„Internationales Menschenrechts-Tribunal“ – Versionsunterschied

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Das '''Internationale Menschenrechts-Tribunal''' ''(IMRT)'' fand vom 9. bis 12. Juni 1995 in [[Wien]] statt.<ref name="FORVM-19950609" /><ref name="WienerZeitung-19950610" /><ref name="DerStandard-19950610" /><ref name="IMRT-Folder-S-1" /><ref name="LN-1996-1-38bis40" /><ref name="CCIE-1997-2004" /> Eine Reihe von Menschenrechtsorganisationen Österreichs erhob symbolisch Anklage gegen die [[Republik Österreich]] wegen der [[Politische Verfolgung|Verfolgung]] und [[Diskriminierung]] von [[Lesbe]]n, [[Schwul]]en, [[Bisexuell]]en und [[Transgender]]-Personen in Österreich von 1945 bis 1995. Anlass war das 50-Jahre-Jubiläum der [[Zweite Republik (Österreich)|Zweiten Republik]]. Den Vorsitz führten [[Freda Meissner-Blau]], Gründerin der [[Die Grünen – Die Grüne Alternative|Grünen]], und [[Gerhard Oberschlick]], Herausgeber des [[FORVM]]. Als Chefankläger und Organisator der Anklage fungierte [[Christian Michelides]],<ref name="IMRT-Folder-S-4" /> auf dessen Idee und Entwicklung der Struktur des Tribunals<ref name="PressAus-OELSF-19950426" /> sowie die Hauptorganisation das IRMT beruhte.<ref name="AoVorstSitz-19950328" /><ref name="Aussend-19950424" />
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== Vorgeschichte ==
== Vorgeschichte ==

Version vom 5. August 2018, 13:44 Uhr

Folder Internationales Menschenrechts-Tribunal: Seite 1, bestehend aus kombiniertem Bild-Text-Logo, Beschreibung und den hauptbeteiligten Organisationen HOSI Wien, HOSI Linz und HOSI Tirol, Initiative Minderheiten, Republikanischer Club – Neues Österreich sowie Österreichisches Lesben- und Schwulenforum, jeweils mit ihrem Logo.

Das Internationale Menschenrechts-Tribunal (IMRT) fand vom 9. bis 12. Juni 1995 in Wien statt.[1][2][3][4][5][6] Eine Reihe von Menschenrechtsorganisationen Österreichs erhob symbolisch Anklage gegen die Republik Österreich wegen der Verfolgung und Diskriminierung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender-Personen in Österreich von 1945 bis 1995. Anlass war das 50-Jahre-Jubiläum der Zweiten Republik. Den Vorsitz führten Freda Meissner-Blau, Gründerin der Grünen, und Gerhard Oberschlick, Herausgeber des FORVM. Als Organisator der Anklage fungierte Christian Michelides,[7] auf dessen Idee und Entwicklung der Struktur des Tribunals[8] sowie die Hauptorganisation das IRMT beruhte.[9][10]

Vorgeschichte

Die Durchführung eines Tribunals wurde von Christian Michelides[11] auf dem Abschlussplenum des 4. Österreichischen Lesben- und Schwulenforums „Alpenglühen“ am 1. November 1994 in der Rosa Lila Villa in Wien vorgeschlagen.[12] Während der Debatte vor der Abstimmung regte sich Kritik am Begriff Tribunal, doch Gudrun Hauer überzeugte das Plenum, dass die Referenz zum Russell-Tribunal angebracht sei. Hermes Phettberg äußerte Bedenken, dass die LGBT-Community in Österreich zu schwach sei, ein derart ambitioniertes Unterfangen durchzuführen. Trotzdem wurde der Vorschlag mit solider Mehrheit von Plenum angenommen.[11]

Veranstalter

Hauptveranstalter waren das Österreichische Lesben- und Schwulenforum (ÖLSF) und die Homosexuelle Initiative Wien (HOSI Wien). Neben einigen kleineren Vereinen der LesBiSchwulen und TransGender-Bewegung, politischen und Kulturinitiativen, wie Frauenrechte/Menschenrechte, Velvet Cinema oder Plattform Rotes Wien, wurde das Tribunal gemeinsam mit folgenden Institutionen und Publikationen veranstaltet:[13]

