„Ratko Mladić“ – Versionsunterschied

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== Leben ==
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Mladić wurde im ostbosnischen Dorf [[Božanovići]] in der Gemeinde [[Kalinovik]], in der Nähe des Berges [[Treskavica]] 45&nbsp;Kilometer westlich von [[Goražde]] und 40&nbsp;Kilometer südlich von [[Sarajevo]] gelegen, geboren. Zu dieser Zeit war ganz Bosnien-Herzegowina Teil des von den [[Zeit des Nationalsozialismus|Nationalsozialisten]] protegierten und von der [[Ustascha]] beherrschten [[Unabhängiger Staat Kroatien|Unabhängigen Staates Kroatien]] (NDH); eines Staates, der nach dem deutschen [[Balkanfeldzug]] und der Zerstückelung [[Königreich Jugoslawien|Jugoslawiens]] 1941 entstanden war. Sein Vater war Mitglied der [[Volksbefreiungsarmee (Jugoslawien)|Partisanen]] und wurde 1945 bei einem Partisanenangriff auf das Heimatdorf des Ustascha-Führers [[Ante Pavelić]] tödlich verwundet.<ref>[[Adam LeBor]]: ''Milošević. A biography''. London, Bloomsbury, 2002.</ref>
Mladić wurde im ostbosnischen Dorf [[Božanovići]] in der Gemeinde [[Kalinovik]], in der Nähe des Berges [[Treskavica]] 45&nbsp;Kilometer westlich von [[Goražde]] und 40&nbsp;Kilometer südlich von [[Sarajevo]] gelegen, geboren. Zu dieser Zeit war ganz Bosnien-Herzegowina Teil des von den [[Zeit des Nationalsozialismus|Nationalsozialisten]] protegierten und von der [[Ustascha]] beherrschten [[Unabhängiger Staat Kroatien|Unabhängigen Staates Kroatien]] (NDH); eines Staates, der nach dem deutschen [[Balkanfeldzug]] und der Zerstückelung [[Königreich Jugoslawien|Jugoslawiens]] 1941 entstanden war. Sein Vater war Mitglied der [[Volksbefreiungsarmee (Jugoslawien)|Partisanen]].


Als Absolvent der Militärakademie in Belgard schlug Ratko Mladić eine Laufbahn als Offizier der JVA ein.<ref>Ian Traynor: [https://www.theguardian.com/world/2011/may/26/ratko-mladic-military-mastermind ''Ratko Mladic: career officer infamous for the Srebrenica massacre'']. In: [[The Guardian]], 6. Mai 2011, Abruf am 22. November 2017.</ref> Am 31. Januar 1989 wurde er zum Leiter der Bildungsabteilung des Dritten Militärbezirks von Skopje befördert. Am 14. Januar 1991 wurde er zum Stellvertretenden Kommandeur in [[Priština]] ernannt.<ref>{{cite web|url=https://www.un.org/icty/transe5&18/960711IT.htm|title=International Criminal Tribunal for the Former Yugoslavia|publisher=UN|accessdate=26 July 2008|archiveurl=https://web.archive.org/web/20080406075119/http://www.un.org/icty/transe5&18/960711IT.htm|archivedate=6 April 2008}}</ref>
Nach dem Abschluss der Grundschule arbeitete Mladić in Sarajevo als Klempner für die "Tito Company". Ab 1961 besuchte er die Militarische Industrieschule, anschließend die Jugoslawische Militärakademie in [[Belgrad]]. Nach seinem Abschluss am 27. September 1965 begann er seine Karriere in der [[Jugoslawische Volksarmee|Jugoslawischen Volksarmee]]. Im selben Jahr trat er auch dem [[Bund der Kommunisten Jugoslawiens]] bei und blieb Mitglied, bis die Partei 1990 zerfiel.<ref>''The Madness of General Mladic by Robert Block''. The New York Review of Books, 2011.</ref>

