Man Haron Monis

Man Haron Monis (persisch مان هارون مؤنس; * 19. Januar 1964[1] in Borudscherd, Iran;[2] † 16. Dezember 2014 in Sydney, Australien) war ein iranischer islamischer Prediger und Geiselnehmer, der zuletzt Asyl in Australien genoss. Am 15. Dezember 2014 wurde Monis als Verantwortlicher für die Geiselnahme von Sydney identifiziert und bei der Erstürmung eines Cafés, in dem er sich mit anfänglich 17 Geiseln verschanzt hatte, durch die Polizei getötet.[3][4]

Leben im Iran und Emigration nach Australien

Haron wurde als Mohammad Hassan Manteghi[5][6][7] im Iran geboren, wo er nach seinen Angaben als Ajatollah tätig war.[6] 1996 beantragte er politisches Asyl in Australien und gab sich den Namen Man Haron Monis, zu dem er den Titel Sheikh (englisch für Scheich; arabisch شيخ) hinzufügte. In einem Interview mit der Sendung The Religion Report des Radiosenders ABC Radio National behauptete Monis, dass er mit dem iranischen Geheimdienst zu tun gehabt habe und dass seine Frau und seine Kinder wegen seiner Kritik am Regime, seines Zugangs zu geheimen Informationen und seiner liberalen Auslegung des Islams als Ayatollah inhaftiert wurden und er selbst verfolgt worden sei.[8]

Esmaeil Ahmadi-Moghaddam, Leiter der iranischen Polizei, gab gegenüber dem in London ansässigen persischsprachigen Fernsehkanal Manoto1 an, dass Monis eine „dunkle und lange Geschichte von Gewalt und Betrug“ im Iran habe und 1996 ein Reisebüro betrieb, als dessen Leiter er geschätzte 750 bis 800 Mio. Rial (≈ 160.000 €) veruntreut hatte,[9] bevor er nach Malaysia und von dort weiter nach Australien floh. Ahmadi-Moghaddam sagte weiter: „Es dauerte 4 Jahre, Beweise zu Manteghis Identitätsdokumenten zu sammeln, und wir haben dies an die australische Polizei weitergegeben, aber da Australien kein Auslieferungsabkommen mit dem Iran hat, wurde er nicht an den Iran ausgeliefert.“[10] Die staatliche Nachrichtenagentur IRNA berichtete, dass Haron von Interpol gesucht worden sei und dass der Iran Informationen über Harons kriminelle Vergangenheit sowie seinen geistigen und religiösen Status an die australische Regierung weitergegeben habe. Ungeachtet dessen sei ihm in Australien Asyl gewährt worden.[11] Die Pressesprecherin des iranischen Außenministeriums, Marsieh Afcham, wiederholte die Verwunderung der iranischen Regierung darüber, dass man die australischen Behörden über die kriminelle Vergangenheit Harons informiert habe, diese darauf aber nicht reagiert hätten.[11]

Haron war zunächst Anhänger der schiitischen Auslegung des Islams, die im Iran Mehrheitsreligion ist. In Australien wechselte er zur sunnitischen Auslegung, radikalisierte sich und wurde Anhänger des Islamischen Staates.

Anschuldigung der Vortäuschung religiöser Qualifikationen

Ende 2007 sagte Ikebal Patel, der Leiter der Australian Federation of Islamic Councils, dass Haron keiner islamischen Gemeinde bekannt sei und dass man ihn für einen Hochstapler halte, der bewusst anti-islamische Ressentiments provoziere.[12]

Im Januar 2008 gab der Anführer der australischen Schia, Kamal Mousselmani, gegenüber The Australian an, dass Haron kein „echter geistlicher Führer der Shia“ sei und dass es „keinen Ayatollah in Australien“ gebe. Mousselmani sagte weiter: „Aufgrund der Art, in der er seine Fatwas schreibt, glaube ich nicht, dass er ein Schia-Moslem ist.“[13]

Briefkampagne

Zusammen mit seiner Kollegin und Lebensgefährtin Amirah Droudis startete Haron eine Kampagne, bei der er als Protest gegen die Stationierung australischer Truppen in Afghanistan Briefe an die Familien gefallener Soldaten schrieb. In diesen Briefen bezeichnete Haron die Soldaten als Mörder[14] und drängte die Familien dazu, die Regierung zum Rückzug der Truppen aus Afghanistan aufzufordern. Laut Richter Heydon vom High Court verglich Haron in einem Brief den gefallenen Sohn eines Briefempfängers mit einem Schwein und einem unreinen Tier. Er nannte den Körper des Sohnes „kontaminiert“, bezeichnete ihn als „den dreckigen Körper eines Schweins“ und verglich ihn mit Adolf Hitler.[15] Haron wurde verhaftet, da er „die Post oder ähnliche Dienste benutzte, um zu bedrohen, Belästigungen auszuüben und Ärgernis zu erregen“.[16]

