Bruno Fortmann

Bruno Fortmann (* 8. März 1894 in Holle bei Oldenburg/Großherzogtum Oldenburg; † 26. Juni 1970 in Oldenburg (Oldenburg)) war ein deutscher Mediziner und Rassenhygieniker.

Leben

Sein Vater, Bernhard Fortmann, war Pastor in Rüstringen-Neuende bei Wilhelmshaven. Nach dem Abitur studierte Fortmann zunächst in Tübingen[1] Theologie, dort wurde er auch Mitglied der AV Nicaria im Schwarzburgbund. Ab 1920 studierte er Medizin an der Universität Rostock[2][3] und wurde 1922 in Greifswald promoviert.

Fortmann leitete ab 1936 als Medizinalrat das Gesundheitsamt in Brake (Unterweser) und zählte als erklärter Rassenhygieniker zu den Ärzten, „die ein Interesse daran hatten, die Patienten unfruchtbar zu machen oder sie zu vernichten.“[4]. Der Oldenburger Historiker Ingo Harms konnte nachweisen, dass Hunderte Patienten aus Krankenhäusern in Wilhelmshaven und Bremen nach Wehnen verlegt wurden, wo sie bald darauf umkamen.

Fortmann leitete diverse „medizinische Gewaltakte der Zwangssterilisationen“[5] von Jugendlichen, Frauen und Männern ein, darunter der 15-jährige „Hilfsschüler“ Alwin R. aus der Wesermarsch, der von seinem „Hilfsschullehrer“ dem Amtsarzt gemeldet wurde. Fortmann stellte nach einer Untersuchung den Antrag auf Unfruchtbarmachung aus, dem das Erbgesundheitsgericht in Oldenburg stattgab.[6][7] Der politische Hintergrund waren die „bevölkerungs- und rassenpolitischen“ Grundsätze der NSDAP und des NS-Staates. Im Mittelpunkt dieser Grundsätze standen die „Ausschaltung Erbuntüchtiger von der Fortpflanzung“, die Bekämpfung der „Rassenmischung“ und die „bewusste Förderung wertvoller gesundheitlich und rassisch erbtüchtiger kinderreicher Familien“.[8]

Fortmann war Mitglied im militanten FreikorpsBrigade Erhardt“ und in der SA[9]. Er arbeitete mit dem rassenpolitischen Amt zusammen und setzte sich auch dafür ein, dass in Nordenham ein Film mit dem Titel Erbgesund gedreht wurde. Dazu kam es aber nicht mehr.[10]

Nach Kriegsende 1945 wurde Fortmann entlassen, verhaftet und zunächst interniert.[11] Im Zuge der Entnazifizierungsmaßnahmen verlor er seine Zulassung für den gesundheitswissenschaftlichen Dienst und konnte aber trotzdem danach als niedergelassener Arzt in Brake praktizieren.

Gedenken an die Opfer der Euthanasie-Morde im Oldenburger Land

  • Die Alte Pathologie auf dem Gelände der Karl-Jaspers-Klinik Wehnen ist eine Gedenk- und Dokumentationsstätte für die Opfer der NS-Krankenmorde.
  • Bei einem Erinnerungsgang am 26. Januar 2018 durch Brake suchten Schüler des Gymnasiums u. a. neben dem Haus einer jüdischen Familie in Brake, dem Zwangsarbeitergräbern auf dem evangelischen Friedhof auch das Wohnhaus Fortmanns im Gedenken an die Opfer der Euthanasie und der Zwangssterilisierung auf.[12]

Veröffentlichungen

  • Ein Fall von postoperativer Hysterozele des schwangeren Uterus, Med. Diss., Anklam : Poettcke, 1922[13]

Literatur

  • Forschungen zur Medizin im Nationalsozialismus : Vorgeschichte – Verbrechen – Nachwirkungen, hrsg. von Alfred Fleßner, Uta George, Ingo Harms, Rolf Keller, Wallstein Verlag, Göttingen 2014, ISBN 978-3-8353-1407-8
  • Ingo Harms, "Wat mööt wi hier smachten..."Hungertod und „Euthanasie“ in der Heil- und Pflegeanstalt Wehnen 1936–1945, 3., vollst. überarb. u. erw. Aufl., BIS-Verlag der Carl-von-Ossietzky-Univ., Oldenburg 2008, ISBN 978-3-8142-2127-4
  • Ingo Harms, Im Schatten von Rassenhygiene und „Euthanasie“: die Heil- und Pflegeanstalt Wehnen im „Dritten Reich“, Dissertation Oldenburg 1996
  • https://www.archivportal-d.de/item/4RCSK56Y5HZK5H7A6TXRSHMLDQWRZVGD

Einzelnachweise

  1. https://www.archivportal-d.de/item/4RCSK56Y5HZK5H7A6TXRSHMLDQWRZVGD
  2. http://matrikel.uni-rostock.de/id/200015744
  3. Universität Rostock: Immatrikulation von Bruno Fortmann
  4. Georg Jauken, „Die meisten Ärzte wussten, was sie taten“, in: Weser-Kurier vom 21.12.2015, s. https://www.weser-kurier.de/bremen/die-meisten-aerzte-wussten-was-sie-taten-doc7e38qiyncgh105qt2n7f
  5. Ingo Harms, "Wat mööt wi hier smachten..."Hungertod und „Euthanasie“ in der Heil- und Pflegeanstalt Wehnen 1936–1945, 3., vollst. überarb. u. erw. Aufl., BIS-Verlag der Carl-von-Ossietzky-Univ., Oldenburg 2008, ISBN 978-3-8142-2127-4, S. 16
  6. https://uol.de/pressemitteilungen/2008/307
  7. Martin Finschow, Denunziert, kriminalisiert, zwangssterilisiert: Opfer, die keiner sieht - Nationalsozialistische Zwangssterilisationen im Oldenburger Land, Verlag Isensee, Oldenburg, ISBN 978-3-89995-524-8
  8. Gisela Tascher, NS-Zwangssterilisationen: Handeln auf Befehl des Führers, in: Deutsches Ärzteblatt, Heft 10 2016, [1]
  9. https://www.arcinsys.niedersachsen.de/arcinsys/detailAction.action?detailid=v850121&icomefrom=search
  10. vgl. dazu: https://www.weser-kurier.de/bremen/die-meisten-aerzte-wussten-was-sie-taten-doc7e38qiyncgh105qt2n7f
  11. Forschungen zur Medizin im Nationalsozialismus : Vorgeschichte - Verbrechen - Nachwirkungen, hrsg. von Alfred Fleßner, Uta George, Ingo Harms, Rolf Keller, Wallstein Verlag, Göttingen 2014, ISBN 978-3-8353-2623-1, S. 104
  12. Erinnerungsgang für die Opfer der NS-Zeit in Brake. In: nwzonline.de. 13. Januar 2018, abgerufen am 26. Februar 2024.
  13. [2]