„Sellier & Bellot“ – Versionsunterschied

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== Geschichte ==
== Geschichte ==
Sellier & Bellot wurde 1825 in [[Prag]] zur Produktion von [[Anzündhütchen|Zündhütchen]] für [[Perkussionswaffe]]n gegründet. Am 5. August 1825 verlieh [[Franz II. (HRR)|Kaiser Franz von Österreich]] der Fabrik das Privileg für das österreichische Militär zu produzieren.<ref name="firmen hist"/>
Sellier & Bellot wurde 1825 in [[Prag]] zur Produktion von [[Anzündhütchen|Zündhütchen]] für [[Perkussionswaffe]]n gegründet. Am 5. August 1825 verlieh [[Franz II. (HRR)|Kaiser Franz von Österreich]] der Fabrik das Privileg, für das österreichische Militär zu produzieren.<ref name="firmen hist" />


{{Belege|zur Vita der Gründer fehlen Belege}}
{{Belege|zur Vita der Gründer fehlen Belege}}
Zuvor hatte Louis Sellier mit seinem Unternehmen Sellier & Comp. zunächst einen erfolglosen Versuch der Herstellung unternommen und wurde durch eine offizielle Auflage dazu gezwungen, eine sachkundige Person zur Aufsicht der Produktion einzusetzen. Auf Wunsch Selliers trat daraufhin Nikolaus Bellot in die Unternehmung ein. Sowohl Sellier als auch Bellot waren gebürtige Franzosen. Während Sellier bereits 1809 aus Frankreich emigrierte, um nicht in der Armee von [[Napoleon Bonaparte|Napoleon I.]] dienen zu müssen, studierte Bellot Chemie an der [[École polytechnique]] und betätigte sich in der Produktion von Zündhütchen in seinem Geburtsland.
Zuvor hatte Louis Sellier mit seinem Unternehmen Sellier & Comp. einen zunächst erfolglosen Versuch der Herstellung unternommen und wurde durch eine offizielle Auflage dazu gezwungen, eine sachkundige Person zur Aufsicht der Produktion einzusetzen. Auf Wunsch Selliers trat daraufhin Nikolaus Bellot in die Unternehmung ein. Sowohl Sellier als auch Bellot waren gebürtige Franzosen. Während Sellier bereits 1809 aus Frankreich emigrierte, um nicht in der [[Napoleon Bonaparte|napoleonischen]] Armee dienen zu müssen, studierte Bellot Chemie an der [[École polytechnique]] und betätigte sich in der Produktion von Zündhütchen in seinem Geburtsland.