Am 10. November 2009 erschien Haron vor Gericht und erklärte über seinen Anwalt, dass er ein Friedensaktivist sei. Er kettete sich als Protest gegen die Anklage an das Gerichtsgebäude.[17] Das Gericht untersagte ihm, im Rahmen seiner Aktivitäten Briefe an die Familien gefallener britischer Soldaten zu schreiben.[18]

Im Dezember 2011 legte Haron vor dem Court of Criminal Appeal in Sydney Berufung ein und argumentierte, dass die Anklage gegen ihn ungültig sei, da sie seine verfassungsrechtlich implizierte Freiheit zur politischen Äußerung verletze. Ein Gremium von drei Richtern lehnte die Berufung einstimmig ab.[19]

In der nächsten Instanz vor dem High Court of Australia stimmte ein Gremium von sechs Richtern mit 3 zu 3 Stimmen unentschieden ab.[20] Obwohl der High Court of Australia üblicherweise mit sieben Richtern besetzt ist, war ein Sitz unbesetzt; ein Nachfolger war zum Zeitpunkt von Harons Berufungsverhandlung nicht bestimmt. Da keine Mehrheit im Sinne von Harons Berufung entschied, behielten die Entscheidungen der vorhergehenden Instanzen ihre Gültigkeit.[21]

Mordermittlungen

Am 15. November 2013 wurde Haron von der New South Wales Police angeklagt, ein Komplize beim Mord an seiner Exfrau Noleen Hayson Pal gewesen zu sein, die am 21. April 2013 in einem Apartment in Werrington erstochen und angezündet worden war. Seine Lebensgefährtin Amirah Droudis wurde ebenfalls wegen des Mordes an Pal angeklagt.[22]

Am 12. Dezember 2013 wurden Haron und Amirah gegen die Zahlung einer Kaution vom Penrith Local Court auf freien Fuß gesetzt. Der Richter sah in den Ermittlungsergebnissen Lücken und forderte weitergehende Ermittlungen.[23] Laut dem Staatsanwalt behauptet Monis, dass die Iranische Geheimpolizei und die Australian Security Intelligence Organization ihm den Mord unterstellen wollten.[24]

Am 22. Januar 2014 erklärte Haron, dass er sich selbst verteidigen werde, und forderte Einsicht in Dokumente, die die ASIO über ihn angelegt haben sollte. Er bezeichnete die Anklage gegen ihn weiterhin als Verschwörung. Sein Ansinnen auf Einsicht in Dokumente der ASIO wurde vom Gericht wegen Unzuständigkeit abgelehnt. Haron demonstrierte daraufhin vor dem Gerichtsgebäude, wobei er Ketten trug und behauptete, dass er im Gefängnis gefoltert worden sei. Er bezeichnete seine Anklage als politische Maßnahme.[25]

Vorwurf der sexuellen Belästigung

Am 14. März 2014 wurde Haron verhaftet wegen sexueller und unsittlicher Übergriffe auf eine Frau, die sich von ihm einer spirituellen Heilung unterziehen lassen wollte, nachdem sie eine Anzeige von Haron in einer lokalen Zeitung gelesen hatte. Haron hatte behauptet, dass er als Experte für Astrologie, Numerologie, Meditation und schwarze Magie tätig sei.[26]

Geiselnahme

Am 15. Dezember 2014 nahm Monis in einem Lindt Chocolate Café am Martin Place in der Innenstadt von Sydney 17 Kunden und Angestellte als Geiseln.[27] Monis gab politische Motive für die Tat an;[28] einige Geiseln mussten ein schwarzes Banner mit der arabischen Schahāda gegen ein Fenster halten.[29] 16 Stunden nach Beginn der Geiselnahme stürmte die Polizei um 2:14 Uhr Ortszeit das Café.[30] Bei der Geiselbefreiung wurden der Restaurant-Manager Tori Johnson, die Rechtsanwältin Katrina Dawson und Man Haron Monis getötet, vier weitere Personen wurden verletzt.[27]