Seine erste Stelle als Offizier begann er im November 1965 in [[Skopje]], wo er der jüngste Soldat in der Einheit war, die er kommandierte. Beginnend mit dem Rang eines zweiten Leutnants (April 1968) erwies er sich als fähiger Offizier, der zuerst einen Zug (Mai 1970), dann ein Bataillon (27. November 1974) und schließlich eine Brigade kommandierte. Im September 1976 begann er seine militärische Hochschulausbildung an der Offiziersakademie in Belgrad, wo er mit einer Note von 9,57 (von 10) den ersten Platz belegte. Am 25. Dezember 1980 wurde er Oberstleutnant und am 18. August 1986 Oberst mit Sitz in [[Štip]]. Im September 1986 beendete er ein zusätzliches Jahr der militärischen Ausbildung. Am 31. Januar 1989 wurde er zum Leiter der Bildungsabteilung des Dritten Militärbezirks von Skopje befördert. Am 14. Januar 1991 wurde er zum Stellvertretenden Kommandeur in [[Priština]] ernannt.<ref>{{cite web|url=https://www.un.org/icty/transe5&18/960711IT.htm|title=International Criminal Tribunal for the Former Yugoslavia|publisher=UN|accessdate=26 July 2008|archiveurl=https://web.archive.org/web/20080406075119/http://www.un.org/icty/transe5&18/960711IT.htm|archivedate=6 April 2008}}</ref>


=== Jugoslawienkriege ===
=== Jugoslawienkriege ===

Version vom 22. November 2017, 18:37 Uhr

Ratko Mladić 1993

Ratko Mladić [râtko mlǎːdit͡ɕ] (serbisch-kyrillisch Ратко Младић; * 12. März 1942[1][2] in Božanovići) ist ein ehemaliger bosnisch-serbischer General, der von 1992 bis 1996 als Oberbefehlshaber der Vojska Republike Srpske agierte.

Ihm werden zahlreiche Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit während des Bosnienkriegs zur Last gelegt, darunter die knapp vierjährige Belagerung von Sarajevo und das Massaker von Srebrenica im Juli 1995, bei dem mehr als 8.000 bosnische Männer und Jugendliche ermordet wurden. Gegen Mladić lag seit 1995 eine Anklage vor dem Internationalen Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) vor, in der er des gemeinschaftlich mit Radovan Karadžić geplanten Völkermords an den Bosniaken beschuldigt wurde. Nachdem er sich fünfzehn Jahre lang einer Verhaftung entziehen konnte, wurde er am 26. Mai 2011 in Serbien festgenommen[3] und am 3. Juni 2011 zum ersten Mal vor einer Kammer des ICTY in Den Haag vor Gericht angehört.[4] Am 22. November 2017 wurde er des Völkermords und weiteren neun von elf Anklagepunkten für schuldig gesprochen und zu lebenslanger Haft verurteilt.[5]

Leben

Mladić wurde im ostbosnischen Dorf Božanovići in der Gemeinde Kalinovik, in der Nähe des Berges Treskavica 45 Kilometer westlich von Goražde und 40 Kilometer südlich von Sarajevo gelegen, geboren. Zu dieser Zeit war ganz Bosnien-Herzegowina Teil des von den Nationalsozialisten protegierten und von der Ustascha beherrschten Unabhängigen Staates Kroatien (NDH); eines Staates, der nach dem deutschen Balkanfeldzug und der Zerstückelung Jugoslawiens 1941 entstanden war. Sein Vater war Mitglied der Partisanen.

Als Absolvent der Militärakademie in Belgard schlug Ratko Mladić eine Laufbahn als Offizier der JVA ein.[6] Am 31. Januar 1989 wurde er zum Leiter der Bildungsabteilung des Dritten Militärbezirks von Skopje befördert. Am 14. Januar 1991 wurde er zum Stellvertretenden Kommandeur in Priština ernannt.[7]

