Kirche des Allmächtigen Gottes

Die Kirche des Allmächtigen Gottes, auch Dongfang Shandian oder Östlicher Blitz (engl. „Eastern Lightning“) genannt,[1] ist eine um 1990 in China gegründete Religionsgemeinschaft,[2] die an eine bereits geschehene Wiederkunft Christi in Gestalt einer 30-jährigen Chinesin glaubt. Der Gruppierung, der 2013 in Festlandchina eine Million Menschen angehört haben soll,[3] werden von seiten der chinesischen Regierung terroristische Aktivitäten vorgeworfen, aber auch von unabhängigen Beobachtern verschiedene Gewaltverbrechen zur Last gelegt.

Gründung

Die Glaubensgemeinschaft wurde um 1990 in der Provinz Henan gegründet.[2] Der Religionsgründer und ehemalige Physiklehrer[4] Zhao Weishan war bereits früher Mitglied radikaler religiöser Gruppierungen gewesen.[5] Er behauptete, den wiedergekommenen Christus in der 30-jährigen Yang Xiangbin, auch „Lightning Deng“ genannt, gefunden zu haben.[5][6][7][3] Deng wird als unscheinbare junge Frau beschrieben. Es sind jedoch keine verifizierten Fotos von ihr bekannt, und einige Kommentatoren stellen sogar in Frage, ob es diese Frau jemals gegeben hat.[1]

Um 2000 ist Zhao Weishan in die USA geflüchtet, wo ihm politisches Asyl aufgrund von religiöser Verfolgung gewährt wurde.[5][7] Auch Deng soll nach Chinatown, New York, geflüchtet sein. Ob Deng allerdings tatsächlich noch lebt, darüber hüllt sich die Glaubensgemeinschaft in Schweigen.[8] Auch der genaue Verbleib von Zhao Weishan ist unbekannt.[9] Da jedoch nach wie vor Aktivitäten in den USA zu beobachten sind, nehmen Kommentatoren an, dass die beiden dort ihre Religion weiterhin verbreiten: Vorzugsweise in den chinesischen Vierteln von New York und San Francisco tauchen immer wieder Werbebroschüren auf.[3]

Name

Der Name „Östlicher Blitz“ der Gruppierung bezieht sich auf einen Vers im Endzeitkapitel des Matthäusevangeliums (24,27 LUT):[10]

„Denn wie der Blitz ausgeht vom Osten und leuchtet bis zum Westen, so wird auch das Kommen des Menschensohns sein.“

Lehre

In der Lehre der Glaubensgemeinschaft werden christliche Elemente mit Elementen aus der chinesischen Volksfrömmigkeit vermischt und um Neuoffenbarungen ergänzt.[1]

Zeitalter und Gottesname

Die Vorstellung von drei verschiedenen Erscheinungsformen Gottes in den drei Zeitaltern nimmt im Glauben der Kirche einen wesentlichen Platz ein. In den beiden ersten Zeitaltern habe Gott sein Werk nicht vollendet. Für sein Wirken habe Gott in jedem dieser Zeitalter einen eigenen Namen angenommen (Jehova, Jesus, Allmächtiger Gott):[10]

  • das Zeitalter des Gesetzes, dem das Alte Testament und der Gottesname Jehova zugeordnet sind. In diesem Zeitalter seien von Jehova Gesetze und Gebote eingeführt worden, um die Menschen zu führen.
  • das Zeitalter der Gnade, dem das Neue Testament und der Gottesname Jesus Christus zugeordnet sind. In diesem Zeitalter sei die Erlösung durch Jesus geschehen.
  • das Zeitalter des Königreichs, dem die Schrift Das Wort erscheint im Fleisch und der Gottesname Der Allmächtige Gott zugeordnet sind. In diesem letzten Zeitalter sei die Wiederkunft Christi bereits geschehen und das Gericht Gottes angebrochen. Eine Erlösung der Menschen und ein Überleben der endzeitlichen Katastrophen sei nur möglich durch Annahme der vom Allmächtigen Gott verkündigten Wahrheiten.

Offenbarungsschriften

Als Sonderoffenbarung neben der Bibel gilt für die Anhänger dieser Kirche die Schrift Das Wort erscheint im Fleisch als Sammlung der persönlichen Äußerungen des Allmächtigen Gottes.

Im Alten Testament sei das Wirken von Jehova Gott im Zeitalter des Gesetzes aufgezeichnet, im Neuen Testament das Wirken Jesu im Zeitalter der Gnade. Besonderes Augenmerk wird auf das Buch der Offenbarung gelegt, das als Prophezeiung für das Wirken Gottes in den „letzten Tagen“ gedeutet wird.

