Tyrtaios

Importierte Versionsgeschichte von Tyrtaios (Elegiendichter) =



Griechische Hopliten, Szene von der Chigi-Kanne


Tyrtaios (Τυρταῖος, latinisiert Tyrtaeus, eingedeutscht Tyrtäus) war ein griechischer Elegiendichter aus dem 7. Jhd. v. Chr. Er wirkte in Sparta zur Zeit des 2. Messenischen Krieges. Tyrtaios' Kampfparänesen (=Kampfaufrufe) hatten zum Ziel, das Heer zu Höchstleistungen und damit zum Sieg zu bringen. In Friedenszeiten sollten seine Elegien die staatliche Ordnung festigen, indem die spartanische Verfassung gepriesen wurde.[1] Platon äußerste sich über Tyrtaios im höchsten Maße anerkennend, er beschrieb ihn als den göttlichsten Dichter und einen weisen und tüchtigen Mann.[2] Sparta war zur Zeit des Tyrtaios kulturelles Zentrum Griechenlands, in dem noch weitere Dichter wie Alkman, Terpander von Antissa Thaletas von Gortyn und Polymnestos von Kolophon tätig waren. Diese Blüte Spartas fand Mitte des 6. Jh. v. Chr. ein Ende.[3]

Herkunft

Die Herkunft des Tyrtaios kann nicht mit Sicherheit belegt werden. Antiken Quellen zufolge könnte Tytaios ein Spartaner, ein Athener oder ein Milesier gewesen sein. Weder durch den Namen Tyrtaios, noch durch den seines Vaters lassen sich konkrete Rückschlüsse auf die Heimat des Dichters ziehen.[4] Die Herkunftsfrage wird dadurch noch erschwert, dass er in dorischem Dialekt geschrieben hat.

Der Suda entnehmen wir, dass Tyrtaios der Sohn des Archembrotos war und aus Sparta oder Milet abstamme.[5] Ein weiteres Indiz für die Herkunft von Milet wäre die große inhaltliche und sprachiche Ähnlichkeit mit den Elegien des Kallinos von Ephesos.[6]

Eine Reihe von athenischen Quellen hingegen unternimmt den Versuch, Tyrtaios für Athen zu vereinnahmen:

Pausanias zufolge sollten die Spartaner – auf Grund eines Orakelspruchs von Delphi – einen Athener als Berater im Kampf gegen die Messenier hinzugezogen haben. Die Athener wollten ihnen nicht ihren besten Mann schicken, abweisen wollten sie die Spartaner allerdings auch nicht. So schickten sie Tyrtaios, einen nicht ganz hellen Schulmeister, der noch dazu gehinkt haben soll. In der Schlacht der Spartaner gegen die Messenier hätte Tyrtaios nicht mitgekämpft, aber die Kämpfer in Symposien vor der Schlacht angespornt.[7] Bei Platon wird Tyrtaios ebenfalls als Athener angesehen. Er soll aber Mitbürger der Lakedaimonier geworden und äußerst stolz darauf gewesen sein.[8] Auch Lykurg macht aus Tyrtaios einen Landsmann aus Athen. Ebenso wie Pausanias beschreibt er, dass die Spartaner einen Anführer gegen die Messenier gebraucht hätten. Daraufhin begaben sie sich zum Orakel von Delphi, wo ihnen Apollon riet, sich einen Anführer von den Athenern zu nehmen. Dieser soll Tyrtaios gewesen sein.[9]

Diese Theorie zur Herkunft des Tyrtaios ist jedoch nicht unproblematisch, denn einiges spricht dagegen: dass sich spartanische Truppen, wie Pausanias und Lykurgos berichten, in den Messenischen Kriegen einem landfremden Führer unterstellten, erscheint in der Tat befremdlich. Tatsächlich gibt es nur einen einzigen belegten Fall einer vergleichbaren Einbürgerung in Sparta. Es handelt sich dabei um den Seher Tisamenos aus Elis (Sohn des Antiochos), der ebenfalls auf Grund eines Orakels zur Unterstützung der Spartaner hinzugezogen worden sein soll.[10] Die Legende mit der angeblichen attischen Geburt könnte im Zusammenhang mit dem kimonischen Hilfszug im Jahr 462 v. Chr. gestanden haben. In diesem Falle wäre sie viel später hinzugefügt geworden.[11] Die Wurzeln des Dichters lassen sich daher am ehesten an der Sprache seiner Werke ablesen.