Jugoslawienkriege

Ratko Mladić 1993 in Sarajevo

Im Juni 1991 wurde Mladić während der Kämpfe zwischen der Jugoslawischen Volksarmee (JNA) und den kroatischen Einheiten aus dem Kosovo nach Knin, der Hauptstadt der international nicht anerkannten Republik Serbische Krajina in Kroatien abberufen, wo er den Posten des Kommandeurs des 9. Korps der JNA erhielt. Unter Mladićs Kommando wurden Kämpfe um die Stadt Šibenik mit kroatischen Einheiten ausgetragen, bei denen es zur Sprengung der Maslenica-Brücke kam. Aufgrund deren strategischer Lage wurde der südlich gelegene Teil Dalmatiens vorübergehend vom kroatischen Hoheitsgebiet abgeschnitten, was erklärtes Ziel der Krajina-Serben war. Am 4. Oktober 1991 wurde er zum Generalmajor befördert. Am 24. April 1992 wurde er in den Rang eines Generalleutnants erhoben und am 9. Mai 1992 erreichte er den Posten des Stabschef-Vizekommandeurs des Zweiten Militärdistrikthauptquartiers der JNA in Sarajevo. Am 10. Mai 1992 übernahm er das Kommando über das Zweite Militärdistrikthauptquartier der JNA.

Am 12. Mai 1992 stimmten die bosnischen Serben für die Gründung von militärischen Einheiten, der Armee der Serbischen Republik (serb. Vojska Republike Srpske, VRS), die aus bosnischen Serben und Angehörigen der jugoslawischen Volksarmee, die aus Bosnien stammten, gebildet wurde. Gleichzeitig wurde Mladić zum Oberkommandierenden der VRS berufen, eine Position, die er bis Dezember 1996 ausübte. Nach dem Rückzug der JNA-Streitkräfte von Bosnien im Mai 1992 wurde der Zweite Militärdistrikt der JNA Kern des Hauptstabes der VRS. Am 24. Juni 1994 wurde Mladić in den Rang eines Generalobersten befördert.

Am 4. September 1994 gründete Mladić den 1. Korpus der Armee der Republika Srpska als Kommandoeinheit der Serben gegen den 5. Korps der bosnischen Regierungstruppen. An den Angriffen gegen die von Regierungstruppen kontrollierte Bosanska Krajina war er persönlich beteiligt. Am 10. September 1994 wurde Mladić in der Nähe von Bosanski Petrovac durch einen Artillerie-Beschuss der ARBiH schwer am Kopf verletzt; er wurde in einer serbischen Militärklinik operiert. Am 12. September stellten die Serben die Angriffe ein, nachdem sie hohe Verluste erlitten hatte, sodass die bosnische Armee unter Führung von Atif Dudaković die Krajina erfolgreich verteidigte.[8]

Nach der Erstürmung der UN-Schutzzonen um die ostbosnischen Städte Srebrenica und Žepa im Sommer 1995 war Mladić auf dem Höhepunkt seiner Macht. In dem von ihm organisierten Massaker von Srebrenica wurden im Juli 1995 bis zu 8.000 männliche Bosniaken durch bosnisch-serbische Soldaten ermordet.

Am 9. November 1996 entließ Biljana Plavšić als Präsidentin der Republika Srpska den vor dem Haager Tribunal angeklagten Armeechef Ratko Mladić. Nachfolger Mladićs als Generalstabschef wurde Generalmajor Pero Čolić. Am 13. November 1996 beschloss die Präsidentin, auch den Mladić nahestehenden Armeesender „Radio Krajina“ zu schließen. Am 15. November 1996 erklärte sich Mladić bereit, seine Entlassung zu akzeptieren, sofern er selbst seinen Nachfolger bestimmen könne; Čolić erkenne er nicht an. Es gab einen Machtkampf in der Republika Srpska.