Das Verhältnis zur Bibel ist jedoch ambivalent. Nachdem der Religionsgründer Zhao Weishan den Gläubigen den „wiedergekommenen Jesus“ präsentiert hatte, empfahl er ihnen, die Bibeln wegzuwerfen.[11]

Endzeiterwartung

Für das Jahr 2012 hatte die Glaubensgemeinschaft – inspiriert durch den Hollywoodfilm 2012, der einen alten Maya-Kalender deutete – den Weltuntergang vorhergesagt.[11] Diese Erwartung ging einher mit Protesten gegen die Kommunistische Partei Chinas, was in weiterer Eskalation mündete.[12] Im Zuge von landesweiten Razzien wurden rund 1000 Mitglieder der Gruppierung festgenommen. Die Verfolgung durch die chinesischen Behörden bestärkte die Gruppierung zusätzlich in ihrem Endzeitglauben, da diese als Teil der endzeitlichen Geschehnisse gedeutet wird.[11]

Kontroverse

Verhältnis zur chinesischen Regierung

Für die Anhänger der Glaubensgemeinschaft ist die chinesische Regierung ein Feindbild; diese wird von der Gemeinschaft als der „große rote Drache“ bezeichnet, den es zu bekämpfen gelte.[13][14][15][16] Umgekehrt wird die Gruppierung von der chinesischen Regierung als „Sekte“ (engl.: cult) eingestuft und bekämpft. Einige Beobachter vermuten, dass dem Staat die Gelegenheit zur Niederschlagung einer unliebsamen Bewegung, von deren „Zwangsbekehrungen, kruden Bräuchen und der Verfolgung von Familienangehörigen“ die staatlichen Medien berichteten, anlässlich der Weltuntergangsprophezeiung gerade recht kam.[17]

Dies hat nach Ansicht einiger Beobachter zur weiteren Radikalisierung der Gruppe beigetragen und zugleich den anderen christlichen Kirchen geschadet, die von den Strafaktionen der chinesischen Regierung mitbetroffen waren.[18][15]

Nach offiziellen chinesischen Angaben sind einige Tausend Mitglieder der Glaubensgemeinschaft in den letzten Jahren festgenommen worden; nach Angaben der Gruppierung selber waren es rund 400.000 Mitglieder (Stand 2014).[19] Diese müssen seitens des chinesischen Staates mit harten Strafen, Folter und Lagerhaft rechnen.[20]

Verhältnis zu den christlichen Kirchen

Das Verhältnis zu den christlichen Kirchen in China ist seit jeher getrübt, da die „Kirche des Allmächtigen Gottes“ mit aggressiven Methoden gerade in den bestehenden Hauskirchen Mitgliederwerbung betreibt. Hauskirchen werden systematisch unterwandert, um zunächst Vertrauen aufzubauen. Es kommen dann auch Methoden wie das „Flirty Fishing“ (Einsetzen sexueller Verführung), Bedrohung, Erpressung oder gar Kidnapping zum Einsatz.[21][22] Da jedoch die Hauskirchen selber in China einen rechtlich unsicheren Status haben, haben ihre Mitglieder häufig vor den Behörden nicht weniger Angst als vor den Mitgliedern der „Kirche des Allmächtigen Gottes“ und können gegen diese Methoden nur wenig unternehmen.[23]

Die 9. Nationalversammlung der chinesischen evangelischen Kirchen verabschiedete im September 2013 eine „Resolution zum Widerstand gegen Irrlehren und Häresien“, die sich besonders gegen die Kirche des Allmächtigen Gottes wandte.[24]

Straftaten

In der chinesischen Presse wurde 1998 über Diebstähle und Angriffe auf Menschen durch Mitglieder der Gruppierung berichtet, bei denen den Opfern Knochen gebrochen und Ohren abgeschnitten worden seien.[25] Über diese Form der Folter wird auch von Opfern späterer Vorfälle berichtet.[26]

