„Indifferenzkurve“ – Versionsunterschied

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Version vom 12. Januar 2018, 21:42 Uhr

Eine Indifferenzkurve im Zwei-Güter-Fall. Auf der Abszisse ist die Menge von Gut 1, auf der Ordinate diejenige von Gut 2 abgetragen.

Eine Indifferenzkurve (lat. indifferens: „sich nicht unterscheidend“; auch Iso-Nutzenfunktion, Iso-Nutzenkurve und Nutzen-Isoquante) ist eine mathematische Funktion, die in der Volkswirtschaftslehre und dort insbesondere in der Haushaltstheorie benutzt wird, um alle Gütermengenkombinationen (die so genannten Güterbündel) darzustellen, zwischen denen ein Haushalt indifferent ist, die er also als gleich gut einschätzt. Sie basiert auf dem Konzept der Nutzenfunktion, welche jeder beliebigen Kombination von Gütermengen eine Zahl derart zuordnet, dass Güterkombinationen, die vom Haushalt für besser als andere befunden werden, eine höhere Zahl erhalten. Für jedes Nutzenniveau kann dann eine Indifferenzkurve gefunden werden, auf der alle Güterbündel liegen, die genau diesen Nutzen generieren.

Der Begriff geht auf Francis Ysidro Edgeworth zurück und wurde von Vilfredo Pareto in die Wirtschaftstheorie eingeführt, um das Problem der Nutzenmessung zu umgehen. Auf ihr basiert auch die so genannte Edgeworth-Box.

Definition und Einordnung

Indifferenzkurven im Drei-Güter-Fall

Formale Definition

Legt man eine Nutzenfunktion zugrunde, dann ist die Indifferenzmenge (Indifferenzkurve) zum Nutzenniveau definiert als die Menge aller Tupel , mit denen . Es ist also kurz , woran man sofort ablesen kann, dass . Aus dieser Mengendefinition der Indifferenzkurve erklärt sich auch, weshalb im Folgenden oftmals äquivalent von der Indifferenzmenge (zu einem Nutzenniveau) gesprochen wird, womit die (unendliche) Menge der Punkte auf einer Indifferenzkurve bezeichnet sei.

Im Folgenden wird die Größe der Güterbündel allerdings oftmals aus Gründen der einfacheren Handhabbarkeit und der grafischen Darstellbarkeit auf zwei Güter beschränkt.

Konstruktion im Zwei-Güter-Fall

Drei Indifferenzkurven im Zwei-Güter-Fall.

Zur Konstruktion der Indifferenzkurven wird im Zwei-Güter-Fall auf der horizontalen Achse eines Koordinatensystems beispielsweise die Menge des Konsums an Gut 1 und auf der vertikalen Achse die Menge des Konsums an Gut 2 dargestellt. Unter der Annahme, dass beide Güter unendlich teilbar sind, kann man unendlich viele Punkte in das Koordinatensystem einzeichnen, zwischen denen das Individuum indifferent ist. Die sich somit ergebende Kurve ist die gesuchte Indifferenzkurve.

Im nebenstehenden Beispiel sind drei Indifferenzkurven eingezeichnet. Weil man gegeben die entsprechende Nutzenfunktion Indifferenzkurven zu beliebigen Nutzenniveaus konstruieren kann, gibt es auch unendlich viele denkbare Indifferenzkurven. Setzt man voraus, dass ein Haushalt Güterbündel, die mehr von beiden Gütern enthalten, solchen mit geringeren Mengen der Güter strikt vorzieht (es handelt sich hierbei um die später formaler definierte Monotonitätseigenschaft), dann ist das Nutzenniveau umso größer, je weiter die Indifferenzkurve vom Ursprung entfernt liegt. Entsprechend sind Punkte (Güterbündel) auf der Indifferenzkurve strikt besser als auf und Punkte (Güterbündel) auf sind strikt besser als solche auf . Güterbündel A wird entsprechend am geringsten geschätzt, D am meisten. B und C liegen auf derselben Indifferenzkurve, das heißt dem Haushalt ist es egal, ob es das Güterbündel B oder C konsumiert.