Anklage vor dem Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien

Am 24. Juli 1995 wurde Mladić vor dem UN-Kriegsverbrechertribunal (ICTY) als Kriegsverbrecher wegen Völkermordes, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und zahlreicher Kriegsverbrechen angeklagt. Am 16. November 1995 wurden die Anklagepunkte des Völkermords, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen auf den Angriff gegen die UN-Schutzzone Srebrenica (Massaker von Srebrenica) im Juli 1995 ausgedehnt, bei dem bis zu 8.000 Menschen getötet wurden. Mladić soll auch für die Geiselnahme von UN-Soldaten (UNPROFOR) verantwortlich sein.[9][10]

Als gesuchter Verbrecher, auf der Flucht vor dem ICTY, wurde Mladić verdächtigt, sich in Serbien, in der Republik Srpska oder in Russland zu verstecken. Bis zum Frühjahr 2002 soll Mladić unbehelligt bei seinem Sohn in Belgrad gelebt haben. Nach Einschätzung der damaligen Chefanklägerin des Haager Tribunals für Kriegsverbrechen, Carla Del Ponte, sei Mladić in Reichweite der Behörden Serbiens gewesen, was Belgrad für den Zeitraum bis Juni 2002 eingestanden hat, danach nicht mehr. Der Vorsitzende des 'Nationalen Rats für Zusammenarbeit mit dem Tribunal', Rasim Ljajić, sagt: „Man weiß inzwischen, dass 130 Personen in verschiedenen Phasen Mladić beim Verstecken geholfen haben. Leider befindet sich die Mehrheit von ihnen in der bosnischen Serbenrepublik.“ Seit Januar 2006 waren fünf Militärangehörige als mutmaßliche Helfer in Haft genommen worden.

Einem Medienbericht zufolge wurde Mladić als Zuschauer eines Fußballspiels zwischen der Volksrepublik China und Jugoslawien im März 2000 in Belgrad gesehen. Er soll das Stadion durch den VIP-Eingang betreten und in einer privaten Loge umringt von acht bewaffneten Leibwächtern gesessen haben. Manche Quellen besagten, Mladić halte sich im südserbischen Niš auf und werde von der serbischen Armee gedeckt. Der stellvertretende Regierungschef Miroljub Labus behauptete, er sei in einem Vorort von Moskau gesehen worden und halte sich gewöhnlich in Thessaloniki und Athen auf. Im November 2004 räumten britische Verteidigungsoffizielle ein, dass Militäraktionen nicht sehr wahrscheinlich zur erfolgreichen Ergreifung von Mladić und anderen Verdächtigen führen würden. Politischer Druck auf die Balkanregierungen sei wahrscheinlich erfolgreicher. Der serbische Verteidigungsminister Zoran Stanković hatte seinen Rücktritt angekündigt, falls Mladić nicht bald gefasst werde. Die US-amerikanische Regierung lobte auf seine Ergreifung ein Kopfgeld von 5 Millionen US-Dollar aus.[11]

Anlässlich der Gedenkveranstaltung zum 15. Jahrestag des Massakers von Srebrenica im Jahre 2010 wurde ein Schreiben des US-Präsidenten Obama verlesen, in dem er die schnellstmögliche Verhaftung von Mladić forderte.[12]

Fahndung, Verhaftung und Proteste

Zahlreiche Pressemitteilungen meldeten am 21. Februar 2006, dass Mladić in Belgrad verhaftet und EUFOR-Einheiten in der nordostbosnischen Stadt Tuzla zur Überstellung an das UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag übergeben worden sei oder dass darüber zumindest verhandelt werde. Dies wurde von allen Seiten dementiert, aber die Chefanklägerin in Den Haag, Carla Del Ponte, vermutete weiterhin, dass die serbischen Behörden seinen Aufenthaltsort kannten, und mahnte seine baldige Verhaftung an. Die Festnahmen von Mladić und Radovan Karadžić galten als Grundvoraussetzungen für ein Assoziierungsabkommen der Europäischen Union mit Serbien.

Mladić konnte ab dem 7. April 2006 nicht mehr frei über sein Vermögen verfügen. Das Parlament von Serbien-Montenegro hatte dazu ein Gesetz zum Einfrieren der Bankkonten und anderer Besitztümer aller flüchtigen angeklagten Kriegsverbrecher verabschiedet. Das Kriegsverbrechertribunal in Den Haag hatte die Zusage des serbischen Regierungschefs Koštunica, dass Mladić bis Ende April ausgeliefert werde, was aber nicht geschah.