Das Internationale Komitee

Zusage von Jacques Gaillot, Bischof von Partenia

Zur Zeit des Tribunals, im Jahr 1995, bedrohten nach wie vor zwei Strafrechts-Paragrafen jedes öffentliche Auftreten der LGBT Aktivisten in Österreich: § 220 StGB verfolgte Werbung für Unzucht mit Personen des gleichen Geschlechts und für Unzucht mit Tieren mit bis zu sechs Monaten Gefängnis, § 221 stellte die alle Verbindungen zur Begünstigung gleichgeschlechtlicher Unzucht unter Strafe, ebenfalls mit bis zu sechs Monaten Haft. Von Gesetzes wegen hätten daher alle Teilnehmer des Tribunals vor Gericht gestellt und zu Haftstrafen verurteilt werden können. Zu ihrem Schutz richteten die Organisatoren ein internationales Komitee ein, dem folgende Personen beitraten:[14]

Jacques Gaillot, Bischof von Partenia, die Schauspielerin Petra Morzé, der Widerstandskämpfer Georg Scheuer, die Europa-Abgeordneten Mel Read (Großbritannien) und Claudia Roth (Deutschland), der kanadische Politiker Svend Robinson, die österreichischen Parlamentarier Terezija Stoisits und Doris Kammerlander (beide von den Grünen), Irmtraut Karlsson, Elisabeth Pittermann und Annemarie Reitsamer (alle von der Sozialdemokratischen Partei Österreichs), weiters die Schriftsteller Erica Fischer, Kuno Knöbl, Christine Nöstlinger, Gerhard Roth und Ingrid Strobl, der Journalist Reinhard Tramontana, der Umweltexperte Robert Chambers (Frankfurt), die Universitätsprofessorin für Philosophie Herta Nagl-Docekal, die Historikerin Brigitte Bailer-Galanda, der Soziologe Bernd Marin und der Menschenrechtsexperte Manfred Nowak (alle vier aus Wien), der Politikwissenschaftler Anton Pelinka (aus Innsbruck), sowie weitere Professoren aus Moskau, St. Petersburg, Vancouver, Utrecht und Preston. Darüber hinaus beteiligte sich eine Reihe von Menschrechtsexperten, Publizisten und LGBT-Aktivisten aus Belgien, Dänemark, Frankreich, Niederlande, Norwegen und Peru.

Senate

Unter dem Vorsitz von Freda Meissner-Blau und Gerhard Oberschlick setzten sich die sieben Senate zu je einem Bereich des IMRT aus prominenten Persönlichkeiten der österreichischen Zivilgesellschaft zusammen. Unter anderen beteiligten sich der Theologe Kurt Lüthi, die Philosophen Rudolf Burger und Oliver Marchart, die Schriftsteller Josef Haslinger, Doron Rabinovici und Katharina Riese, die Politiker Friedrun Huemer (Die Grünen) und Volker Kier (Liberales Forum), die Schauspielerin Mercedes Echerer, die Psychotherapeuten Rotraud Perner, Alfred Pritz and Jutta Zinnecker, der Richter Norbert Gerstberger, die Rechtsanwälte Nadja Lorenz, Alfred J. Noll und Richard Soyer, die Kulturwissenschaftler Dieter Schrage und Claus Tieber, die Journalistinnen Trautl Brandstaller und Irene Brickner, der Herausgeber und Schriftsteller Heimrad Bäcker, drei Gewerkschafter, zwei Ärzte, der Sprecher des Nationalratspräsidenten, Bruno Aigner, sowie die Menschenrechtsaktivisten Francesca Ferraris von amnesty international und Martin Schenk von SOS Mitmensch. Die Zusammensetzung der Jury wechselte bei jedem Anklagepunkt – entsprechend dem spezifischen Know-how der Senatsmitglieder. Beispielsweise bestand die Jury für den Anklagepunkt VII. Diskriminierung in der Öffentlichkeit – neben den beiden Vorsitzenden – aus den oben genannten Journalistinnen, den Autoren Bäcker und Haslinger, dem Theologen Lüthi, der Schauspielerin Echerer, der Psychotherapeutin Perner und dem Filmwissenschaftler Tieber.[15]

