„Sergei Alexandrowitsch Karaganow“ – Versionsunterschied

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Anders als der amerikanische Stratege [[Zbigniew Brzeziński]] geglaubt habe sei der Besitz der Ukraine gar nicht die Bedingung für ein russisches Imperium, sondern dies sei der Besitz Sibiriens. Die Ukraine sei lediglich eine auszuschaltende Gefahr und eine Last für Russland. Strategie des aktuellen Vorgehens, welches lediglich ein Anfang wäre, sei mittels sogenannter ''konstruktiver Zerstörung'' die bisherige Sicherheitsordnung zu überwinden, die Bedeutung internationaler Organisationen wie etwa der OSZE aufzuheben oder mindestens stark zu minimieren, sich von einem im Niedergang befindlichen Europa abzuwenden und sich China und dem sich entwickelnden Asien hinzuwenden und später über den Wiederaufbau freundlicher Beziehungen zu europäischen Staaten deren Integration in ein größeres Eurasien möglicherweise zu befördern. Das könne man als ''Putin-Doktrin'' verstehen. Die USA würden niemals tatsächlich Atomwaffen gegenüber einer Atommacht nutzen, um Europa zu schützen.<ref>{{Internetquelle |url=https://www.malaysiasun.com/news/272329062/sergey-karaganov-russias-new-foreign-policy-the-putin-doctrine |titel=Sergey Karaganov: Russia&#039;s new foreign policy, the Putin Doctrine |sprache=en |abruf=2022-04-12}}</ref>
Anders als der amerikanische Stratege [[Zbigniew Brzeziński]] geglaubt habe sei der Besitz der Ukraine gar nicht die Bedingung für ein russisches Imperium, sondern dies sei der Besitz Sibiriens. Die Ukraine sei lediglich eine auszuschaltende Gefahr und eine Last für Russland. Strategie des aktuellen Vorgehens, welches lediglich ein Anfang wäre, sei mittels sogenannter ''konstruktiver Zerstörung'' die bisherige Sicherheitsordnung zu überwinden, die Bedeutung internationaler Organisationen wie etwa der OSZE aufzuheben oder mindestens stark zu minimieren, sich von einem im Niedergang befindlichen Europa abzuwenden und sich China und dem sich entwickelnden Asien hinzuwenden und später über den Wiederaufbau freundlicher Beziehungen zu europäischen Staaten deren Integration in ein größeres Eurasien möglicherweise zu befördern. Das könne man als ''Putin-Doktrin'' verstehen. Die USA würden niemals tatsächlich Atomwaffen gegenüber einer Atommacht nutzen, um Europa zu schützen.<ref>{{Internetquelle |url=https://www.malaysiasun.com/news/272329062/sergey-karaganov-russias-new-foreign-policy-the-putin-doctrine |titel=Sergey Karaganov: Russia&#039;s new foreign policy, the Putin Doctrine |sprache=en |abruf=2022-04-12}}</ref>

== Rezeption ==
Karaganow hält seine eurasischen Vorstellungen für realistische Geopolitik, genau daran gibt es aber auch in Russland Zweifel. Nadeshda Arbatova vom [[Institut für Weltwirtschaft und internationale Beziehungen]] und Direktorin am Europa-Institut der Russischen Akademie für Wissenschaften hält seine Ideen für genauso überoptimistisch und überspannt ("fanciful") wie jene westlichen Ideen, die er kritisiere. Ob China oder Indien sich der von Karaganow erhofften führenden Rolle Russlands anschließen würden sei ähnlich ungewiss und spekulativ, wie eine Zustimmung in den ASEAN-Staaten oder in Japan und Süd-Korea.<ref>{{Internetquelle |autor=Nadeschda Arbatowa |url=https://www.iiss.org/publications/survival/2019/survival-global-politics-and-strategy-december-2019january-2020/616-02-arbatova |titel=Three Faces of Russia’s Neo-Eurasianism |werk=Global Politics and Strategy |hrsg=International Institute of Strategic Studies |datum=2019 |seiten= |sprache=en |abruf=2022-04-12}}</ref>


