Hesse (Orgelbauerfamilie)

Hesse war eine deutsche Orgelbauerfamilie, die von 1754 bis 1862 in Dachwig, Thüringen, tätig war.

Geschichte

Johann Michael Hesse

Johann Michael Hesse wurde am 13. April 1734 in Molschleben geboren und starb am 26. September 1810 in Dachwig. Seinen beiden Kindern Ernst Ludwig und Georg Andreas überließ er 1810 seine Werkstatt.

Johann Michael Hesse war von 1747 bis 1751 Orgelbaulehrling seines Großvaters Johann Heinrich Schulze in Nottleben. Von 1752 bis 1755 ging er zusätzlich beim Mechanikus Fischer in Erfurt in Lehre. 1754 baute er zusammen mit seinem Großvater eine Orgel in Dachwig und lernte dort seine Frau kennen. Infolgedessen begründete er seine Werkstatt in Dachwig.

Die von ihm erbauten Instrumente wurden von seinen Zeitgenossen sehr gelobt. So schrieb der Goldbacher Organist Johann Christian Wolfram 1815: „Sie sind mehr als Meisterwerke, sie sind vollendete Kunstprodukte eines Genies.“[1]

Ernst Ludwig Hesse

Ernst Ludwig Hesse wurde am 14. Mai 1768 geboren und starb am 29. April 1823 in Brüheim. Er war der Sohn von Johann Michael Hesse und der Bruder von Georg Andreas Hesse, mit dem er 1810 die Werkstatt des Vaters übernahm. Teilweise arbeitete er mit dem Orgelbauer Knauf aus Großtabarz zusammen. Beim Bau der Brüheimer Orgel stürzte er 1823 ab und starb. 1829 ging die Werkstatt an seine Söhne Ernst Siegfried und Johann Michael II.

Georg Andreas Hesse

Georg Andreas Hesse wurde 1784 geboren. Sein Sterbedatum ist nicht bekannt. Er war ebenfalls ein Sohn von Johann Michael Hesse und Bruder von Ernst Ludwig Hesse. Er übernahm 1810 zusammen mit seinem Bruder die Werkstatt des Vaters. Nach dem Tod seinen Bruders war er als selbständiger Orgelbauer aktiv.

Ernst Siegfried Hesse

Ernst Siegfried Hesse wurde am 17. September 1798 in Dachwig geboren. Sein Sterbedatum ist nicht bekannt. Er war Sohn von Ernst Ludwig und der Bruder von Johann Michael II. Zusammen mit Johann Michael II. übernahm er die Firma seines Vaters 1829. Seine Söhne waren Ernst Hermann und Julius, dem er 1858 die Werkstatt übertrug. Er arbeitete bis 1833 mit seinem Bruder zusammen. Danach war noch bis ca. 1850 selbständig tätig. Nach seiner Auswanderung nach Amerika 1854 verlieren sich seine Spuren.[2]

Johann Michael Hesse II.

Johann Michael Hesse II. bzw. Johann Michael Hesse der Jüngere wurde am 9. Juli 1806 in Dachwig geboren und starb am 11. April 1856 ebendort. Sein Vater war Ernst Ludwig und sein Bruder Ernst Siegfried, mit dem er von 1829 bis 1833 die Werkstatt weiterführte. Danach war er selbstständig tätig.

Julius Hesse

Julius Hesse wurde um 1830 geboren und starb um 1900. Er war der Sohn von Johann Michael II. und führte die Werkstatt ab 1858 weiter. Nach einem fehlgeschlagenen Umbau der Wender-Orgel der Bachkirche Arnstadt zog er 1862 nach St. Petersburg und überließ die Werkstatt Karl Hickmann. 1859 wurde die Orgel in Rehestädt unter dem Namen Johann Michael Hesse & Sohn erbaut.[3] Bei seiner Flucht soll er den erhaltenen Vorschuss für die Bachkirche Arnstadt mitgenommen haben. Diese These gilt als widerlegt.[4]

Ernst Hermann Hesse

Ernst Hermann Hesse wurde am 3. Dezember 1845 geboren. Sein Sterbedatum ist nicht bekannt. Er war ein Sohn von Ernst Siegfried.

Werke (Auswahl)

Ein großes „P“ steht für ein selbstständiges Pedal, ein kleines „p“ für ein angehängtes Pedal. Eine Kursivierung zeigt an, dass die betreffende Orgel nicht mehr erhalten ist oder lediglich noch der Prospekt aus der Werkstatt stammt.

