Brahmi-Schrift

Buchstaben der Brahmi-Schrift
Vergleich

Die altindische Brahmi-Schrift ist die Vorläuferin der mehr als hundert indischen Schriften, eine Kombination aus Silbenschrift und Buchstabenschrift, nach neuerer Bezeichnung eine Abugida. Sie wurde in den 1830er Jahren von dem englischen Indologen James Prinsep entziffert.

Besonderheiten

Neben selbständigen Vokalzeichen für den Wortanfang werden die übrigen Vokale durch Modifikationen der vorangehenden Konsonantenzeichen dargestellt. Dabei ist a ein inhärenter Vokal. Der Anordnung der Zeichen im Alphabet liegt eine genau durchdachte Einteilung nach Artikulationsstelle und Artikulationsart zugrunde.

Geschichte

Die Brahmi-Schrift wurde zur Schreibung der Prakrit entwickelt, jenen indoarischen Sprachen, die in der sprachgeschichtlichen Entwicklung auf das Altindische folgten. Die ältesten Belege der Brahmi-Schrift befinden sich in ganz Indien auf Inschriften des Kaisers Ashoka (3. Jh. v. Chr.), die teilweise auch in aramäischer, magadhischer und griechischer Sprache abgefasst sind. Diese Felsenedikte verkünden den buddhistischen Glauben und dokumentieren durch ihre Platzierung die Ausdehnung des Mauryareiches. Man geht davon aus, dass die Schrift erst in der mittelindischen Sprachperiode erfunden wurde. Vermutlich war die Entwicklung der Brahmi-Schrift sogar ein Auftragswerk Ashokas. Ältere Texte wurden jahrhundertelang mündlich überliefert und erst später niedergeschrieben.

Zur gleichen Zeit wurde ebenfalls auf Inschriften Kaiser Ashokas die Kharoshthi-Schrift verwendet, die auf ein aramäisches Vorbild (8. bis 6. Jahrhundert v. Chr.) zurückgeht und wie diese linksläufig ist, aber nur im Nordwesten Indiens vorkommt.

In Abhängigkeit von verschiedenen Schreibmaterialien entwickelte sich schon in den folgenden Jahrhunderten die Brahmi-Schrift weiter. Obwohl sich die Formen beträchtlich veränderten, wurde das Grundprinzip beibehalten.

Hypothesen

Eine geringe Anzahl von Forschern will die rechtsläufige Brahmi-Schrift auf die ins 3. und frühe 2. Jahrtausend v. Chr. datierte Indus-Schrift zurückführen, zu welcher allerdings keine Zwischenstufen gefunden wurden.

Eine andere, in der Forschung als viel wahrscheinlicher vertretene Meinung ist die Hypothese, dass die Schöpfer der Brahmi-Schrift Ideen der semitischen Schriften, am wahrscheinlichsten aus der linksläufigen aramäischen Schrift (aber auch die rechtsläufige griechische Schrift wird genannt) übernommen haben. Aus der aramäischen Schrift und auf Grundlage dieses Prinzips wurde dann eine eigene Schrift entwickelt.[1][2]

Die aramäische und die griechische Schrift im Vergleich mit der Brāhmī-Schrift
Aramäische SchriftGriechische SchriftIASTBrahmi-SchriftIPA
NameZeichenUnicodeIPANameBuchstabeIPA
Ālap𐡀ʔ
,AlphaΑaa𑀅ə
ā𑀆ɑː
Bēth𐡁bBetaΒbba𑀩b
vbha𑀪
Gāmal𐡂gGammaΓgga𑀕g
ɣgha𑀖
Dālath𐡃dDeltaΔdda𑀤d
ðdha𑀥
𐡄EpsilonΕeja𑀚ɟ
hjha𑀛ɟʰ
Waw𐡅wDigamma (Wau)Ϝwva𑀯v
YpsilonΥyu𑀉u
ū𑀊
o𑀑
au𑀒aːu
Zain𐡆zZetaΖ
zd,dzḍa𑀟ɖ
ḍha𑀠ɖʰ
Ḥēth𐡇EtaΗɛː
ħHetaͰhha𑀳h
Ṭēth𐡈ṭa𑀝ʈ
ThetaΘṭha𑀞ʈʰ
Yodh𐡉jya𑀬j
,IotaΙii𑀇i
ī𑀈
Kāp𐡊kKappaΚkka𑀓k
xChiΧkha𑀔
Lāmadh𐡋lLambdaΛlla𑀮l
ḻa𑀴ɭ
𑀍
𑀎l̩ː
Mem𐡌mMyΜmma𑀫m
Nun𐡍nNyΝnna𑀦n
ṇa𑀡ɳ
Semkath𐡎sXiΞkssa𑀲s
Ayin𐡏ʕ
OmikronΟoe𑀏
OmegaΩɔːai𑀐aːi
𐡐pPiΠppa𑀧p
fPhiΦpha𑀨
Ṣādhē, 𐡑SampiͲ
tsca𑀘c
cha𑀙
Qop𐡒qKoppaϘkṅa𑀗ŋ
ña𑀜ɲ
Rēsh𐡓rRhoΡr,ra𑀭r
𑀋ɹ̩
𑀌ɹ̩ː
Shin𐡔sSigmaΣsśa𑀰ɕ
ʃPsiΨpsṣa𑀱ʂ
Taw𐡕tTauΤtta𑀢t
θtha𑀣

Unicode

In Unicode sind Zeichen im Unicodeblock Brahmi (U+11000 bis U+1107F) kodiert.

Literatur

  • Harry Falk: Schrift im alten Indien. Ein Forschungsbericht mit Anmerkungen (= ScriptOralia. 56). Gunter Narr, Tübingen 1993, ISBN 3-8233-4271-1.
  • Sonja Fritz: Indische Schriften. In: Helmut Glück, Michael Rödel (Hrsg.): Metzler Lexikon Sprache. 5., aktualisierte und überarbeitete Auflage. Metzler, Stuttgart 2016, ISBN 978-3-476-02641-5, S. 273–274.
  • Gérard Fussman: Les premiers systèmes d’écriture en Inde. In: Annuaire du Collège de France. Band 89, 1988/1989, ISSN 0069-5580, S. 507–514 (französisch).
  • Oscar von Hinüber: Der Beginn der Schrift und frühe Schriftlichkeit in Indien (= Akademie der Wissenschaften und der Literatur. Abhandlungen der Geistes- und Sozialwissenschaftlichen Klasse. (Mainz). 1989, 11). Steiner, Wiesbaden/Stuttgart 1990, ISBN 3-515-05627-0.
  • Kenneth R. Norman: The Development of Writing in India and its Effect upon the Pāli Canon. In: Gerhard Oberhammer, Roque Mesquita (Hrsg.): Proceedings of the VIIIth World Sanskrit Conference. Vienna 1990 (= Wiener Zeitschrift für die Kunde Südasiens. Band 36, Supplement). Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1992, ISBN 3-7001-2086-9, S. 239–249, JSTOR:24010823 (englisch).
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Einzelnachweise

  1. Asko Parpola: The Indus Script. In: Peter T. Daniels, William Bright (Hrsg.): The Worlds Writing Systems. Oxford University Press, New York/Oxford 1996, ISBN 0-19-507993-0, S. 165, 2. Absatz (englisch).
  2. Richard G. Salomon: South Indian writing systems. In: Peter T. Daniels, William Bright (Hrsg.): The Worlds Writing Systems. Oxford University Press, New York/Oxford 1996, ISBN 0-19-507993-0, S. 372, 2. Absatz (englisch).