Die Zündhütchen von Sellier & Bellot wurden von öffentlichen Stellen und von privaten Nutzern allgemein als großer Fortschritt angesehen. Besonders von öffentlicher Seite wurde die Firma massiv gefördert, weil es neben wirtschaftlichen Interessen auch den den Interessen des Militärs von [[Österreich-Ungarn]] und [[Preussen]] entsprach. Im damals preussischen Schönebeck wurde 1829 eine Produktionsstätte für Zündhütchen eingerichtet. Im Jahr 1835 erreichte Sellier & Bellot eine Jahresproduktion von rund 150 Millionen Zündhütchen. Die Firma meldete zahlreiche Patente für Munition an und firmierte im 20. Jahrhundert bis zum [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] als ''„Zündhütchen und Patronenfabrik vorm. Sellier & Bellot, Prag“''.<ref name="firmen hist"/><ref name="allgZeit"/><ref name="allgBecker"/><ref name="poly 01"/><ref name="Patente"/> Die Gefahren der Produktion und der erhebliche Verbrauch von Rohmaterialen (jährlich 84 Tonnen [[Kupfer]] und 1212 Kilogramm [[Quecksilber]]) fand seinerzeit Beachtung. In der Fabrik waren die Gefahren bekannt und führten trotz aller Vorsicht zu tödlichen Unfällen. Nikolaus Bellot verlor bei bei einem Unfall beide Augen und konnte danach nur noch eingeschränkt an der Betriebsleitung teilnehmen. Neben der Herstellung von Zündhütchen wurden in den 1850er Jahren rund 52 Millionen Messingösen und Haken per Anno für die Verwendung an Kleidungsstücken gefertigt.<ref name="CHartZ"/>
Die Zündhütchen von Sellier & Bellot wurden von öffentlichen Stellen und von privaten Nutzern allgemein als großer Fortschritt angesehen. Besonders von öffentlicher Seite wurde die Firma massiv gefördert, weil es neben wirtschaftlichen Interessen auch den den Interessen des [[Österreich-Ungarn|österreichisch-ungarischen]] und [[Preußen|preußischen]] Militärs entsprach. Im damals preußischen [[Schönebeck (Elbe)|Schönebeck]] wurde 1829 eine Zündhütchenfabrik eingerichtet. Im Jahr 1835 erreichte Sellier & Bellot eine Jahresproduktion von rund 150 Millionen Zündhütchen. Die Firma meldete zahlreiche Patente für Munition an und firmierte im 20. Jahrhundert bis zum [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] als ''„Zündhütchen und Patronenfabrik vorm. Sellier & Bellot, Prag“''.<ref name="firmen hist" /><ref name="allgZeit" /><ref name="allgBecker" /><ref name="poly 01" /><ref name="Patente" /> Die Gefahren der Produktion und der erhebliche Verbrauch von Rohmaterialen (jährlich 84 Tonnen [[Kupfer]] und 1212 Kilogramm [[Quecksilber]]) fand seinerzeit Beachtung. In der Fabrik waren die Gefahren bekannt und führten trotz aller Vorsicht zu tödlichen Unfällen. Nikolaus Bellot verlor bei bei einem Unfall beide Augen und konnte danach nur noch eingeschränkt an der Betriebsleitung teilnehmen. Neben der Herstellung von Zündhütchen wurden in den 1850er-Jahren rund 52 Millionen Messingösen und -haken per anno für die Verwendung an Kleidungsstücken gefertigt.<ref name="CHartZ" />


Nachdem die Firma mit Zündhütchen Erfolg hatte, wurde ab 1870 auch mit der Produktion von Patronen begonnen. Ab 1884 wurde auch in [[Riga]] produziert. Die Handelsmarke Sellier & Bellot wurde 1893 in Prag registriert und ab 1885 wurden Jagdpatronen gefertigt. Im [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieg]] wurde die Produktion der Firma massiv erweitert, um die vom Militär benötigten Munitionsmengen liefern zu können. Mit diesem Aufschwung wurde die Firma auch global als Munitionslieferant relevant. Mit der Einführung von [[Silberazid|Silberazid-Zündern]] wurde ein neuer Geschäftsbereich eröffnet. 1936 wurde ein Teil der Produktion nach [[Vlašim]] in eine neue Fabrikanlage verlagert.<ref name="firmen hist"/>
Nachdem die Firma mit Zündhütchen Erfolg hatte, wurde ab 1870 auch mit der Produktion von Patronen begonnen. Ab 1884 wurde auch in [[Riga]] produziert. Die Handelsmarke Sellier & Bellot wurde 1893 in Prag registriert und ab 1885 wurden Jagdpatronen gefertigt. Im [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieg]] wurde die Produktion der Firma massiv erweitert, um die vom Militär benötigten Munitionsmengen liefern zu können. Mit diesem Aufschwung wurde die Firma auch global als Munitionslieferant relevant. Mit der Einführung von [[Silberazid]]-Zündern wurde ein neuer Geschäftsbereich eröffnet. 1936 wurde ein Teil der Produktion nach [[Vlašim]] in eine neue Fabrikanlage verlagert.<ref name="firmen hist" />


