Kaufkraftparität

Die Kaufkraftparität (KKP oder KKB = kaufkraftbereinigt; englisch purchasing power parity, PPP; Parität = Gleichheit von lateinisch par ‚gleich‘) ist ein Begriff aus der Makroökonomie. Kaufkraftparität zwischen zwei geographischen Räumen im selben Währungsraum liegt dann vor, wenn Waren und Dienstleistungen eines Warenkorbes für gleich hohe Geldbeträge erworben werden können. Werden zwei unterschiedliche Währungsräume verglichen, so werden die Geldbeträge durch Wechselkurse vergleichbar gemacht. In diesem Fall herrscht Kaufkraftparität, wenn die unterschiedlichen Währungen durch die Wechselkurse dieselbe Kaufkraft haben und man somit denselben Warenkorb kaufen kann. Wenn Kaufkraftparität zwischen zwei Ländern herrscht, so ist der reale Wechselkurs gleich eins. Kaufkraftparität (KKP) ist das makroökonomische Gegenstück zum mikroökonomischen Gesetz von der Unterschiedslosigkeit der Preise.

Anwendungsgebiete

Das Konzept der Kaufkraftparität wird für eine ganze Reihe von Anwendungen genutzt:

Zum einen nutzt man es als langfristige Wechselkurstheorie (Kaufkraftparitätentheorie): Demzufolge passen sich Wechselkurse oder Inflation so an, dass zwischen beiden Währungsräumen Kaufkraftparität herrscht. Den Wechselkurs, zu dem die Kaufkraft in beiden Währungsräumen gleich ist, bezeichnet man als kaufkraftparitätischen Wechselkurs;

Zum anderen nutzt man es als Korrekturfaktor: Um volkswirtschaftliche Größen wie Bruttoinlandsprodukt, Bruttonationaleinkommen, Pro-Kopf-Einkommen oder absolute Armut international vergleichbar zu machen, ist eine bloße Umrechnung mit aktuellen Wechselkursen nicht ausreichend, da die Kaufkraft in unterschiedlichen Währungsräumen stark abweichen kann. Typische Konzepte sind hier der Kaufkraftstandard (KKS) und der PPP-US-Dollar (PPP-$). Hierbei wird jedoch keine Aussage über die Wirtschaftskraft getroffen, sondern das Aktivitätsniveau und das Wohlstandsniveau der Volkswirtschaften verglichen, da die über KKS errechneten Werte fiktiv sind.

Kaufkraftparitätentheorie

Grundkonzept

Die Kaufkraftparitätentheorie besagt, dass die Wechselkurse zwischen zwei Währungen hauptsächlich deshalb schwanken, um Preisniveauunterschiede auszugleichen. Sie basiert auf dem Grundsatz des Gesetzes vom einheitlichen Preis. Demnach müsste sich ein Gut überall auf der Welt zum gleichen Preis verkaufen. Andernfalls gäbe es Arbitragemöglichkeiten. Nach dieser Theorie muss eine Geldeinheit in allen Ländern die gleiche Kaufkraft haben, sie muss überall den gleichen realen Wert besitzen. Dies wird auch absolute Kaufkraftparität genannt.

Die Kaufkraftparitätentheorie stammt ursprünglich aus der monetären Außenwirtschaftstheorie. Es wird dabei berechnet, wie viel Einheiten der jeweiligen Währung notwendig sind, um den gleichen repräsentativen Güterkorb zu kaufen, den man für 1 US-Dollar in den USA erhalten könnte. Kurzfristig kann der Wechselkurs von der Kaufkraftparität abweichen, insbesondere da monetäre Störungen schnelle Änderungen des Wechselkurses verursachen können, während sich das Preisniveau nur relativ langsam ändert. Langfristig jedoch sollte er aber um diesen Wert schwanken. Dies wird dann relative Kaufkraftparität genannt.

Als Wegbereiter der Kaufkraftparitätentheorie gilt Gustav Cassel, wenngleich sich erste Ansätze schon im 17. Jahrhundert finden. Ausgehend von dieser Interpretation und der Zinsparitätentheorie entwickelte Rudiger Dornbusch die monetäre Wechselkurstheorie.

