„Krakauer Auschwitzprozess“ – Versionsunterschied

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Im '''Krakauer Auschwitzprozess''' waren 40 frühere [[Schutzstaffel|SS]]-Wächter des Konzentrations- und Vernichtungslagerkomplexes [[KZ Auschwitz|Auschwitz]] angeklagt. Der Prozess fand in [[Krakau]] (poln. Kraków), [[Polen]], vor dem [[Oberstes Nationales Tribunal Polens|Obersten Nationalen Tribunal Polens]] statt. Er begann am 24. November 1947 und endete am 22. Dezember 1947 mit dem Urteil. Das Verfahren war durch die von [[Jan Sehn]] geleitete Krakauer Bezirkskommission zur Untersuchung der deutschen Verbrechen vorbereitet worden. Den Vorsitz im Prozess hatte Richter Alfred Eimer, der im März 1947 den Prozess gegen [[Rudolf Höß]] in Warschau geleitet hatte.<ref>{{Literatur |Autor=Sybille Steinbacher |Titel=Auschwitz: Geschichte und Nachgeschichte |Verlag=C.H.Beck |Datum=2015 |ISBN=978-3-406-67628-4 |Online=https://books.google.de/books?id=-f0uBgAAQBAJ&pg=PA109&lpg=PA109&dq=%22alfred+eimer%22+1947&source=bl&ots=Yik6dsphcE&sig=ACfU3U0yRFO174A5YnmMWhpljeoIwrpzzg&hl=de&sa=X&ved=2ahUKEwji0onP28LqAhUyxKYKHX3ECqgQ6AEwAHoECEwQAQ#v=onepage&q=%22alfred%20eimer%22%201947&f=false |Abruf=2020-07-10}}</ref> 23 Angeklagte wurden zum Tode verurteilt (zwei wurden anschließend begnadigt), 16 erhielten Haftstrafen, einer wurde freigesprochen.
Der '''Krakauer Auschwitzprozess''' begann am 24. November 1947 in [[Krakau]] (poln. Kraków), Polen, gegen 40 frühere [[Schutzstaffel|SS]]-Wächter des [[KZ Auschwitz]] im Komplex der deutschen Todes-, Arbeits- und Konzentrationslager bei Krakau. Das Verfahren vor dem [[Oberstes Nationales Tribunal Polens|Obersten Nationalen Tribunal Polens]] endete am 22. Dezember 1947.


== Angeklagte ==
Bekannte Angeklagte waren [[Arthur Liebehenschel]], früherer Kommandant; [[Maria Mandl]], Oberaufseherin des Frauen-Konzentrationslagers in Auschwitz-Birkenau ab September 1942 (außer ihr waren noch vier Aufseherinnen angeklagt) und der SS-Arzt [[Johann Paul Kremer]], bekannt unter anderem durch sein Tagebuch aus dem Jahr 1942.
Mit [[Arthur Liebehenschel]] stand einer der drei Kommandanten des Lagers Auschwitz in diesem Verfahren vor Gericht. Er galt im Vergleich zu seinem Vorgänger [[Rudolf Höß]] und seinem Nachfolger [[Richard Baer]] als gemäßigter Führer, der die Zustände im Lager besserte und Strafen abschaffte. Die weiteren Hauptangeklagten [[Maximilian Grabner]], der berüchtigte Chef der Politischen Abteilung, Lagerführer [[Hans Aumeier]] und die Oberaufseherin des Frauenlagers [[Maria Mandl]] hingegen galten als Schrecken der Häftlinge; sie konnten unzähliger Morde von eigener Hand überführt werden.