Während des Zweiten Weltkriegs wurde die Produktion zur Belieferung der deutschen Streitkräfte weiter ausgebaut. Es wurden 40 Arten von Gewehrmunition, 10 Typen von Pistolenmunition, 20 Typen von Revolvermuntion und [[Flintenmunition]] aller Art gefertigt. 70 % der Produktion wurde exportiert.<ref name="firmen hist"/> Zum Jahresende 1944 wurden zirka 7000 Arbeiter beschäftigt.
Während des Zweiten Weltkriegs wurde die Produktion zur Belieferung der deutschen Streitkräfte weiter ausgebaut. Es wurden 40 Arten von Gewehrmunition, 10 Typen von Pistolenmunition, 20 Typen von Revolvermuntion und [[Flintenmunition]] aller Art gefertigt. 70 % der Produktion wurde exportiert.<ref name="firmen hist" /> Zum Jahresende 1944 wurden etwa 7000 Arbeiter beschäftigt.


Nach dem Krieg erfolgte eine Verstaatlichung des Unternehmens durch die [[Tschechoslowakei|ČSR]]. In den Jahren 1991–1992 erfolgte die Transformation von einem Staatsbetrieb in eine [[Aktiengesellschaft (Tschechien)|Aktiengesellschaft]]. 2009 wurde Sellier & Bellot Mitglied der CBC-Gruppe. Bis heute beliefert Sellier & Bellot die [[Streitkräfte der Tschechischen Republik]]. Das Unternehmen betreibt ein Museum im [[Schloss Vlašim]].<ref name="RPI"/><ref>Sellier & Bellot: [https://www.sellier-bellot.cz/en/company/ ''Company''], abgerufen am 4. Oktober 2019</ref>
Nach dem Krieg erfolgte eine Verstaatlichung des Unternehmens durch die [[Tschechoslowakei|ČSR]]. In den Jahren 1991–1992 erfolgte die Transformation von einem Staatsbetrieb in eine [[Aktiengesellschaft (Tschechien)|Aktiengesellschaft]]. 2009 wurde Sellier & Bellot Mitglied der CBC-Gruppe. Bis heute beliefert Sellier & Bellot die [[Streitkräfte der Tschechischen Republik]]. Das Unternehmen betreibt ein Museum im [[Schloss Vlašim]].<ref name="RPI" /><ref>Sellier & Bellot: [https://www.sellier-bellot.cz/en/company/ ''Company''], abgerufen am 4. Oktober 2019</ref>

Aus der deutschen Produktionsstätte in Schönebeck wurde der VEB Sprengstoffwerke Schönebeck. Heute gehört das Werk zu Lapua.


Im Jahr 2016 stieg das Unternehmen Sellier & Bellot beim örtlichen Fußballverein FC Graffin Vlašim ein, der sich daraufhin in [[FC Sellier & Bellot Vlašim]] umbenannte.
Im Jahr 2016 stieg das Unternehmen Sellier & Bellot beim örtlichen Fußballverein FC Graffin Vlašim ein, der sich daraufhin in [[FC Sellier & Bellot Vlašim]] umbenannte.


== Auszeichnungen ==
== Auszeichnungen ==
* Goldene Medaille für industrielle Erzeugnisse zur Austellung von 1829<ref name="ausz 01"/>
* Goldene Medaille für industrielle Erzeugnisse zur Austellung von 1829<ref name="ausz 01" />