Im Dezember 2007 wurde erstmals offiziell eingeräumt (durch den serbischen Sonderstaatsanwalt für Kriegsverbrechen, Vladimir Vukčević), dass sich Mladić aller Wahrscheinlichkeit nach in Serbien aufhalte.[13] Ende des Monats bestätigte er, dass sich Mladić in Serbien befinde. Die serbische Regierung dementierte diese Äußerungen; die Behörden seien Mladić nicht auf der Spur.[14]

Vertreter der Serbischen Sicherheitlichen Nachrichtenagentur (BIA) und der Militärisch-Sicherheitlichen Agentur (VBA) teilten auf einer Pressekonferenz am 12. Oktober 2009 mit, sie würden alle verfügbaren Ressourcen zur Jagd auf die zwei flüchtigen Haager Angeklagten, Ratko Mladić und Goran Hadžić, einsetzen.[15]

Der zuständige Belgrader Staatsanwalt Vukčević äußerte im Oktober 2010, es gebe „ein Leck bei den serbischen Ermittlungsbehörden“: Geplante Verhaftungen seien den Flüchtigen rechtzeitig verraten worden, das Leck sei aber nicht ermittelbar gewesen.[16]

Im selben Monat verzehnfachte die serbische Regierung ihre Belohnung für die Ergreifung Mladićs auf 10 Millionen Euro. Als Grund führte sie „Serbiens klaren politischen Willen“ an, „die letzte verbleibende Hürde auf dem Weg in die EU zu beseitigen“.[17]

Am 26. Mai 2011 wurde Mladić in Lazarevo in Serbien verhaftet.[3][18] Staatspräsident Tadić äußerte bei der Bekanntgabe der Festnahme, er hoffe, dass diese die EU-Beitrittsverhandlungen beschleunigen werde.[19] Ein Belgrader Gericht genehmigte am 27. Mai Mladićs Überstellung nach Den Haag binnen einer Woche.[20]

In Belgrad gingen Tausende auf die Straße, um gegen die Verhaftung und Auslieferung Mladićs zu demonstrieren. Sie nannten ihn einen serbischen Helden. Die Demonstrationen endeten in gewalttätigen Ausschreitungen.[21]

Am 31. Mai 2011 wurde Mladić gestattet, das Grab seiner 1994 verstorbenen Tochter Ana in Belgrad unter hohen Sicherheitsvorkehrungen zu besuchen. Sie soll sich laut offiziellen Angaben im Alter von 23 Jahren aufgrund von Depressionen, die durch Mladićs Handlungen während des Bürgerkriegs verstärkt wurden, mit seiner Waffe erschossen haben. Mladić bestritt diese Version und vermutete, sie sei ermordet worden.[22]

Am selben Tag wurde Mladić an das Haager Tribunal überstellt, nachdem die serbische Justiz einen Berufungsantrag der Verteidigung gegen seine Überstellung abgelehnt hatte.[23]

Prozess

Datei:Ratko Mladić court.jpg
Mladić vor Gericht. Aufnahme vom 3. Juni 2011

Am 3. Juni 2011 stand Mladić erstmals vor dem UN-Tribunal. Es hatte Anklage in elf Punkten gegen ihn erhoben, darunter Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit während des Bosnienkriegs von 1992 bis 1995. Der Prozessauftakt wurde auf den 4. Juli 2011 festgelegt.[24] Mladić gab nur seine Personalien bekannt, wobei auch sein Geburtsjahr bekannt wurde, über das lange spekuliert worden war. Er gab an, schwer krank zu sein und dass er die 37-seitige Anklageschrift noch nicht durchgelesen habe. Nach Aussage seines Anwalts Miloš Šaljić soll er in den 16 Jahren auf der Flucht drei Hirnschläge und zwei Herzinfarkte erlitten haben, sowie 2009 wegen Lymphdrüsenkrebs behandelt worden sein.[25]

Serbien kündigte an, für die Verteidigung von Mladić keine finanziellen Mittel bereitzustellen. Die Republika Srpska in Bosnien-Herzegowina hingegen stellte 50.000 Euro zur Verfügung. Als Pflichtverteidiger wurde Aleksandar Aleksić vorgestellt.[26]