Anklage

Christian Michelides leitete – in seiner damaligen Funktion als Vorsitzender des ÖLSF – als Chefankläger ein Team mit prominenten Vertretern der LGBT-Bewegung in Österreich, darunter die HOSI-Wien-Aktivisten Gudrun Hauer, Kurt Krickler und Waltraud Riegler, sowie die Transgender-Repräsentantin Elisabeth Piesch. Beteiligt waren u. a. auch Roman Fischer, Gloria G. und Peter Scheucher,[16] sowie als Zeuge der Anklage der Rom und Porajmos-Überlebende Karl Stojka. Die Ankläger trugen Beweise in sieben Bereichen vor:

Zeugen wurden aufgerufen, um die Vorwürfe zu dokumentieren. Die Zeugen berichteten über polizeiliche Verfolgung, Verhaftung, psychiatrische Behandlung und Elektroschocks, Verlust des Arbeitsplatzes und Demütigung im öffentlichen Raum sowie in geschlossenen Zellen. In jedem der sieben Bereiche wurde die Republik Österreich angeklagt, die Menschenrechte verletzt zu haben und damit die – von ihr unterzeichnete – Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, beschlossen von der Generalversammlung der Vereinten Nationen am 10. Dezember 1948 im Palais de Chaillot in Paris, gebrochen zu haben.

Verteidigung

Eine Verteidigung im eigentlichen Sinn hat nicht stattgefunden, weder der angeklagten Rechtslage noch der behaupteten und gerügten Diskriminierungen in Arbeitswelt und Öffentlichkeit. Am ersten Tag des Tribunals nahm jedoch der Parlamentarier Johannes Jarolim von den regierenden Sozialdemokraten als amicus curiae auf der Anklagebank Platz. Er verteidigte in dieser Rolle die Republik Österreich nicht, sondern erklärte seine Zustimmung zu allen von der Anklage geforderten Änderungen im Strafrecht. Er verwies auf die Weigerung des Koalitionspartners, der Österreichischen Volkspartei, die damals jede Änderung in diesem Bereich blockierte, und versprach, sich aktiv für die Abschaffung der diskriminierenden Strafrechtsparagraphen einzusetzen. Dieser Auftritt Jarolims am 9. Juni 1995 stellte die erste Teilnahme eines aktiven Politikers in einer LGBT-Veranstaltung in Österreich dar. Am folgenden Tag wirkten der Nationalratsabgeordnete des Liberalen Forums Volker Kier, sowie die grüne Landtagsabgeordnete Friedrun Huemer im Senat des Tribunals mit.[17]

Sechs Urteile

Die Republik Österreich wurde in sechs der sieben Anklagepunkte verurteilt.[18] Jedoch stimmte der Senat nicht in allen Einzelheiten den Forderungen der Anklage zu. Beispielsweise beantragte der Chefankläger – in Kapitel I. Strafrecht und Verfassung – die ersatzlose Streichung des Pornographiegesetzes.[19] Der Senat stimmte dieser Forderung nicht zu.

„Lesben und Schwule werden durch völlig veraltete, peinliche und verstaubte Gesetze verfolgt.“

Freda Meissner-Blau: nach Abschluss des Tribunals[20]

Der siebente Senat beschloss – anstatt eines Urteils – einen „Appell des Tribunals“ an alle Teilnehmer der Öffentlichkeit, den „alltäglichen […] Diskriminierungen […] aufgrund [der] sexuellen Orientierung und erlebten Geschlechtsidentität […] Einhalt zu gebieten und unduldsam entgegenzuwirken“.[21]

„Der Schutz der Privatheit und der Diskriminierungsschutz sind Eckpfeiler jedes freiheitlich-demokratischen Staatswesens.“

Manfred Nowak: anlässlich der Urteilsverkündung am 12. Juni 1995[22]

Folgeveranstaltungen

Am 29. Juni 1995 veranstaltete das ÖLSF als Zeichen der Verständigung mit der Politik eine politische Diskussion im Palais Auersperg unter dem Titel Appell an die Vernunft.[23] Es sprachen die Frauenministerin Helga Konrad (SPÖ), die Vorsitzende des Liberalen Forum, Heide Schmidt und die Justizsprecherin der Grünen, Terezija Stoisits. Ulrike Lunacek, Vorstandsfrau des ÖLSF, moderierte diese Veranstaltung, die vom ÖLSF a priori als Gegenstück zum Tribunal konzipiert war und anders als das Tribunal breite Beachtung in Presse und Fernsehen fand. An dieser Veranstaltung nahm als Zuhörer auch der damalige Wiener ÖVP-Obmann Bernhard Görg teil, der in einer Wortmeldung aus dem Publikum heraus unmissverständlich erklärte, dass die ÖVP einer Gleichstellung von lesbischen und schwulen Paaren nicht zustimmen werde.[24]

Am 29. Juni 1996 fand – wiederum veranstaltet vom Österreichischen Lesben- und Schwulenforum – die erste Regenbogenparade statt, die als machtvolle Demonstration für die Gleichberechtigung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und TransGender-Personen angesehen wurde.