Einzelnachweise

  1. Sydney: ostaggi in fuga dopo irruzione della polizia nel locale. In: Giornalet Tismo. Giornalet Tismo, 15. Dezember 2014, abgerufen am 15. Dezember 2014.
  2. Rana Rahimpour: A Bloody End to 16 Hours of Hostage taking in Sydney. In: BBC Persian. 15. Dezember 2014, abgerufen am 16. Dezember 2014 (persisch).
  3. Nick Ralston: Martin Place, Sydney siege gunman identified as Man Haron Monis In: The Age. Abgerufen am 15. Dezember 2014 
  4. Lorna Knowles: Sydney siege: Man behind siege named as Iranian cleric Man Haron Monis In: ABC News, 16. Dezember 2014. Abgerufen am 15. Dezember 2014 
  5. Iran Report 01/2015, S. 22
  6. a b Man Haron Monis: What we know about the Sydney hostage-taker. In: Vox Media. VOX.com, 15. Dezember 2014, abgerufen am 15. Dezember 2014.
  7. Tim Elliot: Martin Place gunman deranged, deluded and dangerous In: The Sydney Morning Herald, 16. Dezember 2014 
  8. New Cardinals for Rome, George Bush, Muslims in Australia In: The Religion Report, Radio National, 31. Januar 2001. Abgerufen am 16. Dezember 2014 
  9. Exclusive: The Sydney hostage-taker had fled Iran after a $200K fraud case, Manoto1.com, 16. Dezember 2014
  10. Iran’s Interpol ready to cooperate on Sydney case. In: Mehr News Agency. 16. Dezember 2014, abgerufen am 16. Dezember 2014 (englisch).
  11. a b Analyst derides Australian government for letting criminal do freely. In: Islamic Republic News Agency. 16. Dezember 2014, archiviert vom Original am 16. Dezember 2014; abgerufen am 16. Dezember 2014.
  12. Richard Kerbaj: Sheik 'faked' to stir up ill-feeling. In: The Australian. 28. Dezember 2007, abgerufen am 16. Dezember 2014.
  13. Richard Kerbaj: Call to probe mystery Shia cleric. In: The Australian. 28. Januar 2008, ehemals im Original (nicht mehr online verfügbar); abgerufen am 16. Dezember 2014.@1@2Vorlage:Toter Link/www.theaustralian.com.au (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven)
  14. AAP: Sheik says letters were flowers of advice In: SBS News, sbs.com.au, 6. September 2013. Abgerufen im 8. Februar 2014 
  15. https://www.humanrights.gov.au/publications/casenote-monis-v-queen-2013-hca-4-1
  16. Karl Hoerr: 'Hate mail' suspect protests against 'misinterpretation' In: Lateline, abc.net.au, 22. November 2013. Abgerufen im 8. Februar 2014 
  17. AAP: Controversial Sheik in chains outside court (Memento des Originals vom 16. Dezember 2014 im Internet Archive) In: SBS News, sbs.com.au, 10. November 2009. Abgerufen im 8. Februar 2014  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.sbs.com.au 
  18. AAP: Sheik banned from sending offensive mail In: SBS News, sbs.com.au, 9. Februar 2010. Abgerufen im 8. Februar 2014 
  19. AAP: Cleric loses appeal over dead soldier hate mail In: ABC News, abc.net.au, 6. Dezember 2011. Abgerufen im 8. Februar 2014 
  20. Damien Carrick: High court divided on freedom of speech In: Law Report, abc.net.au, 5. März 2013. Abgerufen im 8. Februar 2014 
  21. Elizabeth Byrne: High Court dismisses appeal over letters to dead soldiers' families In: ABC News, abc.net.au, 27. Februar 2013. Abgerufen im 8. Februar 2014 
  22. AAP: Self-styled Muslim sheikh faces court on accessory to murder charge In: ABC News, abc.net.au, 22. November 2013. Abgerufen im 8. Februar 2014 
  23. AAP: Murder case against Man Haron Monis and partner weak: magistrate In: The Australian, theaustralian.com.au, 12. Dezember 2013. Abgerufen im 8. Februar 2014 
  24. News Limited: Hate sheikh Man Haron Monis and girlfriend Amirah Droudis granted bail on murder charges In: The Telegraph News, dailytelegraph.com.au, 13. Dezember 2013. Abgerufen im 8. Februar 2014 
  25. ABC News: Controversial Sheikh Haron faces accessory to ex wife's murder charge In: ABC News, abc.net.au, 22. Januar 2014. Abgerufen im 8. Februar 2014 
  26. ABC News: 'Spiritual healer' refused bail over alleged 2002 sexual assaults at Wentworthville in Sydney's west In: ABC News, abc.net.au, 14. April 2014. Abgerufen im 14. April 2014 
  27. a b Lindt Cafe hostage drama in Martin Place, Sydney: day two. In: The Sydney Morning Herald. Abgerufen am 15. Dezember 2014.
  28. Emma Griffiths: Sydney siege: Prime Minister Tony Abbott says gunman is 'claiming political motivation', ABC News, 15. Dezember 2014 
  29. Seven in 'lockdown' due to hostage crisis. In: NewsComAu. Archiviert vom Original am 15. Dezember 2014; abgerufen am 15. Dezember 2014.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.news.com.au
  30. Sydney cafe siege: Australia police storm building. BBC News, 15. Dezember 2014, abgerufen am 15. Januar 2015.