„Acetonperoxid“ – Versionsunterschied

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* dimeres Acetonperoxid
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* Triacetontriperoxid (TATP)
* Triacetontriperoxid (TATP)
* Tricycloacetonperoxid (TCAP)
* Tricycloacetonperoxid (TCAP)
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| Beschreibung = farblose [[Monoklines Kristallsystem|monokline]] Kristalle mit „würzigem“ Geruch<ref name="roempp">{{RömppOnline|ID=RD-01-04639|Name=Acetonperoxid|Abruf=2014-06-01}}</ref>
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| Dampfdruck = *6,46&nbsp;Pa (30&nbsp;°C, Trimer)<ref name="Felix">H. Félix-Rivera, M.L. Ramírez-Cedeño, R.A. Sánchez-Cuprill, S.P. Hernández-Rivera: ''Triacetone triperoxide thermogravimetric study of vapor pressure and enthalpy of sublimation in 303–338 K temperature range.'' In: ''[[Thermochim. Acta]].'' 514 (2011), S. 37–43, [[doi:10.1016/j.tca.2010.11.034]].</ref>
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'''Acetonperoxid''' oder '''APEX''' ist ein hochexplosiver Stoff mit der [[Schlagempfindlichkeit]] eines [[Initialsprengstoff]]s. Es kommt in den Formen di-, tri- und tetrameres [[Cyclische Verbindungen|cyclisches]] Acetonperoxid vor, die unter unterschiedlichen Bedingungen (z.&nbsp;B. in Abhängigkeit vom benutzten Katalysator) in verschiedenen Anteilen entstehen. Nach seiner hauptsächlich vorkommenden trimeren Form ist es auch unter dem Namen '''Triacetontriperoxid''' oder kurz '''TATP''' bekannt. Das nur in Lösung beständige [[Dimethyldioxiran]] kann als das monomere Acetonperoxid angesehen werden.
'''Acetonperoxid''' oder '''APEX''' ist ein hochexplosiver Stoff mit der [[Schlagempfindlichkeit]] eines [[Initialsprengstoff]]s. Es kommt in den Formen di-, tri- und tetrameres [[Cyclische Verbindungen|cyclisches]] Acetonperoxid vor, die unter unterschiedlichen Bedingungen (z.&nbsp;B. in Abhängigkeit vom benutzten Katalysator) in verschiedenen Anteilen entstehen. Nach seiner hauptsächlich vorkommenden [[trimer]]en Form ist es auch unter dem Namen '''Triacetontriperoxid''' oder kurz '''TATP''' bekannt. Das nur in Lösung beständige [[Dimethyldioxiran]] kann als das monomere Acetonperoxid angesehen werden.


Acetonperoxid ist, wie die meisten anderen organischen [[Peroxide]] und im Unterschied zu weniger gefährlichen Peroxiden wie etwa [[Dibenzoylperoxid]], sehr empfindlich gegen Schlag, Reibung und Wärme. Es zerfällt leicht, was zu heftigen [[Detonation]]en führen kann. TATP ist die bevorzugte Waffe von islamistischen Terroristen bei Sprengstoffanschlägen.<ref>https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2018-12/anis-amri-attentaeter-sprengstoffanschlag-plan</ref>
Acetonperoxid ist, wie die meisten anderen organischen [[Peroxide]] und im Unterschied zu weniger gefährlichen Peroxiden wie etwa [[Dibenzoylperoxid]], sehr empfindlich gegen Schlag, Reibung und Wärme. Es zerfällt leicht, was zu heftigen [[Detonation]]en führen kann. Aufgrund der leichten Erwerbbarkeit der Ausgangssubstanzen und der einfachen Synthese ist TATP ein häufig genutzter Sprengstoff bei Anschlägen von [[Islamistischer Terrorismus|islamistischen Terroristen]].<ref>[https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2018-12/anis-amri-attentaeter-sprengstoffanschlag-plan ''Anis Amri: Der Lkw war nur Plan B.''], In: ''Zeit Online.'' 13. Dezember, abgerufen am 21. Dezember 2018.</ref>


== Geschichte ==
== Geschichte ==
Acetonperoxid wurde im Jahr 1895 von [[Richard Wolffenstein (Chemiker)|Richard Wolffenstein]] an der Technischen Hochschule Charlottenburg bei der Untersuchung der Oxidation von [[Coniin]] mit Wasserstoffperoxid in [[Aceton]] als Lösungsmittel zufällig entdeckt.<ref name="Wolffenstein" /> Ein Herstellungsverfahren für Acetonperoxid wurde von ihm im Jahr 1895 unter der Nummer D.R.P. 84953 in Deutschland zum Patent angemeldet. [[Adolf von Baeyer]] und [[Victor Villiger]] publizierten im Jahr 1899 und 1900 einige Artikel über die Bildung dimeren und trimeren Acetonperoxids.<ref name="10.1002/cber.189903203151" /><ref name="bay1900" /> Im Jahr 1925 wurde es zwar unter der Nummer D.R.P. 423,176 in Deutschland und verschiedenen anderen Ländern von den Sprengstoffwerken Dr. R. Nahnsen & Co. AG, Hamburg als angeblich sicherer und stabiler Initialsprengstoff zum Patent angemeldet,<ref>{{Patent
Acetonperoxid wurde im Jahr 1895 von [[Richard Wolffenstein (Chemiker)|Richard Wolffenstein]] an der [[Technische Hochschule Charlottenburg|Technischen Hochschule Charlottenburg]] bei der Untersuchung der Oxidation von [[Coniin]] mit Wasserstoffperoxid in [[Aceton]] als Lösungsmittel zufällig entdeckt.<ref name="Wolffenstein" /> Ein Herstellungsverfahren für Acetonperoxid wurde von ihm im Jahr 1895 unter der Nummer D.R.P. 84953 in Deutschland zum Patent angemeldet.<ref>{{Patent| Land=DE| V-Nr=84953| Code=C| Titel=Darstellung von Cycloacetonsuperoxyd (C<sub>3</sub>H<sub>6</sub>O<sub>2</sub>)<sub>3</sub>| A-Datum=1895-06-02| V-Datum=1896-01-04| Erfinder=Richard Wolfenstein}}</ref> [[Adolf von Baeyer]] und [[Victor Villiger]] publizierten im Jahr 1899 und 1900 einige Artikel über die Bildung [[dimer]]en und trimeren Acetonperoxids.<ref name="10.1002/cber.189903203151" /><ref name="bay1900" /> Im Jahr 1925 wurde es zwar unter der Nummer D.R.P. 423,176 in Deutschland und verschiedenen anderen Ländern von den Sprengstoffwerken Dr. R. Nahnsen & Co. AG, Hamburg als angeblich sicherer und stabiler Initialsprengstoff zum Patent angemeldet,<ref>{{Patent
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| Anmelder = Dr. R. Nahnsen & Co. AG, Gottfried Pyl
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}}</ref> jedoch verhinderten die extreme Schlagempfindlichkeit, Flüchtigkeit (6,5 % in 24&nbsp;h bei 14–18&nbsp;°C) und mangelnde Stabilität jegliche praktische Nutzung.<ref>M. Rohrlich, W. Sauermilch: ''Sprengtechnische Eigenschaften von Trizykloazetonperoxyd.'' In: ''Zeitschrift für das gesamte Schieß- und Sprengstoffwesen.'' 1943, 38, S. 97–99.</ref>
}}</ref> jedoch verhinderten die extreme Schlagempfindlichkeit, Flüchtigkeit (6,5 % in 24&nbsp;h bei 14–18&nbsp;°C) und mangelnde Stabilität jegliche praktische Nutzung.<ref>M. Rohrlich, W. Sauermilch: ''Sprengtechnische Eigenschaften von Trizykloazetonperoxyd.'' In: ''Zeitschrift für das gesamte Schieß- und Sprengstoffwesen.'' 38, 1943, S. 97–99.</ref>