Elegie

Eine Elegie ist eine Literaturgattung, die aus zwei ständig wiederkehrenden Versen besteht, einem Hexameter und einen Pentameter. Sie beschreibt jede Art von Gedichten, vorgetragen in elegischer Form. In Form, Aussage und Gedanken lehnt sie sich sehr stark am Epos an, ihr Zweck ist bei ihren frühesten Vertretern die Ermahnung bzw. Belehrung. Es geht vorwiegend darum, die jeweilige soziale Schicht in ihrer Wertvorstellung zu bestätigen. Häufig treten Kampfaufrufe, Gedenksprüche und Widmungssprüche für Weihgeschenke in elegischer Form auf. Vorgetragen wurde die Elegie meist vor Publikum bei einem Symposion.[4] Der Begriff „Elegie“ ist nicht-griechischen Ursprungs. Vermutlich stammt er aus Phrygien, doch wussten selbst die Griechen nicht mehr so genau, was er eigentlich bedeutet. Üblicherweise beinhaltet eine Elegie ionische und äolische Elemente, einzig bei Tyrtaios tauchen jedoch auch dorische Formen auf.[12] Das scheint das sicherste Argument für seine Herkunft aus Sparta zu sein.

Lebenszeit

Der Suda zufolge war Tyrtaios ein Zeitgenosse der sogenannten Sieben Weisen, eventuell sogar sei er früher zu datieren. Seine Akmé hatte er in der 35. Olympiade (640-636 v. Chr.).[13] Dementsprechend müsste er etwa zwischen 680 und 676 geboren sein. In einem seiner Gedichte erwähnt Tyrtaios, dass König Theopompos[14] zwei Generationen vor ihm lebte. Das würde das aus der Suda errechnete Geburtsdatum untermauern:

Unserem König von einst, dem Götterfreund Theopompos,
Der in Messenien uns weite Gebiete gewann;
Ist doch Messenien gut zu säen und Bäume zu pflanzen.
Neunzehn Jahre hindurch mussten um dieses Gebiet
Unaufhörlich ringen mit langausharrendem Mute
Unseres Vatergeschlechts kämpfende Väter von einst.
Endlich in zwanzigsten Jahre verließen jene die fetten
Fluren und flohen hinab von den ithomischen Höhn.
[15]

Dementsprechend dürfte Tyrtaios zwischen 680 und 600 in Sparta gelebt haben, zeitgleich mit dem aus Ephesos stammenden Kallinos.[16]

Werke

Eine Aufzählung der Gedichte findet sich in der Suda. Sie nennt fünf in Alexandria aufbewahrte Gedichtbücher, eine Politeia für die Lakedaimonier, dann die bei Aristoteles und Strabon genannte Eunomia und Paränesen in elegischer Form.[17] Von den Gedichten des Tyrtaios sind heute in etwa 200 Verse erhalten. Hauptsächlich sind diese durch literarische Zeugnisse, teils durch Papyrusfunde überliefert.

Inhaltlich spiegeln die Gedichte vor allem zentrale Wertvorstellungen der archaischen Zeit wider. In diesem Zusammenhang ist vor allem der Kampf im Kollektiv und die Einführung der Phalanx von Bedeutung.[3] Auch die Phalanx ist bei ihm bereits erwähnt.[18]

Ein Gedicht, das bereits nachweislich in der Antike als Eunomia bezeichnet wurde, findet in der Politeia des Aristoteles Erwähnung.[19] Es hat die Entstehung der spartanischen Gesellschaft zum Inhalt und berichtet darüber, dass die Herakleiden die Stadt von Zeus zum Geschenk bekommen hätten. Diesem Gedicht ist noch ein Papyrusfragment zuzuordnen: [20]