Im Jahr 2002 wurden 34 Gemeindeleiter der China Gospel Fellowship, einer chinesischen Hauskirche, durch die Glaubensgemeinschaft gekidnappt und zwei Monate lang gefangengehalten.[27] Die Gemeindeleiter seien unter dem Einfluss von Drogen und Schlafentzug den Versuchen sexueller Verführung durch Frauen aus der Gruppierung ausgesetzt gewesen, um später mit Fotos erpresst und zur Konversion gezwungen werden zu können.[28][26] Weitere Vorwürfe wurden laut, die Gruppierung habe auch bei anderen Gelegenheiten Christen gekidnappt, geschlagen, gefoltert, unter Drogen gesetzt, sexuell missbraucht und Gehirnwäsche betrieben, wenn sie nicht bereit waren, die Lehren der Glaubensgemeinschaft zu akzeptieren.[29] Sogar Mordvorwürfe wurden erhoben.[27]

Eine Frau, die seit 20 Jahren zusammen mit ihrer Mutter der Gruppierung angehörte, erschlug im Oktober 2013 ihren Vater, weil sie ihn für einen "Dämon" hielt, da er sich geweigert hatte, in die Religionsgemeinschaft einzutreten.[30]

In einem McDonald’s-Restaurant in Shandong wurde im Mai 2014 eine Frau von Mitgliedern der Gruppierung zu Tode geprügelt, nachdem sie ihnen nicht ihre Telefonnummer geben wollte. Auch hier wurde das Opfer als "Dämon" tituliert. [31][32] Zwei Personen wurden wegen dieser Tat im Januar 2015 hingerichtet, andere zu Gefängnisstrafen verurteilt.[33] Der tatsächliche Ablauf des Vorfalls und die Rolle, die die Polizei währenddessen, anschließend und bei der Aufarbeitung gespielt hat, ist umstritten.[34] Die Gruppierung selber dementiert, dass es sich bei den Tätern um Mitglieder ihrer Religionsgemeinschaft gehandelt habe.[35]

Einige Kommentatoren stellen die Frage nach einer möglichen Mitverantwortung Zhao Weishans und somit indirekt nach einer möglichen Mitschuld der USA, die ihm Schutz gewähren. Es sei unvorstellbar, dass er beispielsweise über das Kidnapping nicht informiert gewesen sei. Einige chinesische Christen in den USA haben daher versucht, rechtlich gegen ihn vorzugehen.[36]

Mitgliedschaft

Einige Kommentatoren werfen der Gruppierung eine sektenartige Mitgliedschaftsstruktur vor. Neumitglieder würden ihrer Familie entfremdet und Austrittswillige bedroht. Es werde mit Heimlichkeiten und Lügen gearbeitet; selbst Ehepartner wüssten oft lange nicht von der Religionszugehörigkeit des anderen. Mitglieder erhalten religiöse Namen, wodurch die Identifikation und das Wiederfinden von Familienmitgliedern erschwert wird.[37]

Veröffentlichungen

Bislang (Stand September 2017) liegen nur wenige Publikationen der Gruppierung auf Deutsch vor, alle im Selbstverlag:

Literatur

  • Emily Dunn: ‘Cult’, Church, and the CCP: Introducing Eastern Lightning. In: Modern China 35 (2008), S. 96–119.
  • Emily Dunn: Lightning from the East. Heterodoxy and Christianity in Contemporary China. Brill, Leiden 2015, ISBN 9789004297258.

