„Behandlungsfehler“ – Versionsunterschied

[gesichtete Version][gesichtete Version]
Inhalt gelöscht Inhalt hinzugefügt
→‎Zivilrecht: Der ganze Absatz ist juristisch nicht richtig. Nachbesserungsrechte werden allenfalls bei Zahnärzten vertreten.
Zeile 95: Zeile 95:


Der Behandelnde ist nach {{§|630f|bgb|juris}} BGB verpflichtet, alle wesentlichen Maßnahmen und deren Ergebnisse aufzuzeichnen, insbesondere die Anamnese, Diagnosen, Untersuchungen, Untersuchungsergebnisse, Befunde, Therapien und ihre Wirkungen, Eingriffe und ihre Wirkungen, Einwilligungen und Aufklärungen. Diese Dokumentation kann die spätere Aufklärung eines Verdachts auf einen Behandlungsfehler erleichtern.
Der Behandelnde ist nach {{§|630f|bgb|juris}} BGB verpflichtet, alle wesentlichen Maßnahmen und deren Ergebnisse aufzuzeichnen, insbesondere die Anamnese, Diagnosen, Untersuchungen, Untersuchungsergebnisse, Befunde, Therapien und ihre Wirkungen, Eingriffe und ihre Wirkungen, Einwilligungen und Aufklärungen. Diese Dokumentation kann die spätere Aufklärung eines Verdachts auf einen Behandlungsfehler erleichtern.

=== Anspruchsvoraussetzungen ===
Normalerweise muss der Patient dem Behandler Gelegenheit zur Nachbesserung einer fehlerhaften Behandlung geben (soweit dies medizinisch überhaupt möglich ist), jedoch nicht immer, wie das [[Thüringer Oberlandesgericht|OLG Thüringen]] entschieden hat. <ref>OLG Thüringen, Entscheidung vom 29. Mai 2012 (Az.: 4 U 549/11)</ref> Im Arzthaftungsrecht muss er es nicht, wenn er anschließend Schadensersatz und Schmerzensgeld von dem behandelnden Arzt wegen dessen Behandlungsfehler verlangt. Das gesetzliche Erfordernis eines Nacherfüllungsverlangens [http://dejure.org/gesetze/BGB/281.html| § 281 BGB] kann nur für solche Schadensersatzpositionen relevant werden, die dem Komplex ''Schadensersatz statt Erfüllung'' zuzurechnen sind; das sind z.B. Nachbehandlungskosten für eine wegen des Behandlungsfehlers notwendig gewordene Nachbehandlung. Für den „einfachen“ - materiellen und immateriellen - Schadensersatz nach §§ [http://dejure.org/gesetze/BGB/280.html| 280], [http://dejure.org/gesetze/BGB/253.html| 253 Abs. 2 BGB] ist eine Aufforderung zur Nacherfüllung entbehrlich, da dieser nach Beendigung des Behandlungsvertrags (d.h. mit Erbringung der Hauptleistungen) nicht mehr besteht. Ein Behandlungsabbruch seitens des Patienten (wegen verlorenen Vertrauens) ist dabei im Regelfall als Kündigung des ärztlichen Behandlungsvertrags anzusehen.


=== Schadensersatz ===
=== Schadensersatz ===

Version vom 1. Juli 2013, 21:09 Uhr

Unter einem Behandlungsfehler wird ein ärztliches Verhalten bei einer medizinischen Behandlung verstanden, das nach dem zur Zeit der Behandlung aktuellen Erkenntnisstand der medizinischen Wissenschaft die gebotene Sorgfalt und Vorgehensweise nicht wahrt und damit unsachgemäß ist.[1][2] Die Definition geht auf Rudolf Virchow zurück, der den Begriff Kunstfehler als die Gesundheitsschädigung eines Patienten aus Mangel an gehöriger Aufmerksamkeit oder Vorsicht und zuwider allgemein anerkannter Regeln der Heilkunde definiert hat.[3] Behandlungsfehler werden häufig als Kunstfehler bezeichnet, weil die ärztliche Behandlung nicht nach den Regeln der ärztlichen Kunst (lat. lege artis, engl. state of the art) erfolgt ist.

