Schulmilchprogramm der Europäischen Union

Als Schulmilchprogramm der europäischen Union bezeichnet man ein Projekt der Europäischen Union, mit dem sie seit 1977 den Mitgliedsländern Mittel zur Förderung der Abgabe von Milch und bestimmten Milcherzeugnisse in Schulen anbietet.[1] Grundlage war insbesondere die Verordnung (EG) Nr. 2707/2000[2] und seit 2008 die Verordnung (EG) Nr. 657/2008[3] der Europäischen Kommission und ist nun die Verordnung (EU) Nr. 1308/2013.[4]

Manche Mitgliedsstaaten führen gleichartige Aktionen seit langer Zeit durch und integrierten ihre Tradition in das EU-Projekt. So stellt die Schulmilch in Deutschland einen Teil der Schulspeisung dar. Auch in Österreich hat die Schulmilchaktion ihre Wurzeln bereits vor dem Zweiten Weltkrieg.

Im Rahmen des europäischen Programmes wurden im Schuljahr 2006/2007 in den damals 22 Mitgliedstaaten der Europäischen Union etwa 305.000 Tonnen Schulmilch an Schulen verteilt. Von der EU selbst waren dazu Aufwendungen von mehr als 50 Millionen Euro notwendig.[5]

Zweck

Das Programm „Schulmilch“ soll Kinder zum Konsum gesunder Milcherzeugnisse ermutigen und eine erzieherische Wirkung entfalten, indem es eine angeblich gesunde Lebensweise und gesunde Essgewohnheiten in einem frühen Alter fördert, die im späteren Leben fortgeführt werden. Es soll zur Bekämpfung der Adipositas unter Kindern beitragen. Außerdem trage es durch die Konsumförderung zur Verbesserung des „Marktgleichgewichts“ für Milch bei, dient also der Intervention auf dem Markt landwirtschaftliche Erzeugnisse und der Unterstützung der Landwirte.[6]

2011 gelangte der Europäische Rechnungshof nach Prüfung zur Einschätzung, das bisherige Programm sei weitgehend wirkungslos.[7][8] Das Programm wurde seither verändert.[9]

Schulmilch ist definiert als – auch laktosefreie – Trinkmilch, Käse, Quark oder Topfen, Joghurt und andere fermentierte oder gesäuerte Milchprodukte ohne Zusatz von Aromastoffen, Früchten, Nüssen oder Kakao.[10]

Finanzierung

Die Europäische Union finanziert mindestens 75 Prozent der Kosten, den Rest stellt das – freiwillig teilnehmende – Mitgliedsland.[11] Die EU stellt derzeit noch etwa 4,5 Cent Beihilfe pro teilnehmendem Berechtigten und pro Schultag für eine Menge von 0,25 Liter Milch, Milchmischgetränk, Joghurt (auch Fruchtjoghurt) und Käse bereit (früher ca. 10 Cent).

Für das Programm, das auch pädagogische Maßnahmen und Werbemittel beinhaltet, stellt die EU für den Zeitraum 1. August 2017 bis 31. Juli 2023 Beihilfen in Höhe von insgesamt 100 Millionen Euro bereit, wovon 9.404.154 Euro Deutschland und 1.100.486 Euro Österreich zugewiesen sind.[12]

Aktion in Mitgliedsländern

Vorgänger und Durchführung in Deutschland

Frühe Aktionen starteten in der DDR. Später verfügte jede Schule der DDR über einen von den Schülern selbst betriebenen Milchdienst.

In den heute teilnehmenden Schulen haben ca. 4,9 Millionen Schüler die Möglichkeit, sich mit Schulmilcherzeugnissen zu versorgen. Von insgesamt rund 13 Millionen Berechtigten nehmen rechnerisch jedoch nur noch knapp 800.000 = ca. 6 Prozent am EU-Programm teil.