Johann Michael Hesse

JahrOrtGebäudeBildManualeRegisterBemerkungen
1760 oder 1769KrautheimSt. Mauritius
II/P22Neubau
1764SalomonsbornSt. DionysiusII/P20Neubau, zurzeit demontiert
1764 oder 1769PossendorfDorfkircheI/P10Neubau, Teile bei einem Neubau durch Hermann Kopp wiederverwendet[5]
1765HolzhausenSt. TrinitatisII/P19Neubau, 2017 restauriert durch Orgelbau Waltershausen[6]
ca. 1770EichelbornSt. MarienII/P16Neubau
1776StotternheimSt. Peter und PaulII/P32Neubau; 1902 durch Neubau von E. F. Walcker & Cie. im historischen Prospekt ersetzt (II/P/22)
1780MöbisburgSt. DionysiusII/P19Neubau, 1997 saniert,[7] Orgel
1780BarbySchlosskapelleNeubau, Vermutung kein Nachweis
ca. 1785HaarhausenSt. NikolaiII/P22Neubau, 1971 durch Brandstiftung zerstört
ca. 1785DeersheimSt. Peter und PaulNeubau
1794DachwigSt. Petri
II/P27Neubau, 1863 durch Karl Hickmann in neue Kirche umgesetzt
1795WechselburgHl. KreuzNeubau
1798GisperslebenSt. Kiliani
II/P25Neubau, 1834 durch Johann Michael Hesse II. erweitert auf 27 Register
1798HörselgauSt. BonifatiusII/P22Neubau, um 1900 Umdisponierung durch Orgelbau Böhm
ca. 1800ErfurtSt. Michael?II/P22Neubau
1802–21SchallenburgSt. Cyriakus
II/P26Neubau, fertigstellt nach dem Tod von Johann Michael durch Ernst Ludwig

Ernst Ludwig Hesse

JahrOrtGebäudeBildManualeRegisterBemerkungen
1824GroßfahnerSt. Peter und PaulII/P26Neubau, Mitarbeit seiner Söhne Ernst Siegfried und Johann Michael II.
1822SeebergenSt. GeorgII/P29Neubau, 2004 Restauriert
1823BrüheimSt. Vitus
II/P23Neubau unter Verwendung von Teilen der Vorgängerorgel von Johann Heinrich Ruppert (1741), unter Mitarbeit des Bruders Georg Andreas und seiner Söhne Ernst Siegfried und Johann Michael II., 2011 restauriert durch Orgelbau KutterOrgel

Georg Andreas Hesse

JahrOrtGebäudeBildManualeRegisterBemerkungen
1858ArnsdorfI/P13Umsetzung einer Orgel von 1805, wahrscheinlich aus Niederstriegis

Ernst Siegfried Hesse

JahrOrtGebäudeBildManualeRegisterBemerkungen
1823MühlbergSt. LukasII/P25Umbau der Volckland-Orgel von 1729
1829ErfurtErfurter DomIII/P56Neubau
1829WahlwinkelSt. GotthardII/P21Neubau unter der Mitarbeit von Georg Andreas Hesse und Johann Michael Hesse II., 2006 restauriert durch Orgelbau Waltershausen[8]
1830ErmstedtSt. AndreasII/P25Neubau, Mitarbeit von Johann Michael Hesse II.
1831SömmerdaSt. Petri und PauliII/P20Umbau der Krippendorf-Orgel von 1705, 1889 durch Neubau von Carl Friedrich Wilhelm Böttcher ersetzt[9]
1834ErfurtSt. AndreasNeubau
1834GroßvargulaSt. JacobiII/P23Neubau, 2012 restauriert durch Jörg Dutschke
1838IlversgehofenSt. MartiniII/P19Neubau
1840FrienstedtSt. Laurentius
II/P30Neubau
1840WenigenehrichDorfkircheI/P10Neubau, 1885 durch Karl Hickmann & Sohn in die neue Kirche umgesetzt und umdisponiert
1841MittelsömmernSt. CyriaxII/P16Neubau
1841DöllstädtSt. Peter und PaulII/P17Umbau der Trost-Orgel von 1713
1843ErfurtSt. MartiniII/P22Neubau, 1874 durch Neubau von Adam Eifert ersetzt
vor 1844KorbachSt. KilianII/P32Neubau
1845SchwerstedtSt. TrinitatisII/P27Neubau
1847HeldrungenSt. WigbertII/P28Neubau
1849JechaSt. MatthäiI/P11Neubau, Mitarbeit von Johann Michael Hesse II.
1849GroßengotternSt. WalpurgisII/P26Umbau der Trost-Orgel von 1717, Mitarbeit von Julius Hesse als Lehrling
Vor 1850HochheimEntweder St. Bonifatius oder St. JohannesII/P26Neubau
ca. 1850RigaSt. PetrusIII/P43Neubau
ca. 1850HerbslebenSt. TrinitatisII/P36Neubau, 1920 durch Neubau von Hugo Böhm ersetzt
ca. 1850SaubachII/P16Neubau
ca. 1850RohrbergII/P10Neubau
ca. 1850LösereI/P8Neubau

Johann Michael Hesse II.

