Geheimer Rat (Habsburgermonarchie)

Der Geheime Rat war zwischen dem 16. Jahrhundert und 1749 ein zentrales Gremium für die gemeinsamen Angelegenheiten der Habsburgermonarchie. Bis 1740 bildeten die Kaiserlichen Geheimden Räthe die Spitze des Hofs der römisch-deutschen Kaiser, auch wenn ihre realen Anteile an der Regierung im Laufe der Zeit abgenommen hatte. Seit der Zeit Maria Theresias bis 1918 war Geheimer Rat der höchste nichtakademische Titel der Monarchie.

Entstehung

Bereits Maximilian I. vertraute die eigenen geheimen grossen sachen einem informellen Ausschuss des Reichshofrats an. Ferdinand I. seit 1527 König von Böhmen und Ungarn und zunächst Stellvertreter seines Bruders Karl V. als Reichsoberhaupt, schuf mit dem Geheimen Rat als ständiges Gremium eine zentrale Stelle zur Verwaltung der Angelegenheiten innerhalb und außerhalb des Reiches. Das Beratungsorgan wurde ausdrücklich vom Hofrat unterschieden.[1] In der Anfangszeit wurde Ferdinand vorgeworfen, dass er zur Beratung „schlechte Kreaturen“ herangezogen habe.[2] Dem Geheimen Rat gehörten führende Hof- und Staatsbeamte an, wie der Obersthofmeister, der Obersthofmarschall, der Reichsvizekanzler und der böhmische Oberstkanzler.

In den erhaltenen Akten ist die Gründung dieser wichtigen Behörde nicht nachzuweisen, doch begegnet sie bereits in einer Hofstaatsordnung im Wiener Archiv vom 1. Januar 1527.[3]

Das Präsidium führte meist Ferdinand selbst und in seiner Abwesenheit der oberste Hofmeister.[4] Von 1527 bis 1539 bestand der Posten eines Präsidenten des Geheimen Rats, den Bernhard von Cles, Bischof von Trient, bekleidete, der zugleich auch supremus Cancellarius war.[4][2] Beide Ämter, die ihm ein außerordentliches Ansehen gaben, erloschen nach seinem Tod; die Kanzleigeschäfte besorgte danach ein Vicekanzler, der im Geheimen Rat die „Materien zu proponiren, die Stimmen zu sammeln und die Ausfertigung und Expedition des Beschlossenen zu bewirken hatte".[4]

Auch der Hofmarschall, der zugleich Präsident des Hofrats war, scheint als solcher ständiges Mitglied des Geheimen Rats gewesen zu sein. Die Räte waren in späterer Zeit meist bürgerlicher Herkunft.[4]

In den erwähnten Hofstaatsverzeichnissen erscheint an erster Stelle als Obersthofmeister Johann Hofmann Freiherr zu Grünbühel und Strachau, mit einem jährlichen Gehalt von 1600 rheinischen Gulden.[4]

Eine besondere Stellung im Geheimen Rat nahm der oberste Kanzler von Böhmen, Burggraf Heinrich von Meissen ein, der regelmässiger Weise 2160 Gulden bezog, aber lediglich ausserordentliches Mitglied war und nur gelegentlich an den Sitzungen teilnahm.[4]

Später kamen noch der Reichshofratspräsident, der Hofkammerpräsident, der Hofkriegsratspräsident und die Bischöfe von Wien und Olmütz hinzu. Ausführendes Organ war zunächst die österreichischen Expedition der Reichshofkanzlei, seit 1620 die österreichische Hofkanzlei. Mit der Gründung der Geheimen Konferenz 1669 verlor der Geheime Rat an Bedeutung.

Ordentliche Mitglieder hatte der Geheime Rat unter Ferdinand I. nach den venezianischen Berichten[4] nie mehr als vier; doch führte der Kaiser, der den Sitzungen regelmässig beiwohnte, auch seine drei Söhne in die Beratungen ein.[5]

Funktion

Der 1527 geschaffene Geheime Rat war das wichtigste kaiserliche Gremium, das die anderen Behörden und Justizgremien der Habsburger Monarchie koordinierte. Ihm waren in großem Umfang die wichtigen Entscheidungen anderer Hofgremien zur Kontrolle vorzulegen, und er diskutierte die Durchsetzung und operative Umsetzung der politischen Gesamtstrategie des Kaisers.[6] Dem Geheimen Rat oblag es in erster Linie den Fürsten in Sachen der auswärtigen Politik und der inneren Justiz- oder Finanzanglegenheiten zu beraten.[1]