Der Fehler kann rein medizinischen Charakters sein, sich aber auch auf organisatorische Maßnahmen und auf fehlerhaftes Verhalten nachgeordneter oder zuarbeitender Personen beziehen. Einen ärztlichen Behandlungsfehler kann auch die fehlende oder unrichtige sowie unverständliche oder unvollständige Sicherungsaufklärung (therapeutische Aufklärung) des Patienten über das eigene Verhalten in der Therapie darstellen. Insoweit ist der als Synonym gebrauchte Begriff des Kunstfehlers inzwischen weitergehend, als die ursprüngliche Definition Virchows.

Welche die richtige Behandlung gewesen wäre, kann durch ärztliche Gutachten geklärt werden. Dabei kann die Orientierung an medizinischen Leitlinien, die auf der Basis der evidenzbasierten Medizin verfasst werden, hilfreich sein. Solche Leitlinien sind aber nicht in jedem Fall mit dem wissenschaftlichen Standard gleichzusetzen.[4] Die medizinische Begutachtung hat sowohl die Therapiefreiheit, als auch unterschiedliche Lehrmeinungen zu dem jeweiligen Behandlungszeitpunkt zu berücksichtigen.

Der Behandelnde schuldet dem Patienten eine fehlerfreie Behandlung nach Dienstvertragsrecht, jedoch nicht unbedingt die Heilung. Ein Behandlungsfehler kann für den Behandelnden zivil- und strafrechtliche Folgen haben.

Nicht jeder therapeutische Misserfolg ist ein Behandlungsfehler – Beschwerden können auch bekannte Nebenwirkungen oder Komplikationen sein. Oftmals ist es schwierig, die Folgen der Krankheit selbst und die Folgen der Fehlbehandlung zu unterscheiden.[5]

Ursachen

Die Ursachen von Behandlungsfehlern sind vielschichtig und zahlreich. Neben allgemein menschlichen Unzulänglichkeiten rücken zunehmend die äußeren Bedingungen in den Blickpunkt, die das Risiko von Behandlungsfehlern erhöhen. Als Faktoren werden zum Beispiel angegeben:

  • Mangelnde „Fehlerkultur“. Behandlungsfehler wurden tabuisiert und als individuelles Versagen gebrandmarkt, statt sie zu analysieren und über Ursachen und Vermeidungsstrategien zu sprechen. Seit 2005 findet ein Umdenken statt („Patientensicherheit“).[6]: Broschüre: Aus Fehlern lernen, Deutsches Ärzteblatt Mediziner wollen aus Behandlungsfehlern besser lernen (28. Februar 2008), Jeder Fehler zählt oder Jeder Zahn zählt. Letztere sind Fehlerberichts- und Lernsysteme für Ärzte und Zahnärzte.
  • Verwechslungsmöglichkeiten, zum Beispiel bei Medikamenten mit ähnlichem Namen und/oder ähnlicher Verpackung, Rechts-links-Verwechslungen, Verwechseln von Patienten.
  • Kommunikationsfehler zwischen den Behandelnden
  • Arbeitsbelastung
  • Unklarheit über die Verantwortlichkeiten

Grenzen der Therapiefreiheit

Dem Arzt steht die freie Wahl der Therapie zu. Bei mehreren Therapiealternativen ist der Patient unter Einbeziehung der jeweiligen Risiken aufzuklären. Auch hier besteht die Einwilligungsvoraussetzung des Patienten für die gewählte Therapie. Die Therapiefreiheit ist jedoch eingeschränkt. Bei mehreren risikogleichen Möglichkeiten ist die Therapie mit der größtmöglichen Erfolgsaussicht und bei mehreren gleichwertigen Möglichkeiten hat er diejenige mit dem geringsten Risiko auszuwählen, sonst kann die Behandlung als fehlerhaft eingestuft werden. In der Gesetzlichen Krankenversicherung ist ferner das Wirtschaftlichkeitsgebot gemäß § 12 SGB V zu berücksichtigen, da Gesetzlich Versicherte lediglich Anspruch auf ausreichende, zweckmäßige, wirtschaftliche und das Maß des Notwendigen nicht überschreitende Leistungen haben.