Zum 6. Österreichischen Lesben- und Schwulenforum im November 1996 in Dornbirn reisten schließlich die drei Klubobleute von SPÖ, Grünen und Liberalem Forum – Peter Kostelka, Madeleine Petrovic, Heide Schmidt – an und sprachen sich dort im Rahmen der Plena für die Aufhebung der diskriminierenden Strafrechtsparagraphen und die Gleichstellung der Bevölkerungsgruppe aus.

Nach dem Tribunal

LGBT-Bewegung und Zivilgesellschaft formulierten in dem Tribunal die langjährigen Anliegen der betroffenen Bevölkerungsgruppe in konzise zusammenfassenden Forderungen, mit ausnahmsloser Zustimmung aller mitwirkenden Nationalrats- und Landtagsabgeordneten von SPÖ und den Grünen. In den Folgejahren wurde die einschlägige österreichische Gesetzeslage – gemäß den von Johannes Jarolim, der vor dem Tribunal als Amicus Curiae der Republik aufgetreten war, dort deklarierten Absichten der SPÖ – weitgehend positiv umgestaltet:[25]

  • 1997: Aufhebung der Paragrafen § 220 (Werbung für Unzucht mit Personen des gleichen Geschlechtes oder mit Tieren) und § 221 (Verbindungen zur Begünstigung gleichgeschlechtlicher Unzucht) StGB, außer Kraft getreten am 28. Februar 1997.[26]
  • 1998: Änderung der StPO, wonach gleichgeschlechtliche Partner ein Aussageverweigerungsrecht eingeräumt bekommen
  • 2002: Das unterschiedliche Schutzalter (§ 209 StGB) von 18 Jahren für schwule Beziehungen gegenüber 14 Jahren für heterosexuelle Beziehungen für lesbische Beziehungen wurde vom VfGH als verfassungswidrig aufgehoben (außer Kraft getreten am 13. August 2002, BGBl. I Nr. 134/2002). Anstelle dessen wurde mit § 207b StGB ein Ersatzparagraf geschaffen und ein für alle sexuellen Orientierungen gleich neues Schutzalter von 16 Jahren geschaffen (in Kraft getreten am 14. August 2002, BGBl. I Nr. 134/2002).
  • 2003: Löschung aller Aufzeichnungen über Verurteilungen nach dem früheren § 209 StGB aus den polizeilichen Datenspeichern
  • 2004: Sexuelle Orientierung inkludiert in das Antidiskriminierungs-Gesetz
  • 2005: Homosexuelle als Opfergruppe des Nazi-Regimes anerkannt
  • 2009: Geschlechtsangleichende Operationen nicht länger Voraussetzung für den Geschlechtswechsel in den Personaldokumenten (erzwungen über eine höchstgerichtliche Entscheidung)
  • 2009: Aufhebung von Verurteilungen des NS-Regimes wegen Homosexualität ermöglicht
  • 2010: Einführung der Eingetragenen Partnerschaft für lesbische und schwule Paare

Mit diesen Änderungen hat die Republik Österreich ihre Rechtslage auch – und nicht zuletzt vielfach wegen – der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte[27] sowie der österreichischen Höchstgerichte Verwaltungsgerichtshof und Verfassungsgerichtshof sukzessive angepasst.

Planungen für Nachfolge-Projekte

Das erfolgreich durchgeführte Internationalen Menschenrechts-Tribunal (IMRT) führte unmittelbar danach zur Konzeption von drei Nachfolgeprojekten, die wie schon das IMRT in den Räumlichkeiten des Republikanischen Clubs abgehalten werden sollten. Es sollten dies, wiederum als Erfindung von Christian Michelides, sein:[28]

  • „Nationale Aids-Enquete: Eine Ist- und Soll-Analyse, 28. September bis 1. Oktober 1995.“
  • „Für und wider das Konkordat: Ein öffentliches Streitgespräch, 23. bis 26. November 1995.“
  • „Internationales Menschenrechts-Tribunal: Gegen die Todesstrafe, 6. bis 9. Juni 1996.“