Kritik

Die Kaufkraftparitätentheorie ist eine vereinfachte Darstellung des Prinzips, wie sich Wechselkurse konstituieren. Nicht enthalten sind die in der Praxis faktisch anfallenden Transaktionskosten (Transportkosten, Zoll und Steuerabgaben sowie Verzerrungen durch staatliche Handelsbeschränkungen). Da die Theorie auf Jevons-Gesetz basiert, müssen die gleichen Bedingungen gelten. Dies kommt jedoch in der Realität kaum vor.

So zeigen Dornbusch und Fischer empirisch am Beispiel des Wechselkurses der DM und des US-Dollars seit dem Jahr 1979, dass die Theorie nicht in jedem Fall linear anwendbar ist.[1]

Ein weiterer Kritikpunkt ist der heutige (geringe) Einfluss, den Kauf und Verkauf von Devisen aus Warengeschäften auf die Wechselkursentwicklung ausüben. Laut der letzten Devisenmarktstatistik der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich vom April 2007 beträgt der durchschnittliche Tagesumsatz am Devisenmarkt 3.210.000.000.000 (3,21 Billionen) US-Dollar und ist seit der letzten Umfrage im Jahre 2004 um 70 % gestiegen. Nur etwa drei Prozent der Umsätze stammen danach aus Warengeschäften.[2]

Kaufkraftparitäten als Korrekturfaktor

Für internationale Einkommensvergleiche ermitteln internationale Organisationen (z. B. Weltbank) solche Kaufkraftparitäten empirisch, um Verzerrungen durch Wechselkursschwankungen zu eliminieren. So verwendet die Weltbank den Begriff lokale Kaufkraft für ihre Definition von Armut. Um das Einkommen der Personen vergleichen zu können, wird die Kaufkraft des US-Dollars in lokale Kaufkraft umgerechnet.

Da viele Entwicklungsländer (nach der Kaufkraftparitätentheorie) unterbewertete Währungen aufweisen, stellt sich ihr Pro-Kopf-Einkommen in (USD-)Kaufkraftparitäten zumeist höher dar als mit offiziellen Wechselkursen umgerechnet.

Ein populäres Beispiel für Kaufkraftparitäten auf einer alternativen Basis ist der von der Zeitschrift The Economist regelmäßig veröffentlichte Big-Mac-Index. Dabei wird ermittelt, wie viel ein Big Mac in einem McDonald’s-Restaurant in den verschiedenen Ländern der Welt kostet. Diese Preise werden zur Grundlage einer Währungsumrechnung gemacht. Ähnlich ist der iPod-Index. Hierbei wird der Verkaufspreis des von der Firma Apple produzierten iPods in verschiedenen Ländern verglichen. Ein Hauptunterschied zwischen beiden Indizes liegt darin, dass iPods ein über Landesgrenzen handelbares Gut darstellen, während mit Big Macs kein internationaler Handel betrieben wird, weshalb es bei Big Macs auch nicht zu ausgleichenden Arbitrage-Geschäften kommen kann. Die UBS vergleicht seit einigen Jahren Big Mac, Brot, iPhones und mehr. Sie konzentriert sich allerdings nicht nur einzig auf den Preis, sondern stellt im Endergebnis dar, wie viele Stunden Angestellte in verschiedenen Städten und Ländern arbeiten müssen, um sich das Produkt X leisten zu können.[3]