Alternative Behandlungsmethoden dürfen nur dann angewendet werden, wenn dadurch kein Schaden entsteht, der bei Anwendung wissenschaftlich anerkannter Heilmethoden vermieden worden wäre. Das Bundesverfassungsgericht entschied 2005, dass die gesetzliche Krankenversicherung bei Schwerkranken auch alternative Heilmethoden bezahlen muss, wenn diese einen begründete Hoffnung auf Heilung bietet oder eine spürbare Verbesserung des Krankheitsverlaufes besteht - sofern die Schulmedizin keine Therapiemöglichkeit mehr sieht. In dem Verfahren befanden die Verfassungsrichter das 1997 gefällte Urteil des Bundessozialgerichtsmit der grundsätzlich garantierten allgemeinen Handlungsfreiheit, dem Sozialprinzip und dem Grundrecht auf Leben als nicht vereinbar“.[7]

Information des Patienten

Im Fall eines Behandlungsfehlers ist der Patient von dem Behandelnden darüber auf Nachfrage oder zur Abwendung gesundheitlicher Gefahren zu informieren. In Deutschland wird diese Informationspflicht nunmehr in § 630c Abs. 2 Satz 2 BGB geregelt. Das Aktionsbündnis Patientensicherheit hat hierzu eine Broschüre herausgegeben, die Ärzten und Pflegepersonal die Ängste und Unsicherheiten in puncto Information überwinden helfen soll. Dort heißt es:

„Bei unerwünschten Ereignissen und Behandlungsfehlern sind eine gute Kommunikation und ein professioneller Umgang mit den Betroffenen und Beteiligten ethisch geboten. Dies ist Kernbestandteil einer fortschrittlichen Sicherheitskultur. Patienten und Angehörige sowie beteiligte Mitarbeiter erwarten zu Recht ein ehrliches, faires, auf Schadensbegrenzung und künftige Schadensverhütung gerichtetes Handeln der Verantwortlichen.“

Reden ist Gold (PDF; 870 kB)

Häufigkeit

Bei der Bundesärztekammer (BÄK) werden jährlich die Beschwerden bei den verschiedenen Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen für Arzthaftpflichtfragen zusammengefasst (für 2006 erstmals bundesweit einheitlich). Demnach wurden 2006 nur unwesentlich mehr Reklamationen untersucht als 2005, nämlich 10.280 [8], von denen sich in 3897 Fällen Behandlungsfehler ergeben haben. Bei 500 Millionen Arztkontakten jährlich ist dies eine Quote von 0,0008 %. Abschätzungen über die Dunkelziffern in diesem Zusammenhang wurden dabei nicht bekannt gegeben. Es ist für diese Erfassungsmethode ein Problem der Arzt-Patienten-Beziehung, dass durch das ungleich verteilte Fachwissen viele Patienten es gar nicht wissen können oder erst Jahre später merken oder ahnen, dass sie (vielleicht) falsch behandelt wurden. Eine Untersuchung darauf findet dann üblicherweise nicht statt. Auch liegen keine Zahlen über Fälle vor, in denen sich Ärzte und Patienten ohne Schlichtungsstelle auf eine Schadensregulierung geeinigt hatten.

Bei 1.562 der von der Bundesärztekammer erfassten Behandlungsfehler kamen Aufklärungsmängel hinzu, in weiteren 422 Fällen wurde die mangelhafte Risikoaufklärung ohne Schaden für den Patienten festgestellt. Die meisten Einzelvorwürfe betreffen Operationen (zirka 25 %), jeweils unter 10 % postoperative Therapien oder die Diagnostik. Dies kann ein Erhebungsfehler in dem Sinne sein, dass sich Patienten in diesen Fachgebieten entweder häufiger an mehrere Ärzte wenden und es dadurch zu einer vermehrten Aufdeckung von Mängeln kommt oder die Beweissicherung leichter gelingen kann als in anderen Fachdisziplinen.

2011 wurden bei den Landesärztekammern 11.107 Schlichtungsverfahren beantragt.[9]

Seit der Veröffentlichung des Berichts «To Err is Human» [10] durch das Institute of Medicine der US-amerikanischen National Academy of Sciences im Jahre 1999 hat das Thema Medizinische Risiken, Fehler und Patientensicherheit im internationalen Schrifttum zunehmendes Interesse erlangt.[11][12]

Die Medizinischen Dienste der Krankenversicherung (MDK) führten 2012 12.483 Behandlungsfehler-Begutachtungen durch. Dabei stellten sie in 31,5 % der Fälle (2011 waren es 32,1 % von 12.686 Fällen[13]) einen Behandlungsfehler fest. In 21,7% der Fälle konnte zudem die Schadenskausalität nachgewiesen werden.[14] Der MDK wird eingeschaltet, wenn sich ein Versicherter mit dem Verdacht auf einen Behandlungsfehler an die Krankenkasse wendet. Der festgestellte Anteil fehlerhafter Behandlungen bezieht sich auf die dem MDK vorgelegten Verdachtsfälle. Die Bewertung, ob in einem konkreten Fall ein Behandlungsfehler vorliegt, erfolgt auf der Basis der Patienten- bzw. Krankenunterlagen sowie möglichst aufgrund eines zusätzlichen persönlichen Gedächtnisprotokolls des Patienten.[15]