1997 waren neuerlich Planungen für ein 2. Internationale Menschenrechts-Tribunal im Gange, das von einer Regenbogenkoalition veranstaltet, sich gegen Rassismus und Xenophobie wenden sollte.[29]

Literatur

  • ÖLSF: Internationales Menschenrechtstribunal. Kein Grund zum Feier: „‚50 Jahre Zweite Republik – 50 Jahre Unterdrückung von Lesben und Schwulen‘ – unter diesem Motto findet vom 9. bis zum 12. Juni ein Internationales Menschenrechtstribunal der österreichischen Lesben- und Schwulenbewegung statt.“ In: Volksstimme, 17/27. April 1995, S. 6.
  • Rotraud A. Perner: Sexualität in Österreich – Eine Inventur. Aaptos, Wien 1999, ISBN 3-901-499-05-8.
  • Peter Poppmeier: Aachen – Ein Stück Geschichte. Peter Poppmeiers Verlagsunwesen, Wien 2004, ISBN 3-9501867-0-0.
  • Ulrike Repnik: Die Geschichte der Lesben- und Schwulenbewegung in Österreich. (= Feministische Theorie, Band 48). Milena, Wien 2006, ISBN 3-85286-136-5.

Einzelnachweise

  1. Internationales Menschenrechtstribunal, Ankündigung in: FORVM. Internationale Zeitschrift für kulturelle Freiheit, politische Gleichheit und solidarische Arbeit. XLII. Jahr, Nr. 496–498, Heft April-Juni. Wien, 9. Juni 1995, S. 53.
  2. Österreich auf der Anklagebank. In: Wiener Zeitung, 10. Juni 1995: „Vor einem symbolischen Tribunal wurde am Freitag die Republik Österreich der Verletzung der Menschenrechte von Lesben und Schwulen durch das Strafrecht angeklagt. Das Boltzmann-Institut für Menschenrechte, sowie Schwulen- und Lesbenorganisationen fordern ein Ende der Diskriminierung.“
  3. Tribunal erhebt Anklage gegen Staat. In: Der Standard, 10. Juni 1995: „Ein Internationales Menschenrechts-Tribunal erhob Freitag im Republikanischen Club Anklage gegen Österreich: Lesben, Schwule und Transsexuelle würden unterdrückt, geltende "Homosexuellen-Gesetze" seien diskriminierend, die Republik verstoße gegen Menschenrechte. Als Verteidiger Österreichs erschien SP-Nationalratsabgeordneter Hannes Jarolim (Bild links). Ihm folgt als Anklägerin Elisabeth Piesch, Vater von zwei Kindern. Daneben die Senats-Vorsitzenden Gerhard Oberschlick und Freda Meissner-Blau, flankiert von Moderatorin Waltraud Riegler. Ihr schließen sich weitere Vertreter der Anklage an: Gudrun Hauer von der feministischen Zeitschrift Anschläge, Christian Michelides, Vorsitzender des Österreichischen Lesben- und Schwulenforums, Kurt Krickler und Roman Fischer von der Homosexuelleninitiative. Der leere Sessel ist Zeugen vorbehalten, Michelides Hund Bobbi überwacht argwöhnisch den Saal. Das Tribunal tagt noch bis zur Urteilsverkündung am kommenden Montag, zu der Liberalen-Chefin Heide Schmidt erwartet wird. (fei) Foto: Semotan“. (Anmerkung: Heide Schmidt war nicht wie angekündigt bei der Urteilsverkündung erschienen, sondern war dann erst beim Appell an die Vernunft, veranstaltet vom ÖLSF am 29. Juni 1995 im Palais Auersperg anwesend.)
  4. Internationales Menschenrechts-Tribunal. 50 Jahre Zweite Republik – 50 Jahre Unterdrückung von Lesben und Schwulen. Wien, 9. bis 12. Juni 1995. Vorsitz: Freda Meissner-Blau und Gerhard Oberschlick. Siehe Folder des IMRT, Seite 1, wie ganz oben rechts abgebildet.
  5. Christian Michelides: Die Republik ist schuldig. Homosexualität und Strafrecht in Österreich. Teil 2: Die Verurteilungen seit 1950. In: Lambda Nachrichten, Heft 1/1996, S. 38–40.