== Weblinks ==
== Weblinks ==

Version vom 12. April 2022, 19:41 Uhr

Sergei Alexandrowitsch Karaganow (russisch Серге́й Алекса́ндрович Карага́нов, geboren am 10. September 1952 in Moskau) ist ein russischer Politikwissenschaftler, der den Rat für Außen- und Verteidigungspolitik leitet, eine von Witali Schlykow gegründete Denkfabrik für Sicherheitsanalysen. Er ist außerdem Dekan der Fakultät für Weltwirtschaft und internationale Angelegenheiten an der Wirtschaftshochschule Moskau. Karaganov war ein enger Mitarbeiter von Jewgeni Primakow und war sowohl Berater der Präsidenten Boris Jelzin und Wladimir Putin.[1] Er soll sowohl Putin wie dem Außenminister Sergei Lawrow nahestehen.[2]

Er ist seit 1998 Mitglied der Trilateralen Kommission. Seit 1983 ist er außerdem stellvertretender Direktor des Europa-Institutes an der Russischen Akademie der Wissenschaft[3]

Politische Positionen

Karaganow ist Vertreter des Eurasismus. Er entwickelte nach dem Zusammenbruch der UdSSR die sogenannte Karaganow-Doktrin, nach der Moskau sich als Verteidiger der Menschenrechte ethnischer Russen im näheren Ausland, wie etwa der baltischen Staaten, ausgeben sollte, um in diesen Regionen politischen Einfluss zu gewinnen.[4]

Er plädiert für eine enge Zusammenarbeit Russlands mit China und eine Zusammenführung der Eurasischen Wirtschaftsunion mit dem Projekt der neuen Seidenstraße.[5]

Russland habe die Chance, sich nicht mehr als Staat mit einigen asiatischen Besitzungen zu verstehen, sondern zu einem eurasischen Zentrum zu werden, das als Exporteur von Rohstoffen, Produzent energieintensiver und einiger hochtechnischer Produkte und als Hauptanbieter von Sicherheit für den Kontinent fungieren könne. Wahrscheinlich werde ein Wirtschaftsraum, der die Eurasische Wirtschaftsunion, die Staaten der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit, die ASEAN-Staaten, die Türkei, Israel, den Iran und Ägypten umfasse und Indien, Süd-Korea und Japan einbeziehe. Die EU würde sich möglicherweise auch noch anschließen. Dieser Raum würde auf Hegemonialmächte wie die USA verzichten und dem von der UN mal vertretenen Prinzip der Gleichberechtigung entsprechen, das von den USA zugunsten globaler Hegemonie verlassen worden sei. Die Konzeption eines Groß-Eurasien könne die von den USA verursachten Konflikte und die natürliche russische Gegenbewegung überwinden, das sei aber an den USA zu entscheiden.[6]

2016 führte er nach Warnungen an die Adresse der NATO aus: „Wir wollen eine weitere Destabilisierung der Welt verhindern. Und wir wollen den Status einer Großmacht. Wir können darauf leider nicht verzichten - dieser Status ist in den vergangenen 300 Jahren zum Teil unseres Erbguts geworden. Wir möchten das Zentrum eines großen Eurasien sein, einer Zone von Frieden und Zusammenarbeit. Zu diesem Eurasien wird auch der Subkontinent Europa gehören.“ Die Verlegung von Waffen und Militäreinheiten ins Baltikum sei "idiotisch", im Falle eines Konfliktes würden sie vernichtet, denn Russland werde nie wieder auf eigenem Territorium kämpfen. Sollte die NATO eine Aggression gegen die Atommacht Russland beginnen, werde sie bestraft werden.[7]

