Huairou

Huairou (怀柔区)
Stadtbezirk von Peking
Lage von Huairou in Peking
Lage von Huairou in Peking
Koordinaten 40° 18′ 34″ N, 116° 39′ 5″ OKoordinaten: 40° 18′ 34″ N, 116° 39′ 5″ O
Fläche 2.122,62 km²
Einwohner 441.040 ( 2020)
Bevölkerungsdichte 208 Einwohner/km²
Quelle: Gemeindeverwaltung

Huairou (chinesisch 懷柔區 / 怀柔区, Pinyin Huáiróu Qū) ist ein Stadtbezirk der chinesischen Hauptstadt Peking mit einer Fläche von 2126,62 km². 89 % der Fläche des Bezirks besteht aus Bergland. Die Einwohnerzahl beträgt 441.040 (Stand: Zensus 2020).[1] Huairou hatte 2019 fast 388.000 Einwohner, davon etwa 278.000 mit Bürgerrecht, der Rest Wanderarbeiter, Studenten und Soldaten. Von den 278.000 registrierten Einwohnern waren rund 153.000, also 55 % in der Landwirtschaft beschäftigt. Huairou ist mit seinem Speichersee eine wichtige Wasserquelle für Peking, außerdem liegen dort 20 km der Chinesischen Mauer.[2]

Geschichte

Während der Zeit der Streitenden Reiche gehörte der heutige Stadtbezirk zum Königreich Yan. König Xi gründete dort 243 v. Chr. die Kommandantur Yuyang (渔阳郡).[3] Die Qin-Dynastie übernahm 222 v. Chr. Yuyang als eine der 36 Kommandanturen des Reichs, verlegte den Verwaltungssitz jedoch vom heutigen Dorf Tongjunzhuang (统军庄村) der Großgemeinde Shilipu (十里堡镇) im benachbarten Miyun in das heutige Dorf Liyuanzhuang (梨园庄村) der Großgemeinde Beifang von Huairou. Dies wurde anschließend von der Han-Dynastie und der Wei-Dynastie so weitergeführt. Von den nordchinesischen Kleinstaaten, die nach dem Ende der Wei-Dynastie im Jahr 265 in rascher Folge entstanden und untergingen, wurde der strategische Wert der Kommandantur Yuyang für eher gering erachtet, und die Gegend erlebte einen wirtschaftlichen Abstieg. Dies änderte sich erst während der Nördlichen Qi-Dynastie (550–577), als dort die erste Version des heutigen Abschnitts Mutianyu der Großen Mauer errichtet wurde.

Die Chinesische Mauer bei Mutianyu

Mit der Gründung der Tang-Dynastie im Jahr 618 wurden die Kommandanturen aufgelöst und in Präfekturen umgewandelt,[4] wobei das Gebiet des heutigen Huairou der Präfektur Tan (檀州), dem heutigen Miyun, zugeordnet wurde. In der südlich anschließenden Präfektur Shun (顺州), dem heutigen Stadtbezirk Shunyi von Peking, wurde bei dieser Verwaltungsreform zwar ein „Kreis Huairou“ (怀柔县) eingerichtet, der hatte jedoch mit dem heutigen Huairou nichts zu tun. Der Kreis Huairou als Vorläufer des heutigen Stadtbezirks entstand erst Anfang 1369, als Kaiser Zhu Yuanzhang kurz nach der Gründung der Ming-Dynastie die Präfektur Tan in die Kreise Miyun und Huairou aufteilte.[5] Als General Xu Da, ein alter Kampfgefährte von Zhu Yuanzhang, 1371 nach Beiping (北平, das heutige Peking) versetzt wurde – damals war noch Nanjing die Hauptstadt von China – begann er mit dem Wiederaufbau der Großen Mauer, die während der mongolischen Yuan-Dynastie (1279–1368) keine Grenzfunktion mehr gehabt hatte. Der heute erhaltene Mauerabschnitt Mutianyu stammt aus dieser Zeit.