Auswahl der durch den MDK 2011 und 2012 bundesweit festgestellten zehn häufigsten Behandlungsfehler:

Art Anzahl 2011 Anzahl 2012
Kniegelenksarthrose 159 131
Hüftgelenksarthrose 140 152
Zahnkaries 134 124
Oberschenkelbruch 111 105
Pulpitis 108 156
Unterschenkelbruch 85 81
Dekubitus 81
Rückenschmerzen   58
sonst. Zahnkrankheiten 73 66
Unterarmbruch 67
Sonst. Bandscheibenschäden   50
Bandscheibenschäden 58 50

Die Bundeszahnärztekammer kritisiert, dass die Anzahl der Behandlungsfehler nicht ins Verhältnis zu der Anzahl der tatsächlichen Behandlungsfällen gestellt wird. Ohne Bezug zur Gesamtzahl der Behandlungsfälle seien die vom MDK veröffentlichten absoluten Zahlen der Behandlungsfehler nicht aussagekräftig und ließen keine Rückschlüsse auf die relative Häufigkeit von Behandlungsfehlern und damit die Behandlungsqualität insgesamt zu. Kritisiert wird darüber hinaus, dass nicht in jedem Fall sicher auf einen Behandlungsfehler geschlossen werden könne, die Etikettierung eines Schadensereignisses als Behandlungsfehler vielmehr auch dem Ermessensspielraum des Gutachters unterliege, da die Begutachtung durch den MDK nur auf Grundlage der Behandlungsunterlagen und Gedächtnisprotokolle des Patienten erfolge.[16]

Klärungsmöglichkeiten

Außergerichtliche Klärung
Direkte Verhandlung zwischen dem Patienten oder seinem Vertreter und der Haftpflichtversicherung des Arztes
Schlichtungsstellen und Gutachterkommissionen der Ärztekammern und Zahnärztekammern
Medizinischer Dienst der Krankenversicherung (MDK)
Gutachterwesen im zahnärztlichen Bereich für gesetzlich Versicherte
Gerichtliche Klärung
Zivilgerichte
Strafanzeige bei Polizei oder Staatsanwaltschaft

Selbständiges Beweisverfahren

Ein Selbständiges Beweisverfahren kann durchgeführt werden, wenn die Beweiserhebung durch Verlust der Beweismittel gefährdet ist (§ 485 Abs. 3 ZPO). Dies kann im Falle eines Behandlungsfehlers notwendig sein, um den Befund zu sichern, bevor durch weitere erforderliche Behandlungsmaßnahmen der Zustand verändert werden könnte (deshalb frühere Bezeichnung Beweissicherungsverfahren). Im Beweisverfahren kann der Beweis durch einen gerichtlich bestellten Gutachter geführt werden. Privatgutachten sind dagegen vor Gericht nicht als Beweismittel zugelassen, sondern nur als qualifizierter Parteivortrag.

Schlichtungsstellen

Beim Verdacht eines Behandlungsfehlers kann ein medizinisches Privatgutachten weiterhelfen. Eine weitere Möglichkeit, um klären zu lassen, ob die ärztliche Behandlung fachgerecht ausgeführt wurde, bieten die Schlichtungsstellen. Das Verfahren kommt jedoch nur in Gang, wenn der beschuldigte Arzt bzw. die beschuldigte Institution dem Schlichtungsverfahren zustimmt. Zur Prüfung von Beschwerden und Haftungsfragen hat die Ärzteschaft in Deutschland Gutachterkommissionen [17] und Schlichtungsstellen bei den Landesärztekammern und den Landeszahnärztekammern eingerichtet. Die Kosten eines von der Schlichtungsstelle beigezogenen Gutachters und die jeweils geltende Verfahrenspauschale trägt der Versicherer des Arztes bzw. der Krankenhausträger. Der antragstellende Patient muss lediglich seine Kosten einschließlich der Kosten seines Rechtsvertreters und seine eventuellen Reisekosten tragen. Es liegt im Ermessen des in Anspruch genommen Arztes, dem vom Patienten beantragten Schlichtungsverfahren zuzustimmen.

