„Villa Diodati“ – Versionsunterschied

[gesichtete Version][gesichtete Version]
Inhalt gelöscht Inhalt hinzugefügt
Keine Bearbeitungszusammenfassung
+ Bild
 
(31 dazwischenliegende Versionen von 24 Benutzern werden nicht angezeigt)
Zeile 1: Zeile 1:
<!--schweizbezogen-->
<!--schweizbezogen-->
[[Bild:Villa diodati 2008.07.27 rg 5.JPG|thumb|Villa Diodati]]
[[Datei:Villa diodati 2008.07.27 rg 5.JPG|mini|Villa Diodati]]
Die '''Villa Diodati''' ist ein [[Landgut]] in [[Cologny]] am [[Genfersee]].
Die '''Villa Diodati''' ist ein [[Landgut]] in [[Cologny]] am [[Genfersee]].


== Geschichte ==
Es war 1710 von Gabriel Diodati, einem Nachkommen [[Giovanni Diodati]]s erworben und mit einem Herrschaftssitz versehen worden. Hier trafen 1816 [[Mary Shelley|Mary Wollstonecraft]], der [[Romantik]]er und Marys späterer Ehemann [[Percy Bysshe Shelley]], der englische Dichter [[George Gordon Byron|Lord Byron]] (George Gordon Byron) mit seiner heimlichen Geliebten Claire (Marys Halbschwester) sowie der Arzt und Schriftsteller [[John Polidori]] zusammen. Die Villa war von Lord Byron gemietet worden und gilt seither als wichtige Stätte der Literaturgeschichte.
Das Landgut war 1710 von Gabriel Diodati, einem Nachkommen [[Giovanni Diodati]]s erworben und mit einem Herrschaftssitz (Villa Belle Rive) versehen worden. Hier trafen 1816 [[Mary Shelley|Mary Godwin]], der [[Romantik]]er und Marys späterer Ehemann [[Percy Bysshe Shelley]], der englische Dichter [[George Gordon Byron|Lord Byron]] (George Gordon Byron) mit seiner schwangeren Exgeliebten [[Claire Clairmont]] (Marys Stiefschwester)<ref>Richard Holmes: ''Shelley. The Pursuit'', London 1974, 2/1994, Neuauflage 2005 (Harper Perennial), S. 170.</ref> sowie der Arzt und Schriftsteller [[John Polidori]] zusammen. Die Villa war von Lord Byron gemietet worden, da er (irrtümlich) glaubte, dass [[John Milton]] 1638 dort die Familie des kurz zuvor verstorbenen Jugendfreundes Charles Diodati besucht hätte.
Sie gilt seither als wichtige Stätte der Literaturgeschichte.


[[Datei:Lord Byron 1816 mit Wasserpfeife in der Villa Diodati 1816.jpg|mini|Lord Byron 1816 mit Wasserpfeife in der Villa Diodati 1816]]
[[Datei:Meyers Universum Band 02 20.jpg|mini|Ansicht der Villa Mitte der 1830erJahre]]
1816 ging als [[Jahr ohne Sommer]] in die Geschichte ein, da aufgrund eines Ausbruchs des indonesischen Vulkans [[Tambora]] im Jahre 1815 das Klima weltweit gestört war. Aufgrund des extrem schlechten Wetters konnten die Freunde daher oft das Haus nicht verlassen.
1816 ging als [[Jahr ohne Sommer]] in die Geschichte ein, da aufgrund eines Ausbruchs des indonesischen Vulkans [[Tambora]] im Jahre 1815 das Klima weltweit gestört war. Aufgrund des extrem schlechten Wetters konnten die Freunde daher oft das Haus nicht verlassen.


Neben dem exzessiven Genuss von [[Laudanum]] widmeten sie ihre Zeit den Disputen politischer, philosophischer und spiritistischer Fragen. [[Okkultismus|Okkulte]] Phänomene bildeten bald das Hauptthema ihrer nächtelangen Gespräche, darunter auch [[Erasmus Darwin]]s Versuche, tote Materie zum Leben zu erwecken. Da die Runde gerne aus deutschen Gespenstermärchen vorlas, schlug Byron schliesslich vor, jeder solle sich selbst eine solche Geschichte ausdenken.
Neben dem exzessiven Genuss von [[Opiumtinktur|Laudanum]] widmeten sie ihre Zeit den Disputen politischer, philosophischer und spiritistischer Fragen. [[Okkultismus|Okkulte]] Phänomene bildeten bald das Hauptthema ihrer nächtelangen Gespräche, darunter auch [[Erasmus Darwin]]s Versuche, tote Materie zum Leben zu erwecken. Da die Runde gerne aus deutschen Gespenstermärchen vorlas, schlug Byron schliesslich vor, jeder solle sich selbst eine solche Geschichte ausdenken.