Annahmen und Eigenschaften

Da per Definition Indifferenzkurven die subjektiven Präferenzen eines Individuums widerspiegeln, sind die Eigenschaften der Indifferenzkurven durch dieses Individuum bestimmt. Stellt man aber gewisse (Grund-)Annahmen über das Verhalten von Individuen auf, so kann man daraus auf die generellen Eigenschaften von Indifferenzkurven schließen. Folgende Annahmen werden in der Regel getroffen:

Monotonitätsannahme

Man geht jeweils davon aus, dass ein Individuum lieber mehr von einem Gut hat als weniger. Ein Güterbündel wie D in obiger Abbildung, das von beiden Gütern mehr enthält als das Güterbündel A, wird gegenüber Güterbündel A stets vorgezogen, beide können nicht auf derselben Indifferenzkurve liegen. Daraus ergibt sich unmittelbar, dass bei Gültigkeit dieser Annahme von Monotonität Indifferenzkurven (wie in obiger Abbildung) eine negative Steigung ( und 0 eingeschlossen) haben müssen.

Stetigkeitsannahme

Dies ist eine sehr formale Annahme, die aber benötigt wird, um die Existenz von Indifferenzkurven sicherzustellen.

Geht man – wie in der Abbildung – von drei Alternativen A, B und D aus, bei der B dem A und D dem B vorgezogen wird, so soll es in der konvexen Kombination von A und D (also dem Geradenstück zwischen A und D) stets einen Punkt geben, der indifferent zu B ist.

Diese Annahme ist bei der lexikographischen Präferenzordnung nicht erfüllt. Bei dieser Präferenzordnung existieren somit keine Indifferenzkurven.

Transitivitätsannahme (oder Konsistenzannahme)

Zwei sich schneidende „Indifferenzkurven“ – Transitivitätsannahme verletzt

Aus obiger Grafik ist bereits eine wichtige Eigenschaft der Indifferenzkurven sichtbar: Indifferenzkurven können einander nicht schneiden (wie auch Höhenlinien an einem „echten“ Berg einander nicht schneiden können). Dies entspricht dem Grundsatz, dass die Rangfolge der Güterbündel widerspruchsfrei sein muss (Transitivität). Wenn ein komplettes Nutzengebirge dargestellt werden soll, dann besteht dies aus einer unendlich großen Schar von Indifferenzkurven.

In der Abbildung ist Punkt A indifferent zu Punkt B und Punkt B indifferent zu Punkt C. Aus dem Grundsatz der Transitivität folgt zwingend, dass Punkt A somit auch indifferent zu Punkt C sein muss. Da diese im vorliegenden Beispiel nicht auf derselben Indifferenzkurve liegen, trifft die Annahme nicht zu.

Konvexitätsannahme (oder Ausgewogenheitsannahme)

In allgemeinen Fällen werden üblicherweise konvexe Indifferenzkurven angenommen, diese garantieren einen negativen Substitutionseffekt. Besonders häufig wird dabei von Cobb-Douglas-Nutzenfunktionen ausgegangen.

In der Abbildung sind die Indifferenzkurven konvex. Die Form der Indifferenzkurven weist darauf hin, in welcher Form der Haushalt bereit ist, Gut 1 für Gut 2 zu substituieren. Der Betrag der Neigung der Kurve an den einzelnen Punkten gibt an, wie viele Einheiten von Gut 1 im Austausch für eine Einheit des Gutes 2 benötigt werden, um auf dem gleichen Niveau zu bleiben. Dies wird Grenzrate der Substitution genannt. Wenn man eine der Indifferenzkurven wie im Beispiel von oben nach unten durchläuft, so wird stets von Gut 1 mehr und von Gut 2 weniger konsumiert, ohne dass sich der erreichte Nutzen ändert: Gut 2 wird bei konstantem Nutzen durch Gut 1 substituiert. Dies ist das Gesetz von der abnehmenden Grenzrate der Substitution.