Im Jahr 1513 wurde der südlich anschließende Kreis Changping zur Präfektur hochgestuft und der Kreis Huairou dieser Präfektur zugeteilt. Um 1645, zu Beginn der Regierungszeit von Kaiser Aisin Gioro Fulin, kam Huairou als einer von 22 Kreisen zur Hauptstadtpräfektur Shuntian (順天府, im Wesentlichen das Gebiet der heutigen Regierungsunmittelbaren Stadt Peking). Nachdem General Yuan Shikai am 10. Oktober 1913, im 2. Jahr der Republik, die Beiyang-Regierung gegründethatte, womit die Provisorische Regierung der Republik China (中华民国临时政府) ein Ende fand, wurde der Hauptstadtbezirk im Oktober 1914 in Jingzhao (京兆地方) umbenannt, Huairou war damals einer der nun 20 Kreise dort. Nach der Befreiung des Gebiets durch die Rote Armee am 6. Dezember 1948 wurde der Kreis Huairou der Provinz Hebei zugeteilt,[6] kam dann aber am 20. Oktober 1958 wieder zur Regierungsunmittelbaren Stadt Peking. Am 7. Februar 2002 wurde der Kreis Huairou per Beschluss der Stadtregierung von Peking und mit Genehmigung des Staatsrats der Volksrepublik China aufgelöst und in den Stadtbezirk Huairou umgewandelt.

Administrative Gliederung

Auf Gemeindeebene setzt sich Huairou aus zwei Straßenvierteln, 3 Gebietsbüros, 9 Großgemeinden und zwei Nationalitätengemeinden zusammen.[7] Diese sind:

  • Straßenviertel Quanhe (泉河街道), Sitz der Stadtbezirksregierung
  • Straßenviertel Longshan (龙山街道)
  • Gebietsbüro Huairou (怀柔地区), entspricht der Großgemeinde Huairou (怀柔镇)
  • Gebietsbüro Miaocheng (庙城地区), entspricht der Großgemeinde Miaocheng (庙城镇)
  • Gebietsbüro Yanqi (雁栖地区), entspricht der Großgemeinde Yanqi (雁栖镇)
  • Großgemeinde Beifang (北房镇)
  • Großgemeinde Yangsong (杨宋镇)
  • Großgemeinde Qiaozi (桥梓镇)
  • Großgemeinde Huaibei (怀北镇)
  • Großgemeinde Tanghekou (汤河口镇)
  • Großgemeinde Bohai (渤海镇)
  • Großgemeinde Jiuduhe (九渡河镇)
  • Großgemeinde Liulimiao (琉璃庙镇)
  • Großgemeinde Baoshan (宝山镇)
  • Nationalitätengemeinde Changshaoying der Mandschu (长哨营满族乡)
  • Nationalitätengemeinde Labagoumen der Mandschu (喇叭沟门满族乡)[8]

Wissenschaft und Militär

Campus am Yanqi-See

In Yanqi hat die im Juni 1978 als Kaderschule der Kommission für Wehrtechnik der Volksbefreiungsarmee gegründete Hochschule für Raumfahrttechnik der Strategischen Kampfunterstützungstruppe ihren Hauptsitz.[9] In der Großgemeinde Huaibei betreibt die Universität der Chinesischen Akademie der Wissenschaften seit dem 3. September 2013 den „Campus am Yanqi-See“, ein kleinerer Speichersee im Norden des Stadtbezirks.[10] Gegenüber der Großgemeinde Huairou, auf einer Insel am Nordufer des großen Huairou-Speichersees, befindet sich seit November 1984 das Sonnenobservatorium Huairou der Nationalen Astronomischen Observatorien der Chinesischen Akademie der Wissenschaften.[11]

Im Südosten des Stadtbezirks, an der Grenze zu Miyun, entsteht seit 2020 auf 100,9 km² die „Wissenschaftsstadt Huairou“ (怀柔科学城), wovon 68,4 km² auf Huairou entfallen, 32,5 km² auf Miyun. In Anlehnung an das Wissenschafts- und Technologiezentrum Zhongguancun im Stadtbezirk Haidian sollen dort Forschungsinstitute und Hochtechnologie-Firmen angesiedelt werden, die auf den Gebieten Materialwissenschaft und Werkstofftechnik, Weltraumwissenschaften, Erdsystemwissenschaft, Biowissenschaften sowie Künstliche Intelligenz Forschung und Entwicklungsarbeit betreiben.[12] Im Oktober 2021 hatten die ersten fünf interdisziplinären Forschungsplattformen ihre Gebäude fertiggestellt und mit der Installation von Geräten begonnen, weitere 13 Institute waren im Rohbau fertiggestellt.[13] Das Institut für Hochenergiephysik der Chinesischen Akademie der Wissenschaften baut in der Wissenschaftsstadt ein Synchrotron mit einem Speicherring von 1360,4 m Durchmesser zur Erzeugung von hochenergetischen Photonen, im internationalen Sprachgebrauch High Energy Photon Source bzw. HEPS.[14] Im März 2023 lief die Anlage erstmals mit der vollen Leistung von 6 GeV.[15]