Weitere prominente Angeklagte waren der Chef der Krematorien und Gaskammern [[Erich Mußfeldt]], die Blockführer des [[Block 11 (KZ Auschwitz)|Todesblocks 11]] mit der [[Schwarze Wand (KZ Auschwitz)|Schwarzen Wand]], [[Wilhelm Gehring]] und Kurt Hugo Müller, die Lager- und Rapportführer [[Fritz Buntrock]], [[Ludwig Plagge]] und [[Otto Lätsch]] sowie die aufgrund ihrer Brutalität gefürchteten Aufseherinnen [[Therese Brandl]], [[Alice Orlowski]], [[Luise Danz]] und [[Hildegard Lächert]], genannt die „blutige Brigitte“.
Die Anklageerhebung in diesem Verfahren vor dem Nationalen obersten Gericht (polnisch ''Najwyższy Trybunał Narodowy'', NTN, errichtet am 22. Januar 1946 zur Verurteilung von Kriegsverbrechen) wurde durch das [[Institut für Nationales Gedenken]] (Instytut Pamięci Narodowej, IPN) in [[Kattowitz]] (poln. Katowice) vorbereitet. Die Ergebnisse des Verfahrens wurden später in der [[Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen|Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen]] in der Bundesrepublik Deutschland weiter verwendet.


Der Universitätsprofessor [[Johann Paul Kremer]] wurde für die Selektion von fast 50.000 Menschen zur Tötung in den Gaskammern binnen weniger Monate, die er in seinem Tagebuch auch selbst beschrieb, zum Tod am Strang verurteilt, jedoch am Tag der Hinrichtung aufgrund seines Alters zu lebenslanger Haft begnadigt.<ref>{{Literatur |Autor=Ernst Klee |Titel=Auschwitz. Täter, Gehilfen, Opfer und was aus ihnen wurde. Ein Personenlexikon. |Auflage=1 |Verlag=S. Fischer |Ort=Frankfurt am Main |Datum=2013 |ISBN=978-3-10-039333-3 |Seiten=236}}</ref> Sein Kollege [[Hans Münch (Mediziner)|Hans Münch]] hatte sich dem Rampen- und Gaskammerdienst entziehen können und verbuchte positive Zeugenaussagen für sich; er wurde als einziger Angeklagter freigesprochen.
== Die 40 Urteile im Einzelnen ==


[[Arthur Breitwieser]] und [[Hans Koch (SS-Mitglied)|Hans Koch]] waren [[Sanitätswesen (KZ)|Sanitätsdienstgrade]] (SDG) gewesen. Aufgabe der SDG war weniger die medizinische Versorgung der Häftlinge als ihre Tötung. Seit Beginn der massenweisen Vergasung von Menschen im Frühjahr 1942 fiel ihnen die Aufgabe zu, das gebundene [[Zyklon B]] in die Öffnungen der jeweiligen [[Gaskammern und Krematorien der Konzentrationslager Auschwitz|Gaskammern]] zu kippen. Sie waren damit das letzte und tödlichste Glied der langen Kette von Tätern des [[Holocaust]]. Gegen Arthur Breitwieser wurde zunächst die Todesstrafe verhängt, zunehmende Zweifel ob seiner Beteiligung an den Vergasungen führten jedoch zur Begnadigung. Hans Koch machte gesundheitliche Probleme während seiner Einsätze geltend und wurde zu lebenslanger Haft verurteilt.

Neben Tätern, die den Häftlingen bekannt geworden waren, fanden sich auch bürokratisch im Hintergrund wirkende Männer auf der Anklagebank wieder, so der Rechnungsführer Richard Schröder, der Waffenmeister Karl Seufert und der Kommandanturspieß Detlef Nebbe.