A.&nbsp;E. Thiemann schlug im Jahr 1942 die Nutzung von Acetonperoxid als Zusatz zur Verbesserung der Zündwilligkeit des [[Dieselkraftstoff]]s vor<ref>A. E. Thiemann: ''Über Kraftstoffzusätze in Dieselölen.'' In: ''ATZ [[Automobiltechnische Zeitschrift]].'' 1942 Bd. 45(16), S. 454–457.</ref>, d.&nbsp;h. zur Erhöhung der [[Cetanzahl]]. Da es preisgünstigere und ungefährlichere Lösungen gibt, wird es für diesen Zweck nicht verwendet.
A.&nbsp;E. Thiemann schlug im Jahr 1942 die Nutzung von Acetonperoxid als Zusatz zur Verbesserung der Zündwilligkeit des [[Dieselkraftstoff]]s vor,<ref>A. E. Thiemann: ''Über Kraftstoffzusätze in Dieselölen.'' In: ''ATZ [[Automobiltechnische Zeitschrift]].'' Band 45(16), 1942, S. 454–457.</ref> d.&nbsp;h. zur Erhöhung der [[Cetanzahl]]. Da es preisgünstigere und ungefährlichere Lösungen gibt, wird es für diesen Zweck nicht verwendet.


== Darstellung ==
== Darstellung ==
Acetonperoxid kann in erheblichen Mengen beim bloßen Vermischen von Aceton mit wasserstoffperoxidhaltigen Lösungen nach mehrtägiger Lagerung des Gemischs entstehen.
Acetonperoxid kann in erheblichen Mengen beim bloßen Vermischen von Aceton mit wasserstoffperoxidhaltigen Lösungen nach mehrtägiger Lagerung des Gemischs entstehen.
So entdeckte es der Berliner Chemiker [[Richard Wolffenstein (Chemiker)|Richard Wolffenstein]] bereits 1895.<ref name="Wolffenstein">Richard Wolffenstein: ''Ueber<!--sic!--> die Einwirkung von Wasserstoffsuperoxyd auf Aceton und Mesityloxyd.'' In: ''Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft.'' 28, 1895, S.&nbsp;2265, [[doi:10.1002/cber.189502802208]]. ([http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k90739s/f995.image.r=%20chemische%20berichte.langDE Digitalisat]).</ref>
So entdeckte es der Berliner Chemiker [[Richard Wolffenstein (Chemiker)|Richard Wolffenstein]] bereits 1895.<ref name="Wolffenstein">Richard Wolffenstein: ''Ueber<!--sic!--> die Einwirkung von Wasserstoffsuperoxyd auf Aceton und Mesityloxyd.'' In: ''Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft.'' 28, 1895, S.&nbsp;2265, [[doi:10.1002/cber.189502802208]]. [http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k90739s/f995.image.r=%20chemische%20berichte.langDE (Digitalisat)]</ref>


''Trimeres'' Acetonperoxid (Schmelzpunkt 91,5&nbsp;°C) entsteht bei Einwirken von [[Wasserstoffperoxid]] auf [[Aceton]] in Gegenwart verdünnter Säuren als [[Katalysator]]:<ref name="Wolffenstein" /><ref name="bay1900">Adolf Baeyer, Victor Villiger: ''Ueber<!-- sic!--> die Nomenclatur der Superoxyde und die Superoxyde der Aldehyde.'' In: ''Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft.'' 33, 1900, S.&nbsp;2479, [[doi:10.1002/cber.190003302185]]. ([http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k90756c/f1062.image.r=%20chemische%20berichte.langDE Digitalisat]).</ref>
''Trimeres'' Acetonperoxid (Schmelzpunkt 91,5&nbsp;°C) entsteht bei Einwirken von [[Wasserstoffperoxid]] auf [[Aceton]] in Gegenwart verdünnter Säuren als [[Katalysator]]:<ref name="Wolffenstein" /><ref name="bay1900">Adolf Baeyer, Victor Villiger: ''Ueber<!-- sic!--> die Nomenclatur der Superoxyde und die Superoxyde der Aldehyde.'' In: ''Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft.'' 33, 1900, S.&nbsp;2479, [[doi:10.1002/cber.190003302185]]. [http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k90756c/f1062.image.r=%20chemische%20berichte.langDE (Digitalisat)]</ref>


[[Datei:Acetone Peroxide Synthesis V.2.svg|mini|ohne|hochkant=2.2|Bildung von trimerem Acetonperoxid aus Aceton und Wasserstoffperoxid.]]
[[Datei:Acetone Peroxide Synthesis V.2.svg|rahmenlos|hochkant=2.2|zentriert|Bildung von trimerem Acetonperoxid aus Aceton und Wasserstoffperoxid.]]


Bei Anwesenheit von [[Salzsäure]], [[Schwefelsäure]] oder [[Phosphorsäure]] verlaufen die Reaktionen in Abhängigkeit vom pH-Wert unterschiedlich stark [[exotherm]] ([[Explosion]]sgefahr). Bei mangelnder Kühlung entsteht bei der Reaktion mit Salzsäure unter Kochen das Tränengas [[Chloraceton]].
Bei Anwesenheit von [[Salzsäure]], [[Schwefelsäure]] oder [[Phosphorsäure]] verlaufen die Reaktionen in Abhängigkeit vom pH-Wert unterschiedlich stark [[exotherm]] ([[Explosion]]sgefahr). Bei mangelnder Kühlung entsteht bei der Reaktion mit Salzsäure unter Kochen das Tränengas [[Chloraceton]].


Das ''dimere'' Produkt lässt sich entweder durch die Umsetzung von Aceton mit [[Peroxomonoschwefelsäure]] (Carosche Säure),<ref name="10.1002/cber.189903203151">Adolf Baeyer, Victor Villiger: ''Einwirkung des Caro'schen Reagens auf Ketone.'' In: ''Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft.'' 32, 1899, S.&nbsp;3625, [[doi:10.1002/cber.189903203151]]. ([http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k90754p/f1094.image.r=%20chemische%20berichte.langDE Digitalisat]).</ref><ref>Robert W. Murray, Ramasubbu Jeyaraman: ''Dioxiranes: synthesis and reactions of methyldioxiranes.'' In: ''The Journal of Organic Chemistry.'' 50, 1985, S.&nbsp;2847-2853, [[doi:10.1021/jo00216a007]].</ref> durch die Oxidation von [[Diisopropylether]] mit Luftsauerstoff oder durch [[Ozonolyse]] herstellen. Bei unsachgemäßer Lagerung von Diisopropylether kann daher Acetonperoxid entstehen. Zur Vernichtung solcher Peroxide werden Kupfer(I)-Verbindungen zur [[Reduktion (Chemie)|Reduktion]] eingesetzt.
Das ''dimere'' Produkt lässt sich entweder durch die Umsetzung von Aceton mit [[Peroxomonoschwefelsäure]] (Carosche Säure),<ref name="10.1002/cber.189903203151">Adolf Baeyer, Victor Villiger: ''Einwirkung des Caro'schen Reagens auf Ketone.'' In: ''Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft.'' 32, 1899, S.&nbsp;3625, [[doi:10.1002/cber.189903203151]]. [http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k90754p/f1094.image.r=%20chemische%20berichte.langDE (Digitalisat)]</ref><ref>Robert W. Murray, Ramasubbu Jeyaraman: ''Dioxiranes: synthesis and reactions of methyldioxiranes.'' In: ''The Journal of Organic Chemistry.'' 50, 1985, S.&nbsp;2847–2853, [[doi:10.1021/jo00216a007]].</ref> durch die Oxidation von [[Diisopropylether]] mit Luftsauerstoff oder durch [[Ozonolyse]] herstellen. Bei unsachgemäßer Lagerung von Diisopropylether kann daher Acetonperoxid entstehen. Zur Vernichtung solcher Peroxide werden Kupfer(I)-Verbindungen zur [[Reduktion (Chemie)|Reduktion]] eingesetzt.