  6. Robert T. Francoeur, Raymond J. Noonan: The Continuum Complete International Encyclopedia of Sexuality. The Continuum International Publishing Group, New York/London 2004, ISBN 0-8264-1488-5. Darin: Rotraud Perner: Austria. Übersetzt von Linda Kneucker, mit Updates von Linda Kneucker, Raoul Kneucker und Martin Voracek, S. 42–58, als PDF online (Memento vom 4. März 2015 im Internet Archive). Hier im Kapitel 7. Gender Diversity and Transgender Issues, S. 51f, letzter Kapitalabsatz: Vorlage:"-en (Online auch in: The International Encyclopedia of Sexuality. Volume I – IV 1997–2001. Edited by Robert T. Francoeur. Darin: Rotraud Perner: Austria (Republik Österreich, hier als Kapitel 7. Gender Conflicted Persons.)
  7. Vgl. Folder des IMRT, Seite 4, ganz unten: „Organisation Senat: Irene Brickner und Jutta Zinnecker, FORVM, […] Organisation Anklage: Christian Michelides, Österreichisches Lesben- und Schwulenforum, […] Patronanzkomitee und Öffentlichkeitsarbeit: Mag. Kurt Krickler, HOSI Wien, […] Organisation vor Ort: Mag. Sybille Summer, Republikanischer Club […]“.
  8. Vgl. Presseaussendung des Organisationskomitees (ohne Datum): Präsentation des Tribunal. Pressekonferenz im Presseclub Concordia, Mittwoch, den 26. April 1995, 10:30 Uhr. „… [Zwischentitel:] Als VertreterInnen der Anklage: […] Christian Michelides, Österreichisches Lesben- und Schwulenforum. Die Idee und Struktur des Internationalen Menschenrechts Tribunal.“ (Kursiv im Original).
  9. Österreichisches Lesben- und Schwulenforum: Außerordentliche Vorstandssitzung, 28. März 1995 in Wien mit Kovacs, Michelides, Pepelnik-Gründler, Riegler, S. 3: „Für Aktionsprogramm und Tribunal wird festgelegt, daß Michelides 90% der projektbezogenen Einnahmen für notwendige Ausgaben verwenden kann (korrekte Belege selbstverständlich). 10% bleiben als Reserve bzw. Gründungskosten reserviert.“
  10. Aussendung Internationales Menschenrechts-Tribunal. 50 Jahre Zweite Republik – 50 Jahre Unterdrückung von Lesben und Schwulen, 24. April 1995: „Wenn es in dieser Legislaturperiode überhaupt ein Fenster zur Abschaffung der Sondergesetze gegen Schwule und Lesben gibt, dann jetzt! […] / Wir sind der festen Überzeugung, daß die Abschaffung der §§ zu schaffen ist, wenn … ja, wenn die LesBiSchwule Bewegung einmal wirklich am selben Strang zieht, […] / Freda Meisner-Blau und Gerhard Oberschlick, beide europaweit bekannt für ihren Einsatz für die Menschenrechte, garantieren Kompetenz und Prominenz des Tribunals. Wir danken ihnen für die Übernahme des Vorsitzes und für ihr Engagement. Und bitten Euch um Euren Einsatz, Eure Begeisterung und Euren Widerstandsgeist.“ Gezeichnet von ÖLSF-Vorstandsfrau Waltraud Riegler (die laut dem IMRT-Folder u. a. zugehöriger Unterlagen an der Organisation des Tribunals nicht beteiligt war) und ÖLSF-Vorstandsmann Christian Michelides.
  11. a b Alpenglühen: Die Beschlüsse des 4. Österreichischen Lesben- und Schwulenforums am 1. November 1994 in Wien: Plenumsprotokoll, Resolution Nr. 5: Menschenrechts-Tribunal, S. 3f.: „Michelides bringt den Resolutionsentwurf ein und trägt ihn vor. Wiederum wird kritisiert, daß der Kreis derjenigen, die das Konzept ausarbeiten sollen, zu klein sei. Darauhin wird der Entwurf modifiziert. Phettberg äußert Bedenken, daß die LesBiSchwule Bewegung zu schwach sei, um dieses Projekt erfolgreich durchzuführen. Raschke äußert Bedenken, daß der Zeitraum zu knapp sei […] und schlägt eine Verschiebung des Projektes um ein Jahr vor. […] Prinzipiell stößt das Projekt auf breite Resonanz. Raschke äußert