== Literatur ==
== Literatur ==
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<ref name="ausz 01">Öffentliche Bekanntmachung des [[kaiserlich und königlich|k.u.k]] Landesguberntum: ''„Bericht der Beurtheilungs Commission über die im Jahre 1829 unter der Leitung des böhmischen k.k. Landesguberniums statt gefundene öffentliche Ausstellung der Industrieerzeugnisse Böhmens“'', Prag, Verlag Gottlieb Haase & Söhne, 1831. [https://archive.org/details/bub_gb_Ncg-AAAAcAAJ/page/n29?q=Sellier+Bellot (online bei archive.org)], abgerufen am 6. Oktober 2019. </ref>
<ref name="ausz 01">Öffentliche Bekanntmachung des [[kaiserlich und königlich|k.u.k]] Landesguberntum: ''„Bericht der Beurtheilungs Commission über die im Jahre 1829 unter der Leitung des böhmischen k.k. Landesguberniums statt gefundene öffentliche Ausstellung der Industrieerzeugnisse Böhmens“'', Prag, Verlag Gottlieb Haase & Söhne, 1831. [https://archive.org/details/bub_gb_Ncg-AAAAcAAJ/page/n29?q=Sellier+Bellot (online bei archive.org)], abgerufen am 6. Oktober 2019. </ref>
<ref name="firmen hist">Firmmenhistorie Sellier & Bellot {{Webarchiv | url=http://www.sellier-bellot.cz/sellier-bellot-history.php| wayback= 20050523164959 | text=offizielle Website (engl.)}}, abgerufen am 6. Oktober 2019.</ref>
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<ref name="allgZeit">Allgemeine Handlungs-Zeitung, Artikel: ''Die prager Zündhütchenfabrik'' , 22. Juni 1831., abgerufen am 6. Oktober 2019. ([https://books.google.de/books?id=2uk_AAAAcAAJ&dq=Sellier%20Bellot&hl=de&pg=PA317#v=onepage&q&f=false Digitalisat online])</ref>
<ref name="allgZeit">Allgemeine Handlungs-Zeitung, Artikel: ''Die prager Zündhütchenfabrik'', 22. Juni 1831., abgerufen am 6. Oktober 2019. ([https://books.google.de/books?id=2uk_AAAAcAAJ&dq=Sellier%20Bellot&hl=de&pg=PA317#v=onepage&q&f=false Digitalisat online])</ref>
<ref name="poly 01">Polytechnisches Journal, Artikel: ''Über Perkussionsgewehre'', Band 33, 1829, Seite 37 f., abgerufen am 6. Oktober 2019. ([https://books.google.de/books?id=udIPAAAAQAAJ&dq=Sellier%20%26%20Bellot&hl=de&pg=PA37#v=onepage&q=Sellier%20&f=false Googlebooks online])</ref>
<ref name="poly 01">Polytechnisches Journal, Artikel: ''Über Perkussionsgewehre'', Band 33, 1829, Seite 37 f., abgerufen am 6. Oktober 2019. ([https://books.google.de/books?id=udIPAAAAQAAJ&dq=Sellier%20%26%20Bellot&hl=de&pg=PA37#v=onepage&q=Sellier%20&f=false Googlebooks online])</ref>
<ref name="CHartZ">Carl Hartmann: ''Zeitschrift für Pyrotechniker'', 2. Band, 1851, Seiten 21–23. ([https://books.google.de/books?id=lPD1zbkyGV4C&dq=Sellier%20Bellot&hl=de&pg=PA21#v=onepage&q=Sellier%20Bellot&f=false Googlebooks online]), abgerufen am 6. Oktober 2019.</ref>
<ref name="CHartZ">Carl Hartmann: ''Zeitschrift für Pyrotechniker'', 2. Band, 1851, Seiten 21–23. ([https://books.google.de/books?id=lPD1zbkyGV4C&dq=Sellier%20Bellot&hl=de&pg=PA21#v=onepage&q=Sellier%20Bellot&f=false Googlebooks online]), abgerufen am 6. Oktober 2019.</ref>

Version vom 7. Oktober 2019, 07:45 Uhr

Sellier & Bellot a.s.

Logo
Rechtsform Akciová společnost
Gründung 1825
Sitz Vlašim, Tschechien Tschechien
Mitarbeiterzahl ~1500[1]
Branche Munitionshersteller
Website www.sellier-bellot.cz
Eingang zur Sellier & Bellot Verwaltung, erbaut 1925
.38 Special-Patronen von Sellier & Bellot

Sellier & Bellot ist ein traditioneller tschechischer Munitionshersteller, der der brasilianischen CBC-Gruppe angegliedert ist.