''Tetrameres'' Acetonperoxid wurde 1998 in obiger Reaktion bei Verwendung von [[Lewis-Säure]]n als Katalysator gewonnen.<ref>Heng Jiang, Gang Chu, Hong Gong, Qingdong Qiao: ''[http://cdn.preterhuman.net/texts/terrorism_and_pyrotechnics/explosives/Tetrameric%20Acetone%20Peroxide.pdf Tin Chloride Catalysed Oxidation of Acetone with Hydrogen Peroxide to Tetrameric Acetone Peroxide].'' In ''J. Chem. Res.'' (S), 1999, S. 288–289, [[doi:10.1039/a809955c]].</ref>
''Tetrameres'' Acetonperoxid wurde 1998 in obiger Reaktion bei Verwendung von [[Lewis-Säure]]n als Katalysator gewonnen.<ref>Heng Jiang, Gang Chu, Hong Gong, Qingdong Qiao: ''[http://cdn.preterhuman.net/texts/terrorism_and_pyrotechnics/explosives/Tetrameric%20Acetone%20Peroxide.pdf Tin Chloride Catalysed Oxidation of Acetone with Hydrogen Peroxide to Tetrameric Acetone Peroxide].'' In ''[[J. Chem. Res. (S)]]'', 1999, S. 288–289, [[doi:10.1039/a809955c]].</ref>


== Eigenschaften ==
== Eigenschaften ==
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Acetonperoxid ist [[Flüchtigkeit|flüchtig]] an Luft (würziger Geruch, Substanzverlust durch [[Sublimation (Physik)|Sublimation]] 6,5 % in 24 Stunden)<ref name="roempp" /> und flüchtig mit [[Wasserdampf]] oder [[Ether]]. Trimeres Acetonperoxid zerfällt beim Erwärmen mit verdünnten [[Säure]]n (H<sub>2</sub>SO<sub>4</sub> 10 %) unter Rückfluss quantitativ in [[Aceton]] und [[Wasserstoffperoxid]].<ref name="roempp" />
Acetonperoxid ist [[Flüchtigkeit|flüchtig]] an Luft (würziger Geruch, Substanzverlust durch [[Sublimation (Physik)|Sublimation]] 6,5 % in 24 Stunden)<ref name="roempp" /> und flüchtig mit [[Wasserdampf]] oder [[Ether]]. Trimeres Acetonperoxid zerfällt beim Erwärmen mit verdünnten [[Säure]]n (H<sub>2</sub>SO<sub>4</sub> 10 %) unter Rückfluss quantitativ in [[Aceton]] und [[Wasserstoffperoxid]].<ref name="roempp" />


Es wird von [[Essigsäureanhydrid]] nicht verändert und reagiert nicht mit [[Kaliumiodid]]-[[Essigsäure]]. Von 1&nbsp;[[Äquivalentkonzentration|N]] [[Natronlauge]] wird es auch bei Erwärmen nicht angegriffen. [[Zink]]staub und Natronlauge [[Reduktion (Chemie)|reduzieren]] dimeres Acetonperoxid langsam in der Kälte.
Es wird von [[Essigsäureanhydrid]] nicht verändert und reagiert nicht mit [[Kaliumiodid]]-[[Essigsäure]]. Von 1-[[Stoffmengenkonzentration|molarer]] [[Natronlauge]] wird es auch bei Erwärmen nicht angegriffen. [[Zink]]staub und Natronlauge [[Reduktion (Chemie)|reduzieren]] dimeres Acetonperoxid langsam in der Kälte.


Acetonperoxid ist reizend (bei nur geringer akuter [[Toxizität]]), entzündlich und hochexplosiv. Besonders empfindlich ist es auf [[Zündmittel|Zündung]] durch Flamme, Wärme, Schlag und Reibung. Eine Lagerung unter Wasser verringert die Empfindlichkeit und verhindert die Sublimation. Die [[Detonationsgeschwindigkeit]] beträgt 5290–5400&nbsp;m·s<sup>−1</sup> (Dichte 1,18–1,20&nbsp;g·cm<sup>−3</sup>) (Trimer).<ref name="roempp" /> Die [[Sauerstoffbilanz]] ist −151,3 %.<ref name="Meyer2008" /> Die [[Bleiblockausbauchung]] beträgt 250&nbsp;ml/10 g für das Trimer.<ref name="Meyer2008" /> Die [[Schlagempfindlichkeit]] beträgt 0,3&nbsp;[[Joule|J]] (Trimer), die [[Reibempfindlichkeit]] 0,1&nbsp;N Stiftbelastung (Trimer).<ref name="Meyer2008" />
Acetonperoxid ist reizend (bei nur geringer akuter [[Toxizität]]), entzündlich und hochexplosiv. Besonders empfindlich ist es auf [[Zündmittel|Zündung]] durch Flamme, Wärme, Schlag und Reibung. Eine Lagerung unter Wasser verringert die Empfindlichkeit und verhindert die Sublimation. Die [[Detonationsgeschwindigkeit]] beträgt 5290–5400&nbsp;m·s<sup>−1</sup> (Dichte 1,18–1,20&nbsp;g·cm<sup>−3</sup>) (Trimer).<ref name="roempp" /> Die [[Sauerstoffbilanz]] ist −151,3 %.<ref name="Meyer2008" /> Die [[Bleiblockausbauchung]] beträgt 250&nbsp;ml/10 g für das Trimer.<ref name="Meyer2008" /> Die [[Schlagempfindlichkeit]] beträgt 0,3&nbsp;[[Joule|J]] (Trimer), die [[Reibempfindlichkeit]] 0,1&nbsp;N Stiftbelastung (Trimer).<ref name="Meyer2008" />


Die [[Sprengkraft]] von Acetonperoxid liegt, je nach Testmethode, bei 80–100 % der Sprengkraft von [[Trinitrotoluol]] (TNT). Bei der Explosion von Acetonperoxid entstehen die für die Sprengwirkung verantwortlichen Gasmoleküle, ohne dass es zu einer extremen Hitzeentwicklung kommt, wie dies bei vielen anderen Sprengstoffen üblich ist.<ref name="DubnikovaJACS2005">Faina Dubnikova, Ronnie Kosloff, Joseph Almog, Yehuda Zeiri, Roland Boese, Harel Itzhaky, Aaron Alt, Ehud Keinan: ''Decomposition of Triacetone Triperoxide Is an Entropic Explosion'' J. Am. Chem. Soc., 2005, 127 (4), S. 1146–1159 [[doi:10.1021/ja0464903]].</ref><ref>Peter Podjavorsek: [http://www.dradio.de/dlf/sendungen/forschak/398174/ ''Detektionsverfahren für Plastiksprengstoff.''] In: ''[[Deutschlandfunk]].'' Abgerufen am 28. Juli 2016.</ref>
Die [[Sprengkraft]] von Acetonperoxid liegt, je nach Testmethode, bei 80–100 % der Sprengkraft von [[Trinitrotoluol]] (TNT). Bei der Explosion von Acetonperoxid entstehen die für die Sprengwirkung verantwortlichen Gasmoleküle, ohne dass es zu einer extremen Hitzeentwicklung kommt, wie dies bei vielen anderen Sprengstoffen üblich ist.<ref name="DubnikovaJACS2005">Faina Dubnikova, Ronnie Kosloff, Joseph Almog, Yehuda Zeiri, Roland Boese, Harel Itzhaky, Aaron Alt, Ehud Keinan: ''Decomposition of Triacetone Triperoxide Is an Entropic Explosion.'' In: ''J. Am. Chem. Soc.'' 127 (4), 2005, S. 1146–1159. [[doi:10.1021/ja0464903]].</ref><ref>Peter Podjavorsek: [http://www.dradio.de/dlf/sendungen/forschak/398174/ ''Detektionsverfahren für Plastiksprengstoff.''] In: ''[[Deutschlandfunk]].'' Abgerufen am 28. Juli 2016.</ref>