Bedenken wegen des Begriffes ‚Tribunal‘ und stellt den Antrag diesen Begriff durch ‚Gerichtsverhandlung‘ zu ersetzen. Hauer argumentiert, daß der Begriff bewußt gewählt worden sei, in Anlehnung an die Russell-Tribunale. […] Der Abänderungsantrag wird deutlich abgelehnt. […] Zwecks breiter Beteiligung der LesBiSchwulen Bewegung schlägt Michelides vor, eine erste offene Konzeptionssitzung für dieses Projekt am 19. November im Cafe Berg in Wien zu veranstalten. Dieser Vorschlag wird in den Entwurf integriert. […] Abstimmung, die in klares Votum dafür ergibt.“
  12. Alpenglühen: Die Beschlüsse des 4. Österreichischen Lesben- und Schwulenforums am 1. November 1994 in Wien: Resolutionen und Beschlüsse, Nr. 5: Menschenrechts-Tribunal gegen die Republik Österreich, S. 5: „Um zu Beginn der Legislaturperiode den Druck auf Regierung und Parlament zu erhöhen, die §§ 209, 220, 221 endlich abzuschaffen, beauftragt das Schlußplenum die ProponentInnen des zu gründenden Vereins »Österreichisches Lesben und Schwulen Forum« gemeinsam mit allen interessierten Frauen und Männern ein Konzept für ein Menschenrechts-Tribunal gegen die Republik Österreich auszuarbeiten und anläßlich der Gründungsversammlung am 4. Februar 1995 in Graz vorzulegen. Geplanter Termin für das Tribunal ist Mai/Juni 1995, die Einbindung möglichst aller Bundesländer in dieses Projekt ist vorzusehen. […]“
  13. Veranstaltet von … In: Folder des IMRT, Seite 4, vgl. auch in: LAMBDA-Nachrichten, Heft 3/1995.
  14. Internationales Komitee. In: Folder des IMRT, Seite 2. Vgl. auch in: Mitglieder des Internationalen Patronanz-Komitees. In: LAMBDA-Nachrichten, Heft 3/1995, S. 32; hier sind alle 48 Persönlichkeiten des Internationalen Komitees namentlich aufgelistet. Auf S. 36 findet sich ein Bild von der Urteilsverkündung, auf dem – von links nach rechts – Nowak, Oberschlick, Huemer und Prinz abgebildet sind.]
  15. Gerhard Oberschlick, Publisher of FORUM: Österreich: Appell des 'Internationalen Menschenrechts-Tribunals' gegen die Diskriminierung von Homosexuellen und Transsexuellen in den Medien. IRIS 1995-7:12/36. In: IRIS Merlin. Datenbank für juristische Informationen. Europäische Audiovisuelle Informationsstelle (Hrsg.), abgerufen am 5. August 2018.
  16. Names Project Wien – Arbeitsgruppe der HOSI Wien (Hrsg.): With Love and Respect: Gedenkausstellung für HOSI-Mitglieder, die an den Folgen von AIDS verstorben sind … (ohne Datum). Darin neben anderen Kurzbiografie zu Peter Scheucher (1957–1996), abgerufen am 5. August 2018: „… und arbeitete auch an der Anklage für das ‚Internationale Menschenrechtstribunal 1945–1995: 50 Jahre Unterdrückung von Lesben und Schwulen in Österreich‘ mit.“
  17. Akten des IMRT im Archiv des FORVM: Ablaufprotokoll und Die Urteile.
  18. Österreich: Appell des 'Internationalen Menschenrechts-Tribunals' gegen die Diskriminierung von Homosexuellen und Transsexuellen in den Medien. In: IRIS 1995-7:12/36, Datenbank für juristische Informationen (IRIS), Issue 7/1995.
  19. Pornographiegesetz in der hier maßgeblichen Fassung vom 12. Juni 1995: Gesamte Rechtsvorschrift im RIS.
  20. Kurt Krickler: Internationales Menschenrechtstribunal. 1945–1995: Unterdrückung von Lesben und Schwulen in Österreich. In: LAMBDA-Nachrichten, Heft 3/1995, S. 32.
  21. Akten des IRMT im Archiv des FORVM.
  22. Kurt Krickler: Internationales Menschenrechtstribunal. 1945–1995: Unterdrückung von Lesben und Schwulen in Österreich. In: LAMBDA-Nachrichten, Heft 3/1995, S. 35.