Geschichte

Sellier & Bellot wurde 1825 in Prag zur Produktion von Zündhütchen für Perkussionswaffen gegründet. Am 5. August 1825 verlieh Kaiser Franz von Österreich der Fabrik das Privileg, für das österreichische Militär zu produzieren.[2]

Zuvor hatte Louis Sellier mit seinem Unternehmen Sellier & Comp. einen zunächst erfolglosen Versuch der Herstellung unternommen und wurde durch eine offizielle Auflage dazu gezwungen, eine sachkundige Person zur Aufsicht der Produktion einzusetzen. Auf Wunsch Selliers trat daraufhin Nikolaus Bellot in die Unternehmung ein. Sowohl Sellier als auch Bellot waren gebürtige Franzosen. Während Sellier bereits 1809 aus Frankreich emigrierte, um nicht in der napoleonischen Armee dienen zu müssen, studierte Bellot Chemie an der École polytechnique und betätigte sich in der Produktion von Zündhütchen in seinem Geburtsland.

Die Zündhütchen von Sellier & Bellot wurden von öffentlichen Stellen und von privaten Nutzern allgemein als großer Fortschritt angesehen. Besonders von öffentlicher Seite wurde die Firma massiv gefördert, weil es neben wirtschaftlichen Interessen auch den den Interessen des österreichisch-ungarischen und preußischen Militärs entsprach. Im damals preußischen Schönebeck wurde 1829 eine Zündhütchenfabrik eingerichtet. Im Jahr 1835 erreichte Sellier & Bellot eine Jahresproduktion von rund 150 Millionen Zündhütchen. Die Firma meldete zahlreiche Patente für Munition an und firmierte im 20. Jahrhundert bis zum Zweiten Weltkrieg als „Zündhütchen und Patronenfabrik vorm. Sellier & Bellot, Prag“.[2][3][4][5][6] Die Gefahren der Produktion und der erhebliche Verbrauch von Rohmaterialen (jährlich 84 Tonnen Kupfer und 1212 Kilogramm Quecksilber) fand seinerzeit Beachtung. In der Fabrik waren die Gefahren bekannt und führten trotz aller Vorsicht zu tödlichen Unfällen. Nikolaus Bellot verlor bei bei einem Unfall beide Augen und konnte danach nur noch eingeschränkt an der Betriebsleitung teilnehmen. Neben der Herstellung von Zündhütchen wurden in den 1850er-Jahren rund 52 Millionen Messingösen und -haken per anno für die Verwendung an Kleidungsstücken gefertigt.[7]

Nachdem die Firma mit Zündhütchen Erfolg hatte, wurde ab 1870 auch mit der Produktion von Patronen begonnen. Ab 1884 wurde auch in Riga produziert. Die Handelsmarke Sellier & Bellot wurde 1893 in Prag registriert und ab 1885 wurden Jagdpatronen gefertigt. Im Ersten Weltkrieg wurde die Produktion der Firma massiv erweitert, um die vom Militär benötigten Munitionsmengen liefern zu können. Mit diesem Aufschwung wurde die Firma auch global als Munitionslieferant relevant. Mit der Einführung von Silberazid-Zündern wurde ein neuer Geschäftsbereich eröffnet. 1936 wurde ein Teil der Produktion nach Vlašim in eine neue Fabrikanlage verlagert.[2]

Während des Zweiten Weltkriegs wurde die Produktion zur Belieferung der deutschen Streitkräfte weiter ausgebaut. Es wurden 40 Arten von Gewehrmunition, 10 Typen von Pistolenmunition, 20 Typen von Revolvermuntion und Flintenmunition aller Art gefertigt. 70 % der Produktion wurde exportiert.[2] Zum Jahresende 1944 wurden etwa 7000 Arbeiter beschäftigt.