In einem [[Schlagempfindlichkeit|Fallhammerversuch]] mit einem 1-kg-Fallhammer (üblich sind bei normalen Sprengstoffen Untersuchungen mit einem 2-kg-Fallhammer) detoniert es bei Schlag aus nur 3&nbsp;cm Höhe.
In einem [[Schlagempfindlichkeit|Fallhammerversuch]] mit einem 1-kg-Fallhammer (üblich sind bei normalen Sprengstoffen Untersuchungen mit einem 2-kg-Fallhammer) detoniert es bei einem Schlag aus nur 3&nbsp;cm Höhe.


Acetonperoxid lässt sich mit herkömmlichen, auf [[Nitroverbindung]]en empfindlichen Sprengstoffdetektoren nicht detektieren.
Acetonperoxid lässt sich mit herkömmlichen, auf [[Nitroverbindung]]en empfindlichen Sprengstoffdetektoren nicht detektieren.

== Analytik ==
Zur sicheren [[Forensik|forensischen]] Identifizierung von TATP an Tatorten oder substanzexponierten Personen kommen nach adäquater Probenahme<ref>F. S. Romolo, L. Cassioli, S. Grossi, G. Cinelli, M. V. Russo: ''Surface-sampling and analysis of TATP by swabbing and gas chromatography/mass spectrometry.'' In: ''Forensic Sci Int.'' 224(1-3), 10. Jan 2013, S. 96–100. PMID 23219697</ref><ref>J. C. Oxley, J. L. Smith, L. J. Kirschenbaum, S. Marimiganti, I. Efremenko, R. Zach, Y. Zeiri: ''Accumulation of explosives in hair--Part 3: Binding site study.'' In: ''J Forensic Sci.'' 57(3), Mai 2012, S. 623–635. PMID 22235760</ref> die Kopplung der [[Gaschromatographie]] mit der [[UV-Spektroskopie]]<ref>J. Andrasko, L. Lagesson-Andrasko, J. Dahlén, B. H. Jonsson: ''Analysis of Explosives by GC-UV.'' In: ''J Forensic Sci.'' 62(4), Jul 2017, S. 1022–1027. PMID 28070907</ref> oder der [[Massenspektrometrie]]<ref>A. Stambouli, A. El Bouri, T. Bouayoun, M. A. Bellimam: ''Headspace-GC/MS detection of TATP traces in post-explosion debris.'' In: ''Forensic Sci Int.'' 146 Suppl, 2. Dez 2004, S. S191–S194. PMID 15639574</ref><ref>D. Muller, A. Levy, R. Shelef, S. Abramovich-Bar, D. Sonenfeld, T. Tamiri: ''Improved method for the detection of TATP after explosion.'' In: ''J Forensic Sci.'' 49(5), Sep 2004, S. 935–938. PMID 15461093</ref> zur Anwendung. Auch die Kopplung der [[HPLC]] mit der Massenspektrometrie eignet sich zur Bestimmung von TATP.<ref>L. Widmer, S. Watson, K. Schlatter, A. Crowson: ''Development of an LC/MS method for the trace analysis of triacetone triperoxide (TATP).'' In: ''Analyst.'' 127(12), Dez 2002, S. 1627–1632. PMID 12537371</ref> Ein kürzlich entwickeltes spezifisches elektrochemisches Verfahren erlaubt ebenfalls die Unterscheidung des TATP von [[Sprengstoffe]]n wie [[PETN]], [[RDX]], [[HMX]] und [[TNT]].<ref>S. K. Mamo, J. Gonzalez-Rodriguez: ''Development of a molecularly imprinted polymer-based sensor for the electrochemical determination of triacetone triperoxide (TATP).'' In: ''Sensors.'' (Basel). 14(12), 5. Dez 2014, S. 23269–23282. PMID 25490589.</ref>


== Besondere Gefahren ==
== Besondere Gefahren ==
Acetonperoxid ist, wie andere, ähnlich gebaute Peroxide, äußerst explosiv. Acetonperoxid-Kristalle sind generell nicht stabil, jederzeit können, etwa durch Temperatur- und Lichtunterschiede, Kristallbrüche entstehen, die zu einer Spontanexplosion führen. Trimeres Acetonperoxid [[Sublimation (Phasenübergang)|sublimiert]] schon bei 14–18&nbsp;°C, daher bilden sich bei Raumtemperatur in einem geschlossenen Gefäß im Bereich des Gefäßverschlusses schnell kleine Kristalle aus, die durch die Reibung beim Öffnen des Gefäßes zerbrechen und eine Explosion des Gefäßinhaltes auslösen.
Acetonperoxid ist, wie andere ähnlich gebaute Peroxide, äußerst explosiv. Acetonperoxid-Kristalle sind generell nicht stabil, jederzeit können Kristallbrüche entstehen, die zu einer Spontanexplosion führen, etwa durch Temperatur- und Lichtunterschiede. Trimeres Acetonperoxid [[Sublimation (Phasenübergang)|sublimiert]] schon bei 14–18&nbsp;°C, daher bilden sich bei Raumtemperatur in einem geschlossenen Gefäß im Bereich des Gefäßverschlusses schnell kleine Kristalle aus, die durch die Reibung beim Öffnen des Gefäßes zerbrechen und eine Explosion des Gefäßinhaltes auslösen.


Bei erhöhten Lagertemperaturen zersetzt sich Acetonperoxid innerhalb weniger Stunden. Wird eine Temperatur von 130&nbsp;°C erreicht, führt dies zur Explosion; es detoniert feucht noch bei einem Wassergehalt von 25 %. <!-- mol-% oder Massenprozent? -->
Bei erhöhten Lagertemperaturen zersetzt sich Acetonperoxid innerhalb weniger Stunden. Wird eine Temperatur von 130&nbsp;°C erreicht, führt dies zur Explosion; es detoniert feucht noch bei einem Wassergehalt von 25 %. <!-- mol-% oder Massenprozent? -->
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Als chemisches Experiment wurde an Schulen und Universitäten gelegentlich das Erhitzen feuchten trimeren Acetonperoxids im Milligramm-Bereich frei auf einer stabilen Eisenplatte bis zum Detonieren des Peroxids vorgeführt.
Als chemisches Experiment wurde an Schulen und Universitäten gelegentlich das Erhitzen feuchten trimeren Acetonperoxids im Milligramm-Bereich frei auf einer stabilen Eisenplatte bis zum Detonieren des Peroxids vorgeführt.
Alternativ kann auf [[Hexamethylentriperoxiddiamin]] (HMTD) ausgewichen werden, das bei geringerer Schlagempfindlichkeit und fehlender Tendenz zur Sublimation den gleichen didaktischen Vorführungswert hinsichtlich der Detonation hat. Aufgrund der Handhabungsunsicherheit von Acetonperoxid und HMTD sowie der teils problematischen Vernichtung von Restmengen sind beide Stoffe für Lehrversuche jedoch generell einer kritischen Betrachtung zu unterziehen.
Alternativ kann auf [[Hexamethylentriperoxiddiamin]] (HMTD) ausgewichen werden, das bei geringerer Schlagempfindlichkeit und fehlender Tendenz zur Sublimation den gleichen didaktischen Vorführungswert hinsichtlich der Detonation hat. Aufgrund der Handhabungsunsicherheit von Acetonperoxid und HMTD sowie der teils problematischen Vernichtung von Restmengen sind beide Stoffe für Lehrversuche jedoch generell einer kritischen Betrachtung zu unterziehen.