Aus Mary Wollstonecraft Shelleys Feder entsprang die Geschichte von [[Frankenstein (Roman)|Frankenstein]] (''Frankenstein; or The Modern [[Prometheus]]''), während Percy Shelley und Lord Byron eine düstere Erzählung entwarfen, die allerdings Fragment blieb. John Polidori benannte sein Werk ''[[Der Vampyr (Polidori)|Der Vampyr]]'', welches von ihm erst später beendet wurde, liess sich dabei aber von Byrons Werk beeinflussen und der Titelheld seiner Geschichte ''Lord Ruthven'' wurde sogar mit Byron ähnlichen Zügen ausgestattet. Dieses Werk war schliesslich der Auslöser für das literarische Vampirfieber, welches auch [[Bram Stoker]]s [[Dracula (Roman)|Dracula]] hervorbrachte.
Aus Mary (Godwin) Shelleys Feder entsprang die Geschichte von [[Frankenstein (Roman)|Frankenstein]] (''Frankenstein; or The Modern [[Prometheus]]'' mit einem Leitmotiv aus John Miltons [[Paradise Lost]]), während Percy Shelleys Geistergeschichte nicht niedergeschrieben wurde.<ref>Holmes, Richard: ''Shelley. The Pursuit'', London 1974, 2/1994, Neuauflage 2005 (Harper Perennial), S. 328.</ref>

Lord Byron verfasste einen kurzen, achtseitigen Entwurf, den er im Juni 1819 unter dem Titel ''Fragment'' zusammen mit seinem erzählenden Gedicht ''[[Mazeppa (Lord Byron)|Mazeppa]]'' veröffentlichte.<ref>Fiona MacCarthy: ''Byron. Life and Legend'', London 2002, 2014 (John Murray Publishers Ltd), S. 293f.</ref>

John Polidori nannte sein Werk ''[[Der Vampyr (Polidori)|Der Vampyr]]'', es wurde erst später von ihm beendet. Er entnahm dabei Byrons ''Fragment'' wesentliche Anregungen, schuf aber eine eigenständige Erzählung, in der er den Titelhelden seiner Geschichte, Lord Ruthven, mit Byron-ähnlichen Zügen ausstattete.
Dieses Werk war schliesslich der Auslöser für das literarische Vampirfieber, welches auch [[Bram Stoker]]s [[Dracula (Roman)|Dracula]] hervorbrachte.<ref>Fiona MacCarthy: ''Byron. Life and Legend'', London 2002, 2014 (John Murray Publishers Ltd), S. 294.</ref>

Sowohl die Ereignisse in der Villa Diodati als auch Mary Shelleys Erzählung wurden 1973 von [[Brian Aldiss]] in seinem Roman „Der entfesselte Frankenstein“ (im Original „Frankenstein Unbound“) miteinander verwoben. Diese Erzählung diente 1990 [[Roger Corman]] als Anregung für den Film „Roger Cormans Frankenstein“.


Das Treffen wurde 1986 von [[Ken Russell]] als ''[[Gothic (Film)|Gothic]]'' mit [[Gabriel Byrne]], [[Julian Sands]], [[Natasha Richardson]] und [[Timothy Spall]] verfilmt.
Das Treffen wurde 1986 von [[Ken Russell]] als ''[[Gothic (Film)|Gothic]]'' mit [[Gabriel Byrne]], [[Julian Sands]], [[Natasha Richardson]] und [[Timothy Spall]] verfilmt.


Von 1945 bis 1946 wohnte in der Villa Diodati die Familie des Malers [[Balthus]].
Von 1945 bis 1946 wohnte in der Villa Diodati die Familie des Malers [[Balthus]].

== Einzelnachweise ==

<references />


== Weblinks ==
== Weblinks ==
{{Commonscat}}
*{{HLS|25501|zur Familie Diodati}}
* {{HLS|25501|Diodati|Autor= Micheline Tripet}}


{{Coordinate |NS=46/13/13/N |EW=6/11/00/E |type=landmark |region=CH-GE|dim=25}}
{{Coordinate |NS=46/13/13/N |EW=6/11/00/E |type=landmark |region=CH-GE|dim=25}}

{{Normdaten|TYP=g|GND=4773272-6|VIAF=246305288}}


[[Kategorie:Villa in der Schweiz|Diodati]]
[[Kategorie:Villa in der Schweiz|Diodati]]
[[Kategorie:Bauwerk im Kanton Genf]]
[[Kategorie:Bauwerk im Kanton Genf]]
[[Kategorie:Kulturgut von nationaler Bedeutung im Kanton Genf]]

[[Kategorie:Cologny]]
[[en:Villa Diodati]]
[[es:Villa Diodati]]
[[ja:ディオダディ荘の怪奇談義]]

Aktuelle Version vom 24. Mai 2024, 19:04 Uhr

Villa Diodati

Die Villa Diodati ist ein Landgut in Cologny am Genfersee.