Zeus war es selbst, der Kronide, der Gatte der kränzegeschmückten
Hera, welcher die Stadt euch, Herakliden, geschenkt;
Ihnen waren wir einst von Erineos´luftigen Höhen
Nieder zu Pelops´ weiträumiger Insel gefolgt.
[21]

Weiteres über den Inhalt der Eunomia findet sich bei Plutarch[22] und Diodor. [23] Auch in diesem Gedicht wird besonders darauf hingewiesen, dass sich alle Männer für die Gemeinschaft einsetzen sollen.[3]

Primärquellen

  • Callin. In: Horst Rüdiger (Hrsg.): Griechische Gedichte. 1. Auflage, München 1972; 2. Auflage, München 1992, S. 47-50.
  • Diodor: Diodorus of Sicily. (= The Library of History Books IV. 59-VIII). Übersetzung ins Englische von C. H. Oldfather. London 1993 (first published 1939, reprinted 1952, 1961, 1970, 1993).
  • Diodor: Diodors Griechische Weltgeschichte. Buch I-X. Zweiter Teil. Übersetzt von Gerhard Wirth (Buch I-III) und Otto Veh (Buch IV-X). Stuttgart 1993.
  • Herodot: Historiae. Bd. II, Herausgegeben von H. B. Rosén. Leipzig 1997.
  • Herodot: Neun Bücher zur Geschichte. Wiesbaden 2007.
  • Lykurgos von Athen: Rede gegen Leokrates. Herausgegeben, eingeleitet und übersetzt von Johannes Engels. Darmstadt 2008.
  • Pausanias: Beschreibung Griechenlands. Sowohl neu Übersetzt wie mit Einleitung und erklärenden Anmerkungen versehen von Ernst Meyer. Zürich 1954.
  • Pausaniae Graeciae Descriptio. Bd. I. Vibri I-IV. Herausgegeben von Maria Helena Rocha-Pereira. Leipzig 1973.
  • Platon: Gesetze. Buch I-VI. Bearbeitet von Klaus Schöpsdau. Griechischer Text von Edouard de Places. Deutsche Übersetzung von Klaus Schöpsdau. Darmstadt 1977.
  • Plutarchus: Vitae Parallelae. Band 3 Fasc. 2, hrsg. Konrat Ziegler. Leipzig 1973.
  • Plutarch: Die großen Griechen und Römer. Doppelbiographien. Bd. 1. Aus dem griechischen von Eduard Eyth. Neu-Isenburg 2008.
  • Suda - Ausgabe: Ada Adler (Hrsg.): Suidae Lexicon. Pars IV. Leipzig 1932.
  • Zoltan Franyó (Übers.), Bruno Snell (Bearb.): Frühgriechische Lyriker. Teil 1: Die Frühen Elegiker. Berlin 1971.
  • Martin Litchfield West: Iambi et Elegi Graeci ante Alexandrum cantati. Bd. II (= Callinus Mimnermus Semonides Solon Tyraeus Minora adesponta.). 1. Auflage: Oxford 1972, S. 149-163; 2. Auflage: Oxford 1992, S. 169-184.

Literatur

Weiterführende Literatur

  • Xenophon: Die Verfassung der Spartaner. Herausgegeben, übersetzt und erläutert von Stefan Rebenich. Darmstadt 1998.

