Staatszug (DDR)

Der Staatszug der Deutschen Demokratischen Republik wurde von der dortigen Partei- und Staatsspitze für Reisen im In- und Ausland genutzt.

Altbaufahrzeuge

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs waren nur wenige Salonwagen erhalten (so Wagen 10205, dieser verblieb im Westen). Der Wagen 10206 wurde zuvor zerstört. Aus dem Fuhrpark des Dritten Reiches gelangte daher kein Exemplar in die Sowjetischen Besatzungszone. Als bei der Besatzungsmacht und anschließend bei der Parteiführung in der DDR wieder Bedarf an Salonwagen entstand, wurden deshalb zunächst ältere Schlafwagen und Speisewagen von der Deutschen Reichsbahn zu „Dienstreisewagen“ umgebaut, einige auch mit der Möglichkeit, sie auf russische Breitspur umzuspuren. Zu den umgebauten Fahrzeugen gehörten die Dieseltriebwagen 137 185, 137 100 und 137 088.[1] Nach Gründung der DDR am 7. Oktober 1949 wurden die Salonwagen in Berlin zusammengezogen und neu ausgestattet und der Triebwagen 137 225 (später 183 252) zu einem Salontriebwagen für die DDR-Regierung umgebaut. Der Triebwagen wurde meistens im Bahnhof Velten (Mark) abgestellt.[2]

NutzungNummer (Anfangs)Nummer (Ende)BaujahrBesitzerZustandAnmerkung
Triebwagen137 255183 2521949Eisenbahnmuseum LeipzigOriginal137 185, 137 100 und 137 088 in Berlin zusammengezogen und neu ausgestattet
Salon-Speisewagen61 80 88-80 0541928Stiftung Kultur auf SchienenOriginal (in Aufarbeitung)mit Küche
Altbau-Salonwagen60 50 89-25 0131928Stiftung Kultur auf SchienenOriginal (in Aufarbeitung)1951 umgebaut auf basis WLAB der Mitropa
Altbau-Speisewagen60 50 88-40 05261 50 89-25 0131928Stiftung Kultur auf SchienenOriginal1928–1951 im Führungszuges des Verteidigungsministeriums

Neubaufahrzeuge

Ab 1966, überwiegend 1969, wurden zahlreiche neue Salonwagen gebaut, im Stile des 70er Jahre-Zeitgeistes und im Stil angelehnt an die damals modernsten Schnellzugwagen der Deutschen Reichsbahn für den internationalen Verkehr. Die Wagen wurden in Görlitz, Bautzen, Niesky, Delitzsch und Gotha teilweise mit zusätzlichen Drehgestellen für die Spurweite 1520 mm gebaut. Umspurbare Wagen sind an verstellbaren Übergangsbrücken mit zusätzlichen Anschlägen in größerer Höhe, drei Schlusssignallampen pro Wagenende und Kopfstücken mit Aufnahmen für Mittelpufferkupplungen der Bauart SA-3 mit Pendelrückstellung erkennbar. Die Umspurbarkeit im Betrieb wurde nicht im Austauschmerkmal gekennzeichnet. Die Wagen des NVA-Stabszugbestandes waren nicht auf das Umspuren im laufenden Betrieb vorbereitet.

