Stadtviertel

Hafenviertel in Trabzon (2014)

Ein Stadtviertel – auch Stadtgeviert, Stadtquartier, Wohnviertel oder Quartier (von französisch quartier ‚Viertel‘, zu lateinisch quartus ‚der Vierte‘) – ist als Teil einer Stadt ein überschaubares, häufig nur aus einigen Straßenzügen bestehendes, soziales Bezugssystem, das sich sowohl räumlich/geografisch als auch von der sozialen oder ethnischen Struktur seiner Bewohner her von anderen Stadtvierteln abgrenzt. Eine formale Abgrenzung wird dabei meist nicht vorgenommen. Das Gebiet wird durch seine Bewohner definiert und ist unabhängig vom Gebiet eines Stadtteils oder Stadtbezirks. Die Bezeichnung stammt daher, dass planmäßig angelegte römische, aber auch mittelalterliche Städte oft von den beiden sich im Zentrum kreuzenden Hauptstraßen (Cardo und Decumanus) in vier gleich große Teile geteilt wurden.

Herkunft des Begriffes Quartier

Die Bezeichnung «Quartier» (allgemeiner auch Stadtviertel) ist nicht genau definiert und bezieht sich auf ein räumlich abgegrenztes Wohngebiet unterschiedlicher Grösse und Einwohnerzahl. Ursprünglich meinte es «Unterkunft» und kommt aus dem Französischen (Viertel von lateinisch quartarius) und war als Teil eines Heerlagers definiert. Es wurde später hinsichtlich der Bedeutung ausgedehnt und meint heute z. B. auch Bleibe, Unterkunft oder Wohnung.[1] Insbesondere in der Schweiz wird Quartier nicht nur geografisch, sondern auch als Sozialraum durch Aktivitäten, soziale Netze, Sozialstrukturen und Identitätsbezüge der Bevölkerung definiert. Es ist immer Teil eines grösseren Ganzen und steht mit diesem in Wechselwirkung.[2][3]

Quartiere in der Schweiz

Der Schweizerische Städteverband sieht in für die Quartierentwicklung die Wohnungspolitik von Bedeutung. Wohnen höre aber nicht an der Haus- oder Wohnungstüre auf, die Wohn- und Lebensqualität hänge auch von der Umgebung im Quartier ab. Die Quartierentwicklung leiste einen wichtigen Beitrag zur sozialen Durchmischung oder dem gesellschaftlichen Zusammenhalt. Im Auftrag des Bundes wird ein «Netzwerk Lebendige Quartiere» als Informations- und Austauschplattform zur Quartierentwicklung unterhalten. Erfahrungsaustausch und neue Erkenntnisse zu vermitteln sowie auf verschiedenen Veranstaltungen zu diskutieren sind dort Schwerpunkte.[4]

Für die Suche nach Lösungen, die einem sozialen Zusammenhalt unter den Bedingungen einer zunehmenden Alterung der Gesellschaft, des Bevölkerungswachstums, sich verändernden Gewohnheiten und der Verdichtung der Siedlungen gewährleisten, werden Quartiere als ideal angesehen. Sie sind weniger komplex als die gesamte Stadt – stellen dennoch eine vernetzte Einheit dar. Unter dem Stichwort «Nachhaltige Entwicklung» werden diese Fragen auch diskutiert. Die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung der UNO umzusetzen hat sich 2015 der Bundesrat verpflichtet. Anfang 2016 wurde die «Strategie Nachhaltige Entwicklung 2016 bis 2019» dazu verabschiedet. Mit einer nachhaltigen Entwicklung in allen Quartieren würde ein substanzieller Beitrag zur Erreichung der nationalen und weltweiten Ziele geleistet.[5]

In der schweizweiten Systematik der Bundesamtes für Statistik werden «BFS-Quartiere» (in Bern die Statistischen Bezirke) unterschieden, für welche Statistiken schweizweit veröffentlicht werden. Die übergeordnete Ebene (in Bern Stadtteile) und die untergeordnete Ebene (in Bern gebräuchliche Quartiere) existieren vergleichbar in vielen anderen Gemeinden – werden jeweils aber unterschiedlich benannt. Im Verhältnis zu anderen Schweizer Städten ist die Stadtgliederung von Bern hinter Zürich (12 Stadtkreise, 34 Quartiere, 216 statistische Zonen) vergleichbar mit Luzern (2 Stadtteile/6 Stadtkreise, 26 statistische Stadtkreise und 132 Kleinquartiere) und damit in etwa am zweitfeinsten.[6]

Weitere regionale Bezeichnungen

Sonderviertel

Viele Stadtviertel haben einen besonderen Charakter, der sich in gängigen Namen widerspiegelt, darunter

Siehe auch

Literatur

  • Klaus Zehner: Stadtteile und Zentren in Köln. Eine sozialgeographische Untersuchung zu Raumstruktur und räumlichem Verhalten in der Großstadt. Kölner Geographische Arbeiten, H. 47, Köln 1987.
  • Günther Schweizer: Zuhause in der Großstadt. Ortsbindung und räumliche Identifikation im Verdichtungsraum. Kölner Geographische Arbeiten H. 61 (Hrsg.: H. Gebhardt und G. Schweizer. Unter Mitarbeit von P. Reuber), 1995.
  • Olaf Schnur (Hrsg.): Quartiersforschung – zwischen Theorie und Praxis. VS-Verlag. Wiesbaden 2008.
  • Wüstenrot Stiftung (Hrsg.): Stadtsurfer, Quartierfans & Co – Stadtkonstruktion Jugendlicher und das Netz urbaner öffentlicher Räume. JOVIS Verlag 2008, ISBN 978-3-939633-65-5.
Wiktionary: Stadtviertel – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Quartier im Duden online
  2. Programm Projets urbains (Hrsg.): Handbuch Quartierentwicklung, Wissen für die Praxis aus acht Jahren Programm «Projets urbains – Gesellschaftliche Integration in Wohngebieten». Bern 2017, S. 11 (PDF auf admin.ch).
  3. siehe auch: Quartier auf spektrum.de
  4. Schweizerischer Städteverband: Wohnen und Quartierentwicklung. Abgerufen am 10. Oktober 2020.
  5. Birgit Wehrli-Schindler et al.: Nachhaltige Entwicklung und Lebensqualität im Quartier Hrsg.: Bundesamt für Raumentwicklung ARE Bern 2016
  6. Statistische Quartiergrenzen von Schweizer Städten Bundesamt für Statistik vom Dezember 2017, Tabelle 1 Seite 8
  7. barri | enciclopedia.cat. Abgerufen am 9. Dezember 2023.
  8. quart | enciclopedia.cat. Abgerufen am 9. Dezember 2023.
  9. Programm Projets urbains (Hrsg.): Handbuch Quartierentwicklung, Wissen für die Praxis aus acht Jahren Programm. «Projets urbains – Gesellschaftliche Integration in Wohngebieten», Bern 2017, S. 11.