Wenn von einem Gut viel substituiert wurde, ist es verhältnismäßig knapp. Darum werden viele Einheiten des anderen Gutes zur Substitution benötigt. Der daraus resultierende konvexe Kurvenverlauf zeigt, dass der Haushalt Güterbündel mit gemischtem Inhalt solchen vorzieht, die einseitig viel von Gut 1 oder Gut 2 beinhalten. In der Grafik lässt sich dies zeigen, wenn man eine Verbindungslinie zwischen den Punkten B und C ziehen würde. Jeder Punkt auf dieser Linie würde der Haushalt den Punkten B oder C vorziehen, da diese auf höheren Indifferenzkurven liegen. (Regel: „Durch Mischen stellt sich der Haushalt besser.“)

Unterschieden werden kann weiterhin zwischen starker bzw. strikter Konvexität (wie im obigen Beispiel), in diesem Fall werden ausgewogene Konsumbündel strikt bevorzugt, erreichen also immer ein höheres Nutzenniveau als weniger ausgewogene Güterbündel. Liegt lediglich Konvexität (wird auch als schwache Konvexität bezeichnet) vor, haben die entsprechenden Indifferenzkurven einen Abschnitt mit konstanter Steigung. Hier werden ausgewogene nicht mehr zwangsläufig bevorzugt. Im obigen Beispiel würde das bedeuten, dass die Punkte B und C sowie die Punkte auf der sie verbindenden Linie auf derselben Indifferenzkurve liegen, der Konsument ist dann indifferent.

Beweis

Beweis für die Konvexität von Indifferenzkurven:[1]

Bedingung für Konvexität

wobei

und

dabei gilt

und

gilt, da

Beispiele

Lineare Indifferenzkurven – perfektes Substitut
Perfekte Komplemente

Indifferenzkurven können auch linear sein. Dies bedeutet, dass der Haushalt bereit ist, Gut 1 und Gut 2 entlang der gesamten Kurve zu einem festen Verhältnis zu tauschen. Man spricht von „perfekten Substituten“. Dies sind Güter, die problemlos gegeneinander ausgetauscht werden können – bei denen es dem Haushalt also egal ist, ob er mehr von Gut 1 oder mehr von Gut 2 konsumiert.

Perfekte Komplemente sind eine weitere Sonderform. Hier haben die Indifferenzkurven einen Knick (L-förmig). Dies bedeutet, dass der Konsument Gut 1 und Gut 2 in einem fixen Verhältnis konsumieren möchte. Gibt man ihm nur mehr von einem der beiden Güter, so erhöht dies seinen Nutzen nicht. Ein Beispiel hierfür sind linke und rechte Schuhe. Kauft man fünf linke und fünf rechte Schuhe, so bringt das Kaufen von 5 weiteren linken Schuhen keinen Mehrnutzen.

Ausnahmeformen von Indifferenzkurven

Die folgenden Formen entsprechen nicht den Standardannahmen:

Konkave Indifferenzkurven besagen, dass der Haushalt Güterbündel bevorzugt, die einseitig viel von einem der beiden Güter enthalten. (Regel: „Extreme werden bevorzugt.“) Beispiele sind lokal gebundene Güter: Ein Haushalt, der ein Grundstück von 300 m² in Berlin und ein weiteres von 300 m² in München besitzt, wird in der Regel demgegenüber ein einziges von 600 m² in einer der beiden Städte präferieren.

Auch kreis- oder ellipsenförmige Indifferenzkurven sind denkbar. Hier existiert ein zentraler Punkt, der in der Mitte der runden Indifferenzkurven liegt. An diesem „Bliss-Punkt“ hat der Haushalt sein maximales Nutzenniveau erreicht. Ein Haushalt mit einer solchen Präferenzordnung wird dann nicht knappe Güter (die es im „Bliss-Punkt“ nicht gibt), gegen andere knappe Güter einhandeln. Damit ist der Haushalt für eine Preistheorie irrelevant.

Nutzengebirge

Nutzengebirge einer Cobb-Douglas-Nutzenfunktion (Animation).

Jedem Punkt im Indifferenzkurvensystem kann ein Nutzenindex zugeordnet werden, der folgende Bedingungen erfüllt, sonst aber beliebig ist:

  1. Zwei Punkte, zwischen denen das Individuum indifferent ist, die also auf derselben Indifferenzkurve liegen, erhalten den gleichen Nutzenindex.
  2. Wird eine Kombination einer anderen vorgezogen, so erhält sie einen höheren Nutzenindex.

