„Harpedonapten“ – Versionsunterschied

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== Die Arbeitsweise der Harpedonapten ==
== Die Arbeitsweise der Harpedonapten ==
Für die Festlegung von Winkeln gab es im alten Ägypten zwei Methoden. Die erste Methode war die Messung des Rücksprunges auf eine rechtwinklige Königselle. Die Maßeinheit dieser Winkel (als Länge) wurde [[Alte Maße und Gewichte (Altes Ägypten)#Steigung|Seked]] genannt. Diese Methode ist die [[Normung]] der Winkel und wurde mehr von höheren Priestern verwendet. Die zweite Methode verwendeten die Praktiker. Sie hielten sich an ihre Meßschnüre (oder das Merchet) und benutzten die Methode des Zuschlages oder Abzuges zur Grundlinie der als rechtwinkliges Dreieck aufgespannten Meßschnur. Für die Bestimmung von Winkeln kleiner 45° wurde die Meßschnur mit der langen [[Kathete]] und für Winkel ab 45° mit der kurzen Kathete als Grundlinie aufgespannt. Es gibt aber auch Fälle mit inverser Aufspannung der Meßschnur.
Für die Festlegung von Winkeln gab es im alten Ägypten zwei Methoden. Die erste Methode war die Messung des Rücksprunges auf eine rechtwinklige Königselle. Die Maßeinheit dieser Winkel wurde [[Alte Maße und Gewichte (Altes Ägypten)#Neigung|Seked]] genannt. Diese Methode ist die [[Normierung]] der Winkel und wurde mehr von höheren Priestern verwendet. Die zweite Methode verwendeten die Praktiker. Sie hielten sich an ihre Meßschnüre (oder das Merchet) und benutzten die Methode des Zuschlages oder Abzuges zur Grundlinie der als rechtwinkliges Dreieck aufgespannten Meßschnur. Für die Bestimmung von Winkeln kleiner 45° wurde die Meßschnur mit der langen [[Kathete]] und für Winkel ab 45° mit der kurzen Kathete als Grundlinie aufgespannt. Es gibt aber auch Fälle mit inverser Aufspannung der Meßschnur. Beide Methoden verwenden die Gegenkathete (Höhe) als Bezugsstrecke, dieses ist ein Indiz für die Herleitung aus der praktischen Arbeit mit dem Merchet. Heute wird in der Mathematik üblicherweise auf die Ankathete normiert z. B. Steigungsangaben auf Verkehrszeichen.


Beispiel Böschungswinkel der [[Cheops-Pyramide]]:
Beispiel Böschungswinkel der [[Cheops-Pyramide]]:

Version vom 4. Dezember 2018, 18:17 Uhr

Harpedonapten (griechisch: „Seilspanner“; Zusammensetzung aus harpedonä = Seil und hapto = anfassen, anknüpfen) waren die Feldvermesser im alten Ägypten. Sie allein waren zuständig für die Bestimmung von Winkeln und vermaßen Bauwerke und Grundstücke im Auftrag des Pharao.[1]

Ihr Hauptmessinstrument war die Zwölfknotenschnur. Mit ihr wurde die Bestimmung von Längen und Winkeln vorgenommen. Die Winkelmessung erfolgte durch Rückführung auf eine Längenmessung.

Ursache für die Tätigkeit

„In Ägypten war das Meßwesen stark vom Nil beeinflußt, da nach den jährlichen Überschwemmungen alles Ackerland neu vermessen werden mußte. Die Feldmeßkunst war daher hoch entwickelt und ebenso wie die Wasserstandsmessung des Nils äußerst wichtig.“[2] Die Vermessungen hatten auch den Zweck, die Grundsteuer zu erheben.

Die Schnüre der Harpedonapten

Für die Bestimmung von Winkeln verwendeten die Harpedonapten Schnüre verschiedener Länge. Die drei grundlegenden Schnüre hatten die Längen 12 Meh (lange Schnur) gleich 84 Shep, 72 Shep oder Schesep (mittlere Schnur), und 60 Shep (kurze Schnur). Die mittlere Schnur entspricht der kleinen Elle (6/7 Meh). Entsprechend der Teilung einer Shep (Handbreite) in 4 Djeba (Finger) wurden die drei grundlegenden Schnüre bei Bedarf noch proportional verkleinert. Die lange Schnur ist in Abschnitte zu 7 Shep aufgeteilt. Die mittlere Schnur ist in Abschnitte zu 6 Shep und die kurze Schnur zu 5 Shep aufgeteilt. Der Abschnitt von 5 Shep bei der kurzen Schnur ist die Länge des Remen. Mit diesen Schnüren bestimmten die Harpedonapten alle Winkel der ägyptischen Welt. Die Schnüre basieren auf dem pythagoreischen Tripel 3 : 4 : 5. Durch Verlängerung der kurzen Schnur auf eine Länge von 70 Shep (10 Meh) erhielten sie die weitere Möglichkeit der Aufspannung des pythagoreischen Tripels 20 : 21 : 29. Wie bei der kurzen Schnur wird die Kathete mit 20 Schep dabei senkrecht aufgespannt. Diese Aufspannung ist der direkte Übergang zwischen diesen beiden pythagoreischen Tripeln.

