Nördliche Kriegsherren

Als Nördliche Militaristen oder Peking-Clique wird in der chinesischen Geschichtsschreibung die Gesamtheit der aus der nordchinesischen Peking-Armee hervorgegangenen Generale (Kriegsherrn) bezeichnet.

Seit 1917 kämpften sie gegeneinander um die Macht in Peking (Chili-Anhwei-/Zhiwan-Krieg 1920, Erster Chili-Fengtian-/Zhifeng-Krieg 1922, Zweiter Chili-Fengtian-/Zhifeng-Krieg 1924, Fengtian-Kuominchun-Krieg 1926), die Gesamtheit dieser Auseinandersetzungen, Allianzwechsel und Umstürze wird auch als Generalskriege bezeichnet. 1928 aber wurden die nördlichen Generäle von den aus dem Süden vorrückenden Kuomintang unterworfen und 1931 von den Japanern vernichtet. Bis 1928 wurden sie international als offizielle Repräsentanten Chinas anerkannt, obwohl sie niemals das gesamte Land beherrscht hatten.

Die Peking-Clique

Nach den chinesischen Niederlagen von 1885 und 1895 war von dem prowestlichen Kanzler Li Hongzhang in Nordchina neben dem regulären Heer und einem Söldnerheer eine dritte Armee, die sogenannten Lehrtruppen, aufgestellt worden (zeitgleich auch die Peking-Flotte, 1895 verloren). Sie waren als einzige mit modernen Waffen ausgerüstet und von westlichen Offizieren ausgebildet. Mit ihrer Hilfe schlug die Regierung den Boxeraufstand nieder, was den Aufstieg des damaligen Befehlshabers Yuan Shikai förderte (Armeechef bis 1909). Beim Aufstand von 1911 erneut zum Armeechef und Premier berufen, hielt er den Norden (zumindest die Provinzen Fengtian, Chili, Jehol, Honan und Kansu) so lange gegen die republikanischen Aufständischen des Südens, bis sowohl Kaiser Pu Yi im Norden als auch Interimspräsident Sun Yatsen (Kuomintang) im Süden zu seinen Gunsten zurücktraten.

Yuan Shikai wurde Präsident der Republik China. Statt von der neuen Hauptstadt Nanking im Süden regierte er weiterhin von Peking aus. Seine Macht basierte auf der Peking-Armee, bröckelte aber, als er 1915-16 eine Restauration der Monarchie unter einem eigenen Kaisertum versuchte, dem sich seine Peking-Generäle versagten (alle außer Dschang Hsün). Die Südprovinzen Guandong (Kuomintang in Kanton) und Kwangsi (später mit den Kuomintang verbündet) fielen ab.

Shikais Nachfolger als Präsident wurde der aus Peking bzw. der die ehemalige Hauptstadt umgebenden Provinz Chili (Zhili, Dscheli, heute in Hebei umbenannt) stammende, aber die Provinz Hupeh kontrollierende General Li Yüan-hung (1916-1917). Er wurde 1917 vom aus der Provinz Kiangsu (Nanking) stammenden monarchistischen General Dschang Hsün kurzzeitig verdrängt. Neuer Präsident wurde 1917-18 der Chili-General Feng Guo-dschang (gest. 1919), Premierminister (seit 1916) der aus der Provinz Anhwei (Anhui, Anfu) stammende Marschall Düan Tschi-ruei (gest. 1936). Nachfolger als Armeechef wurde Marschall Hsü Sche-tschang, 1918-22 auch als Präsident.

  • 1918-1920 besetzte die Peking-Armee auch die 1911/12 abgefallene Äußere Mongolei.