Sozialrecht

Die Krankenkassen sollen die Versicherten bei der Verfolgung von Schadensersatzansprüchen unterstützen (§ 66 SGB V), etwa indem die medizinischen Unterlagen beim Arzt angefordert werden und einem Gutachter des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) zur Prüfung vorgelegt werden. Sollte sich der Verdacht eines Behandlungsfehlers bestätigen, wird hierüber ein schriftliches Gutachten erstellt, das dem Versicherten kostenfrei zur Verfügung gestellt wird. Im zahnärztlichen Bereich können nach den Gutachterverfahren in der vertragszahnärztlichen Versorgung Mängelgutachten erstellt werden.[18]

Zivilrecht

Der Behandlungsfehler ist nach deutschem Zivilrecht eine Verletzung der Pflichten aus dem aus dem Behandlungsvertrag ( § 630a ff BGB). Der Behandelnde muss nach § 280 BGB Schadensersatz leisten, wenn er die Pflichtverletzung zu vertreten hat und die Pflichtverletzung ursächlich für den Schaden ist. Bei der Beeinträchtigung immaterieller Rechtsgüter (Körperverletzung) kommt nach § 253 Abs. 2 BGB auch ein Anspruch auf Schmerzensgeld in Betracht. Der Behandlungsfehler ist zugleich eine unerlaubte Handlung (Delikt nach § 823 Abs. 1, 2 BGB), die ebenfalls zu Ersatzansprüchen des Patienten führen kann. Daneben kommen bei Klinikärzten Ansprüche gegen das Krankenhaus in Betracht, für das der Arzt als sog. Gehilfe gehandelt haben kann.

Der Behandelnde ist nach § 630f BGB verpflichtet, alle wesentlichen Maßnahmen und deren Ergebnisse aufzuzeichnen, insbesondere die Anamnese, Diagnosen, Untersuchungen, Untersuchungsergebnisse, Befunde, Therapien und ihre Wirkungen, Eingriffe und ihre Wirkungen, Einwilligungen und Aufklärungen. Diese Dokumentation kann die spätere Aufklärung eines Verdachts auf einen Behandlungsfehler erleichtern.

Schadensersatz

Der Schadensersatz umfasst insbesondere die notwendigen Heilbehandlungskosten.

Schmerzensgeld

Zusätzlich kann der Arzt Schmerzensgeld schulden. Anhaltswerte kann die Celler Schmerzensgeldtabelle des Oberlandesgericht Celle geben. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dürfen für ein angemessenes Schmerzensgeld (§ 253 BGB) grundsätzlich alle in Betracht kommenden Umstände eines Falles berücksichtigt werden, darunter der Grad des Verschuldens des Schädigers, die Dauer von Schmerzen, Einschränkungen des Lebens und die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers als auch des Geschädigten, usw.. Im internationalen Vergleich ist jedoch die Höhe der ausgeurteilten Schmerzensgelder gering. Das Schmerzensgeld hat sowohl Ausgleichs- als auch Genugtuungsfunktion, es ist übertragbar und vererblich. Der Klageantrag auf Zahlung von Schmerzensgeld ist einer der wenigen Fälle, in denen ein unbestimmter Antrag zulässig ist. Die Höhe des Schmerzensgeldes kann in das Ermessen des Gerichts gestellt werden.[19]

Beweislast

Die objektive Beweislast für einen Behandlungsfehler liegt beim Kläger, also dem Patienten bzw. dessen Erben. Ebenfalls muss der Kläger beweisen, dass der Behandlungsfehler einen Schaden verursacht hat. Der heute im Zivilrecht gebräuchliche Ausdruck Arzthaftung betont diese Frage nach der Kausalität: Nicht jeder Fehler des Arztes begründet eine Schadenersatzpflicht; vielmehr muss auf diesen Fehler ein konkreter Schaden zurückzuführen sein. Die Kausalitätsproblematik ist ein Schwerpunkt vieler Schadensersatzprozesse im Bereich des Arzthaftungsrechts.

Beweislastumkehr

Zu einer Beweislastumkehr kann der Kläger jedoch gelangen, wenn es ihm nachzuweisen gelingt, dass dem von ihm geltend gemachten Schaden, ein grober Behandlungsfehler zu Grunde liegt.