Bis auf das Saarland nimmt jedes Bundesland am EU-Programm teil und betreibt die Umsetzung der Schulmilchverordnung in eigener Regie mit unterschiedlichem Erfolg. Die höchste Beteiligung gibt es in Berlin, Thüringen und Nordrhein-Westfalen.[13] Zum einfacheren Verkauf und flexibleren Angebot stellen manche Schulmilchlieferanten Verkaufsautomaten zur Verfügung. In manchen Schulen – insbesondere in Bayern – werden Milch und Milcherzeugnisse auch außerhalb des EU-Programms angeboten, so dass die über das Schulmilchprogramm der EU abgesetzte Menge nur einen Teil der in deutschen Schulen verzehrten Milch darstellt.

Vorgängeraktionen und Durchführung in Österreich

Die ersten Aktionen wurden im Jahr 1930 in Wien durchgeführt und war auf Spenden angewiesen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Aktionen durch das Sozialministerium durch die Ausspeisungsaktion fortgesetzt. Die UNICEF stellte in den Jahren 1948 und 1949 Lebensmittel, darunter auch Magermilchpulver zur Verfügung. Im Jahr 1953 konnten schon etwa 185.000 von den 800.000 Schülern mit Milch versorgt werden. Im Jahr 1980 waren es bereits mehr als 20 Millionen Liter Milch, die in den Schulen getrunken wurde. Auch der Milchwirtschaftsfond und die Milchwerbegesellschaft ÖMIG halfen dabei.[14]

Ab dem Jahr 1993 begannen die Bauern auch mit einer Ab-Hof-Milchvermarktung, die eine Direktbelieferung der Schulen erlaubte. Die Direktbelieferung durch Bauern erreichte bis 2001 einen Marktanteil von 85 Prozent. Die Initiative wurde mit dem Agrarprojekt-Preis in Wieselburg ausgezeichnet.

Seit dem Beginn der Mitgliedschaft bei der EU im Jahr 1995 wird die bereits durchgeführte Aktion als Aktion der EU durchgeführt.

Anspruch haben Kinder im Kindergarten und in Schulen bis zur Matura. Im Jahr 2010 wurden regelmäßig 3.282 Schulen und Kindergärten beliefert. Den größten Teil in der Höhe von 57 Prozent erhalten dabei die Volksschüler, die Kindergartenkinder erhalten 22 Prozent. Von den etwa einhundert Milchlieferanten waren 94 Prozent Landwirte, die ihre Milch als Direktvermarkter an die Schulen lieferten, wovon wiederum 15 Prozent Biolandwirtschaft betrieben.[15]

Schulmilch weltweit

Im Vereinigten Königreich wurde die Ausgabe durch den School Milk Act 1946 eingeführt.[16]

Von der FAO, der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen, wird die Bedeutung der Schulmilch anerkannt. Sie hat im Jahr 2000 den 29. September zum Weltschulmilchtag erklärt.[17] Jährlich findet seither zusätzlich zum Weltmilchtag (1. Juni) der Weltschulmilchtag am letzten Mittwoch des Septembers statt.[18][19]

Ähnliche Aktionen

Erst in den letzten Jahren sind ähnliche Aktionen gestartet worden. So begannen 2008 einzelne Staaten, wie Deutschland oder Österreich, mit Unterstützung der EU mit der Schulobstaktion,[20] dabei können die Länder selbst entscheiden, ob jeweils auf saisonales oder regionales Obst zurückgegriffen wird.