Am 4. Juli 2011, dem zweiten Prozesstag, wurde Mladić vom vorsitzenden Richter Alphons Orie des Saales verwiesen, weil er durch Zwischenrufe die Anhörung mehrmals gestört hatte. In seinem Namen plädierte der Richter am Ende der Anhörung für unschuldig, wie es üblich ist, wenn der Angeklagte sich nicht äußern kann oder will.[27][28] Zuvor war Mladić verwehrt worden, seinen langjährigen Anwalt Miloš Šaljić als Verteidiger zu wählen. Eigentlich hatte er aus diesem Grund den Anhörungstermin boykottieren wollen, erschien dann aber doch.[29][30]

Der Prozess vor dem UN-Kriegsverbrechertribunal wurde am 16. Mai 2012 wiederaufgenommen,[31] nachdem ein halbes Jahr zuvor noch der medizinische Dienst des UNO-Untersuchungsgefängnisses erklärt hatte, dass Mladić nicht in der gesundheitlichen Verfassung sei, dem Prozess beizuwohnen.[32] Am 17. Mai 2012 wurde der Prozess wegen „Unregelmäßigkeiten“ auf unbestimmte Zeit vertagt. Der vorsitzende Richter Orie begründete den Schritt damit, dass die Anklage der Verteidigung Dokumente vorenthalten und damit deren Vorbereitung auf den Prozess behindert habe.[33]

Am 9. Juli 2012 begannen die Kreuzverhöre der Zeugen der Anklage durch Mladićs Verteidiger Branko Lukić. Während Mladić in den ersten drei Tagen einen guten gesundheitlichen Eindruck machte, musste der Prozess am 12. Juli – dem Jahrestag des Massakers von Srebrenica – aufgrund eines plötzlichen Schwächeanfalls unterbrochen werden. Am 13. Juli erklärten die untersuchenden Ärzte, dass medizinisch einer Fortsetzung des Prozesses in der folgenden Woche nichts im Weg stehe.[34] Der Prozess wurde entsprechend fortgesetzt.

Am 19. Mai 2014 begann die Verteidigung mit dem Aufrufen ihrer Zeugen.[35]

Aufgrund seines schlechten Gesundheitszustands forderte Mladićs Familie seine Freilassung auf Zeit. Sohn Darko begründete die Forderung mit: „Im UN-Untersuchungsgefängnis werde sein Vater nicht so behandelt, wie es sein müsste.“ Ärzte in Den Haag bestätigten Herzprobleme in­fol­ge von drei Hirnschlägen vor seiner Verhaftung 2011. Ein Sprecher des Gerichts äußerte, dass sich Ratko Mladićs Zustand in der Haft „eher verbessert als verschlechtert“ habe. Im Frühjahr 2017 gab es einen Antrag, Mladić zur ärztlichen Behandlung nach Russland zu überstellen. Dafür gab es von Moskau eine zugesicherte „Rückkehrgarantie“.[36]

Am 22. November 2017 wurde Mladic in den wesentlichen Teilen der Anklage für schuldig befunden und zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt.[37]

Siehe auch

Commons: Ratko Mladić – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Fußnoten und Quellen

