf. Links unten im Bildfeld ist eine betende Prämonstratenserin dargestellt.[1]

Schrein und Madonnenfigur

Der fünfachsige Schrein ist mit feinem gotischen Maßwerk verziert. Die originale farbliche Fassung betont die mittlere, größere Aussparung, die Platz für die Madonnenfigur bietet. Maria sitzt auf einem gotischen Thron mit Jesus im linken Arm. Dieser steht aufrecht und hält seine rechte Hand an den Hals seiner Mutter.[1]

Provenienz

Hochaltar des Prämonstratenserinnenklosters Altenberg, anstelle des barocken Altarretabels stand ursprünglich der Altenberger Altarretabel.
  • um 1330 geschaffen für den Hochaltar des Prämonstratenserinnenkloster Altenberg bei Wetzlar
  • 1609 auf dem Altar der Nonnenempore in Altenberg
  • 1841–57 Trennung der Flügel vom Schrein und Verbringung der Flügel in das Schloß Braunfels des Fürsten Solms
  • 1916 Verkauf der Madonnenfigur durch den Fürsten von Solms-Braunfels an den Kunsthändler A.S. Drey
  • 1925 Versteigerung der Flügel von Schloß Braunfels an die Städtische Galerie
  • nach 1925 Verbringung von Altarschrein nach Schloß Braunfels
  • vor 1929 Madonna im Besitz des Kunsthändlers Böhler in München, heute als Leihgabe von Julius Böhler an das Bayerische Nationalmuseum[1]

Literatur

  • Petra Zimmer: Die Funktion und Ausstattung des Altares auf der Nonnenempore. Beispiele zum Bildgebrauch in Frauenklöstern aus dem 13.–16. Jahrhundert. Diss. Köln, 1990, S. 121–171.
  • Sabine Oth: Der Altenberger Altar. ungedruckte Magisterarbeit, Frankfurt 1997.
  • Bodo Brinkmann, Stephan Kemperdick: Deutsche Gemälde im Städel. 1300–1500 (= Kataloge der Gemälde im Städelschen Kunstinstitut Frankfurt am Main. Bd. 4). Philipp von Zabern, Mainz 2002, ISBN 3-8053-2920-2, S. 3–32.
Commons: Altenburger Altarretabel – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b c d e f g h Bodo Brinkmann, Stephan Kemperdick: Deutsche Gemälde im Städel. 1300–1500 (= Kataloge der Gemälde im Städelschen Kunstinstitut Frankfurt am Main. Bd. 4). Philipp von Labern, Mainz 2002, ISBN 3-8053-2920-2, S. 13.