== Verwendung für Sprengstoffanschläge ==
Einer der ersten dokumentierten Einsätze von Acetonperoxid war ein Anschlag durch ein [[PLO]]-Kommando auf eine Studentengruppe in [[Hebron]] im Jahr 1980.<!--Formulierung nach http://www.badische-zeitung.de/deutschland-1/warum-der-sprengstoff-tatp-so-gefaehrlich-ist--128452831.html--><ref>[http://www.cbrneworld.com/_uploads/download_magazines/Mother_of_Satan.pdf That Mother of Satan is highly unstable!], ''Former deputy-head of the Israeli police bomb disposal division, chief superintendent (ret) Michael Cardash, talks to Andrew Johnston about the rise of TATP in Israel''</ref>

Bei geplanten Anschlägen auf mehrere Flugzeuge, die [[Britische Antiterroraktion vom 10. August 2006|am 10.&nbsp;August 2006 in London verhindert wurden]], sollte möglicherweise Acetonperoxid verwendet werden.<ref>[https://www.newscientist.com/article/dn7682-explosives-linked-to-london-bombings-identified/ New Scientist, 15. Juli 2005]</ref><ref name="heise_Acetonperoxid">{{Internetquelle |url=https://www.heise.de/newsticker/meldung/Weiter-erhoehte-Sicherheitsmassnahmen-in-Deutschland-151170.html |titel=Weiter erhöhte Sicherheitsmaßnahmen in Deutschland |autor=Detlef Borchers |werk=heise.de |datum=2006-08-11 |zugriff=2015-11-21}}</ref> Die Attentäter hätten die Rohstoffe (Aceton und Wasserstoffperoxid) in flüssiger Form in Trinkgefäßen in die Flugzeuge schleusen und dort den Sprengstoff ohne Katalysator herstellen können.<ref name="heise_Acetonperoxid" /> Die Praktikabilität eines solchen Unterfangens wird von Experten jedoch bezweifelt.<ref>{{Internetquelle |url=http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/fluessigsprengstoff-hoellenstoff-in-flaschen-a-431120.html |titel=Flüssigsprengstoff: Höllenstoff in Flaschen |autor=Markus Becker |werk=[[Spiegel Online]] |datum=2006-08-10 |zugriff=2015-11-21}}</ref> Ohne Säurekatalyse erfolgt erst nach mehrtägigem Stehen der Mischung aus Aceton und Wasserstoffperoxid eine Reaktion, es hätte also zusätzlich noch eine Säure in das Flugzeug geschmuggelt werden müssen. Nach der Reaktion müsste das entstandene Peroxid abfiltriert und danach auf dem Filter getrocknet werden, was mehrere Stunden dauert. Dergleichen ist in einem Labor möglich, während eines Fluges erscheint es dagegen undurchführbar. Dennoch wurden hiernach die internationalen Sicherheitsregeln für den Flugverkehr verschärft (Beschränkung auf 100-Milliliter-Flaschen im Handgepäck nach der 3-1-1-Regel).<ref>[http://blog.tsa.gov/2008/02/more-on-liquid-rules-why-we-do-things.html More on the Liquid Rules: Why We Do the Things We Do] The TSA Blog, 4. Februar 2008, abgerufen 10. Februar 2017.</ref>

Ebenfalls zum Einsatz kommen sollte es bei den geplanten Anschlägen der sogenannten [[Sauerland-Gruppe]], die zu diesem Zweck 2007 größere Mengen Wasserstoffperoxid zu kaufen versuchte.<ref>{{Internetquelle |url=http://www.sueddeutsche.de/politik/sauerland-terrorprozess-ramstein-hoert-sich-gut-an-1.457853 |titel=Sauerland-Terrorprozess – „Ramstein hört sich gut an“ |autor= |werk=Süddeutsche Zeitung |datum=2010-05-17 |zugriff=2015-11-21}}</ref>

Bei den [[Terroranschläge am 13. November 2015 in Paris|Anschlägen in Paris am 13. November 2015]] wurde Acetonperoxid verwendet, das offenbar von einem Spezialisten in Europa hergestellt wurde. Laut einem Ex-Geheimdienstbeamten sei es viel zu riskant, die Sprengstoffwesten über tausende Kilometer aus Syrien zu transportieren.<ref>{{Internetquelle |url=http://www.spiegel.de/politik/ausland/anschlaege-in-paris-terroristen-handelt-grausam-professionell-a-1062923.html |titel=Terror in Frankreich: Die grausame Professionalität der Attentäter |autor= |werk=[[Spiegel Online]] |datum=2015-11-15 |zugriff=2015-11-21}}</ref>

Einem Schreiben der Bundesanwaltschaft an das Bundesjustizministerium zufolge plante der Terrorist [[Anis Amri]] ([[Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche]] im Dezember 2016), zusammen mit einem Islamisten namens Clément B. auch einen Sprengstoffanschlag mit TATP zu verüben.<ref>[https://www.tagesspiegel.de/politik/breitscheidplatz-attentaeter-anis-amri-plante-auch-einen-sprengstoffanschlag/23756442.html ''Anis Amri plante auch einen Sprengstoffanschlag''] Tagesspiegel vom 13. Dezember 2018, abgerufen ebendann</ref>

In der Chemnitzer Wohnung des Syrers [[Dschaber al-Bakr]] fanden die Behörden 2016 1,5&nbsp;kg Acetonperoxid.<ref>{{Internetquelle |url = http://www.dw.com/de/terrorverd%C3%A4chtiger-syrer-al-bakr-begeht-selbstmord-in-der-haft/a-36028309 | titel = Terrorverdächtiger Syrer Al-Bakr begeht Selbstmord in der Haft | werk = Deutsche Welle | datum = 2016-10-12 |zugriff = 2016-10-13}}</ref><ref>{{Internetquelle | url = http://www.zeit.de/politik/deutschland/2016-10/terrorverdacht-jaber-al-bakr-selbstmord-gefaengnis | titel = Jaber al-Bakr tot in Zelle aufgefunden | werk = Die Zeit | datum = 2016-10-12 |zugriff = 2016-10-13}}</ref>

Im Februar 2017 wurden in Paris drei Terrorverdächtige festgenommen, bei denen 70&nbsp;g TATP gefunden worden waren.<ref>[http://orf.at/#/stories/2378890/ Französische Polizei verhindert Terroranschlag] orf.at, 10. Februar 2017, abgerufen 10. Februar 2017.</ref>