  1. Prosecutor of the International Criminal Tribunal for the former Yugoslavia (Hrsg.): The prosecutor of the tribunal against Ratko Mladic. IT-95-5/18-I, Oktober 2002, S. 1 (PDF [abgerufen am 2. Dezember 2012]).
  2. 2011 gab Mladic an, er sei 1943 geboren.
  3. a b Spiegel Online: Serbiens Präsident bestätigt Festnahme von Mladic, 26. Mai 2011.
  4. Ratko Mladic vor dem UN-Tribunal: „Habe keine Muslime umgebracht“. FAZ.net, 3. Juni 2011, archiviert vom Original am 3. Juni 2011; abgerufen am 11. August 2014.
  5. ICTY: Tribunal convicts Ratko Mladić for genocide, war crimes and crimes against humanity. Abgerufen am 22. November 2017.
  6. Ian Traynor: Ratko Mladic: career officer infamous for the Srebrenica massacre. In: The Guardian, 6. Mai 2011, Abruf am 22. November 2017.
  7. International Criminal Tribunal for the Former Yugoslavia. UN, archiviert vom Original am 6. April 2008; abgerufen am 26. Juli 2008.
  8. www.novireporter.com (bosn.)
  9. Nataša Krsman: U BiH stradalo 97.207 ljudi
  10. www.politika.co.yu
  11. [1]
  12. AFP: [2]
  13. Belgrad gibt zu: Mladic in Serbien, Die Presse, 6. Dezember 2007
  14. Verwirrspiel um Mladics Versteck, www.tagesschau.sf.tv, 26. Dezember 2007
  15. Intensive Jagd nach Mladic Und Hadzic, Radio Srbija, 12. Oktober 2009
  16. General auf der Flucht. In: Der Spiegel. Nr. 43, 2010, S. 95 (online).
  17. Serbien verzehnfacht Belohnung für Ergreifung von Mladic, NZZ Online, 28. Oktober 2010
  18. Ratko Mladic in Serbien gefasst in: sueddeutsche.de vom 26. Mai 2011. Abgerufen am 26. Mai 2011.
  19. Zeit Online: Mutmaßlicher Kriegsverbrecher Mladić verhaftet, 26. Mai 2011.
  20. Zeit Online: Mladić darf ans UN-Tribunal ausgeliefert werden, 27. Mai 2011.
  21. Festnahmen nach Protesten von Mladic-Anhängern in Serbien
  22. Mladic besucht Grab seiner Tochter, www.focus.de, 31. Mai 2011.
  23. Ratko Mladic auf dem Weg zum Tribunal. news.ch, 31. Mai 2011, abgerufen am 31. Mai 2011.
  24. tagesschau.de: Mladić erstmals vor UN-Tribunal: "Ich bin ein schwerkranker Mann" (Memento vom 5. Juni 2011 im Internet Archive), 3. Juni 2011, abgerufen am 3. Juni 2011.
  25. faz.de: Ratko Mladić vor dem UN-Tribunal: „Habe keine Muslime umgebracht“, 3. Juni 2011, abgerufen am 3. Juni 2011.
  26. Prozess Anfang Juli fortgesetzt. ORF, 3. Juni 2011, abgerufen am 3. Juni 2011.
  27. welt.de: Eklat in Den Haag – Richter verweist Mladic des Saals, 4. Juli 2011, abgerufen am 4. Juli 2011.
  28. schwarzwaelder-bote.de: Der wahre Ratko Mladic, 5. Juli 2011, abgerufen am 5. Juli 2011.
  29. focus.de: Ratko Mladic rastet in Den Haag aus, 4. Juli 2011, abgerufen am 5. Juli 2011.
  30. google.de: Richter wirft störrischen Mladic aus dem Gerichtssaal, 4. Juli 2011, abgerufen am 5. Juli 2011.
  31. Mladic-Prozess beginnt vor UN-Kriegsverbrechertribunal bei welt.de, 16. Mai 2012 (abgerufen am 16. Mai 2012).
  32. Mladic laut Tribunalsärzten zu krank für Anhörung vor Gericht. In: ORF. 10. November 2011, abgerufen am 10. November 2011.
  33. Justiz: Beweisaufnahme im Prozess gegen Mladic auf unbestimmte Zeit vertagt bei welt.de, 17. Mai 2012 (abgerufen am 17. Mai 2012).
  34. Mladic in Krankenhaus eingeliefert – Prozess unterbrochen bei focus.de, 12. Juli 2012 (abgerufen am 13. Juli 2012).
  35. BBC.com: BBC News - Ratko Mladic war crime defence begins, 19. Mai 2014, abgerufen am 17. Juli 2014.
  36. sz-online: Ratko Mladic will nach Hause. In: SZ-Online. (sz-online.de [abgerufen am 11. September 2017]).
  37. ICTY.org: Tribunal convicts Ratko Mladić for genocide, war crimes and crimes against humanity. Abgerufen am 22. November 2017.