JahrOrtGebäudeBildManualeRegisterBemerkungen
1834OttenhausenSt. KilianII/P17Neubau, im Gehäuse von 1749
1842SaalfeldSt. NikolaiII/P13Neubau
1842GreußenSt. MartiniII/P30Umbau der Trost-Orgel von 1704, Mitarbeit von seinem Bruder Ernst Siegfried
1842GroßengotternSt. MartiniII/P18Neubau
1844WerningslebenSt. GeorgNeubau
1846WitterdaSt. Martin
II/P29Neubau, 2013–2015 Restaurierung durch Orgelbau KutterOrgel
1850AndislebenSt. Peter und Paul
II/P23Umdisponierung der Schröter-Orgel von 1743
1852SondershausenFürstliches LandesseminarII/P9Neubau
1852HüpstedtSt. MartinII/P19Neubau, restauriert durch Orgelbau Brode[10]

Johann Michael Hesse & Sohn

JahrOrtGebäudeBildManualeRegisterBemerkungen
1859RehestädtSt. GangolfII/P17Neubau

Julius Hesse

JahrOrtGebäudeBildManualeRegisterBemerkungen
1858DornheimSt. BartholomäiI/P19Neubau, 1985 durch Neubau von Karl-Heinz Schönefeld ersetzt
1858RockhausenSt. ElisabethII/P17Neubau
1862ArnstadtJohann-Sebastian-Bach-Kirche
III/P21Umbau der Wender-Orgel von 1703, Umbau gescheitert

Literatur

  • Uwe Pape (Hrsg.): Lexikon norddeutscher Orgelbauer. Band 1: Thüringen und Umgebung. Pape, Berlin 2009, ISBN 978-3-921140-86-4, S. 116 f.
  • Uwe Pape (Hrsg.): Lexikon norddeutscher Orgelbauer. Band 1: Thüringen und Umgebung. Pape, Berlin 2019, ISBN 978-3-921140-58-1, S. 238 f.
  • Hartmut Haupt: Orgeln in Nord- und Westthüringen. Hrsg.: Thüringisches Landesamt für Denkmalpflege, Landeskonservator Rudolf Zießler. Ausbildung und Wissen GmbH, Bad Homburg und Leipzig 1998, ISBN 3-932366-00-X.
  • Viola-Bianka Kießling: Königin der Instrumente. Ein Orgel-Führer durch die Region Weimar und Weimarer Land. Hrsg.: Landratsamt Weimarer Land. Fagott-Orgelverlag, Friedrichshafen 2007, ISBN 978-3-00-021071-6.
Commons: Hesse – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Johann Christian Wolfram: Anleitung zur Kenntniß, Beurtheilung und Erhaltung der Orgeln: für Orgelspieler und alle diejenigen, welche bei Erbauung, Reparatur, Prüfung und Erhaltung dieser Instrumente interessirt sind. Gotha 1815.
  2. Weitere Informationen zu Johann Michael Hesse und Ernst Siegfried Hesse. Abgerufen am 9. Oktober 2021.
  3. Uwe Pape (Hrsg.): Lexikon norddeutscher Orgelbauer. Band 1: Thüringen und Umgebung. Pape, Berlin 2019, ISBN 978-3-921140-58-1, S. 239.
  4. Gabi Damm in: Stiftung Orgelklang, Hannover 2016. Abgerufen am 9. Oktober 2021.
  5. Informationen zur Orgel in Possendorf. Abgerufen am 18. Oktober 2021.
  6. Informationen Restaurierung Holzhausen. Abgerufen am 17. Oktober 2021.
  7. Erfurt / Möbisburg – St. Dionysius – Orgel Verzeichnis – Orgelarchiv Schmidt. Abgerufen am 29. April 2022 (deutsch).
  8. Informationen zur Orgel in St. Gotthard, Wahlwinkel. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 7. Oktober 2021; abgerufen am 7. Oktober 2021.
  9. Informationen zur Orgel in Sömmerda St. Petri und Pauli. Abgerufen am 16. Oktober 2021.
  10. Informationen zur Restaurierung der Orgel in St. Martin (Hüpstedt). Abgerufen am 10. Oktober 2021.