Seit Mitte 2012 betreibt das Institut für Mechanik der Chinesischen Akademie der Wissenschaften in Yanqi einen 265 m langen Hyperschall-Windkanal mit einem Innendurchmesser von 3,5 m, in dem Modelle von Raumflugkörpern etc. für 130 ms Strömungsgeschwindigkeiten von Mach 5 bis Mach 9 ausgesetzt werden können.[16][17] Im Zusammenhang mit dem geplanten horizontal startenden Raumflugzeug wurde dort ab März 2018 ein weiterer, größerer Windkanal für bis zu Mach 30 gebaut,[18] der am 15. April 2022 seinen ersten Probelauf absolvierte.[19][20]

Commons: Stadtbezirk Huairou – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

  1. citypopulation.de: Huáiróu Qū, Bezirk in Peking, abgerufen am 9. Januar 2022
  2. About Huairou. In: bjhr.gov.cn/english. Abgerufen am 14. Juli 2019 (englisch).
  3. Charles O. Hucker: A Dictionary of Official Titles in Imperial China. Stanford University Press, Stanford 1985, S. 200.
  4. Charles O. Hucker: A Dictionary of Official Titles in Imperial China. Stanford University Press, Stanford 1985, S. 178.
  5. 地名由来. In: bjhr.gov.cn. Abgerufen am 14. Juli 2019 (chinesisch).
  6. 中华民国. In: bjhr.gov.cn. 21. Oktober 2011, abgerufen am 14. Juli 2019 (chinesisch).
  7. 2020年统计用区划代码和城乡划分代码:怀柔区. In: stats.gov.cn. 1. November 2020, abgerufen am 30. August 2021 (chinesisch).
  8. 行政区划. In: bjhr.gov.cn. Abgerufen am 14. Juli 2019 (chinesisch).
  9. 张宏洲: 2017军校巡礼第二十五站:航天工程大学. In: mod.gov.cn. 15. Juni 2017, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 2. November 2020; abgerufen am 14. Juli 2019 (chinesisch).
  10. 齐芳: 中国科学院大学雁栖湖校区正式启用. In: epaper.gmw.cn. 4. September 2013, abgerufen am 14. Juli 2019 (chinesisch).
  11. Huairou Solar Observatory. In: english.nao.cas.cn. Abgerufen am 14. Juli 2019 (englisch).
  12. 北京怀柔科学城概况. In: bjhr.gov.cn. 31. Mai 2019, abgerufen am 14. Juli 2019 (chinesisch).
  13. 探索脑机融合!怀柔科学城又一研究平台封顶. In: sohu.com. 17. Oktober 2021, abgerufen am 25. April 2022 (chinesisch).
  14. 高能同步辐射光源项目概况. In: ihep.cas.cn. Abgerufen am 18. August 2023 (chinesisch).
  15. 刘苏雅: 怀柔科学城高能同步辐射光源建设获重大进展 直线加速器通过工艺验收. In: beijing.gov.cn. 14. Juni 2023, abgerufen am 18. August 2023 (chinesisch).
  16. 李舒亚: 俞鸿儒:在地面造“天空”的人. In: imech.ac.cn. 5. Dezember 2012, abgerufen am 22. August 2021 (chinesisch).
  17. JF-12 Shock Tunnel. In: imech.cas.cn. 28. November 2017, abgerufen am 21. September 2021 (englisch).
  18. JF-22超高速风洞项目通过国家基金委中期检查. In: imech.ac.cn. 4. Januar 2021, abgerufen am 22. August 2021 (chinesisch).
  19. 田梦: 中国超高声速 风洞托举航空事业的发展. In: sina.com.cn. 20. Oktober 2022, abgerufen am 2. Dezember 2022 (chinesisch).
  20. 胡宗民、汪运鹏: 漫说航天器回地之路. In: imech.cas.cn. 27. Mai 2022, abgerufen am 2. Dezember 2022 (chinesisch).