NutzungNummer (Anfangs)Nummer (Ende)BaujahrBesitzerZustandAnmerkung
Salonwagen A60 50 89-40 00660 80 99-80 0061966Wolkensteiner ZughotelOriginal1989 außer Dienst gestellt
Salonwagen A60 50 89-40 00861 80 99-80 0081969PrivatOriginal?Wagen für Walter Ulbricht, später für Erich Honecker
Begleitwagen zum Salonwagen A60 50 89-40 00761 80 99-10 3771967Eisenbahnmuseum LeipzigOriginal (in Aufarbeitung)Baujahr 1967, ab 1992 Bahndienstwagen, zwischenzeitliche Nummer 61 50 89-80 007
Salonwagen B60 50 89-40 00961 80 89-80 0091969Stiftung Kultur auf SchienenOriginal (in Aufarbeitung)mit Küche
Salonwagen B60 50 89-40 01061 80 89-80 0101969Stiftung Kultur auf SchienenOriginal (in Aufarbeitung)mit Küche
Salonwagen B60 50 89-40 01161 80 89-80 0111969Stiftung Kultur auf SchienenOriginalohne Küche
Salonspeisewagen60 50 89-40 05361 80 88-80 0531969Lokschuppen Pomerania e. V.Originalmit Küche
Salonspeisewagen60 50 89-40 05461 80 88-80 0541969PrivatOriginal?mit Küche
Salonspeisewagen60 50 88-40 05561 80 88-80 0551969Stiftung Kultur auf SchienenOriginal (in Aufarbeitung)ohne Küche
Salonspeisewagen60 50 88-40 05661 80 88-80 0561969Stiftung Kultur auf SchienenOriginal (in Aufarbeitung)ohne Küche
Salonküchenwagen60 50 88-40 05761 80 88-80 0571969Stiftung Kultur auf SchienenOriginal (in Aufarbeitung)war 1998 in Köln Hauptbahnhof zusammen mit dem Speisewagen des NVA-Führungszuges ersatzweise als Kantine eingesetzt
Begleiter- und Personalschlafwagen60 50 70-40 10361 80 70-80 1031969Lokschuppen Pomerania e. V.Original
Begleiter und Personalschlafwagen60 50 70-40 10461 80 70-80 1041969Lokschuppen Pomerania e. V.Original
Salonschlafwagen60 50 70-40 10561 80 70-80 1051969DB Museum KoblenzOriginalohne medizinisches Abteil
Salonschlafwagen60 50 70-40 10661 80 70-80 1061969Station Burgsee Restaurantnicht mehr Originalohne medizinisches Abteil
Salonschlafwagen60 50 70-40 10761 80 70-80 1071969Stiftung Kultur auf SchienenOriginal (in Aufarbeitung)mit medizinischem Abteil
Begleitwagen zum Salonwagen A60 50 70-40 10861 80 70-80 1081969Stiftung Kultur auf SchienenOriginal (in Aufarbeitung)Baujahr 1969
Begleitwagen zum Salonwagen B60 50 70-40 10961 80 70-80 1091969Lokschuppen Pomerania e. V.Original
Proviantkühlwagen59-00661 80 99-10 1001958verschrottetMaschinenkühlwagen Typ MK4, 1973 ausgemustert
Nachrichtenwagen60 50 70-40 16161 80 99-68 7071969PrivatOriginal?ab 1992 Messbeiwagen für Funk- und Nachrichtentechnikmessungen
Nachrichtenwagen60 50 70-40 16261 80 99-68 7081969PrivatOriginal?ab 1992 Messbeiwagen für Funk- und Nachrichtentechnikmessungen
Salon-Maschinengepäckwagen60 50 92-40 20361 80 92-80 2031969Stiftung Kultur auf SchienenOriginal (in Aufarbeitung)Länge 24,5 m
Salon-Maschinengepäckwagen60 50 92-40 20461 80 92-80 2041969Stiftung Kultur auf SchienenOriginal (in Aufarbeitung)Länge 24,5 m
Salon-Maschinengepäckwagen60 50 95-40 20561 80 95-80 2051971PrivatOriginal?Länge 21,25 m
Salon-Autotransportwagen60 50 98-40 30260 80 98-80 3021969Stiftung Kultur auf SchienenOriginal (in Aufarbeitung)
Verstärkungswagen51 80 10-40 31951 50 10-40 3191984PrivatOriginal?Später Einsatz als 1.-Klasse-Wagen
Verstärkungswagen51 80 10-40 32051 50 10-40 3201984PrivatOriginal?Später Einsatz als 1.-Klasse-Wagen
Verstärkungswagen51 80 10-40 32151 50 10-40 3211984PrivatOriginal?Später Einsatz als 1.-Klasse-Wagen
Verstärkungswagen51 80 10-40 32251 50 10-40 3221984PrivatOriginal?Später Einsatz als 1.-Klasse-Wagen

Einsatz

Die Salonwagen wurden einzeln oder auch als Zugverband eingesetzt. Diese hießen dann Staatszug oder auch Regierungszug. Letzterer verkehrte in der Regel mit einem der Zugnummer vorgestellten R.[3] Für die Fahrten gab es eine spezielle Dienstanweisung, die als Vertrauliche Verschlusssache so geheim war, dass sie im Verzeichnis der Dienstvorschriften nicht geführt wurde.[4] Wurde ein solcher Zug bereitgestellt, folgte seine Aufstellung zunächst auf zwei Gleisen des sogenannten „R-Zug-Geländes“ im Stellwerksbezirk W 5 des Bahnhofs Berlin-Lichtenberg östlich vom S-Bahnhof Nöldnerplatz. Von dort wurde der Zug dann auf Gleis 49 des Bahnhofs Berlin-Lichtenberg gefahren, wo er für die anstehende Fahrt vorbereitet wurde.[5] Um die Sicht auf den Zug von den anderen Bahnsteigen zu verhindern, wurde als optische Sperre ein Zug mit Leerwagen auf das Parallelgleis gestellt. Die Staatsfahrten liefen unter der Aufsicht des Ministeriums für Staatssicherheit, dem auch dafür eingesetzte Angehörige der Transportpolizei für die Dauer des Einsatzes des Zuges unterstanden. Der Ablauf war höchst aufwendig organisiert.[6]