== Die 40 Urteile im Einzelnen ==
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|[[Arthur Liebehenschel]]
|[[Arthur Liebehenschel]]
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|Todesurteil, hingerichtet
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|[[Hans Aumeier]]
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|Todesurteil, hingerichtet
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|[[August Bogusch]]
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|[[Therese Brandl]]
|[[Therese Brandl]]
|Aufseherin
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|Todesurteil, hingerichtet
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|[[Fritz Buntrock]]
|[[Fritz Buntrock]]
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|[[Wilhelm Gehring]]
|[[Wilhelm Gehring]]
|Blockführer und Lagerführer
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|Todesurteil, hingerichtet
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|[[Paul Götze (SS-Mitglied)|Paul Götze]]
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|Blockführer
|Todesurteil, hingerichtet
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|[[Maximilian Grabner]]
|[[Maximilian Grabner]]
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|Leiter der [[Politische Abteilung (KZ)|Politischen Abteilung]]
|Todesurteil, hingerichtet
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|[[Heinrich Josten]]
|[[Heinrich Josten]]
|Kommandeur der Wachmannschaft, Zweiter Schutzhaftlagerführer
|Kommandeur der Wachmannschaft
|Todesurteil, hingerichtet
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|[[Hermann Kirschner]]
|[[Hermann Kirschner]]
|Blockführer
|Blockführer
|Todesurteil, hingerichtet
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|[[Josef Kollmer]]
|[[Josef Kollmer]]
|Kompanieführer bei der Wachmannschaft
|Kommandeur der Wachmannschaft
|Todesurteil, hingerichtet
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|[[Franz Kraus (SS-Mitglied)|Franz Kraus]]
|[[Franz Kraus (SS-Mitglied)|Franz Kraus]]
|[[Standortverwaltung (KZ)|Verwaltungsführer]]
|[[Standortverwaltung (KZ)|Verwaltungsführer]]
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|Todesurteil, hingerichtet
|[[Otto Lätsch]]
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|[[Herbert Ludwig]]
|[[Herbert Ludwig]]
|Blockführer
|Blockführer
|Todesurteil, hingerichtet
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|[[Karl Möckel]]
|[[Karl Möckel]]
|Chef der Standortverwaltung
|Verwaltungsführer
|Todesurteil, hingerichtet
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|Kurt Hugo Müller
|Kurt Hugo Müller
|Blockführer
|Blockführer in Block 11
|Todesurteil, hingerichtet
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|[[Erich Mußfeldt]]
|[[Erich Mußfeldt]]
|Leiter der Krematorien
|Leiter der Krematorien
|Todesurteil, hingerichtet
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|[[Ludwig Plagge]]
|[[Ludwig Plagge]]
|Rapportführer
|Rapportführer
|Todesurteil, hingerichtet
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|Hans Schumacher
|Hans Schumacher
|Mitglied der Standortverwaltung
|stellvertr. Häftlingsmagazinverwalter
|Todesurteil, hingerichtet
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|[[Paul Szczurek]]
|[[Paul Szczurek]]
|Blockführer und Kommandoführer
|Blockführer und Kommandoführer
|Todesurteil, hingerichtet
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|[[Arthur Breitwieser]]
|[[Arthur Breitwieser]]
|SS-Sanitätsdienstgrad (SDG)
|Häftlingsbekleidungskammer
|Todesurteil, im Gnadenweg zu lebenslanger Haft umgewandelt