Die Chili-Clique

Nachfolger als Führer der Chili-Fraktion und Provinzgouverneur war nach Feng Guo-dschangs Tod 1919 Tsao Kun geworden, der mit Hilfe der Fengtian-Clique im Chili-Anhwei-Krieg Premier Düan 1920 zum Rücktritt zwang. Nach dem Bruch mit den Fengtian-Militaristen (1922) und einer zweiten Herrschaft Li Yüan-hungs (1922-23) wurde er selbst Präsident in Peking (1923-24). Außenpolitisch erhielt Tsao Kun Unterstützung, Geld und Waffen von Großbritannien und Frankreich. Wichtigste Chili-Generäle wurden fortan Wu Pei Fu in Südchina (Provinz Hupeh) und Sun Ch´uan-fang in Ostchina (von Kiangsi bis Nanking), die beide nach 1924 eigene Wege gingen und 1926 von den aus Südchina (Guandong mit Kanton) vorrückenden Kuomintang geschlagen wurden.

  • Maximalausdehnung zwischen 1920 und 1924 über die Provinzen Chili, Hupeh, Kiangsi, Anhwei, Kiangsu, Honan, Hunan, Shensi, Schantung, Chahar, Jehol, Suiyuan, Fukien und Chekiang

Die Anhwei-Clique

Die seit 1916 mit Hilfe Japans dominierenden, 1920 aber geschlagenen Anhwei-Militäristen hatten sich zwar schon 1921 mit den Kuomintang und den Fengtian-Militaristen der Mandschurei verbündet, waren aber 1922 erneut geschlagen worden. 1924 schloss Ex-Premier Düan Tschi-ruei stattdessen einen Bund mit dem abtrünnigen Chili-General Feng Yü-hsiang gegen Wu Pei Fu und wurde so 1924-26 selbst Präsident, vertrieb aber mit Hilfe der Fengtian-Clique schon 1925 Feng wieder aus Peking. Faktisch jedoch war er von seinen Fengtian-Verbündeten abhängig, bis diese wieder die Seiten wechselten. Nach seiner endgültigen Niederlage gegen die 1926 verbündeten Chili- und Fengtian-Militaristen zog sich Düan zurück. Die Anhwei-Militaristen verloren mit Anhweis Nachbarprovinz Chekiang (Zhejiang) ihre letzte Provinz an Sun Ch´uan-fang und spielten fortan keine Rolle mehr.

  • Maximalausdehnung zwischen 1916/17 und 1920 über die Provinzen Anhwei, Chili, Chekiang, Fukien, Schantung, Chahar, Jehol, Suiyuan und Shensi

Die Fengtian-Clique

Die Militaristen in der mandschurischen Provinz Fengtian (heute Liaoning) wurden nach der mandschurischen Hauptstadt Mukden (heute Shenyang) auch Mukden-Clique genannt. Stets beherrschten sie aber auch die Nachbarprovinzen Heilunkiang und Kirin (einschließlich des heutigen Nordostens der Inneren Mongolei).

Im ersten Chili-Fengtian-Krieg hatte Wu Pei Fu zwar 1922 diese Armeeteile und Regionalmilizen des Marschalls Dschang Dzo-lin (gest. 1928) besiegt, der wiederum mit General Dschang Hsün (gest. 1923) verschwägert gewesen war. In einem zweiten Chili-Fengtian-Krieg erlitt Wu Pei Fu 1924 jedoch eine Niederlage, weil zwei andere Chili-Generäle (Dschang Dzung-tschang und Feng Yü-hsiang) zu Dschang Dzo-lin überliefen.

Während des Krieges gegen die Anhwei und Kuominchun 1926 aber kam es innerhalb der Fengtian-Clique zu Kämpfen, Dschang Dzo-lin konnte sich nur mit japanischer Hilfe behaupten und schloss ein Bündnis mit den restlichen Chili-Militaristen, was ihm 1927 schließlich die Präsidentschaft in Peking einbrachte.