Karaganow sah 2021 die Weltpolitik an einer Wasserscheide, es entscheide sich welche Staaten zu einem Groß-Eurasien und welche zu einem Groß-Amerika gehören werden. Ein neuer Kalter Krieg habe bereits begonnen, jedoch würden Russland und China ihn gewinnen. Die größte Frage sei, wozu Deutschland gehören werde. Mit China verbinde Russland fast eine Allianz, jedoch habe Russland auch gute Beziehungen zu Indien, den arabischen Staaten, dem Iran und den EU-Staaten Österreich und Ungarn aufgebaut. Man dürfe Souveränität allerdings nicht an China verkaufen, wie Europa es gegenüber den USA getan habe, Russen hätten jedoch ein starkes Souveränitätsgefühl und er hoffe auf die Klugheit der chinesischen politischen Klasse, niemals etwas gegen Russland zu unternehmen.[8]

Mittels konstruktiver Zerstörung solle die bisherige Sicherheitsarchitektur Europas aufgehoben werden, dieses Vorgehen lasse sich als Putin-Doktrin verstehen.[9]

Ukrainekrise und Krieg 2022

Karaganow gilt als einer der ideologischen Vordenker innerhalb russischer Führungskreise, dessen Vorstellungen über die Ukraine und die Entstehung des Konfliktes mit denen Wladimir Putins eng verwandt sind.[10] Er gab den verschiedenen NATO-Erweiterungen die Schuld für den Konflikt und die Invasion der Ukraine und führte aus, dass er das nukleare Schutzversprechen der USA für Europa für wenig glaubhaft halte und dass Russland militärisch einen gewissen Sieg auf jeden Fall erreichen müsse, sonst drohe eine weitere Eskalation und ein direktes Aufeinandertreffen mit der NATO. Ziel der Militäroperation seien Denazifizierung und Demilitarisierung der Ukraine, der er nur sehr eingeschränkte nationale Traditionen und Staatlichkeit zusprach. Denkbar sei darum eine Aufteilung der Ukraine unter verschiedenen Staaten, er gehe von einer Teilung aus.[11]

Er halte den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj selbstverständlich nicht für einen Nazi[12], jedoch könne Nationalsozialismus nicht allein mit Antisemitismus identifiziert werden, sondern generell mit der Herabwürdigung anderer Nationen. Dies eben geschehe in der Ukraine, die sich seiner Meinung nach in die gleiche Richtung wie Hitlerdeutschland entwickle, in Europa gleiche die Russophobie mittlerweile dem Antisemitismus zwischen den Weltkriegen, die gesamte russische Kultur werde verteufelt und "gecancelt". Man sei faktisch bereits im Krieg mit dem Westen. Der Ukrainekonflikt werde auch Auswirkungen auf die russische Gesellschaft haben, man werde diese im nationalen Sinne militant umformen und nicht-patriotische Elemente aus der russischen Elite entfernen.

Die Ukraine dürfe nach Konfliktende nur begrenzt und im Rahmen der Zustimmung Russlands bewaffnet bleiben. Die gesamte Sicherheitsarchitektur Europas nach 1990 sei illegitim und müsse nach den Interessen Russlands umgearbeitet werden, frühere russische Zustimmung zu NATO-Ost-Erweiterungen sei ein schwerer Fehler gewesen. Russische Truppen in der Ukraine gingen mit großer Schonung der Zivilbevölkerung vor, das Massaker von Buchta hätte gar nicht stattgefunden sondern sei gestellt. Karaganow gab zu dass Russland im Binnenverhältnis gegenüber China abhängiger werde, jedoch glaube er nicht, dass Russland eine Marionette Chinas werden könne, anders als die Staaten Europas, die bereits Marionetten der USA seien, hätten die Russen einen Sinn für Unabhängigkeit und seien den Chinesen kulturell auch nicht ähnlich. Allerdings sei das Verhältnis sehr eng, der eine gebe dem andern Stärke.[13]