Nach dem Krieg erfolgte eine Verstaatlichung des Unternehmens durch die ČSR. In den Jahren 1991–1992 erfolgte die Transformation von einem Staatsbetrieb in eine Aktiengesellschaft. 2009 wurde Sellier & Bellot Mitglied der CBC-Gruppe. Bis heute beliefert Sellier & Bellot die Streitkräfte der Tschechischen Republik. Das Unternehmen betreibt ein Museum im Schloss Vlašim.[1][8]

Aus der deutschen Produktionsstätte in Schönebeck wurde der VEB Sprengstoffwerke Schönebeck. Heute gehört das Werk zu Lapua.

Im Jahr 2016 stieg das Unternehmen Sellier & Bellot beim örtlichen Fußballverein FC Graffin Vlašim ein, der sich daraufhin in FC Sellier & Bellot Vlašim umbenannte.

Auszeichnungen

  • Goldene Medaille für industrielle Erzeugnisse zur Austellung von 1829[9]

Literatur

  • Allgemeine Handlungs-Zeitung: mit den neuesten Erfindungen und Verbesserungen im Fabrikwesen und in der Stadt- und Landwirthschaft, Band 38, Nürnberg, 22. Juni 1831, Seite 317. (Digitalisat online)
  • Allgemeiner Anzeiger der Deutschen, 76. Band / 2. Band 1828 Verlag, Becker, Gotha, 1828
  • Johann Gottfried Digler: Polytechnisches Journal, Band 33, J. G. Gotta, 1829, Seiten 37–38. (Googlebooks online)
  • Robert E. Walker: Cartridges and Firearm Identification, CRC Press, 2013, ISBN 978-1-4665-8881-3. (Teilvorschau Goooglebooks)
  • Carl Hartmann: Zeitschrift für Pyrotechniker aller Art: als Feuerwerker, Pulvermüller, Ingenieure, Salpeter- und Schwefelarbeiter, Band 2, Verfertiger neuester Feuerzeuge und der Zündhütchen, Verlag Voigt, Weimar, 1851.
Commons: Sellier & Bellot – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b Radio Praha International: Leben mit Risiko: Explosionen in Fabriken kein Einzelfall in Tschechien, abgerufen am 4. Oktober 2019
  2. a b c d Firmmenhistorie Sellier & Bellot offizielle Website (engl.) (Memento vom 23. Mai 2005 im Internet Archive), abgerufen am 6. Oktober 2019.
  3. Allgemeine Handlungs-Zeitung, Artikel: Die prager Zündhütchenfabrik, 22. Juni 1831., abgerufen am 6. Oktober 2019. (Digitalisat online)
  4. Becker: Über Perkussionsgewehre, Sicherungsvorrichtungen und Zündhütchen, in Allgemeiner Anzeiger der Deutschen, Band 2 Seiten 2259–2561 (online Googlebooks), abgerufen am 6. Oktober 2019.
  5. Polytechnisches Journal, Artikel: Über Perkussionsgewehre, Band 33, 1829, Seite 37 f., abgerufen am 6. Oktober 2019. (Googlebooks online)
  6. Europäisches Patentamt: Patentinformationen, abgerufen am 5. Oktober 2019.
  7. Carl Hartmann: Zeitschrift für Pyrotechniker, 2. Band, 1851, Seiten 21–23. (Googlebooks online), abgerufen am 6. Oktober 2019.
  8. Sellier & Bellot: Company, abgerufen am 4. Oktober 2019
  9. Öffentliche Bekanntmachung des k.u.k Landesguberntum: „Bericht der Beurtheilungs Commission über die im Jahre 1829 unter der Leitung des böhmischen k.k. Landesguberniums statt gefundene öffentliche Ausstellung der Industrieerzeugnisse Böhmens“, Prag, Verlag Gottlieb Haase & Söhne, 1831. (online bei archive.org), abgerufen am 6. Oktober 2019.