Eisenbahnunfall von Pardubice

Eisenbahnunfall von Pardubice
von (Wien–) Česká Třebová
~304,500Unfallort
304,620Pardubice centrum
305,690Pardubice hlavní nádraží
nach Zawidów
nach Praha Masarykovo nádraží

Der Eisenbahnunfall von Pardubice war der Frontalzusammenstoß zweier Züge im Bahnhof Pardubice hlavní nádraží in Tschechien am 5. Juni 2024. Vier Menschen starben, 27 weitere wurden verletzt.

Ausgangslage

Unfallort während der Beräumung. Links die Lokomotive 388 205 von Regiojet, rechts die schwer beschädigte 363 529 von ČD Cargo (7. Juni 2024)

Der Schnellzug RJ 1021 des Eisenbahnverkehrsunternehmens Regiojet war als Nachtreisezug von Praha hl.n. nach Čop (Tschop) in der Ukraine auf der zweigleisigen, elektrifizierten Bahnstrecke Česká Třebová–Praha pünktlich unterwegs. Er wurde von der Elektrolokomotive 388 205 des Typs Bombardier Traxx MS3 gezogen. Der Zug mit 15 Wagen war mit etwa 380 Reisenden besetzt. Der erste Wagen, der hinter der Lokomotive lief, war ein Liegewagen der Bauart Bcmz, den Regiojet gebraucht von den Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) gekauft und modernisiert hatte. In Pardubice hlavní nádraží hatte der Zug einen planmäßigen Halt zum Fahrgastwechsel.

In der Gegenrichtung verkehrte der Ganzzug Nex 41340 von ČD Cargo mit ISO-Containern von Bratislava nach Bremerhaven. Er wurde von der Elektrolokomotive 363 529 gezogen.

Der Bahnhof Pardubice hlavní nádraží ist nach dem Reisendenaufkommen der drittgrößte in Tschechien. Seit 2020 war er umfassend modernisiert worden. Die Arbeiten waren kurz zuvor am 31. Mai 2024 mit einem Festakt in Anwesenheit von Ministerpräsident Petr Fiala offiziell abgeschlossen worden. Der Bahnhof wurde im Zuge der Erneuerungsarbeiten mit dem europäischen Zugbeeinflussungssystem ETCS ausgerüstet, das zum Unfallzeitpunkt allerdings noch nicht in Betrieb war. Das veraltete und durch ETCS abzulösende Zugbeeinflussungssystem LS wurde nicht wieder eingebaut.[1]

Unfallhergang

Entgegen dem „Halt“ zeigenden Ausfahrsignal fuhr der RJ 1021 aus dem Bahnhof Pardubice aus.[2] Der Zug befuhr dabei die für den Güterzug eingestellte Fahrstraße – muss dazu also auch eine Weiche aufgeschnitten haben – und beschleunigte auf 60 km/h. Erst dann bemerkte der Lokomotivführer seinen Fehler und brachte den Zug mit einer Notbremsung zum Stehen.[2]

Der mit etwa 30 bis 40 km/h fahrende Güterzug stieß daraufhin um 22.49 Uhr frontal mit dem Schnellzug zusammen. Während die moderne Bombardier Traxx dem Aufprall weitgehend standhielt, wurde der nachfolgende erste Wagen des Reisezuges schwer beschädigt. Bei dem von den ÖBB stammenden, überalterten Liegewagen hinter der Lokomotive versagte die Kastenstruktur, so dass er im vorderen Drittel seitlich abknickte.

Die ältere Lokomotive des Güterzuges und der nachfolgende erste, beladene Containertragwagen wurden irreparabel zerstört.

Folgen

Korrosionsschaden an der Kastenstruktur eines Schlafwagens von Regiojet (9. Juni 2024)

Vier Menschen starben im Liegewagen unmittelbar hinter der Lokomotive. Weitere 27 wurden verletzt. Die beiden Lokomotivführer überlebten. Der Sachschaden wurde auf über vier Millionen Euro beziffert.

Der Verkehr auf der Strecke war für neun Stunden unterbrochen, bevor ein Gleis wieder mit 10 km/h befahren werden konnte. Der Regelbetrieb war am 7. Juni 2024 wieder hergestellt. Da auf den möglichen Umleitungsstrecken zu diesem Zeitpunkt Instandsetzungen stattfanden, führte das weiträumig zu Störungen im Eisenbahnverkehr.

Der Schaden an dem überalterten Liegewagen, der unmittelbar hinter der Lokomotive des RJ 1021 lief, war bei dem Zusammenstoß auffällig. Vermutet wird Korrosion an der Wagenkastenstruktur. Regiojet nahm daraufhin alle seine 13 weiteren baugleichen Wagen am 7. Juni 2024 aus dem Verkehr. Bereits am 20. April 2018 war ein solcher Wagen bei einem Rangierunfall in Salzburg Hbf auf ähnliche Weise beschädigt worden. Auch dort war der Wagenkasten im vorderen Drittel eingeknickt. Regiojet hat eine europaweite Überprüfung dieses Wagentyps angestoßen.[3] Bei den 28 baugleichen Wagen, die bei den ÖBB im Einsatz sind, hat diese keine entsprechenden Schäden festgestellt.[4]

Einzelnachweise

  1. „Po miliardové rekonstrukci je v Pardubicích horší zabezpečení. Tvoříme nebezpečné prostředí, říká školitel“ auf zdopravy.cz
  2. a b Radio Prag international: Nach Zugunglück in Pardubice: Ermittler untersuchen Unfallursache vom 13. Juni 2024; abgerufen am 17. Juli 2024
  3. Frontalkollision in Pardubice. In: Eisenbahn-Revue International 7/2024, S. 301
  4. ho: Wartungs- oder Konstruktionsmängel bei Jenbacher Liegewagen?. In: Eisenbahn-Revue International 8–9/2024, S. 360.