Grober Behandlungsfehler

Ein grober Behandlungsfehler wird von der Rechtsprechung angenommen, wenn:

„[…]der Arzt eindeutig gegen bewährte ärztliche Behandlungsregeln oder gesicherte medizinische Erkenntnisse verstoßen und einen Fehler begangen hat, der aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich erscheint, weil er einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen darf“

Fortführung von BGH, Urteil vom 11. Juni 1996[20]

Die Feststellung eines groben Behandlungsfehlers ist eine Rechtsfrage, d. h. sie wird vom Gericht und nicht vom medizinischen Sachverständigen getroffen. Das Gutachten eines Sachverständigen kann laut BGH dafür lediglich Entscheidungsgründe liefern.[21]

Beim Vorliegen eines groben Behandlungsfehlers wird die Ursächlichkeit des groben Fehlers für den Schaden widerleglich vermutet.[22]

Eine Beweislastumkehr wird auch angeordnet, wenn Beweismittel nicht ordnungsgemäß gelagert wurden. Ebenso können unvollständige oder verfälschte Dokumentationen, einschließlich nachgetragener Änderungen oder angeblich verlorene Dokumente sowie ein ungesicherter oder unregistrierter Zugang zu Änderungsmöglichkeiten in Datenbanken der Fallakten zur Beweislastumkehr führen. Ebenso bewertet werden verbrannte und nicht rekonstruierte, sondern weggeworfene Dokumentationen. Beispielsweise hat das Oberlandesgericht Hamm in seinem Urteil vom 12. Dezember 2001[23] grobe Verstöße eines Essener Klinik-Pathologen gegen die Befundsicherungspflicht als groben Behandlungsfehler gewertet und die Beweislast daher umgekehrt.

Regelmäßig stellen zum Beispiel Versäumnisse im Rahmen der ärztlichen Sicherungsaufklärung (therapeutische Aufklärung) einen groben Behandlungsfehler dar, weshalb hier folglich regelmäßig von einer objektiven Beweislastumkehr auszugehen ist.

„[…] Eine Verletzung der Pflicht des behandelnden Arztes zur therapeutischen Aufklärung (Sicherungsaufklärung), die als grober Behandlungsfehler zu werten ist, führt regelmäßig zu einer Umkehr der objektiven Beweislast für den ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Behandlungsfehler und dem Gesundheitsschaden, wenn sie geeignet ist, den eingetretenen Schaden zu verursachen; eine Wahrscheinlichkeit für ein Ergebnis einer Kontrolluntersuchung ist in einem solchen Fall nicht erforderlich […] Eine Umkehr der Beweislast ist schon dann anzunehmen, wenn der grobe Behandlungsfehler geeignet ist, den eingetretenen Schaden zu verursachen; nahelegen oder wahrscheinlich machen muß der Fehler den Schaden dagegen nicht“

Fortführung von BGH, Urteil vom 27. April 2004[24]

Weitere typische Bedingungen für eine richterliche Anordnung der Beweislastumkehr sind:

  • unterlassene Befunderhebung[25]
  • offensichtlich falsche Behandlung, also grobe Behandlungsfehler und auch Medikationsfehler
  • Keimübertragung durch Infektion in einem beherrschbaren Bereich[26][27]
  • Verwendung fehlerhafter Geräte, falsche oder nicht dokumentierte Geräteeinstellungen oder unterlassene Gerätewartung (abgelaufene Prüfzeichenfristen).

Ein Arzt haftet jedoch nicht zwangsläufig für einen groben Behandlungsfehler, wenn der Patient eine dringend notwendige anschließende Behandlung durch einen anderen Mediziner verweigert (OLG Koblenz). [28] Der Patient ist demnach zur Mitwirkung verpflichtet, wenn er damit den Schaden - auch bei einem groben Behandlungsfehler - mindern kann (Schadensminderungspflicht).

Beweiserleichterung

Der Arzt unterliegt einer Dokumentationspflicht bezüglich seiner erhobenen Befunde, der Diagnosen und der unternommenen oder veranlassten Behandlungen. Eine unterlassenen Dokumentation bildet selbst noch keine eigenständige Anspruchsgrundlage in einem Kunstfehlerprozess. Das Gericht kann aus der Nichtdokumentation einer aufzeichnungsbedürftigen Maßnahme schließen, dass die Maßnahme unterblieben ist, was zur Beweiserleichterung für den Patienten führen kann.[29]

Ähnliche Erleichterungen gewährt die Rechtsprechung für den Nachweis des Verschuldens; im Rahmen der vertraglichen Haftung wird das Vertretenmüssen ohnehin kraft Gesetzes vermutet.