Für die Bestimmung von rechten Winkeln in horizontaler Lage vermutet Mark Lehner[3] die Verwendung von Schnüren mit einer Länge von 84 Königsellen (43,9824 m). Er begründet das mit dem Fund von Pfostenlöchern mit dem Durchschnittsabstand von 7 Königsellen entlang der Seiten der Cheops-Pyramide.

Die Seilprüfung

Zu Beginn der Messung wurde das Messseil auf Korrektheit geprüft. Das ist gleichzeitig das Symbol für den Baubeginn. Diese Prüfung wird in vielen Darstellungen als gemeinsame Handlung des Pharao mit der Göttin Seschat dargestellt. Dabei wird das Messseil als Schleife zwischen zwei Schlagstöcken (Dreschflegel) gespannt. Bei der langen Schnur muss der Abstand zwischen den Schlagstöcken daher genau 6 Meh betragen. An den Stellen der Schlagstöcke werden auf der Schnur Markierungen angebracht. Der Abstand dieser Markierungen wird halbiert. Eine der Markierungen bildet den Eckpunkt des rechten Winkels bei der Aufspannung als pythagoreischer Tripel. Auf den Darstellungen der Seilprüfung wurden leider bisher diese Markierungen (Knoten) am Seil noch nicht erkannt, daher ist die Spannung des Seiles als Schleife nur ein Indiz für die Existenz der Zwölfknotenschnüre im alten Reich.[4]

Die „Schleifenprüfung“ ist eine Prüfung der Zwölfknotenschnur (zur Bestimmung des rechten Winkels) auf korrekte Länge und keine Messung am Bauwerk.

Die Erfindung des Merchet

Das Merchet (mrḥ.t) ist ein Messgerät zur Messung von ägyptischen Böschungswinkeln. Seine Existenz ist durch eine entsprechende Hieroglyphe bekannt. Beim Merchet wird die kurze Kathete der Meßschnur durch eine horizontale Holzleiste und die lange Kathete durch ein senkrecht herunterhängendes Lot ersetzt. Das Schnurteil der Hypotenuse entfällt. Ein Merchet auf Grundlage der kurzen Schnur hat eine Holzleiste von 42 Shep. Die Hälfte der Leiste ist mit der Maßeinteilung in Shep versehen. An dem Ende der Leiste mit Einteilung ist das Lot mit einer genauen Länge von 20 Shep befestigt. Die Hälfte der Leiste ohne Einteilung dient zur Auflage auf der oberen Ebene der Böschung. Zur sauberen Messung ist die horizontale Lage der Leiste einzuhalten. Durch Verschiebung der Leiste wird nun der ägyptische Böschungswinkel mit Ablesung an der oberen Böschungskante ermittelt. Das Merchet ist eine geniale Weiterentwicklung der Erkenntnisse aus der Praxis mit den Schnüren der Harpedonapten.

Die Arbeitsweise der Harpedonapten

Für die Festlegung von Winkeln gab es im alten Ägypten zwei Methoden. Die erste Methode war die Messung des Rücksprunges auf eine rechtwinklige Königselle. Die Maßeinheit dieser Winkel wurde Seked genannt. Diese Methode ist die Normierung der Winkel und wurde mehr von höheren Priestern verwendet. Die zweite Methode verwendeten die Praktiker. Sie hielten sich an ihre Meßschnüre (oder das Merchet) und benutzten die Methode des Zuschlages oder Abzuges zur Grundlinie der als rechtwinkliges Dreieck aufgespannten Meßschnur. Für die Bestimmung von Winkeln kleiner 45° wurde die Meßschnur mit der langen Kathete und für Winkel ab 45° mit der kurzen Kathete als Grundlinie aufgespannt. Es gibt aber auch Fälle mit inverser Aufspannung der Meßschnur. Beide Methoden verwenden die Gegenkathete (Höhe) als Bezugsstrecke, dieses ist ein Indiz für die Herleitung aus der praktischen Arbeit mit dem Merchet. Heute wird in der Mathematik üblicherweise auf die Ankathete normiert z. B. Steigungsangaben auf Verkehrszeichen.

