„Sächsisches Sibirien“ – Versionsunterschied

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'''Sächsisches Sibirien''' ist eine im [[18. Jahrhundert]] aufgekommene Bezeichnung des oberen [[Erzgebirge|Westerzgebirge]]s und [[Vogtland]]s.
'''Sächsisches Sibirien''' ist eine im [[18. Jahrhundert]] aufgekommene Bezeichnung des oberen [[Erzgebirge|Westerzgebirges]] und [[Vogtland|Vogtlandes]].


Sie geht auf das in den Kammlagen beobachtete rauhe Klima zurück. Dieses wurde [[1732]] für das unmittelbar an der sächsisch-böhmischen Grenze gelegene [[Boží Dar]] (Gottesgab) von einer östereichischen Rektifikationskommission wie folgt beschrieben:
Der Pfarrer und Chronist Körner aus [[Bockau]] wandte sich bereits [[1757]] gegen einen Vergleich des Erzgebirges mit [[Sibirien]]. Er schrieb:

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''Gottesgab ist ein Ort (...) gleich am Sachsenland in rauhesten Wäldern gelegen, wo so gar kein Haber, kein Kraut wächst, ja kein Schlehen, kein Dornstrauch. Man weiß hier überhaupt von dem Sommer nichts. Die hiesige Gegend liegt gemeiniglich acht Monate lang unter dem Schnee, der in manchen Gegenden durch heftige Sturmwinde auf viele Ellen angehäufet wird, zudem stoßen oft dermaßen dichte Nebeln, dass sich Reisenden oft sehr verirren, den Weg verfehlen, und solchen nach elend im Schnee erfrieren müssen... ''
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Den angesichts dieser Schilderungen aufkommenden Vergleichen des Erzgebirges mit [[Sibirien]] trat der Pfarrer und Chronist Körner aus [[Bockau]] bereits [[1757]] entgegen. Er schrieb:


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Version vom 19. Juli 2006, 23:21 Uhr

Sächsisches Sibirien ist eine im 18. Jahrhundert aufgekommene Bezeichnung des oberen Westerzgebirges und Vogtlandes.

Sie geht auf das in den Kammlagen beobachtete rauhe Klima zurück. Dieses wurde 1732 für das unmittelbar an der sächsisch-böhmischen Grenze gelegene Boží Dar (Gottesgab) von einer östereichischen Rektifikationskommission wie folgt beschrieben:

Gottesgab ist ein Ort (...) gleich am Sachsenland in rauhesten Wäldern gelegen, wo so gar kein Haber, kein Kraut wächst, ja kein Schlehen, kein Dornstrauch. Man weiß hier überhaupt von dem Sommer nichts. Die hiesige Gegend liegt gemeiniglich acht Monate lang unter dem Schnee, der in manchen Gegenden durch heftige Sturmwinde auf viele Ellen angehäufet wird, zudem stoßen oft dermaßen dichte Nebeln, dass sich Reisenden oft sehr verirren, den Weg verfehlen, und solchen nach elend im Schnee erfrieren müssen...

Den angesichts dieser Schilderungen aufkommenden Vergleichen des Erzgebirges mit Sibirien trat der Pfarrer und Chronist Körner aus Bockau bereits 1757 entgegen. Er schrieb:

Wenn man die doppelte Landcharte vom erzgebirgischen Kreise durch Herr Matthias Seuttern herausgegeben, zur Hand nimmt; sollte man fast erschrecken und meynen, es sey unsre Gegend eine rechte Wüsteney, klein Syberien und wie es die Böhmen ehedessen spottweise nannten, ein rechtes Haber- und Hungerland: betrachtet man aber die so vielen volkreichen Städte, Flecken und Dörfer derselben; so wird sich dieses Vorurteil gar bald verlieren.

1775 wurde der Begriff Sächsisches Sibirien erstmals in der anonym bei Carl Ernst Bohn in Hamburg erschienenen Schrift »Mineralogische Geschichte des Sächsischen Erzgebirges« ausführlich erläutert. Vermutungen deuten auf den sächsischen Genealogen Johann Friedrich Wilhelm Toussaint von Charpentier als Autor hin. Auf Seite 48 heißt es dort:

»Nachricht vom so genannten Sächsischen Siberien. [Tatsächlich so, nicht Sibirien!] Wir haben hier auf unserm Obergebirge eine ziemlich weitläuftige Gegend, welche so wild und rauh ist, daß sie deswegen gewöhnlichermaßen das Sächsische Siberien genannt wird. Sie erstreckt sich von Eybenstock an, auf der andern aber bis in den Voigtländischen Creys, nach dem Fichtelberg [gemeint ist das Fichtelgebirge] zu. Statt daß man sonst an andern auch ganz rauhen Orten (als Jöhstadt, Satzungen, Kuhnheyde, Neudorf, Joh. Georgenstadt, Wiesenthal etc.) noch Erdäpfel, Kraut, Rüben und Hafer (obschon diesen letztern da er kaum das zehntemal recht reif wird, wenigstens doch zur Gewinnung des nöthiges Strohes fürs Vieh) erbauet, kommt hier nich einmal ein Erdäpfel fort, geschweige denn ein Körnchen Getreide fort. Alles ist, ohne einige Furche Ackerland da zu spüren, lediglich mit dicker, wilder und finsterer Waldung bedeckt. Gemeiniglich liegt im Winter, welcher den größten Theil des Jahres ausmacht, der Schnee 3 Ellen hoch, und kommt, zumal in den Tiefen, wo ihn der Wind zuweilen auf 10, 20, ja 30 Ellen von den Bergen zusammenführt, oft vor Johannis nicht völlig hinweg. Allein eben hier ist es, wo Volcanus seine rechte Werkstädte aufgeschlagen hat. Die Hammerwerke: Ober- und Unter-Blauenthal, Neidhardtsthal, Wildenthal, Wittingthal [gemeint ist Wittigsthal], Schlössel-Unterwiesenthal, Carlsfeld, mit der dazu gehörigen Glashütte, Morgenroths-Rautenkranzs- und Tannenbergsthal sind insgegsammt theils in und theils um diese Wildniß herum belegen. ... Sothane Waldhäuser werden im Winter oft ganz verschneyet, so daß sich deren Inhaber mit Schaufeln herausarbeiten und Lichtlöcher zu ihren Fenstern hindurchgraben müssen ...

Inzwischen ist eben diese rauhe Wüste das eigentliche Vaterland unserer mehresten und besten Edelsteine, welche darinnen theils aus den Felsen, wie die Topasen aus dem Schneckenstein gebrochen, theils aus den Auersberger, Steinbächer, Sauschwemmer, Knocker und Pechhöfer Seifenwerken unter den Zwitter-Geschieben gefunden werden.«

Philipp Weigel war einer der nächsten, der 1792 diesen Begriff in seiner Schrift Das Sächsische Sibirien verwendete.

Durch Schuhmanns Lexikon von Sachsen, das zu Beginn des 19. Jahrhunderts in hoher Auflage erschien, wurde der Begriff Sächsisches Sibirien weit verbreitet, wogegen sich später viele namhafte Vertreter des Erzgebirgsverein wandten und ihn als »völlig unzutreffend« bezeichneten.

Literatur

  • Wünschmann, Max: Über das Aufkommen der völlig unzutreffenden Bezeichnung »Sächsisches Sibirien« für unser Erzgebirge und des Namens »Das Erzgebirge«, in: Glückauf, 30. Jg. (1910), S. 9-10.
  • Weckschmidt: Noch eine Ehrenrettung unseres Erzgebirges aus alter Zeit, in: Glückauf, 30. Jg. (1910), S. 23.