|Todesurteil, begnadigt zu lebenslanger Haft, Entlassung 18. Januar 1959
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|[[Johann Paul Kremer]]
|[[Johann Paul Kremer]]
|[[KZ-Arzt|Lagerarzt]]
|[[KZ-Arzt|Lagerarzt]]
|Todesurteil, im Gnadenweg zu lebenslanger Haft umgewandelt
|Todesurteil, begnadigt zu lebenslanger Haft, Entlassung 9. Januar 1958
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|[[Luise Danz]]
|[[Luise Danz]]
|Aufseherin
|Aufseherin
|lebenslange Haftstrafe, Entlassung 1956
|[[Lebenslange Freiheitsstrafe|lebenslange Haftstrafe]], Entlassung 20. August 1957
|-
|-
|Hans Koch
|[[Hans Koch (SS-Mitglied)|Hans Koch]]
|''Führer des Desinfektionskommandos''
|Führer des Desinfektions- und Vergasungskommandos
|lebenslange Haftstrafe, 1955 im Gefängnis verstorben
|lebenslange Haftstrafe, verstorben in Haft 14. Juli 1955
|-
|-
|[[Anton Lechner]]
|[[Anton Lechner (SS-Mitglied)|Anton Lechner]]
|Angehöriger der Standortverwaltung
|Angehöriger der Standortverwaltung
|lebenslange Haftstrafe
|lebenslange Haftstrafe, Entlassung 1957
|-
|-
|[[Adolf Medefind]]
|[[Adolf Medefind]]
|stellv. Leiter des Verpflegungsmagazins
|stellv. Leiter des Verpflegungsmagazins
|lebenslange Haftstrafe
|lebenslange Haftstrafe, verstorben in Haft 8. August 1948
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|[[Detlef Nebbe]]
|[[Detlef Nebbe]]
|Spieß bei Wachkompanien und der Lagerkommandantur
|Spieß der Kommandantur
|lebenslange Haftstrafe
|lebenslange Haftstrafe, Entlassung 24. Oktober 1956
|-
|-
|[[Karl Seufert]]
|[[Karl Seufert]]
|Blockführer und Leiter der Abteilung Waffen und Geräte
|Leiter der Abteilung Waffen und Geräte
|lebenslange Haftstrafe
|lebenslange Haftstrafe, Entlassung 2. November 1957
|-
|-
|[[Alexander Bülow]]
|[[Alexander Bülow]]
|Blockführer
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|15 Jahre Haftstrafe
|15 Jahre [[Freiheitsstrafe|Haftstrafe]], Entlassung 1956
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|Hans Hofmann
|Hans Hoffmann
|Mitglied der Politischen Abteilung
|
|15 Jahre Haftstrafe, Entlassung 1956
|15 Jahre Haftstrafe, Entlassung 28. Juli 1956
|-
|-
|[[Hildegard Lächert]]
|[[Hildegard Lächert]]
|Aufseherin
|Aufseherin
|15 Jahre Haftstrafe
|15 Jahre Haftstrafe, Entlassung 1956
|-
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|[[Eduard Lorenz]]
|[[Eduard Lorenz]]
|Fahrbereitschaft
|stellvertretender Leiter der Fahrbereitschaft
|15 Jahre Haftstrafe
|15 Jahre Haftstrafe, Entlassung 8. Dezember 1955
|-
|-
|[[Alice Orlowski]]
|[[Alice Orlowski]]
|Aufseherin
|Kommandoführerin
|15 Jahre Haftstrafe
|15 Jahre Haftstrafe, Entlassung 19. Dezember 1956
|-
|-
|[[Franz Romeikat]]
|[[Franz Romeikat]]
|Mitglied der Standortverwaltung
|Unterabteilung Wertsachen
|15 Jahre Haftstrafe
|15 Jahre Haftstrafe, Entlassung 25. Juni 1956
|-
|-
|Johannes Weber
|Johannes Weber
|Leiter von Häftlingsküchen
|Leiter von Häftlingsküchen
|15 Jahre Haftstrafe
|15 Jahre Haftstrafe, verstorben in Haft 11. Oktober 1949
|-
|-
|Richard Schröder
|Richard Schröder
|Rechnungsführer der Standortverwaltung
|Rechnungsführer der Standortverwaltung
|10 Jahre Haftstrafe
|10 Jahre Haftstrafe, Entlassung 1953
|-
|-
|[[Erich Dinges]]
|[[Erich Dinges]]
|Mitglied der Fahrbereitschaft
|Fahrbereitschaft der Zentralbauleitung
|5 Jahre Haftstrafe
|5 Jahre Haftstrafe, Entlassung 1953
|-
|-
|[[Karl Jeschke]]
|[[Karl Jeschke]]
|Wachmann
|Wachmann
|3 Jahre Haftstrafe
|3 Jahre Haftstrafe, Entlassung 18. April 1950
|-
|-
|[[Hans Münch]]
|[[Hans Münch (Mediziner)|Hans Münch]]
|[[KZ-Arzt|Lagerarzt]]
|[[KZ-Arzt|Lagerarzt]]
|Freispruch
|[[Freispruch]]
|}
|}