Anders als der amerikanische Stratege Zbigniew Brzeziński geglaubt habe sei der Besitz der Ukraine gar nicht die Bedingung für ein russisches Imperium, sondern dies sei der Besitz Sibiriens. Die Ukraine sei lediglich eine auszuschaltende Gefahr und eine Last für Russland. Strategie des aktuellen Vorgehens, welches lediglich ein Anfang wäre, sei mittels sogenannter konstruktiver Zerstörung die bisherige Sicherheitsordnung zu überwinden, die Bedeutung internationaler Organisationen wie etwa der OSZE aufzuheben oder mindestens stark zu minimieren, sich von einem im Niedergang befindlichen Europa abzuwenden und sich China und dem sich entwickelnden Asien hinzuwenden und später über den Wiederaufbau freundlicher Beziehungen zu europäischen Staaten deren Integration in ein größeres Eurasien möglicherweise zu befördern. Das könne man als Putin-Doktrin verstehen. Die USA würden niemals tatsächlich Atomwaffen gegenüber einer Atommacht nutzen, um Europa zu schützen.[14]

Rezeption

Karaganow hält seine eurasischen Vorstellungen für realistische Geopolitik, genau daran gibt es aber auch in Russland Zweifel. Nadeshda Arbatova vom Institut für Weltwirtschaft und internationale Beziehungen und Direktorin am Europa-Institut der Russischen Akademie für Wissenschaften hält seine Ideen für genauso überoptimistisch und überspannt ("fanciful") wie jene westlichen Ideen, die er kritisiere. Ob China oder Indien sich der von Karaganow erhofften führenden Rolle Russlands anschließen würden sei ähnlich ungewiss und spekulativ, wie eine Zustimmung in den ASEAN-Staaten oder in Japan und Süd-Korea.[15]

Commons: Sergey Karaganov – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Putin's Foreign Policy a Private Affair. Abgerufen am 12. April 2022.
  2. “Russia cannot afford to lose, so we need a kind of a victory”: Sergey Karaganov on what Putin wants. In: New Statesman. 2. April 2022, abgerufen am 12. April 2022 (amerikanisches Englisch).
  3. Gregory Feifer: Putin's Foreign Policy a Private Affair (Memento des Originals vom 26. April 2005 im Internet Archive) In: The Moscow Times, 2. April 2002. Abgerufen am 12. April 2022 
  4. David J. Smith: The Baltic states : Estonia, Latvia and Lithuania. London 2002, ISBN 978-1-136-48304-2, S. 161.
  5. Young-Chan Kim: China and the Belt and Road Initiative : trade relationships, business opportunities and political impacts. Cham 2022, ISBN 978-3-03086122-3, S. 232.
  6. Sergei Karaganow: From East to West, or Greater Eurasia. In: Russia in Global Affairs. Abgerufen am 12. April 2022 (englisch).
  7. Russland: Sergej Karaganow droht mit Vernichtung von Nato-Waffen. In: Der Spiegel. 11. Juli 2016, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 12. April 2022]).
  8. A ‘New Cold War’ has already started, but Russia & China are winning against a ‘weakening’ West. In: Russia in Global Affairs. Abgerufen am 12. April 2022 (englisch).
  9. Sergey Karaganov: Russia's new foreign policy, the Putin Doctrine. In: Malaysia Sun. Abgerufen am 12. April 2022 (englisch).
  10. “Russia cannot afford to lose, so we need a kind of a victory”: Sergey Karaganov on what Putin wants. In: New Statesman. 2. April 2022, abgerufen am 12. April 2022 (amerikanisches Englisch).
  11. “Russia cannot afford to lose, so we need a kind of a victory”: Sergey Karaganov on what Putin wants. In: New Statesman. 2. April 2022, abgerufen am 12. April 2022 (amerikanisches Englisch).
  12. “Russia cannot afford to lose, so we need a kind of a victory”: Sergey Karaganov on what Putin wants. In: New Statesman. 2. April 2022, abgerufen am 12. April 2022 (amerikanisches Englisch).
  13. Federico Fubini: Sergey Karaganov: «We are at war with the West. The European security order is illegitimate». In: Corriere della Sera. 4. August 2022, abgerufen am 12. April 2022 (italienisch).
  14. Sergey Karaganov: Russia's new foreign policy, the Putin Doctrine. Abgerufen am 12. April 2022 (englisch).
  15. Nadeschda Arbatowa: Three Faces of Russia’s Neo-Eurasianism. In: Global Politics and Strategy. International Institute of Strategic Studies, 2019, abgerufen am 12. April 2022 (englisch).