Kaufkraftvergleich anhand von EuroStat-Daten in der Zeitreihe

BIP pro Kopf in Kaufkraftstandards
(EU-28 als 100)
Land 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018
1. EU (28 Länder) 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100
2. EU (27 Länder) 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100
3. Euroraum (19 Länder) 109 109 109 109 108 108 107 107 107 106 106 106 106
5. Euroraum (18 Länder) 110 110 109 109 108 108 108 107 107 107 107 107 106
6. Belgien 119 117 115 118 120 120 121 120 119 118 118 117 115
7. Bulgarien 37 40 43 43 44 45 46 46 47 47 49 49 50
8. Tschechische Republik 79 82 84 85 83 83 82 84 86 87 88 89 90
9. Dänemark 125 123 125 125 129 128 127 128 128 127 124 125 126
10. Deutschland 116 117 117 117 120 123 124 124 126 124 124 123 123
11. Estland 64 69 69 64 65 71 74 75 76 75 75 77 81
12. Irland 148 148 134 129 130 130 132 132 137 181 183 184 187
13. Griechenland 96 93 93 94 85 75 72 72 72 69 68 67 68
14. Spanien 103 103 101 101 96 93 91 89 90 91 92 92 91
15. Frankreich 109 108 106 108 108 108 107 108 107 105 104 104 104
16. Kroatien 58 61 63 62 59 60 60 60 59 59 60 61 63
17. Italien 108 107 106 106 104 104 102 98 96 95 97 96 95
18. Zypern 101 104 105 105 100 96 91 84 81 82 83 84 87
19. Lettland 53 57 59 52 53 57 60 62 63 64 65 67 70
20. Litauen 55 60 63 56 60 66 70 73 75 75 75 78 81
21. Luxemburg 261 265 262 255 257 265 260 261 270 267 257 253 254
22. Ungarn 61 60 63 64 65 66 66 67 68 68 67 68 70
23. Malta 78 79 79 81 84 83 84 85 88 93 94 96 98
24. Niederlande 136 138 139 137 134 133 133 134 130 129 128 128 129
25. Österreich 126 125 125 127 126 128 132 131 130 130 127 128 127
26. Polen 51 53 55 59 62 65 67 67 67 68 68 70 71
27. Portugal 83 81 81 82 82 77 75 77 77 77 77 77 76
28. Rumänien 39 44 51 51 51 52 54 54 55 56 58 63 64
29. Slowenien 86 87 90 85 83 83 82 82 82 82 83 85 87
30. Slowakei 63 67 71 71 74 75 76 77 77 77 77 77 78
31. Finnland 115 119 121 117 116 117 115 113 111 109 109 109 110
32. Schweden 125 128 127 123 125 126 127 125 124 125 123 122 121
33. Vereinigtes Königreich 116 112 110 107 108 106 107 108 109 108 108 105 104
34. Island 130 129 129 128 116 114 116 117 119 124 128 130 133
35. Liechtenstein :n/a :n/a :n/a :n/a :n/a :n/a :n/a :n/a :n/a :n/a :n/a :n/a :n/a
36. Norwegen 181 177 187 172 174 179 186 184 176 160 148 150 150
37. Schweiz 150 157 159 160 159 162 164 165 165 165 161 158 157
38. Montenegro 35 39 41 40 41 42 39 41 41 42 45 46 47
39. Mazedonien 29 30 32 34 34 34 34 35 36 36 37 37 38
40. Albanien 22 23 25 27 29 29 30 29 30 29 29 29 31
41. Serbien 32 33 36 37 36 37 37 38 37 36 37 37 40
42. Türkei 46 47 48 48 52 56 58 61 64 65 64 65 65
43. Bosnien und Herzegowina 26 28 29 30 29 30 30 30 30 30 31 32 31
44. Vereinigte Staaten 155 152 146 146 145 143 146 145 146 147 145 145 143
45. Japan 111 109 105 103 105 103 106 107 104 106 107 105 98

Quelle: EuroStat, Daten vom 1. Juni 2018.[4]

Beispieltabelle für Arbitragemöglichkeiten anhand von Beispielswerten

Bruttoinlandsprodukte ausgewählter Staaten von 1997[5]
Land BIP/Kopf (in USD) BIP/Kopf (in PPP-$) Relation
Schweiz Schweiz 43.060 26.580 0,62
Vereinigte Staaten Vereinigte Staaten 29.080 29.080 1

1997 mussten für einen US-Dollar etwa 1,43 Schweizer Franken bezahlt werden. 1,43 geteilt durch 0,62 (siehe Tabelle) ergibt 2,31; die Kaufkraftparität zwischen Dollar und Franken betrug demnach 2,31. Das bedeutet, dass im besagten Jahr in der Schweiz mit 2,31 Franken gleich viele Warenwerte wie in den USA mit 1 US-Dollar eingekauft werden konnten.

Gemäß der Kaufkraftparitätentheorie wäre der Schweizer Franken gegenüber dem US-Dollar überbewertet, denn es bestünde eine Arbitragemöglichkeit. Man könnte Franken in Dollar wechseln, damit in den USA Waren kaufen und diese mit Gewinn in der Schweiz verkaufen. Dadurch würden stetig Franken in Dollar gewechselt, und der Franken würde an Wert verlieren. Erst wenn der Schweizer Franken gegenüber dem US-Dollar auf 62 % seines ursprünglichen Wertes abgewertet wäre, bestünde diese Möglichkeit nicht mehr und Arbitrage würde sich nicht mehr lohnen.

Empirie

International Comparison Program

Das ursprünglich von Irving Kravis, Alan Heston und Robert Summers initiierte Forschungsprogramm der Weltbank vergleicht Volkswirtschaften mittels der Kaufkraftparitätentheorie.