== Schicksal der Verurteilten ==
== Vollstreckungen ==
Die zum Tode Verurteilten wurden am 24. Januar 1948 im Krakauer [[Gefängnis Montelupich]] [[Erhängen|erhängt]]. Johann Kremer wurde im Januar 1958 wegen guter Führung entlassen und in die Bundesrepublik Deutschland abgeschoben. Arthur Breitwieser wurde Januar 1959 ebenfalls in die Bundesrepublik Deutschland entlassen.
Von den 23 Todesurteilen wurden 21 vollstreckt. Die Hinrichtungen wurden am 24. Januar 1948 im Krakauer [[Gefängnis Montelupich]] durch [[Hängen|Erhängen]] vollzogen. Zwei Todesurteile wurden in lebenslange Haftstrafen umgewandelt.


Vier der Inhaftierten starben während ihres Gefängnisaufenthalts, aller Wahrscheinlichkeit nach an [[Tuberkulose]]. Die anderen zu Haftstrafen verurteilten bzw. begnadigten SS-Leute wurden spätestens 1959 entlassen und nach Deutschland abgeschoben, wo sie mitunter erneut gerichtlich belangt wurden.<ref>{{Literatur |Autor=Ernst Klee |Titel=Auschwitz. Täter, Gehilfen, Opfer und was aus ihnen wurde. Ein Personenlexikon. |Hrsg= |Sammelwerk= |Band= |Nummer= |Auflage=1 |Verlag=S. Fischer |Ort=Frankfurt am Main |Datum=2013 |ISBN=978-3-10-039333-3 |Seiten=93, 224, 273}}</ref>
== Zeugen (Auswahl) ==

* [[Józef Szajna]]
== Bedeutung ==
Der Krakauer Auschwitzprozess gilt als der erste [[Auschwitzprozesse|Auschwitzprozess]]. Allerdings waren schon beim ersten [[Bergen-Belsen-Prozess]] (17. September bis 17. November 1945 in [[Lüneburg]]) Verbrechen im KZ Auschwitz angeklagt worden, da einige der Angeklagten vor ihrem Einsatz im [[KZ Bergen-Belsen]] im KZ Auschwitz tätig gewesen waren.

Der Krakauer Auschwitzprozess diente als Vorbild für zahlreiche ähnliche Verfahren gegen hunderte ehemalige SS-Angehörige, die in den ersten Nachkriegsjahren in Polen, vornehmlich in Krakau und [[Wadowice]], stattfanden.<ref>{{Literatur |Autor=Ernst Klee |Titel=Auschwitz. Täter, Gehilfen, Opfer und was aus ihnen wurde. Ein Personenlexikon. |Auflage=1 |Verlag=S. Fischer |Ort=Frankfurt am Main |Datum=2013 |ISBN=978-3-10-039333-3 |Seiten=213}}</ref> Die Ergebnisse dieser Verfahren wurden später von der [[Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen|Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen]] in der Bundesrepublik Deutschland ausgewertet und für den ersten [[Frankfurter Auschwitz-Prozess|Frankfurter Auschwitzprozess]] (1963–1965) verwendet.


== Siehe auch ==
== Siehe auch ==
* [[Auschwitzprozesse]]
* Die 13 [[Nürnberger Prozesse]] vor dem Internationalen Militärgerichtshof von November 1945 bis 1948
* [[Nürnberger Prozesse]] (1945 bis 1949)
* Der erste [[Bergen-Belsen-Prozess]] vor einem britischen [[Militärgericht]] in [[Lüneburg]] gegen das Führungspersonal des [[KZ Bergen-Belsen]] vom 17. September bis 17. November 1945. Da ein Teil der Angeklagten zuvor im KZ Auschwitz tätig war, wurde bei diesen die Anklage neben der Verhandlung der Verbrechen in Bergen-Belsen auch auf die Verbrechen im KZ Auschwitz ausgedehnt. Daher kann dieser Prozess auch als ein erster Auschwitz-Prozess bezeichnet werden.
* [[Józef Szajna]] (einer der Zeugen)
* Der [[Rudolf Höß|Höß-Prozess]] (11.–29. März 1947 in Warschau, Polen); gegen den ehemaligen SS-Kommandanten Rudolf Höß ebenfalls vor dem Nationalen obersten Gericht (pl. NTN)
* Sechs deutsche [[Auschwitzprozesse|Frankfurter Auschwitzprozesse]] (1963/1965 der 1. und 1965/1966 der 2. Auschwitzprozess sowie 4 Nachfolgeprozesse in den 1970er-Jahren)