In der Ruine des Hauses der katalanischen Terrorgruppe, die den [[Terroranschlag in Barcelona am 17. August 2017]] durchführte, wurde ebenfalls APEX nachgewiesen. Vermutlich gab es dort einen Unfall bei der Herstellung entsprechender Bomben, der das Gebäude vollständig zerstörte.<ref>Hans-Christian Rössler: [http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/barcelona-wurden-die-attentaeter-von-einem-marokkanischen-imam-angestiftet-15160341.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2 Die Mutter des Satans und der muslimische Eremit] faz.net, 20. August 2017.</ref>

Beim [[Parsons Green (London Underground)#Terroranschlag 2017|Anschlag auf die Londoner U-Bahn]] am 15. September 2017 wurde ebenfalls TATP in der Bombe verwendet, die aber offenbar nicht wie vorgesehen explodierte.<ref>[http://www.independent.co.uk/news/uk/crime/london-attack-parsons-green-arrest-suspects-open-mind-met-police-neil-basu-a7951006.html Will Worley: "London attack: Police ‘keeping open mind’ about more Tube bombing suspects after ‘very significant arrest’"] The Independent vom 16. September 2017.</ref>

Ein am 31. Oktober 2017 in Schwerin festgenommener Syrer soll ebenfalls den Einsatz von TATP geplant und entsprechende Zutaten beschafft haben.<ref>[http://www.spiegel.de/politik/deutschland/terrorverdacht-gegen-syrer-in-schwerin-19-jaehriger-reiste-als-fluechtling-ein-a-1175775.html Terrorverdacht in Schwerin: Festgenommener Syrer reiste 2015 als Flüchtling ein] Spiegel Online vom 31. Oktober 2017.</ref>

Am 22. August 2018 wurde der 31-jährige Russe Magomed-Ali C. in Berlin durch die [[GSG 9 der Bundespolizei|GSG 9]] festgenommen. Er steht im Verdacht, in Deutschland mit Hilfe des inhaftierten Islamisten Clément B. einen Anschlag geplant zu haben. In seiner Wohnung soll nach Angaben der Polizei seit 2016 eine erhebliche Menge TATP aufbewahrt worden zu sein.<ref>{{Literatur |Autor=Frankfurter Rundschau |Titel=Terrorismus: 31-Jähriger wegen Anschlagsplänen in Berlin festgenommen |Sammelwerk=Frankfurter Rundschau |Online=http://www.fr.de/politik/terrorismus-31-jaehriger-wegen-anschlagsplaenen-in-berlin-festgenommen-a-1568008 |Abruf=2018-08-22}}</ref>


== Rechtsstatus ==
== Rechtsstatus ==
Acetonperoxid ist nach dem [[Sprengstoffgesetz (Deutschland)|SprengG]] als explosionsgefährlich eingestuft und wurde der Stoffgruppe A zugeordnet.<ref>Feststellungsbescheid Nr. 413 vom 26. Februar 2002 der [[Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung]] [https://www.tes.bam.de/de/mitteilungen/sprengstoffrecht/sonstige-listen/acetonperoxide.pdf (PDF online]; 53&nbsp;kB).</ref> Es unterliegt dem Sprengstoffrecht (insbesondere der Erlaubnispflicht des §&nbsp;27 Sprengstoffgesetz<ref>[http://bundesrecht.juris.de/bundesrecht/sprengg_1976/__27.html Sprenggesetz 1976, Neufassung vom 10. September 2002].</ref>), sofern keine Ausnahmen nach der 1. Verordnung zum Sprengstoffgesetz für Forschung und Lehre greifen.
Acetonperoxid ist nach dem [[Sprengstoffgesetz (Deutschland)|SprengG]] als explosionsgefährlich eingestuft und wurde der Stoffgruppe A zugeordnet.<ref>Feststellungsbescheid Nr. 413 vom 26. Februar 2002 der [[Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung]] [https://ssr.tes.bam.de/de/sprengstoffrecht/sonstige-listen/acetonperoxide.pdf (PDF online]; 53&nbsp;kB).</ref> Es unterliegt dem Sprengstoffrecht (insbesondere der Erlaubnispflicht aus {{§|27|sprengg_1976|juris}} des Sprengstoffgesetzes), sofern keine Ausnahmen nach der 1. Verordnung zum Sprengstoffgesetz für Forschung und Lehre greifen.

== Trivia ==
Acetonperoxid lässt sich im Prinzip aus Haushaltsreinigungsmitteln herstellen und ist deshalb wiederholt Thema von (Kriminal-)romanen und -filmen (z.&nbsp;B. [[Terminator (Film)|Terminator&nbsp;I]]).


== Literatur ==
== Literatur ==
* Richard Escales: ''Initialexplosivstoffe.'' Survival Press, Radolfzell 2002, ISBN 3-8311-3939-3.
* Richard Escales: ''Initialexplosivstoffe.'' Survival Press, Radolfzell 2002, ISBN 3-8311-3939-3.
* Deutsche Chemische Gesellschaft (Hrsg.): ''Beilsteins Handbuch der organischen Chemie.'' Hrsg. v. Beilstein-Inst. für Literatur der Organ. Chemie. 31 Bde. Springer, Berlin 1918–31 (4. Aufl.).
* ''[[Beilsteins Handbuch der Organischen Chemie]].'' Hrsg. v. Beilstein-Inst. für Literatur der Organischen Chemie. 31 Bände. 4. Auflage. Springer, Berlin 1918–31.
* Alfred Rieche, Kurt Koch: ''Die Oxydation des Diisopropyläthers. (XIV. Mitteil.) über Äthylperoxyde.'' In: ''Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft (A and B Series).'' 75, 1942, S.&nbsp;1016, [[doi:10.1002/cber.19420750815]].
* Alfred Rieche, Kurt Koch: ''Die Oxydation des Diisopropyläthers. (XIV. Mitteil.) über Äthylperoxyde.'' In: ''Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft (A and B Series).'' 75, 1942, S.&nbsp;1016, [[doi:10.1002/cber.19420750815]].
* R. Criegee, W. Schnorrenberg, J. Becke: ''Zur Konstitution von Ketonperoxyden.'' In: ''Justus Liebigs Annalen der Chemie.'' 565, 1949, S.&nbsp;7, [[doi:10.1002/jlac.19495650103]].
* R. Criegee, W. Schnorrenberg, J. Becke: ''Zur Konstitution von Ketonperoxyden.'' In: ''Justus Liebigs Annalen der Chemie.'' 565, 1949, S.&nbsp;7, [[doi:10.1002/jlac.19495650103]].
* Rudolf Criegee, Karl Metz: ''Über ein drittes, kristallisiertes Acetonperoxyd.'' In: ''Chemische Berichte.'' 89, 1956, S.&nbsp;1714, [[doi:10.1002/cber.19560890720]].
* Rudolf Criegee, Karl Metz: ''Über ein drittes, kristallisiertes Acetonperoxyd.'' In: ''Chemische Berichte.'' 89, 1956, S.&nbsp;1714, [[doi:10.1002/cber.19560890720]].
* Tadeusz Urbanski: ''Chemie und Technologie der Explosivstoffe.'' Bd. 3. Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie, Leipzig 1964, S. 194 ff.
* Tadeusz Urbanski: ''Chemie und Technologie der Explosivstoffe.'' Band 3, Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie, Leipzig 1964, S. 194 ff.
* M. Rohrlich, W. Sauermilch: ''Sprengtechnische Eigenschaften von Trizykloazetonperoxyd.'' In: ''Zeitschrift für das gesamte Schieß- und Sprengstoffwesen.'' 1943, 38, S. 97–99.
* M. Rohrlich, W. Sauermilch: ''Sprengtechnische Eigenschaften von Trizykloazetonperoxyd.'' In: ''Zeitschrift für das gesamte Schieß- und Sprengstoffwesen.'' 38, 1943, S. 97–99.
* J. Gartz: ''Vom griechischen Feuer zum Dynamit – eine Kulturgeschichte der Explosivstoffe.'' E. S. Mittler & Sohn, Hamburg 2007, ISBN 978-3-8132-0867-2.
* J. Gartz: ''Vom griechischen Feuer zum Dynamit – eine Kulturgeschichte der Explosivstoffe.'' E. S. Mittler & Sohn, Hamburg 2007, ISBN 978-3-8132-0867-2.