Einzelnachweise

  1. a b c Catherine Wessinger: The Oxford Handbook of Millennialism. Oxford 2011, S. 322.
  2. a b Markus Ackeret: China geht gegen Sekten vor. In: Neue Zürcher Zeitung, 20. Dezember 2012, abgerufen am 8. September 2017.
  3. a b c Matt Shea: The Cult Who Kidnap Christians and Are at War with the Chinese Government. In: Vice, 31. Juli 2013, abgerufen am 7. September 2017.
  4. Carrie Gracie: The Chinese cult that kills 'demons', in: BBC News, 13. August 2014, abgerufen am 10. September 2017
  5. a b c Tim Hume: ‘Eastern Lightning’: The banned religious group that has China worried. In: CNN, International Edition, 3. Februar 2015, abgerufen am 8. September 2017.
  6. Tiffany Monhollon: 34 Chinese ministers released from cult kidnapping, e-mail announces. In: Baptist Press, 21. Juni 2002, abgerufen am 8. September 2017.
  7. a b Jamil Anderlini: China cult targeted as ‘doomsday’ nears. In: Financial Times 20. Dezember 2012, abgerufen am 8. September 2017.
  8. David Aikman: Jesus in Beijing. Washington D.C. 2003, S. 239.
  9. Carrie Gracie: The Chinese cult that kills 'demons', in: BBC News, 13. August 2014, abgerufen am 10. September 2017
  10. a b David Aikman: Jesus in Beijing. Washington D.C. 2003, S. 238.
  11. a b c Jamil Anderlini: China cult targeted as ‘doomsday’ nears. In: Financial Times, 20. Dezember 2012, abgerufen am 8. September 2017.
  12. Shannon Tiezzi: China’s other Religious Problem: Christianity. In: The Diplomat, 3. Juni 2014, abgerufen am 7. September 2017.
  13. Catherine Wessinger: The Oxford Handbook of Millennialism. Oxford 2011, S. 322.
  14. Tim Hume: ‘Eastern Lightning’: The banned religious group that has China worried. In: CNN, International Edition, 3. Februar 2015, abgerufen am 7. September 2017.
  15. a b Jamil Anderlini: China cult targeted as ‘doomsday’ nears. In: Financial Times, 20. Dezember 2012, abgerufen am 8. September 2017.
  16. Marcus Marschalek: „Roter Drache“ gegen „weiblichen Jesus“, in: Religion ORF, 24. August 2014, abgerufen am 10. September 2017.
  17. Markus Ackeret: China geht gegen Sekten vor. In: Neue Zürcher Zeitung, 20. Dezember 2012, abgerufen am 8. September 2017.
  18. Shannon Tiezzi: China’s other Religious Problem: Christianity. In: The Diplomat, 3. Juni 2014, abgerufen am 7. September 2017.
  19. Rede von Linda Wang, Mitglied der Kirche des Allmächtigen Gottes, auf der "Internationalen Literatur- und Menschenrechtskonferenz" in Seoul (in koreanischer und englischer Sprache) vom 29. März 2017, Boxun News Network, abgerufen am 10. September 2017
  20. Marcus Marschalek: „Roter Drache“ gegen „weiblichen Jesus“, in: Religion ORF, 24. August 2014, abgerufen am 10. September 2017.
  21. Tim Hume: ‘Eastern Lightning’: The banned religious group that has China worried. In: CNN, International Edition, 3. Februar 2015, abgerufen am 8. September 2017.
  22. Marcus Marschalek: „Roter Drache“ gegen „weiblichen Jesus“, in: Religion ORF, 24. August 2014, abgerufen am 10. September 2017.
  23. Matt Shea: The Cult Who Kidnap Christians and Are at War with the Chinese Government. In: Vice, 31. Juli 2013, abgerufen am 8. September 2017.
  24. Katharina Wenzel-Teuber: Nationalversammlung der chinesischen Protestanten. In: China heute, XXXII (2013), Nr. 3 (179), S. 141–143, hier S. 142f.
  25. Tim Hume: ‘Eastern Lightning’: The banned religious group that has China worried. In: CNN, International Edition, 3. Februar 2015, abgerufen am 8. September 2017.
  26. a b Matt Shea: The Cult Who Kidnap Christians and Are at War with the Chinese Government. In: Vice, 31. Juli 2013, abgerufen am 8. September 2017.
  27. a b Tiffany Monhollon: 34 Chinese ministers released from cult kidnapping, e-mail announces. In: Baptist Press, 21. Juni 2002, abgerufen am 7. September 2017.
  28. David Aikman: Jesus in Beijing. Washington D.C. 2003, S. 239ff.
  29. David Aikman: Jesus in Beijing. Washington D.C. 2003, S. 239.
  30. Carrie Gracie: The Chinese cult that kills 'demons', in: BBC News, 13. August 2014, abgerufen am 10. September 2017
  31. Tim Hume: ‘Eastern Lightning’: The banned religious group that has China worried. In: CNN, International Edition, 3. Februar 2015, abgerufen am 7. September 2017.
  32. Shannon Tiezzi: China’s other Religious Problem: Christianity. In: The Diplomat, 3. Juni 2014, abgerufen am 7. September 2017.
  33. Vater und Tochter in China hingerichtet. In: n-tv.de, 2. Februar 2015, abgerufen am 8. September 2017.
  34. Zhu Zhishan: The Official Cult Rhetoric Zhaoyuan Murder Triggered Criticism, in: New Tang Dynasty Television, 2. Juni 2014, abgerufen am 10. September 2017
  35. Chung-Woong Choi: Menschenrechte haben keine Grenzen, in: Korea News System, 6. Juli 2017, abgerufen am 10. September 2017
  36. David Aikman: Jesus in Beijing. Washington D.C. 2003, S. 242.
  37. Carrie Gracie: The Chinese cult that kills 'demons', in: BBC News, 13. August 2014, abgerufen am 10. September 2017