== Literatur ==
== Literatur ==
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== Weblinks ==
== Weblinks ==
* [http://www.sonderkommando.info/proces/cracovie/accuses/index.html Fotos der Angeklagten]
* [http://www.sonderkommando.info/proces/cracovie/accuses/index.html Fotos der Angeklagten]

== Einzelnachweise ==
<references />


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[[Kategorie:Volksrepublik Polen]]
[[Kategorie:Volksrepublik Polen]]
[[Kategorie:Geschichte von Krakau]]
[[Kategorie:Geschichte von Krakau]]
[[Kategorie:Gerichtsprozess (20. Jahrhundert)]]
[[Kategorie:Ereignis 1947]]
[[Kategorie:Ereignis 1947]]

Aktuelle Version vom 13. Juni 2024, 10:38 Uhr

Angeklagte im Krakauer Auschwitzprozess (1947)

Im Krakauer Auschwitzprozess waren 40 frühere SS-Wächter des Konzentrations- und Vernichtungslagerkomplexes Auschwitz angeklagt. Der Prozess fand in Krakau (poln. Kraków), Polen, vor dem Obersten Nationalen Tribunal Polens statt. Er begann am 24. November 1947 und endete am 22. Dezember 1947 mit dem Urteil. Das Verfahren war durch die von Jan Sehn geleitete Krakauer Bezirkskommission zur Untersuchung der deutschen Verbrechen vorbereitet worden. Den Vorsitz im Prozess hatte Richter Alfred Eimer, der im März 1947 den Prozess gegen Rudolf Höß in Warschau geleitet hatte.[1] 23 Angeklagte wurden zum Tode verurteilt (zwei wurden anschließend begnadigt), 16 erhielten Haftstrafen, einer wurde freigesprochen.

Angeklagte

Mit Arthur Liebehenschel stand einer der drei Kommandanten des Lagers Auschwitz in diesem Verfahren vor Gericht. Er galt im Vergleich zu seinem Vorgänger Rudolf Höß und seinem Nachfolger Richard Baer als gemäßigter Führer, der die Zustände im Lager besserte und Strafen abschaffte. Die weiteren Hauptangeklagten Maximilian Grabner, der berüchtigte Chef der Politischen Abteilung, Lagerführer Hans Aumeier und die Oberaufseherin des Frauenlagers Maria Mandl hingegen galten als Schrecken der Häftlinge; sie konnten unzähliger Morde von eigener Hand überführt werden.

Weitere prominente Angeklagte waren der Chef der Krematorien und Gaskammern Erich Mußfeldt, die Blockführer des Todesblocks 11 mit der Schwarzen Wand, Wilhelm Gehring und Kurt Hugo Müller, die Lager- und Rapportführer Fritz Buntrock, Ludwig Plagge und Otto Lätsch sowie die aufgrund ihrer Brutalität gefürchteten Aufseherinnen Therese Brandl, Alice Orlowski, Luise Danz und Hildegard Lächert, genannt die „blutige Brigitte“.