Eine weitere Funktion des Geheimen Rats war zudem eine scharfe Kontrolle der Provinzialverwaltung mit ihren ständischen Interessen, eine energische Zurückdrängung partikularistischer Bestrebungen, Zentralisierung der Verwaltung, Einschränkung der Stände und damit die Stärkung der monarchischen Gewalt.[5]

Geheime Konferenz

Wenzel Eusebius von Lobkowicz war erster und einziger Präsident der Geheimen Konferenz

Die Geheime Konferenz wurde 1669 gegründet, Ansätze reichen aber bis 1664 zurück. Ferdinand II. und Ferdinand III. hatten in der Mitte des 17. Jhd. kleine und geheime Gremien geschaffen und als „Konferenzen“ bezeichnet. Hinzu kamen besondere themengebundene Kommissionen, die für finanzielle und militärische Belange zuständig waren.[7]

Hintergrund war das enorme Anwachsen des Geheimen Rates, der vertrauliche und effektive Beratungen nicht mehr zuließ. Die Geheime Konferenz wurde als ein Ausschuss des Geheimen Rates gegründet. Zur Zeit Leopold I. hatte die Konferenz zunächst nur vier Mitglieder. Zuletzt gehörten ihm zwölf Personen an.

Wie dieser befasste sich die Konferenz mit den Sachen des kaiserlichen Hauses und den (auswärtigen) Staatssachen des Kaisers als Oberhaupt des Heiligen Römischen Reiches und Landesherr der Habsburgermonarchie. Den Vorsitz sowohl im Rat wie auch in der Konferenz hatte in der Regel der Obersthofmeister. Berichterstatter war zunächst der Reichsvizekanzler und später auch der österreichischen Hofkanzler. Die Konferenz erstattete nicht dem Geheimen Rat, sondern dem Kaiser selbst Bericht.

In der Zeit von Leopold I. war die Geheime Konferenz das zentrale Gremium für die Außenpolitik, während der Rat sich mit Steuerfragen, Gnaden- und Privilegienvergaben befasste. Allerdings hat eine Kompetenzabgrenzung nie stattgefunden. Etwa zehn Jahre nach Gründung wurden deputierte Geheime Räte in der geheimen Konferenz eingeführt, um die Arbeit zu erleichtern.

Kommissionen des Geheimen Rats

Bereits 1698 war eine Deputation aus den Leitern von österreichischer und böhmischer Hofkanzlei, Hofkriegsrat und Hofkammer zur Beratung der Finanzierung der Kaiserlichen Armee gebildet worden.

Bis zum Ende der Regierungszeit Leopolds I. wuchs die Zahl der Kaiserlichen Wirklich-Geheimen Räte auf 164 an, zusätzlich der Titular-Räte ohne Sitz und Stimme. Der Geheime Rat und die Geheime Konferenz wurden nicht mehr einberufen, stattdessen wurden Konferenzen (Kommissionen) des Geheimen Rats zu einzelnen Ressorts gebildet. An der Spitze der meisten Kommissionen stand der Erste Geheime Rat oder Prinzipalminister Wenzel Eusebius von Lobkowicz. Nach seinem Sturz 1674 wurde die Stelle nicht mehr besetzt, Leopold leitete die Geschäfte zunehmend unabhängig von seinen Ministern. Bindeglied der habsburgischen Politik wurde Hofkanzler Johann Paul Hocher.

Joseph I. hob die Geheime Konferenz 1705 auf und gab den Kommissionen des Geheimen Rats eine Geschäftseinteilung. 33 ausgewählte Geheime Räte kamen in sieben Kommissionen von drei bis fünf Personen zu ihrem jeweiligen Ressort zusammen:

  1. Reichssachen (Reichshofrat, Reichskammergericht, Prinzipalkommissar und Beziehungen zu den Reichsständen), Beziehungen zu den Königen von Schweden, Dänemark und Polen-Litauen
  2. Beziehungen zu Großbritannien, den Vereinigten Niederlanden und Frankreich
  3. Beziehungen zu Spanien
  4. „romanische Sachen“ (Italien)
  5. Militärische Angelegenheiten der Haager Allianz
  6. Beziehungen zur Eidgenossenschaft
  7. Beziehungen zum Osmanischen Reich
Karl Theodor Otto von Salm

Den Kommissionen stand Obersthofmeister Karl Theodor Otto zu Salm vor. Daneben existierten noch ad hoc eingerichtete Kommissionen.