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[[Kategorie:Sauerstoffhaltiger gesättigter Heterocyclus]]
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[[Kategorie:Islamistischer Terrorismus]]

Aktuelle Version vom 12. Juni 2024, 09:29 Uhr

Strukturformel
Struktur von Acetonperoxid, Dimer und Trimer
Das Dimer (oben) und das Trimer (TATP, unten)
Allgemeines
Name Acetonperoxid
Andere Namen
  • trimeres Acetonperoxid
  • dimeres Acetonperoxid (DATP)
  • Triacetontriperoxid (TATP)
  • Tricycloacetonperoxid (TCAP)
  • IUPAC: 3,3,6,6-Tetramethyl-1,2,4,5-tetraoxan (Dimer)
  • IUPAC: 3,3,6,6,9,9-Hexamethyl-1,2,4,5,7,8-hexaoxonan (Trimer)
  • 3,3,6,6,9,9-Hexamethyl-1,2,4,5,7,8-hexaoxacyclononan
  • Acetonperoxyd (APEX)
Summenformel
  • C6H12O4 (Dimer)
  • C9H18O6 (Trimer)
Kurzbeschreibung

farblose monokline Kristalle mit „würzigem“ Geruch[1]

Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer
  • 1336-17-0 (unspez.)
  • 1073-91-2 (Dimer)
  • 17088-37-8 (Trimer)
PubChem 15908632
Wikidata Q329022
Eigenschaften
Molare Masse 222,24 g·mol−1 (Trimer)
Aggregatzustand

fest

Dichte

1,22 g·cm−3[1]

Schmelzpunkt

91 °C (Trimer)[2][3]

Dampfdruck
  • 6,46 Pa (30 °C, Trimer)[3]
  • 45,53 Pa (50 °C, Trimer)[3]
Löslichkeit
Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung
keine Einstufung verfügbar[4]
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet.
Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen (0 °C, 1000 hPa).

Acetonperoxid oder APEX ist ein hochexplosiver Stoff mit der Schlagempfindlichkeit eines Initialsprengstoffs. Es kommt in den Formen di-, tri- und tetrameres cyclisches Acetonperoxid vor, die unter unterschiedlichen Bedingungen (z. B. in Abhängigkeit vom benutzten Katalysator) in verschiedenen Anteilen entstehen. Nach seiner hauptsächlich vorkommenden trimeren Form ist es auch unter dem Namen Triacetontriperoxid oder kurz TATP bekannt. Das nur in Lösung beständige Dimethyldioxiran kann als das monomere Acetonperoxid angesehen werden.

Acetonperoxid ist, wie die meisten anderen organischen Peroxide und im Unterschied zu weniger gefährlichen Peroxiden wie etwa Dibenzoylperoxid, sehr empfindlich gegen Schlag, Reibung und Wärme. Es zerfällt leicht, was zu heftigen Detonationen führen kann. Aufgrund der leichten Erwerbbarkeit der Ausgangssubstanzen und der einfachen Synthese ist TATP ein häufig genutzter Sprengstoff bei Anschlägen von islamistischen Terroristen.[5]

Geschichte

Acetonperoxid wurde im Jahr 1895 von Richard Wolffenstein an der Technischen Hochschule Charlottenburg bei der Untersuchung der Oxidation von Coniin mit Wasserstoffperoxid in Aceton als Lösungsmittel zufällig entdeckt.[6] Ein Herstellungsverfahren für Acetonperoxid wurde von ihm im Jahr 1895 unter der Nummer D.R.P. 84953 in Deutschland zum Patent angemeldet.[7] Adolf von Baeyer und Victor Villiger publizierten im Jahr 1899 und 1900 einige Artikel über die Bildung dimeren und trimeren Acetonperoxids.[8][9] Im Jahr 1925 wurde es zwar unter der Nummer D.R.P. 423,176 in Deutschland und verschiedenen anderen Ländern von den Sprengstoffwerken Dr. R. Nahnsen & Co. AG, Hamburg als angeblich sicherer und stabiler Initialsprengstoff zum Patent angemeldet,[10] jedoch verhinderten die extreme Schlagempfindlichkeit, Flüchtigkeit (6,5 % in 24 h bei 14–18 °C) und mangelnde Stabilität jegliche praktische Nutzung.[11]

A. E. Thiemann schlug im Jahr 1942 die Nutzung von Acetonperoxid als Zusatz zur Verbesserung der Zündwilligkeit des Dieselkraftstoffs vor,[12] d. h. zur Erhöhung der Cetanzahl. Da es preisgünstigere und ungefährlichere Lösungen gibt, wird es für diesen Zweck nicht verwendet.

Darstellung

Acetonperoxid kann in erheblichen Mengen beim bloßen Vermischen von Aceton mit wasserstoffperoxidhaltigen Lösungen nach mehrtägiger Lagerung des Gemischs entstehen. So entdeckte es der Berliner Chemiker Richard Wolffenstein bereits 1895.[6]

Trimeres Acetonperoxid (Schmelzpunkt 91,5 °C) entsteht bei Einwirken von Wasserstoffperoxid auf Aceton in Gegenwart verdünnter Säuren als Katalysator:[6][9]

Bildung von trimerem Acetonperoxid aus Aceton und Wasserstoffperoxid.
Bildung von trimerem Acetonperoxid aus Aceton und Wasserstoffperoxid.

Bei Anwesenheit von Salzsäure, Schwefelsäure oder Phosphorsäure verlaufen die Reaktionen in Abhängigkeit vom pH-Wert unterschiedlich stark exotherm (Explosionsgefahr). Bei mangelnder Kühlung entsteht bei der Reaktion mit Salzsäure unter Kochen das Tränengas Chloraceton.

Das dimere Produkt lässt sich entweder durch die Umsetzung von Aceton mit Peroxomonoschwefelsäure (Carosche Säure),[8][13] durch die Oxidation von Diisopropylether mit Luftsauerstoff oder durch Ozonolyse herstellen. Bei unsachgemäßer Lagerung von Diisopropylether kann daher Acetonperoxid entstehen. Zur Vernichtung solcher Peroxide werden Kupfer(I)-Verbindungen zur Reduktion eingesetzt.

Tetrameres Acetonperoxid wurde 1998 in obiger Reaktion bei Verwendung von Lewis-Säuren als Katalysator gewonnen.[14]

Eigenschaften

Acetonperoxidkristalle

Acetonperoxid ist flüchtig an Luft (würziger Geruch, Substanzverlust durch Sublimation 6,5 % in 24 Stunden)[1] und flüchtig mit Wasserdampf oder Ether. Trimeres Acetonperoxid zerfällt beim Erwärmen mit verdünnten Säuren (H2SO4 10 %) unter Rückfluss quantitativ in Aceton und Wasserstoffperoxid.[1]

Es wird von Essigsäureanhydrid nicht verändert und reagiert nicht mit Kaliumiodid-Essigsäure. Von 1-molarer Natronlauge wird es auch bei Erwärmen nicht angegriffen. Zinkstaub und Natronlauge reduzieren dimeres Acetonperoxid langsam in der Kälte.