Verjährung

Der Schadensersatzanspruch kann mit Eintritt der Verjährung nicht mehr durchgesetzt werden. Die dreijährige Verjährungsfrist beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den Anspruch begründeten Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste § 195 i.V.m. § 199 Abs. 1 BGB).

Eine wirksame Einwilligung setzt voraus, dass der Patient seine Zustimmung in Kenntnis der Tragweite des Eingriffs gibt. Ein Behandlungsfehler im Sinne eines erheblichen Aufklärungsmangels führt zur Unwirksamkeit der Einwilligung und eröffnet damit den Weg zur Annahme einer rechtswidrigen Körperverletzung. In diesem Fall beträgt die Verjährungsfrist 30 Jahre gemäß § 199 Abs. 2.

Die Verjährung wird nicht dadurch gehemmt, dass ein Gutachten beim Medizinischen Dienst der Krankenversicherung in Auftrag gegeben wird.

Strafrecht

Nach der Rechtsprechung ist selbst jede fehlerfreie Heilbehandlung eine tatbestandliche Körperverletzung (§ 223 StGB), die jedoch nicht strafbar ist, solange sie mit wirksamer Einwilligung des Patienten durchgeführt wird. Unumstritten ist das für fehlerhafte Behandlungen. Weil in sie der Patient nicht eingewilligt hat, ist die Tat auch rechtswidrig. Im Strafprozess ist der Patient gegebenenfalls Nebenkläger oder Zeuge. Stirbt der Patient an den Folgen des Behandlungsfehlers, kommt fahrlässige Tötung oder ausnahmsweise gar Totschlag in Betracht. Hat der Behandelnde tatbestandsmäßig, rechtswidrig und schuldhaft gehandelt und kann das bewiesen werden, so kann er für die Tat verurteilt werden.

Standesrecht

Zudem können Behandlungsfehler standesrechtliche Folgen haben. Darüber entscheiden die Ärztekammern, [30] Zahnärztekammern oder die zuständigen Berufsgerichte auf der Grundlage der jeweiligen Berufsordnungen oder die Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen im Rahmen ihrer Disziplinarordnungen.[31][32]

Berufsrecht

In besonders schweren Fällen kann der Zulassungsausschuss gemäß §§ 26, 27 Zulassungsverordnung für Vertrags(zahn)ärzte das teilweise oder vollständige Ruhen der Zulassung als Vertrags(zahn-)arzt oder die Entziehung der Zulassung[33] [34] anordnen. Als ultima ratio kann die zuständige Landesregierung den Entzug der Approbation verfügen, was einem Berufsverbot gleichkommt.

Siehe auch

Heilbehandlung: Rechtsbeziehungen im Zusammenhang mit einer medizinischen Therapie.

