Munt

Mund oder Munt, f. (von germanisch: mundō ‚Hand, Schutz‘), auch Muntgewalt, bedeutet „(Rechts)schutz, Schirm, Vormundschaft“[1] und ist ein zentraler Begriff im Personenrecht des Mittelalters. Es bezeichnet die „Gewalt eines Muntherrn über einen spezifischen Personenkreis der Hausgemeinschaft“.[2][3]

Etymologie

Das Wort Munt leitet sich von urgermanisch mundō (f.) mit der Bedeutung ‚Hand, Schutz‘ ab,[4] vgl. altenglisch, altnordisch und altsächsisch mund. Das Wort existiert als Lehnwort aus dem Altfränkischen beziehungsweise Althochdeutschen in mehreren europäischen Sprachen, unter anderem im Lateinischen mundium, im Französischen mainbour ‚Vormund‘ (von lateinisch mundeburdium, vgl. entsprechend althochdeutsch muntboro) und polnisch mund. Es ist verwandt mit lateinisch manus ‚Hand‘, walisisch mwn ‚Handschuh‘, mittelirisch montar, muinter ‚rechtmäßige Gattin‘, und altgriechisch μάρη márē, deutsch ‚Hand‘.

Bedeutung und Geschichte

Die Munt ist der Vorläufer unseres heutigen Betreuungsrechts. Der Muntherr (heute: Vormund) übernahm dabei den Schutz und die Haftung des Muntlings (heute: Mündel). Als mündig galt nur, wer selbst waffenfähig und somit vollständig rechtsfähig war – im Regelfall der Mann oder Vater einer Familie.[5] Wichtigster Muntverband war das Haus (die Familie), die als „gattenzentrierte Haushaltsfamilie“ mit der Doppelspitze von Hausvater und Hausmutter konzipiert war.[6] Das Fehlen solcher Mündigkeit abseits des Hausvaters begründete dabei die hervorgehobene Stellung des Hausvaters, d. h. die väterliche Muntgewalt bzw. väterliche Gewalt. Sämtliche Angehörige des Hauses, d. h. Frauen, Kinder und Gesinde, unterstanden dieser.[5] Neben Pflichten, wie zum Schutz und der Vertretung vor Gericht, beinhaltete dies eine Vielzahl an Rechten. Die väterliche Vormundschaft über Familienmitglieder beinhaltete beispielsweise nicht nur die Absprache von Eheschließungen, sondern bei Normenverstößen oder Ehebruch auch das Recht zur Züchtigung oder sogar Tötung (vergleiche insoweit: pater familias).[2] Andererseits war sie aber „an die (physische und psychische) Leistungskraft, Führungsstärke und Wehrhaftigkeit des Mannes gebunden“ und ging mit dem Schwinden dieser Schutz- und Leistungsfähigkeit an einen jüngeren Nachfolger über.[7] Dieses Konzept konkurrenz- und leistungsbasierter männlicher Schutzherrschaft war die west-christliche Variante „patriarchaler Herrschaft“.[8][9]

Söhne wurden bei Gründung eines eigenen Hausstandes selbstmündig. Dieser Begriff wurde zu mündig verkürzt. Ab dem Hochmittelalter galt für Männer allgemein das Erreichen des 21. Geburtstages als fester Termin zum Erreichen der Mündigkeit.

Töchter des Hausherrn verließen die Munt bei der Verheiratung und traten dann in die Munt des Gatten ein (Muntehe). Der Muntschatz ist das an den Brautvater zu zahlende Brautgeld, um die Gemahlin aus dem Rechtsverband herauszulösen. Bis ins 19. Jahrhundert wurde diese Rechtstradition fortgeführt: „Allgemeine Aussagen über die ‚Frau als Rechtsperson‘, d. h. die Anerkennung ihrer Fähigkeit, selbständig Träger von Rechten und Pflichten zu sein, sucht man in privatrechtlichen Quellen des 19. Jahrhunderts vergebens.“[10]

Sonderformen der Munt

Eine spezielle Form der Munt war im Königsschutz für Kleriker, Kaufleute und Juden (Judenregal) sowie für Witwen und Waisen verankert. Dieser Königsmunt begründete „Herrenrechte an Personen“[2]. Der Vogt übte ebenfalls die Munt aus.

Vor Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs bestand nach Landesrecht die Möglichkeit, eine Person für mundtot zu erklären, und somit zu entmündigen.

Literatur

Einzelnachweise

  1. Mund. In: Jacob Grimm, Wilhelm Grimm (Hrsg.): Deutsches Wörterbuch. Band 12: L, M – (VI). S. Hirzel, Leipzig 1885, Sp. 2683 (woerterbuchnetz.de).
  2. a b c Lea Hawranek: Munt-Gewalt. In: uni-due.de. Universität Duisburg-Essen, 21. März 2011, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 6. April 2017; abgerufen am 5. April 2017.
  3. Mark-Alexander Grimme: Die Entwicklung der Emanzipation der Frau in der Familienrechtsgeschichte bis zum Gleichberechtigungsgesetz 1957. Unter besonderer Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte des Bürgerlichen Gesetzbuches (= Europäische Hochschulschriften. Reihe 2 / Rechtswissenschaft. Band 3624). Lang, Frankfurt am Main [u. a.] 2003, ISBN 3-631-39860-3, S. 107 (Zugl.: Göttingen, Univ., Diss., 2002).
  4. Mund. In: Heidelberger Akademie der Wissenschaften (Hrsg.): Deutsches Rechtswörterbuch. Band 9, Heft 7/8 (bearbeitet von Heino Speer u. a.). Hermann Böhlaus Nachfolger, Weimar 1995, ISBN 3-7400-0982-9, Sp. 973–975 (adw.uni-heidelberg.de).
  5. a b Michael Mitterauer: Die Haushaltsfamilie. In: Andreas Gestrich, Jens-Uwe Krause, Michael Mitterauer: Geschichte der Familie (= Europäische Kulturgeschichte. Band 1). Alfred Kröner, Stuttgart 2003, S. 264–354, hier S. 316.
  6. Michael Mitterauer: Die Haushaltsfamilie. In: Andreas Gestrich, Jens-Uwe Krause, Michael Mitterauer: Geschichte der Familie (= Europäische Kulturgeschichte. Band 1). Alfred Kröner, Stuttgart 2003, S. 264–354.
  7. Reinhard Sieder: Patchworks: Das Familienleben getrennter Eltern und ihrer Kinder. Stuttgart 2008, S. 78.
  8. Reinhard Sieder: Der Familienmythos und die romantische Liebe in der condition postmoderne. In: Jürgen Hardt, Fritz Hardt, Matthias Ochs, Marion Schwarz, Thomas Merz (Hrsg.): Sehnsucht Familie in der Postmoderne: Eltern und Kinder in Therapie heute. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2010, S. 45–72.
  9. Reinhard Sieder: Patchworks: Das Familienleben getrennter Eltern und ihrer Kinder. Klett-Cotta, Stuttgart 2008.
  10. Ute Gerhard: Die Frau als Rechtsperson – oder: Wie verschieden sind die Geschlechter? Einblicke in die Jurisprudenz des 19. Jahrhunderts. In: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte. Germanistische Abteilung. Band 130, Nr. 1. Savigny Verlagsgesellschaft, August 2013, ISSN 0323-4045, S. 281–304.