Dann kann man in ein dreidimensionales Koordinatensystem den Nutzenindex als dritte Dimension hinzufügen. Ermittelt man den Nutzenindex für alle möglichen Güterbündel aus Gut 1 und Gut 2, so erhält man einen Nutzenberg oder ein Nutzengebirge. Die Indifferenzkurve ergibt sich in einem Nutzengebirge als eine Höhenlinie. Sie kommt durch einen waagrechten Schnitt des Gebirges zustande. Man beachte, dass man je nach gewähltem Nutzenindex unterschiedliche Gebirge erhält, dass diese aber alle das gleiche Indifferenzkurvensystem besitzen.

Ertragsgebirge

Das Ertragsgebirge ist der grafisch dargestellte Ertrag in Abhängigkeit von zwei Produktionsfaktoren sowie der Ausbringungsmenge. Die zwei Produktionsfaktoren lassen sich substituieren und bilden so eine Isoquante.

Haushaltsoptimum

Steigung der Indifferenzkurve und Grenzrate der Substitution

Haushaltsoptimum im Zwei-Güter-Fall

Die Grenzrate der Substitution oder Steigung der Indifferenzkurve bezeichnet das Austauschverhältnis zwischen den Gütern, bei dem sich das Versorgungsniveau aus Sicht des Haushaltes, also subjektiv, nicht ändert. Bei der optimalen Konsumentscheidung eines Haushaltes (dem Haushaltsoptimum) hat die Grenzrate der Substitution denselben Wert wie die Steigung der Budgetgeraden (anschaulich im nachfolgenden Beispiel). Das bedeutet, dass sich die Indifferenzkurve und die Budgetgerade in diesem Punkt berühren (nicht schneiden).

Grenzrate der Substitution (1. Ableitung der Indifferenzfunktion) = Preisverhältnis (1. Ableitung der Budgetgeraden)

Daraus ergibt sich die Gültigkeit des 2. Gossenschen Gesetzes.

Beispiel im Zwei-Güter-Fall

Hier ist die Indifferenzkurve I2 die höchstmöglich erreichbare Indifferenzkurve des Konsumenten. Der Verbraucher würde zwar Punkte auf der Indifferenzkurve I3 vorziehen, kann sich jedoch die dadurch vorgezeigte Kombination aus Dönern und Limonade nicht leisten. Im Gegensatz dazu kann er sich den Punkt auf der Indifferenzkurve 1 zwar leisten, aber er wird ihn nicht wählen, da die Kurve einen niedrigeren Nutzen für den Konsumenten misst.

Analogie

Die gleiche Sichtweise ist auch in der Produktionstheorie mit verschiedenen Kombinationen von zwei Inputfaktoren möglich, die bei gleich bleibendem Outputniveau (Produktionsniveau) gegeneinander substituiert werden. Das, was in der Haushaltstheorie die Indifferenzkurve abbildet, ist mit der Isoquante in der Produktionstheorie zu vergleichen.

Literatur

  • Friedrich Breyer: Mikroökonomik. Eine Einführung. 3. Auflage. Springer, Heidelberg u. a. 2007, ISBN 978-3-540-69230-0, Kapitel 4.2.
  • Vilfredo Pareto: Manuale di economia politica. Mailand 1906. (Keine deutsche Ausgabe, die relevanten Ausführungen Paretos von Kap. III, §§ 52–67 in deutscher Übersetzung in W. Reiß: Mikroökonomische Theorie. Oldenbourg Verlag, München 1992, ISBN 3-486-22277-5, Kap. 5.).
  • Hal R. Varian: Grundzüge der Mikroökonomik. Oldenbourg Verlag, 2003, ISBN 3-486-27453-8, Kapitel 3.3.
  • Jochen Schumann, Ulrich Meyer, Wolfgang Ströbele: Grundzüge der mikroökonomischen Theorie. 8. Auflage. Springer-Verlag, Berlin u. a. 2007, ISBN 978-3-540-70925-1.

Einzelnachweise

  1. Beweisansatz aus: Schumann/Meyer/Ströbele 2007, S. 55. Hier ausführlicher dargestellt.