Das internationale Vergleichsprojekt (ICP) versucht die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit von Volkswirtschaften vergleichbarer zu machen. Ein realer Vergleich ist oft schwierig, da die frei gebildeten Wechselkurse oft verzerrt sind (z. B.: Chinas Deviseninterventionen). Daher betrachtet das ICP die preisliche Entwicklung von Warenkörben gemäß dem Kaufkraftparitätenansatz, um eine realitätsnähere Untersuchung zu ermöglichen.

Preissystemwahl und Samuelson-Effekt

Die Wahl eines geeigneten Preissystems erweist sich als schwierig, da trotz gleicher wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit – aufgrund von unterschiedlichen Preisniveaus – Länder verschieden leistungsfähig erscheinen. Dieser Verzerrungseffekt wird auch Balassa-Samuelson-Effekt genannt. Das ICP wählt ein Durchschnittspreissystem, um den Gerschenkroneffekt zu verringern.

Modell

Die internationalen Preise (Durchschnittspreissystem) werden definiert als:

womit sich umgekehrt für die Kaufkraftparität des Landes j ergibt:

Erläuterung der Symbole:

  • – internationaler Preis für Gut i
  • – Preis für Gut i in Land j
  • – Kaufkraftparität von Land j
  • produzierte Menge von Gut i in Land j
  • – Weltproduktion von Gut i

Ergebnisse

Verglichen mit der herkömmlichen Berechnung über Wechselkurse fällt der Abstand zwischen den Ländern geringer aus, die Dienstleistungsquote (Ausgaben für Dienstleistungen gemessen am Sozialprodukt) ist in Entwicklungs- wie auch Industrieländern ähnlich (jeweils ca. 1/3) und die Investitionsquote (Investitionsausgaben gemessen am Sozialprodukt) ist in Industriestaaten viel höher.

Kritik & Probleme

Ein grundlegendes Problem ist die statistische Datenerhebung. Man muss ein vergleichbares Produkt finden, um und erheben zu können. Dies ist besonders schwierig bei Dienstleistungen, da hier selten komplett gleiche Dienstleistungen für den Vergleich verfügbar sind.

Eine weitere Schwierigkeit ist das Auftreten des Gerschenkron-Effekts trotz des Durchschnittspreissystems. Dieser Effekt besagt, dass die Wachstumsrate einer Zeitreihe durch das Verschieben des Basisjahres verändert werden kann und so das Ergebnis verändert.

In der Gleichung zur Bestimmung der internationalen Preise wird der Anteil eines Landes an der Weltproduktion stark gewichtet:

Dies führt zu einer Verzerrung der internationalen Preise zugunsten der Länder mit höherem Anteil an der weltweiten Produktion.

Des Weiteren basiert ICP auf dem Kaufkraftparitätenansatz, der Freihandel voraussetzt (Gesetz vom einheitlichen Preis). Dies ist jedoch nur zwischen einigen Nationen der Fall.

Siehe auch

Literatur

  • Reinhard Gerhold: Die Kaufkraftparität als Verbindungsglied zwischen der realen und monetären Außenwirtschaftstheorie. Metropolis, Marburg 1999.
  • Maurice Obstfeld, Kenneth S. Rogoff: Foundations of international macroeconomics. 7. Auflage, Cambridge/MA 2004.
  • Nicholas Mankiw: Grundzüge der Volkswirtschaft. 3. Auflage, Schäffer Poeschel, 2004.
  • Irving B. Kravis: Comparative Studies of National Incomes and Prices, Journal of Economic Literature, American Economic Association, Band 22(1), Seiten 1–39; März 1984.
Wiktionary: Kaufkraftparität – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Rüdiger Dornbusch, Stanley Fischer: Makroökonomik, 6. Auflage, 1995, R. Oldenbourg Verlag, München, ISBN 3-486-22800-5, S. 760–761
  2. Triennial Central Bank Survey der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich
  3. Kaufkraft-Vergleich der UBS: Zürich und Genf zählen zu den teuersten Städten, 2015. NZZ am 17. September 2015, abgerufen am 1. Dezember 2015
  4. BIP pro Kopf in KKS. In: EuroStat. Daten vom 1. Juni 2018. Auf ec.Europa.eu, abgerufen am 25. Oktober 2019.
  5. Fischer Weltalmanach 2000