Geschichte

Das Landgut war 1710 von Gabriel Diodati, einem Nachkommen Giovanni Diodatis erworben und mit einem Herrschaftssitz (Villa Belle Rive) versehen worden. Hier trafen 1816 Mary Godwin, der Romantiker und Marys späterer Ehemann Percy Bysshe Shelley, der englische Dichter Lord Byron (George Gordon Byron) mit seiner schwangeren Exgeliebten Claire Clairmont (Marys Stiefschwester)[1] sowie der Arzt und Schriftsteller John Polidori zusammen. Die Villa war von Lord Byron gemietet worden, da er (irrtümlich) glaubte, dass John Milton 1638 dort die Familie des kurz zuvor verstorbenen Jugendfreundes Charles Diodati besucht hätte. Sie gilt seither als wichtige Stätte der Literaturgeschichte.

Lord Byron 1816 mit Wasserpfeife in der Villa Diodati 1816
Ansicht der Villa Mitte der 1830erJahre

1816 ging als Jahr ohne Sommer in die Geschichte ein, da aufgrund eines Ausbruchs des indonesischen Vulkans Tambora im Jahre 1815 das Klima weltweit gestört war. Aufgrund des extrem schlechten Wetters konnten die Freunde daher oft das Haus nicht verlassen.

Neben dem exzessiven Genuss von Laudanum widmeten sie ihre Zeit den Disputen politischer, philosophischer und spiritistischer Fragen. Okkulte Phänomene bildeten bald das Hauptthema ihrer nächtelangen Gespräche, darunter auch Erasmus Darwins Versuche, tote Materie zum Leben zu erwecken. Da die Runde gerne aus deutschen Gespenstermärchen vorlas, schlug Byron schliesslich vor, jeder solle sich selbst eine solche Geschichte ausdenken.

Aus Mary (Godwin) Shelleys Feder entsprang die Geschichte von Frankenstein (Frankenstein; or The Modern Prometheus mit einem Leitmotiv aus John Miltons Paradise Lost), während Percy Shelleys Geistergeschichte nicht niedergeschrieben wurde.[2]

Lord Byron verfasste einen kurzen, achtseitigen Entwurf, den er im Juni 1819 unter dem Titel Fragment zusammen mit seinem erzählenden Gedicht Mazeppa veröffentlichte.[3]

John Polidori nannte sein Werk Der Vampyr, es wurde erst später von ihm beendet. Er entnahm dabei Byrons Fragment wesentliche Anregungen, schuf aber eine eigenständige Erzählung, in der er den Titelhelden seiner Geschichte, Lord Ruthven, mit Byron-ähnlichen Zügen ausstattete. Dieses Werk war schliesslich der Auslöser für das literarische Vampirfieber, welches auch Bram Stokers Dracula hervorbrachte.[4]

Sowohl die Ereignisse in der Villa Diodati als auch Mary Shelleys Erzählung wurden 1973 von Brian Aldiss in seinem Roman „Der entfesselte Frankenstein“ (im Original „Frankenstein Unbound“) miteinander verwoben. Diese Erzählung diente 1990 Roger Corman als Anregung für den Film „Roger Cormans Frankenstein“.

Das Treffen wurde 1986 von Ken Russell als Gothic mit Gabriel Byrne, Julian Sands, Natasha Richardson und Timothy Spall verfilmt.

Von 1945 bis 1946 wohnte in der Villa Diodati die Familie des Malers Balthus.

Einzelnachweise

  1. Richard Holmes: Shelley. The Pursuit, London 1974, 2/1994, Neuauflage 2005 (Harper Perennial), S. 170.
  2. Holmes, Richard: Shelley. The Pursuit, London 1974, 2/1994, Neuauflage 2005 (Harper Perennial), S. 328.
  3. Fiona MacCarthy: Byron. Life and Legend, London 2002, 2014 (John Murray Publishers Ltd), S. 293f.
  4. Fiona MacCarthy: Byron. Life and Legend, London 2002, 2014 (John Murray Publishers Ltd), S. 294.
Commons: Villa Diodati – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Koordinaten: 46° 13′ 13″ N, 6° 11′ 0″ O; CH1903: 503142 / 119535