  23. Ulrike Repnik: Die Geschichte der Lesben- und Schwulenbewegung in Österreich. [= Feministische Theorie, Band 48], Milena, Wien 2006, ISBN 3-85286-136-5.
  24. Appell an die Vernunft. In: LAMBDA-Nachrichten, Heft 3/1995, S. 21.
  25. Vgl. zu den schon erfolgten rechtlichen Änderungen, aber auch zu den noch nicht verwirklichten Forderungen siehe Rechtskomitees Lambda: Das RKL: Die Situation. (ohne Datum), abgerufen am 5. August 2018.
  26. §§ 220 und 221, beide in der Fassung vom 1. Jänner 1975, aufgehoben mit dem Strafrechtsänderungsgesetz 1996, BGBl. Nr. 762/1996 vom 30. Dezember 1996, außer Kraft getreten am 28. Februar 1997. (Gleichzeitig damit wurde, weil die strafbewehrte Sodomie aber doch nicht aufgehoben werden sollte, nach den – dann nicht mehr existierenden – §§&nbsp,220 und&nbsp,221 ein neuer § 220a, Werbung für Unzucht mit Tieren, wieder eingefügt.)
  27. Rechtskomitee Lambda: Das RKL: Die Situation. Hier: Zweiter großer Abschnitt beginnend mit „→ Der Anspruch gleichgeschlechtlich l(i)ebender und transidenter Frauen und Männer …“, abgerufen am 5. August 2018: „Nach der heute ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte ist die sexuelle Selbstbestimmung ein zentrales Schutzgut der Europäischen Menschenrechtskonvention und die Diskriminierung auf Grund sexueller Orientierung inakzeptabel. So verurteilt der Gerichtshof Diskriminierung auf Grund ‚sexueller Orientierung‘ als ebenso schwerwiegend wie Diskriminierung auf Grund von Rasse und Religion (EGMR: Lustig-Prean & Beckett vs. UK (1) 1999, Lustig-Prean & Beckett vs. UK (2) 1999, Da Silva Mouta vs. Portugal 1999, Smith & Grady vs. UK 1999, L. & V. vs. Austria 2003, S.L. vs. Austria 2003 und Karner vs. Austria 2003; Michael Woditschka & Wolfgang Wilfling vs. Austria 2004; F.L. vs. Austria 2005; Thomas Wolfmeyer vs. Austria 2005; H.G. & G.B. vs. Austria 2005; R.H. vs. Austria 2006). Postoperativen transsexuellen Frauen und Männern erkannte der Gerichtshof das (Grund)Recht zu, ihren Personenstand ändern zu lassen und Angehörige ihres früheren Geschlechts zu ehelichen (Goodwin vs. UK 2002; I. vs. UK 2002). Diese Entscheidungen finden Sie auf der Website des Menschenrechtsgerichtshof.“
  28. Aussendung von Christian Michelides als Vorstand des Österreichischen Lesben- und Schwulenforums: „Wien, den 20. Juni 1995 […] Die Veranstaltung des Zweiten Tribunals erfolgt mit Zustimmung alle jener, die im Ersten Tribunal eine tragende Rolle übernommen haben. Als erweitertes Thema für das Zweite Tribunal steht zur Diskussion: »Gegen Gefängnis und Todestrafe«. […] Die Koordination für diese Veranstaltungen liegt vorläufig, bis sich Verantwortliche für die Durchführung gefunden haben, in den Händen von: Mag. Sybille Summer, Republikanischer Club, […], alle drei Veranstaltungen; Christian Michelides, ÖLSF, […], Enquete und Tribunal; Dr. Wolfgang Swoboda, Aids-Informationszentrale, […], Enquete.“
  29. Rassismus. In: >Der Standard, 19. April 1997: „Die ‚Regenbogenkoalition‘, in der sich Vertreter diskriminierter Bevölkerungsgruppen zusammengetan haben, veranstalten von 2. bis 6. Juni das "Tribunal gegen Rassismus und Xenophobie in Österreich". Den Vorsitz haben die ehemalige Klubobfrau der Grünen, Freda Meissner-Blau, und Gerhard Oberschlick, Herausgeber des zeitweilig eingestellten FORVM. In öffentlichen Verhandlungen sollen Verletzungen der Menschenrechte angeprangert werden.“