Der Universitätsprofessor Johann Paul Kremer wurde für die Selektion von fast 50.000 Menschen zur Tötung in den Gaskammern binnen weniger Monate, die er in seinem Tagebuch auch selbst beschrieb, zum Tod am Strang verurteilt, jedoch am Tag der Hinrichtung aufgrund seines Alters zu lebenslanger Haft begnadigt.[2] Sein Kollege Hans Münch hatte sich dem Rampen- und Gaskammerdienst entziehen können und verbuchte positive Zeugenaussagen für sich; er wurde als einziger Angeklagter freigesprochen.

Arthur Breitwieser und Hans Koch waren Sanitätsdienstgrade (SDG) gewesen. Aufgabe der SDG war weniger die medizinische Versorgung der Häftlinge als ihre Tötung. Seit Beginn der massenweisen Vergasung von Menschen im Frühjahr 1942 fiel ihnen die Aufgabe zu, das gebundene Zyklon B in die Öffnungen der jeweiligen Gaskammern zu kippen. Sie waren damit das letzte und tödlichste Glied der langen Kette von Tätern des Holocaust. Gegen Arthur Breitwieser wurde zunächst die Todesstrafe verhängt, zunehmende Zweifel ob seiner Beteiligung an den Vergasungen führten jedoch zur Begnadigung. Hans Koch machte gesundheitliche Probleme während seiner Einsätze geltend und wurde zu lebenslanger Haft verurteilt.

Neben Tätern, die den Häftlingen bekannt geworden waren, fanden sich auch bürokratisch im Hintergrund wirkende Männer auf der Anklagebank wieder, so der Rechnungsführer Richard Schröder, der Waffenmeister Karl Seufert und der Kommandanturspieß Detlef Nebbe.

Die 40 Urteile im Einzelnen

Angeklagter Funktion Urteil
Arthur Liebehenschel Lagerkommandant im Stammlager des KZ Auschwitz Todesurteil, hingerichtet 24. Januar 1948
Maria Mandl Oberaufseherin
Hans Aumeier Schutzhaftlagerführer
August Bogusch Blockführer
Therese Brandl Aufseherin
Fritz Buntrock Rapportführer
Wilhelm Gehring Blockführer in Block 11
Paul Götze Blockführer
Maximilian Grabner Leiter der Politischen Abteilung
Heinrich Josten Kommandeur der Wachmannschaft
Hermann Kirschner Blockführer
Josef Kollmer Kommandeur der Wachmannschaft
Franz Kraus Verwaltungsführer
Otto Lätsch Lagerführer Gleiwitz IV
Herbert Ludwig Blockführer
Karl Möckel Chef der Standortverwaltung
Kurt Hugo Müller Blockführer in Block 11
Erich Mußfeldt Leiter der Krematorien
Ludwig Plagge Rapportführer
Hans Schumacher Mitglied der Standortverwaltung
Paul Szczurek Blockführer und Kommandoführer
Arthur Breitwieser SS-Sanitätsdienstgrad (SDG) Todesurteil, begnadigt zu lebenslanger Haft, Entlassung 18. Januar 1959
Johann Paul Kremer Lagerarzt Todesurteil, begnadigt zu lebenslanger Haft, Entlassung 9. Januar 1958
Luise Danz Aufseherin lebenslange Haftstrafe, Entlassung 20. August 1957
Hans Koch Führer des Desinfektions- und Vergasungskommandos lebenslange Haftstrafe, verstorben in Haft 14. Juli 1955
Anton Lechner Angehöriger der Standortverwaltung lebenslange Haftstrafe, Entlassung 1957
Adolf Medefind stellv. Leiter des Verpflegungsmagazins lebenslange Haftstrafe, verstorben in Haft 8. August 1948
Detlef Nebbe Spieß der Kommandantur lebenslange Haftstrafe, Entlassung 24. Oktober 1956
Karl Seufert Leiter der Abteilung Waffen und Geräte lebenslange Haftstrafe, Entlassung 2. November 1957
Alexander Bülow Blockführer 15 Jahre Haftstrafe, Entlassung 1956
Hans Hoffmann Mitglied der Politischen Abteilung 15 Jahre Haftstrafe, Entlassung 28. Juli 1956
Hildegard Lächert Aufseherin 15 Jahre Haftstrafe, Entlassung 1956
Eduard Lorenz stellvertretender Leiter der Fahrbereitschaft 15 Jahre Haftstrafe, Entlassung 8. Dezember 1955
Alice Orlowski Aufseherin 15 Jahre Haftstrafe, Entlassung 19. Dezember 1956
Franz Romeikat Mitglied der Standortverwaltung 15 Jahre Haftstrafe, Entlassung 25. Juni 1956
Johannes Weber Leiter von Häftlingsküchen 15 Jahre Haftstrafe, verstorben in Haft 11. Oktober 1949
Richard Schröder Rechnungsführer der Standortverwaltung 10 Jahre Haftstrafe, Entlassung 1953
Erich Dinges Mitglied der Fahrbereitschaft 5 Jahre Haftstrafe, Entlassung 1953
Karl Jeschke Wachmann 3 Jahre Haftstrafe, Entlassung 18. April 1950
Hans Münch Lagerarzt Freispruch