Acetonperoxid ist reizend (bei nur geringer akuter Toxizität), entzündlich und hochexplosiv. Besonders empfindlich ist es auf Zündung durch Flamme, Wärme, Schlag und Reibung. Eine Lagerung unter Wasser verringert die Empfindlichkeit und verhindert die Sublimation. Die Detonationsgeschwindigkeit beträgt 5290–5400 m·s−1 (Dichte 1,18–1,20 g·cm−3) (Trimer).[1] Die Sauerstoffbilanz ist −151,3 %.[2] Die Bleiblockausbauchung beträgt 250 ml/10 g für das Trimer.[2] Die Schlagempfindlichkeit beträgt 0,3 J (Trimer), die Reibempfindlichkeit 0,1 N Stiftbelastung (Trimer).[2]

Die Sprengkraft von Acetonperoxid liegt, je nach Testmethode, bei 80–100 % der Sprengkraft von Trinitrotoluol (TNT). Bei der Explosion von Acetonperoxid entstehen die für die Sprengwirkung verantwortlichen Gasmoleküle, ohne dass es zu einer extremen Hitzeentwicklung kommt, wie dies bei vielen anderen Sprengstoffen üblich ist.[15][16]

In einem Fallhammerversuch mit einem 1-kg-Fallhammer (üblich sind bei normalen Sprengstoffen Untersuchungen mit einem 2-kg-Fallhammer) detoniert es bei einem Schlag aus nur 3 cm Höhe.

Acetonperoxid lässt sich mit herkömmlichen, auf Nitroverbindungen empfindlichen Sprengstoffdetektoren nicht detektieren.

Analytik

Zur sicheren forensischen Identifizierung von TATP an Tatorten oder substanzexponierten Personen kommen nach adäquater Probenahme[17][18] die Kopplung der Gaschromatographie mit der UV-Spektroskopie[19] oder der Massenspektrometrie[20][21] zur Anwendung. Auch die Kopplung der HPLC mit der Massenspektrometrie eignet sich zur Bestimmung von TATP.[22] Ein kürzlich entwickeltes spezifisches elektrochemisches Verfahren erlaubt ebenfalls die Unterscheidung des TATP von Sprengstoffen wie PETN, RDX, HMX und TNT.[23]

Besondere Gefahren

Acetonperoxid ist, wie andere ähnlich gebaute Peroxide, äußerst explosiv. Acetonperoxid-Kristalle sind generell nicht stabil, jederzeit können Kristallbrüche entstehen, die zu einer Spontanexplosion führen, etwa durch Temperatur- und Lichtunterschiede. Trimeres Acetonperoxid sublimiert schon bei 14–18 °C, daher bilden sich bei Raumtemperatur in einem geschlossenen Gefäß im Bereich des Gefäßverschlusses schnell kleine Kristalle aus, die durch die Reibung beim Öffnen des Gefäßes zerbrechen und eine Explosion des Gefäßinhaltes auslösen.

Bei erhöhten Lagertemperaturen zersetzt sich Acetonperoxid innerhalb weniger Stunden. Wird eine Temperatur von 130 °C erreicht, führt dies zur Explosion; es detoniert feucht noch bei einem Wassergehalt von 25 %. Bei direkter Berührung eines einzelnen kleinen Kristalls mit einer Flamme erfolgt dagegen eine relativ harmlose Verpuffung.

Als chemisches Experiment wurde an Schulen und Universitäten gelegentlich das Erhitzen feuchten trimeren Acetonperoxids im Milligramm-Bereich frei auf einer stabilen Eisenplatte bis zum Detonieren des Peroxids vorgeführt. Alternativ kann auf Hexamethylentriperoxiddiamin (HMTD) ausgewichen werden, das bei geringerer Schlagempfindlichkeit und fehlender Tendenz zur Sublimation den gleichen didaktischen Vorführungswert hinsichtlich der Detonation hat. Aufgrund der Handhabungsunsicherheit von Acetonperoxid und HMTD sowie der teils problematischen Vernichtung von Restmengen sind beide Stoffe für Lehrversuche jedoch generell einer kritischen Betrachtung zu unterziehen.

Rechtsstatus

Acetonperoxid ist nach dem SprengG als explosionsgefährlich eingestuft und wurde der Stoffgruppe A zugeordnet.[24] Es unterliegt dem Sprengstoffrecht (insbesondere der Erlaubnispflicht aus § 27 des Sprengstoffgesetzes), sofern keine Ausnahmen nach der 1. Verordnung zum Sprengstoffgesetz für Forschung und Lehre greifen.

Literatur

  • Richard Escales: Initialexplosivstoffe. Survival Press, Radolfzell 2002, ISBN 3-8311-3939-3.
  • Beilsteins Handbuch der Organischen Chemie. Hrsg. v. Beilstein-Inst. für Literatur der Organischen Chemie. 31 Bände. 4. Auflage. Springer, Berlin 1918–31.
  • Alfred Rieche, Kurt Koch: Die Oxydation des Diisopropyläthers. (XIV. Mitteil.) über Äthylperoxyde. In: Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft (A and B Series). 75, 1942, S. 1016, doi:10.1002/cber.19420750815.
  • R. Criegee, W. Schnorrenberg, J. Becke: Zur Konstitution von Ketonperoxyden. In: Justus Liebigs Annalen der Chemie. 565, 1949, S. 7, doi:10.1002/jlac.19495650103.
  • Rudolf Criegee, Karl Metz: Über ein drittes, kristallisiertes Acetonperoxyd. In: Chemische Berichte. 89, 1956, S. 1714, doi:10.1002/cber.19560890720.
  • Tadeusz Urbanski: Chemie und Technologie der Explosivstoffe. Band 3, Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie, Leipzig 1964, S. 194 ff.
  • M. Rohrlich, W. Sauermilch: Sprengtechnische Eigenschaften von Trizykloazetonperoxyd. In: Zeitschrift für das gesamte Schieß- und Sprengstoffwesen. 38, 1943, S. 97–99.
  • J. Gartz: Vom griechischen Feuer zum Dynamit – eine Kulturgeschichte der Explosivstoffe. E. S. Mittler & Sohn, Hamburg 2007, ISBN 978-3-8132-0867-2.
Commons: Acetonperoxid – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b c d e f g Eintrag zu Acetonperoxid. In: Römpp Online. Georg Thieme Verlag, abgerufen am 1. Juni 2014.
  2. a b c d J. Köhler, R. Meyer, A. Homburg: Explosivstoffe. 10., vollständig überarbeitete Auflage. Wiley-VCH, 2008, ISBN 978-3-527-32009-7.
  3. a b c H. Félix-Rivera, M. L. Ramírez-Cedeño, R. A. Sánchez-Cuprill, S. P. Hernández-Rivera: Triacetone triperoxide thermogravimetric study of vapor pressure and enthalpy of sublimation in 303–338 K temperature range. In: Thermochim. Acta. 514, 2011, S. 37–43, doi:10.1016/j.tca.2010.11.034.
  4. Dieser Stoff wurde in Bezug auf seine Gefährlichkeit entweder noch nicht eingestuft oder eine verlässliche und zitierfähige Quelle hierzu wurde noch nicht gefunden.
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  9. a b Adolf Baeyer, Victor Villiger: Ueber die Nomenclatur der Superoxyde und die Superoxyde der Aldehyde. In: Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft. 33, 1900, S. 2479, doi:10.1002/cber.190003302185. (Digitalisat)
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  24. Feststellungsbescheid Nr. 413 vom 26. Februar 2002 der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (PDF online; 53 kB).