Diese Struktur bewährte sich nicht, so dass 1709 eine weitere Kommission, der Konferenzrat, auch Geheime oder Kaiserliche Konferenz, aus acht Geheimen Räten gegründet wurde. Mitglieder waren der Obersthofmeister Karl Theodor Otto zu Salm, der Oberstkämmerer Heinrich Franz von Mansfeld, der Prinzipalkommissar Johann Philipp von Lamberg, Generalleutnant Eugen von Savoyen, Ernst Friedrich von Windisch-Graetz, Hofkanzler Johann Friedrich von Seilern, Oberstkanzler Wenzel Norbert Octavian Graf Kinsky und der erfahrene Geheime Rat Johann Wenzel Wratislaw von Mitrowitz.

Unter Vorsitz des Kaisers sollten auswärtige Fragen, Sachen des Reiches und Kriegsfragen beraten und beschlossen werden. Ausgeschlossen sollte nunmehr der Reichsvizekanzler werden. Als Vertreter des Reiches und Stellvertreter des Mainzer Kurfürsten sollte er keinen Einblick mehr in die inneren habsburgischen Angelegenheiten nehmen können. Nur wenn Reichssachen zu beraten waren, wurde er und der Präsident des Reichshofrates hinzugezogen.

Zur Zeit von Karl VI. bestand die Kaiserliche Konferenz aus Eugen von Savoyen (Militär), Philipp Ludwig Wenzel von Sinzendorf (Auswärtiges) und Gundaker Thomas Starhemberg (Finanzen).[8] Sie bekam mit der Neuorganisation der österreichischen und der böhmischen Hofkanzlei eine neue Ordnung. Seither konnten auch Vertreter des Hofkriegsrates, der „spanischen Behörden“[9] (später die Räte der Niederlande[10] und der italienischen Besitzungen), der ungarischen und böhmischen Hofkanzlei zum Vortrag vor der Kaiserlichen Konferenz aufgefordert werden. Der österreichische Hofkanzler trug meist die außenpolitischen Probleme vor. Auch der Reichsvizekanzler hatte in der Konferenz die Reichssachen vorzutragen.

1716 wurde darüber hinaus eine Finanzkonferenz zur Leitung und Kontrolle der Hofkammer und des neu entstandenen österreichischen Bankwesens eingerichtet. Die anderen Kommissionen bestanden weiterhin.

Abschaffung

Maria Theresia schaffte den Geheimen Rat und die Kommissionen 1749 schließlich ab. Außenpolitische Aufgaben wurden der Staatskanzlei, später dem Staatsrat übertragen, die Innenpolitik der zum directorium in publicis et cameralibus umgestalteten Hofkanzleien, die Rechtspflege der Obersten Justizstelle. Im Direktorium war kein Platz mehr für die alten Ratsgremien.[11] Der Titel k.k. Geheimer Rat blieb für Gesandte und die Spitzen von Hof- und Staatsverwaltung bestehen. Höchste Würdenträger des Staates und des Hofes haben im Laufe des Bestehens von Geheimen Rat und Geheimer Konferenz die Monarchen beraten. Aber zu einer echten Regierung entwickelte sich das Gremium nie.

Literatur

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. a b Thomas Feller: Der geheime Rat, die Konferenz und die Deputation S. 38
  2. a b Thomas Feller: Der geheime Rat, die Konferenz und die Deputation S. 37
  3. Otto Hinze S. 142
  4. a b c d e f g Otto Hinze S. 143
  5. a b Otto Hinze S. 144
  6. Stefan Ehrenpreis: Die Ratgeber Kaiser Rudolfs II. in der Zeit des Bruderzwists. Der institutionelle Rahmen In: Václav Bůžek (Hrsg.): Ein Bruderzwist im Hause Habsburg (1608-1611) Opera historica 14 2010 Editio Universitatis Bohemiae Meridionalis S. 91–101
  7. Wolfgang Neugebauer: Monarchisches Kabinett und geheimer Rat S. 514
  8. Johann Basilius Küchelbecker: Allerneueste Nachricht vom Römisch-Kayserlichen Hof. Nicolaus Förster und Sohn, 1730, S. 297 (google.de [abgerufen am 11. April 2023]).
  9. Renate Zedinger: Die Spanischen Behörden der Niederlande In: Die Verwaltung der Österreichischen Niederlande in Wien (1714-1795) Böhlau Wien 2000 S. 23
  10. Renate Zedinger: Der höchste Rat der Niederlande In: Die Verwaltung der Österreichischen Niederlande in Wien (1714-1795) Böhlau Wien 2000 S. 30
  11. Wolfgang Neugebauer S. 516
  12. in Online-Version abweichende Seitenangaben