  • Maximalausdehnung bis 1920 sowie zwischen 1924/26 und 1927/28 über die Provinzen Fengtian, Heilunkiang, Kirin, Jehol, Chahar, Suiyan, Chili und Schantung

Die Kuominchun-Clique

Eigentlich hatten Wu Pei Fu, Sun Ch´uan-fang und Dschang Dzo-lin 1926 das Bündnis primär gegen die Kuominchun-Nationalarmee des Chili-abtrünnigen Marschalls Feng Yü-hsiang geschlossen. Feng, der übrigens 1914 das Christentum angenommen haben sollte (wie einst die Taiping) und einen Christlichen Sozialismus anstrebte, hatte sich 1925 zunächst in die Provinz Kansu zurückgezogen, wurde aber immer mächtiger und vereinte bald 45.000 Mann, die bis 1926 von Sowjets ausgebildet wurden. Die beiden Bündnispartner Dschang Dzo-lins wurden geschlagen, und Dschang Dzo-lin, der neue starke Mann in Nordchina, wurde 1928 kurz vor seiner geplanten Kaiserkrönung bei einem Attentat getötet, für das sowohl die Kuomintang als auch die Japaner verantwortlich gemacht werden. Feng Yü-hsiang schloss ein Bündnis mit dem Kuomintang-Nationalisten des Sun-Yatsen-Nachfolgers Chiang Kai-shek und (Dschangs Dzo-lins Sohn) Marschall Dschang Hsüa-liang sowie General Yän Hsi-schan aus der Provinz Schansi. Gemeinsam vertrieben sie den zu den Japanern übergelaufenen Fengtian-General Dschang Dzung-tschang aus Schandong. Nach einem vergeblichen Putsch Fengs (mit Yän Hsi-schan und Chiang Kai-scheks Vize Wang Ching-wei) gegen Chiang 1930 anerkannten alle drei Verbündeten die Führung des neuen Generalismus, der sich fortan auf die Vernichtung der Kommunisten konzentrierte.

  • Maximalausdehnung zwischen 1924/26 und 1928/30 über die Provinzen Kansu, Shensi, Chahar, Suiyuan (Innere Mongolei), Honan und Ningsia

Die Macht lag seitdem in den Händen der südlichen Whampao-Clique, jenes seit 1924 in der Militärakademie Whampao (Huangpu, bei Kanton) ausgebildeteten neuen Offizierscorps der nationalistischen Kuomintang-Armee. Doch schon 1931 besetzten die Japaner nach dem Mukden-Zwischenfall und der Mandschurischen Krise Nordostchina (Marschall Dschang Hsüa-liang leistete auf Chiang Kai-sheks Anweisung keinen Widerstand) und errichten dort 1932 den Marionettenstaat Mandschukuo unter Pu Yi (1935 einen weiteren Staat in der Inneren Mongolei). Viele ehemalige Offiziere Dschangs Dzo-lins liefen zu den Japanern und Mandschuren über, nur einige wenige Generale seines Sohnes und Nachfolgers kämpften kurzzeitig als Armeepartisanen gegen die Japaner (Ma Chan-shan, Ting Chao, Wang Teh-ling, Li Hai-Ching). Zusammen mit den Resten der letzteren und den Kommunisten formte Feng Yü-hsiang 1933 in der Inneren Mongolei die "Alliierte Antijapanische Armee", konnte sich ab 1935 jedoch innerhalb derselben nicht mehr gegen die Kommunisten durchsetzen. Als die Japaner 1935 auch in Peking und der Provinz Shantung einen Seperatstaat (Ost-Hebei) errichten wollten, zwangen Dschang Hsüa-liang und Yän Hsi-schan 1936 stattdessen Chiang Kai-schek zu einem Bündnis mit den Kommunisten der Sowjetrepublik von Yenan (Provinz Shaanxi), siehe Zwischenfall von Xi'an. Bald aber schon kam es Japanisch-Chinesischen Krieg und zum Chinesischen Bürgerkrieg zwischen Kuomintang und Kommunisten.

Quellen

  • Kleine Enzyklopädie Weltgeschichte Band 2, S. 233. Leipzig 1979
  • Pu Yi - Ich war Kaiser von China. München 1987
  • The Times - Atlas Zweiter Weltkrieg, S. 32f. Augsburg 1999