Nach der Dienstanweisung gab es drei unterschiedliche Stufen des Aufwandes, wenn ein solcher Zug verkehrte. Bei Stufe I verkehrte zum eigentlichen Staatszug noch ein Vorzug und ein Nachzug. Der Vorzug (scherzhaft auch „Minenräumer“ genannt) bestand in der Regel aus einem Salonwagen und einem Gepäckwagen. Der Zug war mit Mitarbeitern von Transportpolizei und des MfS besetzt, die aus der offenen Übergangstür des letzten Wagens die Strecke beobachteten. Der Nachzug war meist nur ein Triebwagen oder eine einzeln fahrende Lokomotive.[7] Alle Weichen, über die der Zug verkehrte, mussten zusätzlich mit Handverschlüssen, in der Regel Weichenschlösser und Zungensperren, gesichert werden. Schranken waren spätestens zehn Minuten vor Durchfahrt des Zuges zu schließen und durften zwischen Vor- und Nachzug nicht geöffnet werden – auch nicht für Feuerwehr- oder Notarzteinsätze.[8] Bei zugbedienten Anlagen war das nur durch Eingriffe in die Sicherungstechnik möglich. Sowohl Eisenbahn- als auch Straßenbrücken über die befahrene Bahnstrecke durften nicht genutzt werden.[9] Für die Züge wurde eine Trasse von etwa einer Stunde freigehalten, in der keine anderen Züge die Strecke nutzen konnten. Die zuständigen Dispatcher erhielten keine Meldung über die Zugbewegungen – sie mussten nur für die vorbestimmte Zeit die Trasse absolut frei halten.[10]

Als Lokomotiven für den Staatszug wurden in der Dampflokzeit unter anderem die Stromlinienlokomotive 61 002, ehemals Zuglokomotive des Henschel-Wegmann-Zugs, für den Vorzug eingesetzt, ansonsten solche der Baureihe 03.[11][12] Als Diesellokomotiven zur Verfügung standen, wurden solche der Baureihe V 180 (118) eingesetzt.[13][14]

Der bekannteste Einsatz des Regierungszuges fand 1970 anlässlich des Treffens zwischen Willi Stoph und Willy Brandt in Kassel statt. Weitere Sonderzüge wurde jeweils von der NVA und dem Ministerium für Verkehrswesen vorgehalten.[15]

Literatur

  • Peter Bock, Alfred Gottwaldt: Regierungszüge. Salonwagen, Kaiserbahnhöfe und Staatsfahrten in Deutschland 1889–1989. Bruckmann Verlag, München 2006, ISBN 3-7654-7070-8.
  • Thomas Borbe: 18 Gramm Feingold erforderlich. Über die Beschaffung von Salonwagen für die DR. In: Eisenbahngeschichte 52 (2012), S. 72f.
  • Klaus Bossig: DDR-Führung auf Reisen. Schienen-, Straßen-, Luft- und Wasserfahrzeuge für Staatsreisen der DDR-Führung. EK-Verlag, Freiburg 2010, ISBN 978-3-88255-734-3.
  • Klaus Bossig: Sonderfahrzeuge der Deutschen Reichsbahn. Die Führungszüge der Ministerien für Verkehrswesen und für Nationale Verteidigung. EK-Verlag, Freiburg 2008, ISBN 978-3-88255-704-6.
  • Thomas Dießner: Die Salonwagen bei der Deutschen Reichsbahn. Heft 1–5. Selbstverlag, Delitzsch o. J.
  • Bernd Kuhlmann: Deutsche Reichsbahn geheim. Giftzüge, Militärtransporte, Geheimprojekte. 2. Auflage, GeraMond, München 2013, ISBN 978-3-86245-187-6.
  • Magistrat der Stadt Potsdam [Hrsg.]: Europäische Salonwagenausstellung vom 22.–23. Mai 1993 auf dem Gelände des Raw Potsdam. Katalog. Potsdam 1993, S. 44f, Nr. 21.

Einzelnachweise

  1. Borbe, S. 72.
  2. Kuhlmann, S. 161.
  3. Kuhlmann, S. 157, 160.
  4. Kuhlmann, S. 161.
  5. Kuhlmann, S. 160.
  6. VGl. zum Ablauf Kuhlmann, S. 161–169.
  7. Kuhlmann, S. 167.
  8. Kuhlmann, S. 166.
  9. Kuhlmann, S. 168.
  10. Kuhlmann, S. 167.
  11. Kuhlmann, S. 161, nennt insbesondere die 03 096, 03 096, 03 157, 03 297 – letztere als Reserve.
  12. Kuhlmann, S. 161.
  13. Kuhlmann, S. 161, nennt insbesondere die 118 048, 118 050, 118 548, 118 550 und 118 552.
  14. Kuhlmann, S. 161.
  15. Bossig.