Aktuelle Entwicklungen

Nach einem Gesetzesentwurf des Europäischen Rates und des Europäischen Parlaments vom Mai 2016 wurden die Schulmilch- und Schulobstprogramme der EU ab August 2017 zusammengeführt und finanziell stärker unterstützt.[21] Zudem soll der Unterricht über gesunde Ernährungsgewohnheiten verbessert werden.[22]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Kommission: Grünes Licht für einfachere Regeln, Pressemitteilung vom 11. April 2016
  2. Verordnung (EG) Nr. 2707/2000 der Kommission vom 11. Dezember 2000 mit Durchführungsvorschriften zur Verordnung (EG) Nr. 1255/1999 des Rates hinsichtlich der Gewährung einer Gemeinschaftsbeihilfe für die Abgabe von Milch und bestimmten Milcherzeugnissen an Schüler in Schulen
  3. Verordnung (EG) Nr. 657/2008 der Kommission vom 10. Juli 2008 mit Durchführungsvorschriften zur Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 des Rates hinsichtlich der Gewährung einer Gemeinschaftsbeihilfe für die Abgabe von Milch und bestimmten Milcherzeugnissen an Schüler in Schulen
  4. Art. 22 und 23 der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 über eine gemeinsame Marktorganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse
  5. Das europäische Schulmilchprogramm Landwirtschaft und ländliche Entwicklung vom 28. September 2009, abgerufen am 16. März 2012.
  6. Zusammenfassung und Zitat in der Antwort der Kommission..."Sind die Programme „Schulmilch“ und „Schulobst“ wirksam?", KOM(2011)507, vom 11. August 2011
  7. EuRH veröffentlicht Sonderbericht Nr. 10/2011: Sind die Programme „Schulmilch“ und „Schulobst“ wirksam? Pressemitteilung. Europäischer Rechnungshof, 24. Oktober 2011, abgerufen am 3. März 2023.
  8. Sonderbericht Nr. 10/2011 „Sind die Programme ‚Schulmilch‘ und ‚Schulobst‘ wirksam?“, abgerufen am 3. März 2023
  9. Europäische Kommission: Grünes Licht für einfachere Regeln, 11. April 2016
  10. Art. 23 Abs. 2 b) und Abs. 4 b) Verordnung (EU) Nr. 1308/2013
  11. Kommission: Grünes Licht für einfachere Regeln, Pressemitteilung vom 11. April 2016
  12. Art 23 der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 und im Detail: Art. 5 der Verordnung (EU) Nr. 1370/2013 des Rates vom 16. Dezember 2013 mit Maßnahmen zur Festsetzung bestimmter Beihilfen und Erstattungen im Zusammenhang mit der gemeinsamen Marktorganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse, Aufteilung der Mittel: Anhang I. Nach Art. 5 Abs. 3 darf die Subvention nicht über 27 Cent/kg Milch liegen.
  13. Andreas Fasel: Auf Kinder wirkt gezuckerte Milch wie eine Droge. In: Die Welt. 9. September 2014 (welt.de [abgerufen am 4. August 2020]).
  14. Welt-Schulmilchtag am 29. September (Memento des Originals vom 2. August 2012 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.blickinsland.at in Blick ins Land abgerufen am 30. September 2010
  15. Schulmilch in Österreich@1@2Vorlage:Toter Link/www.ama.at (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im Mai 2019. Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. auf der Seite der Agrarmarkt Austria abgerufen am 8. November 2010
  16. Fraser Brockington: Public health doctor whose work paved the way for free school milk
  17. World School Milk Day – 29 September 2011, abgerufen am 16. März 2012.
  18. 80 Jahre Schulmilch-Aktion in Oesterreich@1@2Vorlage:Toter Link/www.derboersianer.com (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im Mai 2019. Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. vom 25. September 2010, abgerufen am 30. September 2010.
  19. http://ec.europa.eu/agriculture/markets/milk/schoolmilk/index_de.htm
  20. Schulobstaktion – Aufklärungskampagne für gesündere Ernährung auf der Seite des österreichischen Lebensministeriums vom 20. November 2008, abgerufen am 11. November 2010.
  21. Verordnung (EU) 2016/791 des Europäischen Parlamentes und des Rates
  22. Schulmilch- und Schulobstprogramme: Mehr Geld, besserer Unterricht für Kinder (Memento vom 14. Juni 2016 im Internet Archive)