Literatur

  • Preventing Medication Errors. Committee on Identifying and Preventing Medication Errors and the Board on Health Care Services. Hg. Philip Aspden et al. National Academies Press, Washington, D.C., 2007. ISBN 978-0-309-10147-9.
  • Medication Errors. Hg. Michael R. Cohen. 2. Auflage. American Pharmacists Association, Washington, D.C., 2007. ISBN 978-1-58212-092-8.
  • Martin Lindner: Irren ist ärztlich. In: Bild der Wissenschaft. 2/2004, S. 18–23, ISSN 0006-2375
  • Stefanie Bachstein: Du hättest leben können. Verlagsgruppe Lübbe, 3.Aufl. 2007, ISBN 3-404-61480-1. Vorwort von Prof. Dr. med. Thomas H. Loew, Uniklinik Regensburg. Das Buch von Stefanie Bachstein zeigt die Traumatisierung beider Seiten, die der Ärztin und die der Betroffenen nach einem tödlichen Behandlungsfehler. Das Buch erhielt im Rahmen des Publizistikpreises 2004 der Stiftung Gesundheit Hamburg, eine besondere Erwähnung. Infos u. Leseprobe (Brief an die Ärztin) unter www.stefanie-bachstein.de
  • Michael Imhof: Ärztliche Behandlungsfehler - Was tun? Ein Ratgeber für Patienten, Angehörige und medizinisches Personal, Schulz-Kirchner Verlag, Idstein 2011 ISBN 978-3-8248-0867-0
  • Herbert Pröpper, Johann Neu: Ein außergerichtlicher Weg zur Einigung. Arbeit und Ergebnisse der Norddeutschen Schlichtungsstelle für Arzthaftpflichtfragen. Hamburger Ärzteblatt 1/2012, S. 12–17
  • Marina Tamm: Der Haftungsumfang bei ärztlichem Fehlverhalten und Rechtsdurchsetzungsfragen im Arzthaftungsrecht; JURA 2009, 81
Wiktionary: Behandlungsfehler – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Anders/Gehle, Das Bürgerliche Gesetzbuch mit besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofes / §§ 611-620: Kommentar: Bd 2/Tl 3/1 Berlin, New York 1997, § 611 Rn. 360
  2. BGH Urteil vom 06.05.2003, VI ZR 259/02, VersR 2003, 1128-1130
  3. G. Heberer und L. Schweiberer, Indikation zur Operation (PDF; 1,8 MB), Springer Verlag 2. Auflage (1981) ISBN 3-540-10385-6
  4. Leitlinien sind nicht dem medizinischen Standard gleichzusetzen, Dtsch Arztebl 2008; 105(37): A-1937 / B-1665 / C-1629
  5. Martin Hansis, Leitender Arzt beim Medizinischen Dienst der Spitzenverbände der Krankenkassen in Deutsches Ärzteblatt, S. 453 (2002)
  6. Aktionsbündnis Patientensicherheit
  7. Bundesverfassungsgericht - Urteil vom 6. Dezember 2005 (AktZ.:1 BvR 347/98)
  8. Medizin in Deutschland – Fast 3.900 Behandlungsfehler bundesweit. In: Süddeutsche Zeitung vom 18. April 2007
  9. Pressemitteilung der Bundesärztekammer Abgerufen am 16. September 2012
  10. Kohn LT, Corrigan JM, Donaldson MS (eds.) To err is human. Building a safer health system. Washington, DC: National Academy Press, 1999.
  11. Leape LL, Berwick DM. Safe health care: are we up to it? Br Med J 2000;320:725-6.
  12. Reducing error. Improving Safety. Schwerpunktheft Br Med J 2000;320(7237).
  13. MDS: Behandlungsfehlerstatistik des MDK 2011
  14. MDS: Behandlungsfehlerstatistik des MDK 2012 (PDF; 950 kB), S. 6, Essen, München Mai 2013
  15. ebd. S. 4 f
  16. Bundeszahnärztekammer, Behandlungsfehler-Begutachtung in Beziehung zu den tatsächlichen Behandlungsfällen auswerten (PDF; 96 kB)
  17. Bundesärztekammer: Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen bei den Ärztekammern
  18. Anlagen 6, 9, 10a, 10b, 12 und 14 zum Bundesmanteltarifvertrag - Zahnärzte (BMV-Z), zum Beispiel § 4 der Anlage 12
  19. BGH, ständige Rechtsprechung, Senatsbeschluss vom 30. September 2003 - VI ZR 78/03 - VersR 2004, 219
  20. BGH, Urteil vom 11, Juni 1996, Az. VI ZR 172/95, Volltext = VersR 1996, 1148
  21. Jurion: BGH, 21. Juli 1998, VI ZR 15/98
  22. BGH, Urteil vom 25. Oktober 2011, Az. VI ZR 139/10, Volltext
  23. OLG Hamm, Urteil vom 12. Dezember 2001, Az. 3 U 119/00.
  24. BGH, Urteil vom 27. April 2004, Az. VI ZR 34/03, Volltext = VersR 2004, 909
  25. BGH Urteil vom 28. Juni 1988 (VI R 217/87)
  26. BGH Urteil, in VersR 1991, 467 ff.
  27. BGH Urteil, NJW 2007,1682 ff.
  28. OLG Koblenz (Beschlüsse vom 27. Juni und 27. August 2012; Az.: 5 U 1510/11), abgerufen am 14. September 2012
  29. Jurion: BGH VI ZR 170/88
  30. Bayerische Landesärztekammer, Heilberufe-Kammergesetz (PDF; 235 kB)
  31. KZV Baden-Württemberg Disziplinarordnung
  32. KV Nordrhein Disziplinarordnung (PDF; 42 kB)
  33. Zulassungsordnung Zahnärzte
  34. Zulassungsordnung Ärzte