Einzelnachweise

  1. Blumenthal: RE VII A (1948) s. v. Tyrtaios 1, Sp. 1956.
  2. Platon: Gesetze. 629 a-b.
  3. a b c A. Bagordo: Tyrtaios. In: Zimmermann: Die Literatur der Archaischen und Klassischen Zeit. S. 161.
  4. a b A. Bagordo: Tyrtaios. In: Zimmermann: Die Literatur der Archaischen und Klassischen Zeit. S. 160.
  5. Suidae Lexicon. (Suid.) s. v. Tyrtaios. 1205.
  6. Joachim Latacz: Kampfparänese, Kampfdarstellung und Kampfwirklichkeit in der Ilias, bei Kallinos und Tyrtaios. S. 1; Blumenthal: RE VII A (1948) s. v. Tyrtaios 1, Sp. 1945.
  7. Pausanias: Beschreibung Griechenlands. 4, 15, 6/4, 16, 2.
  8. Platon: Gesetze. 629 a-b.
  9. Lycurg: Rede gegen Leokrates. 105.
  10. Herodotus: Historiae. IX 33, 3 und IX 33, 5; vgl. Blumenthal: RE VII A (1948) s. v. Tyrtaios 1, Sp. 1944.
  11. Blumenthal: RE VII A (1948) s. v. Tyrtaios 1, Sp. 1944.
  12. Einige Akk. der I. Dekl. auf -ᾶς und ein Fut. auf - εῦμεν; vgl. Albin Lesky: Geschichte der griechischen Literatur. S. 145.
  13. Suda s.v. Tyrtaios.; A. Bagordo: Tyrtaios. In: Zimmermann: Die Literatur der Archaischen und Klassischen Zeit. S. 160.
  14. Theopompos König in Sparta in der zweiten Hälfte des 8. Jhd. v. Chr. vgl. Blumenthal: RE VII A (1948) s. v. Tyrtaios 1, 1945.
  15. Fragment 5 West (Fragment 4, Übersetzung: Zoltan Franyó)
  16. Blumenthal: RE VII A (1948) s. v. Tyrtaios 1, Sp. 1945.
  17. Suidae Lexicon. (Suid.) s. v. Tyrtaios. 1205.
  18. Fragment 12, 21 West.
  19. Aristoteles: Politik. 1306 b.
  20. Papyrusfragment POxy 2824, Verse 12-16 = Fragment 2 West.
  21. Fragment 2, 13-16 West (Fragment 2, Übersetzung: Zoltan Franyó)
  22. Plutarch: The Life of Lycurgus. 6, 6.
  23. Diodor: Diodorus of Sicily. 7, 12, 6.


Bisheriger Artikel

Tyrtaios (Vorlage:Polytonisch, latinisiert Tyrtaeus, eingedeutscht Tyrtäus) war ein griechischer Elegiendichter, der wahrscheinlich Mitte des 7. Jahrhunderts v. Chr. in Sparta lebte.

Gemäß Eusebius von Caesarea erreichte er während der Olympiade von 612 v. Chr. bis 609 v. Chr. den Höhepunkt seines Schaffens. Einige Forscher (z. B. Andreas Luther) haben den Verdacht geäußert, Tyrtaios sei erst ins 5. Jahrhundert zu datieren, doch hat sich diese Position bislang nicht durchsetzen können.

Tyrtaios’ Herkunft war schon in der Antike umstritten. Laut der mittelbyzantinischen Suda, die auf heute verlorenen antiken Texten und Lexika basiert, war er ein gebürtiger Spartaner oder aber ein Ionier aus Milet; in einer sehr wahrscheinlich unzutreffenden späteren Tradition wurde er dagegen als Athener bezeichnet.

Tyrtaios soll fünf Bücher Gedichte verfasst haben, die nur in einzelnen Zitaten und einigen Papyrusfragmenten erhalten sind. Thema der Gedichte war vor allem der Kampf der Spartaner gegen die von ihnen unterworfenen Messenier im Zweiten Messenischen Krieg. Er forderte die spartanischen Soldaten zum Durchhalten im Kampf und zur Unterordnung des Einzelnen unter die neue Hoplitenphalanx auf. Tyrtaios gilt als Archetyp eines Kriegsdichters, seine Gesänge wurden von den spartanischen Soldaten im Krieg und im Feldlager vorgetragen, und der beste Rezitator bekam eine Belohnung.

Heimat und sämtliche Bürger schätzen als Kleinod den Helden,
der sich, die Beine gespreizt, standhaft im Vorkampfe hält,
jeden Gedanken auch nur verwirft an schmähliches Fliehen.

Tyrtaios[1]

Literatur

Einzelnachweise

  1. Zitiert nach Oswyn Murray: Das frühe Griechenland. dtv, München 1982, ISBN 3-423-04400-4, S. 171.