Schicksal der Verurteilten

Von den 23 Todesurteilen wurden 21 vollstreckt. Die Hinrichtungen wurden am 24. Januar 1948 im Krakauer Gefängnis Montelupich durch Erhängen vollzogen. Zwei Todesurteile wurden in lebenslange Haftstrafen umgewandelt.

Vier der Inhaftierten starben während ihres Gefängnisaufenthalts, aller Wahrscheinlichkeit nach an Tuberkulose. Die anderen zu Haftstrafen verurteilten bzw. begnadigten SS-Leute wurden spätestens 1959 entlassen und nach Deutschland abgeschoben, wo sie mitunter erneut gerichtlich belangt wurden.[3]

Bedeutung

Der Krakauer Auschwitzprozess gilt als der erste Auschwitzprozess. Allerdings waren schon beim ersten Bergen-Belsen-Prozess (17. September bis 17. November 1945 in Lüneburg) Verbrechen im KZ Auschwitz angeklagt worden, da einige der Angeklagten vor ihrem Einsatz im KZ Bergen-Belsen im KZ Auschwitz tätig gewesen waren.

Der Krakauer Auschwitzprozess diente als Vorbild für zahlreiche ähnliche Verfahren gegen hunderte ehemalige SS-Angehörige, die in den ersten Nachkriegsjahren in Polen, vornehmlich in Krakau und Wadowice, stattfanden.[4] Die Ergebnisse dieser Verfahren wurden später von der Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen in der Bundesrepublik Deutschland ausgewertet und für den ersten Frankfurter Auschwitzprozess (1963–1965) verwendet.

Siehe auch

Literatur

  • Ernst Klee: Auschwitz. Täter, Gehilfen, Opfer und was aus ihnen wurde. Ein Personenlexikon. S. Fischer, Frankfurt am Main 2013, ISBN 978-3-10-039333-3. (Kurzbiografien der Angeklagten)

Einzelnachweise

  1. Sybille Steinbacher: Auschwitz: Geschichte und Nachgeschichte. C.H.Beck, 2015, ISBN 978-3-406-67628-4 (google.de [abgerufen am 10. Juli 2020]).
  2. Ernst Klee: Auschwitz. Täter, Gehilfen, Opfer und was aus ihnen wurde. Ein Personenlexikon. 1. Auflage. S. Fischer, Frankfurt am Main 2013, ISBN 978-3-10-039333-3, S. 236.
  3. Ernst Klee: Auschwitz. Täter, Gehilfen, Opfer und was aus ihnen wurde. Ein Personenlexikon. 1. Auflage. S. Fischer, Frankfurt am Main 2013, ISBN 978-3-10-039333-3, S. 93, 224, 273.
  4. Ernst Klee: Auschwitz. Täter, Gehilfen, Opfer und was aus ihnen wurde. Ein Personenlexikon. 1. Auflage. S. Fischer, Frankfurt am Main 2013, ISBN 978-3-10-039333-3, S. 213.