Beispiel Böschungswinkel der Cheops-Pyramide: Verwendung der langen Schnur. Die Kathete mit 21 Shep (kurze Kathete) wird als Grundlinie aufgespannt. Es erfolgt der Zuschlag von einer Hand (1 Shep) zur Grundlinie. Der Winkel beträgt 21 plus 1 Shep.

Beispiel Böschungswinkel der Mykerinos-Pyramide: Verwendung der kurzen Schnur. Die Kathete mit 15 Shep (kurze Kathete) wird als Grundlinie aufgespannt. Es erfolgt der Zuschlag von einer Hand (1 Shep) zur Grundlinie. Der Winkel beträgt 15 plus 1 Shep.

Beispiel Böschungswinkel der Chephren-Pyramide: Alle Schnüre sind möglich. Es erfolgt kein Zuschlag oder Abzug. Der Winkel beträgt 21 Shep bei langer Schnur.

Beispiel Böschungswinkel der Roten Pyramide: Verwendung der kurzen Schnur. Die Kathete mit 15 Shep (kurze Kathete) wird als Grundlinie aufgespannt. Es erfolgt der Zuschlag von 6 Händen (6 Shep) zur Grundlinie. Der Winkel beträgt 15 plus 6 Shep. Oder man verwendet die 10 Meh Schnur. Die Kathete mit 21 Shep (lange Kathete) wird als Grundlinie aufgespannt. Es erfolgt kein Zuschlag oder Abzug. Der Winkel beträgt 21 Shep. Die Verlängerung der kurzen Schnur zur 10 Meh Schnur ist der direkte Übergang zum pythagoreischen Tripel 20 : 21 : 29.

Abweichungen zur Bauausführung der Pyramiden:

  • Cheops: Abweichung (heute) nicht mehr feststellbar; Abweichung kleiner 0,001° zur angegebenen Neigung der Pyramide.
  • Mykerinos: Abweichung (heute) nicht mehr feststellbar; Abweichung kleiner 0,001° zur angegebenen Neigung der Pyramide.
  • Chephren: 0,037°
  • Snofru, Rote Pyramide in Dahschur Nord: Abweichung kleiner 0,0003°. Durch den weichen Untergrund kam es bei der Roten Pyramide schon während der Bauzeit zu Setzungen im Bauwerk. Das führte auch zu einer Veränderung des gebauten Böschungswinkels. Zum Ausgleich baute man etwas steiler weiter. Der Böschungswinkel ist daher nicht konstant. „Die Schichten der Pyramidenseiten sind konkav ausgeführt.“[5]

Bei den Abweichungen sind die kritischen Hinweise im Buch[6] von Eckart Unterberger zu beachten.

Siehe auch

Literatur

  • Solomon Gandz: Die Harpedonapten oder Seilspanner und Seilknüpfer. In: O. Neugebauer, Julius Stenzel, Otto Toeplitz (Hrsg.): Quellen und Studien zur Geschichte der Mathematik. Band 1, Heft 3, Springer-Verlag, 1930, S. 255–277.
  • Moritz Cantor: Vorlesungen über die Geschichte der Mathematik. Erster Band. Von den ältesten Zeiten bis zum Jahre 1200 n. Chr. 2. Auflage. B.G. Teubner, Leipzig 1894, S. 64.
  • Moritz Cantor: Über die älteste indische Mathematik. Archiv der Mathematik und Physik. 3. Reihe, Band 8 (1905) S. 63–72

Einzelnachweise

  1. Seile spannen für rechte Winkel. In: FOCUS-SCHULE Nr. 3 (2008). Abgerufen am 25. November 2016.
  2. Wolfgang Trapp: Kleines Handbuch der Maße, Zahlen, Gewichte und der Zeitrechnung. Komet-Verlag, 1998, ISBN 3-89836-198-5, S. 18.
  3. Mark Lehner: Geheimnis der Pyramiden. Bassermann Verlag, 2004, ISBN 3-8094-1722-X, S. 213.
  4. Helmut Minow: Messwerkzeuge und Längenmaße im Alten Ägypten.
  5. Frank Müller-Römer: Der Bau der Pyramiden. Herbert Utz Verlag, 2011, ISBN 978-3-8316-4069-0, S. 165.
  6. Eckart Unterberger: Die Tricks der Pyramidenbauer. 2008, ISBN 978-3-939845-87-4.